Defektes Warnlicht kein außergewöhnlicher Umstand

AG Rüsselsheim: Defektes Warnlicht kein außergewöhnlicher Umstand

Ein Flug den die Kläger im Rahmen einer Pauschalreise bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen gebucht hatten, wurde erst mit einer Ankunftsverspätung von fünf Stunden und fünfunddreißig Minuten ausgeführt worden. Die Kläger fordern deshalb nun eine Ausgleichzahlung wegen der eingetretenen Flugverspätung. Die Beklagte beruft sich auf einen außergewöhnlichen Umstand und ist der Ansicht, sie habe aus diesem Grund für die entstandene Verspätung nicht zu haften.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hält die Klage für begründet. Die Kläger haben Anspruch auf die geforderten Ausgleichszahlungen wegen der entstandenen Flugverspätung. Bei dem vorliegenden behaupteten Defekt des Warnlichtes handele es sich demnach nicht um einen außergewöhnlichen Umstand, der die Beklagte von ihrer Haftung befreien könnte.

AG Rüsselsheim 3 C 1528/09 (32) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 19.08.2010
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 19.08.2010, Az: 3 C 1528/09 (32)
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Amtsgericht Rüsselsheim

1. Urteil vom 19. August 2010

Aktenzeichen: 3 C 1528/09 (32)

Leitsätze:

2. Ein technischer Defekt am Warnlicht eines Flugzeuges begründet keinen haftungbefreienden außergewöhnlichen Umstand.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei einer Reiseveranstalterin eine Pauschalreise gebucht inklusive Hin- und Rückflug gebucht. Der Hinflug sollte am 06.09.2009 durch die Beklagte, ein Luftfahrtunternehmen erfolgen. Allerdings ist dieser Flug mit einer Ankunftsverspätung von fünf Stunden und fünfunddreißig Minuten ausgeführt worden.

Die Kläger fordern deshalb nun eine Ausgleichzahlung gem. Artikel 7 Abs. 1 b der Verordnung (EG) 261/2004 i.H.v. 400,– Euro  wegen der eingetretenen Flugverspätung. Die Beklagte fordert die Abweisung der Klage und beruft sich dabei auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der obengenannten Verordnung. Sie behauptet, dass ein Relais des Warnlichts des hinteren Cross Feed Ventils defekt gewesen sei und der Flug deshalb erst mit Verspätung habe starten können.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hält die Klage für überwiegend begründet und spricht den Klägern die geforderten Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 Abs. 1 b der Verordnung (EG) 261/2004 i.H.v. 400,– Euro gegen die Beklagte zu, weil diese den streitgegenständlichen Flug erst mit einer Verspätung von 5 Stunden und 35 Minuten durchgeführt habe, was einen Anspruch auf Ausgleichszahlung rechtfertige, obwohl keine Annullierung vorliege.

Bei dem vorliegenden behaupteten Defekt des Warnlichtes handele es sich demnach nicht um einen außergewöhnlichen Umstand. Technische Defekte, die im Luftfahrtbetrieb gelegentlich auftreten können seien für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände und das beklagte Luftfahrtunternehmen habe foglich für die entstandene Verspätung zu haften.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.12.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent der zu vollsteckenden Summe abzuwenden, wenn nicht zuvor Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

5. Die Kläger begehren jeweils Ausgleichszahlung in Höhe von 400,– Euro gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

6. Sie hatten über den Reiseveranstalter I eine Pauschalreise gebucht, wobei die Flugbeförderung am 06.09.2009 von F nach Jerez de la Frontera durch die Beklagte erfolgen sollte. Dieser Flug ist mit einer Ankunftsverspätung von fünf Stunden und fünfunddreißig Minuten ausgeführt worden.

7. Der Klägervertreter hat die Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2009 vergeblich zur Zahlung von jeweils 400,– Euro aufgefordert. Vorprozessual hat der Reiseveranstalter den Klägern einen Scheck über 120,– Euro als Reisepreisminderung übersandt, der jedoch nicht eingelöst worden ist.

8. Die Beklagte hat diesbezüglich und auch hilfsweise bezüglich der Rechtsanwaltskosten die Anrechnung gemäß Artikel 12 der obengenannten Verordnung erklärt.

9. Die Kläger beantragen,

10. 1. die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2009 zu bezahlen.

11. 2. die Beklagte wird weiter verurteilt, die Kläger von Kosten für vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit in Höhe von 120,67 Euro freizustellen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Sie behauptet, dass ein Relais des Warnlichts des hinteren Cross Feed Ventils defekt gewesen sei. Diese unterliege keiner vorgeschriebenen Wartung – oder Austauschintervallen.

15. Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich um einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der obengenannten Verordnung handele und ist außerdem der Meinung, dass eine analoge Anwendung des Artikel/Abs. 2 b der Verordnung vorzunehmen sei.

Entscheidungsgründe:

16. Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung begründet.

17. Den Klägern steht jeweils gemäß Artikel 7 Abs. 1 b der Verordnung (EG) 261/2004 eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400,– Euro gegen die Beklagte zu. Diese hat den Flug von Frankfurt nach Jerez des la Frontera am 6. September 2009 mit einer Verspätung von 5 Stunden und 35 Minuten durchgeführt. Dies begründet einen Anspruch auf Ausgleichszahlung, obwohl keine Annullierung vorliegt (vergleiche BGH Xa ZR 95/06 mit Hinweisen auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs).

18. Der vorgenannte Ausgleichsanspruch ist auch nicht entsprechend Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung ausgeschlossen. Bei dem vorliegenden behaupteten Defekt des Relais, handelt es sich nicht um außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser Vorschrift. Vielmehr begründen technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsleistung wegen Annullierung eines Fluges befreien können (so BGH a. a. O.).

19. Dem LG Darmstadt 7 S 200/08 im vollem Umfang folgend ist festzustellen: „Es sind keine Gründe vorgetragen wonach dieses technische Problem seine Ursache in von der Beklagten nicht beherrschbare Umständen hatte. Allein die Seltenheit eines derartigen Defekts und/oder der zeitliche bzw. logistische Aufwand zur Beseitigung diese Mangels, entlastet den Luftfahrtführer nach Artikel 5 Abs. 3 der EG – Verordnung nicht. Wartungsfreie Teile mit völlig unbegrenzter Lebensdauer kann es bei modernen Verkehrsflugzeugen mit derart technisch komplizierten Teilen, wie dies gerade auch aus der Beschreibung der Beklagten hervorgeht, schon denknotwendig nicht geben. Auch wenn es zutreffend sein sollte, dass die beschriebenen Teile wartungsfrei sind, so sind sie eben doch nicht unbegrenzt „haltbar“, wie auch gerade dieser Fall zeigt. Es geht dabei auch nicht um subjektive Vorwerfbarkeit oder sogar Vermeidbarkeit des Defekts, sondern allein darum, dass sich hier das unternehmerische Risiko des Ausfalls eines „Arbeitsgeräts“ realisiert hat.“

20. Der Anspruch der Kläger ist auch nicht gemäß Artikel 7 Absatz 2 b der obengenannten Verordnung zu kürzen. Zum Einen handelt es sich um keine anderweitige Beförderung zum Endziel und zum Anderen ist eine Verspätung von mehr als 4 Stunden gegeben. Gründe für eine Addition der in Artikel 7 Abs. 2 genannten Zeiten mit einer Verspätung von 3 Stunden sind nicht ersichtlich.

21. Auch eine Anrechnung gemäß Artikel 12 der EU-Verordnung ist nicht begründet, da lediglich weitergehende Schadensersatzansprüche auf gewährte Ausgleichsleistungen anzurechnen sind und nicht umgekehrt. Darüber hinaus sind Zahlungen Dritter ebenso wenig erfasst wie deren Scheckübersendung.

22. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren besteht nicht, da der Klägervertreter bereits vor Verzug eingeschaltet worden ist und damit die Voraussetzungen für einen Anspruch gem. den §§ 280, 286 BGB nicht vorliegen.

23. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

24. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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