Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens im Zusammenhang mit „wet lease“

LG Hamburg: Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens im Zusammenhang mit „wet lease“

Das Landgericht Hamburg legte im Rahmen einer Streitigkeit über eine Ausgleichszahlung wegen einer Flugverspätung dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, welches Unternehmen im Falle eine Wet-Lease als ausführender Luftfrachtführer anzusehen ist.

LG Hamburg 309 S 89/16 (Aktenzeichen)
LG Hamburg: LG Hamburg, Urt. vom 20.06.2017
Rechtsweg: LG Hamburg, Urt. v. 20.06.2017, Az: 309 S 89/16
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Landgericht Hamburg

1. Urteil vom 29. Juni 2017

Aktenzeichen 309 S 89/16

Leitsatz:

2. Der Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens i.S.d. Art. 2 FluggastrechteVO ist europakonform auszulegen.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger waren Reiseende und buchten bei einer GmbH eine Reise, die von der Beklagten –  einem Luftfahrtunternehmen – durchgeführt werden sollte. Als der Flug mehr als 3 Stunden Verspätung hatte, verlangen die Kläger Ausgleichszahlungen wegen verspätetem Abflug. Zwar wurde der Flug von der Beklagten durchgeführt,  diese hatte das Flugzeug samt Besatzung aber an einen Dritten – den Reiseveranstalter – zum chartern überlassen. Der Dritte verfügte über die Buchungen, Abflugszeiten etc. Für das Amtsgericht als Vorinstanz galt das Luftfahrtunternehmen als ausführundes Unternehmen als richtiger Klagegegner. Das LG Hamburg hat bzgl. dem Auslegen des Begriffs des „ausführenden Unternehmens“ iSd Art. 2 b) FluggastrechteVO Bedenken und gibt den Fall zum EuGH zur Klärung. 

Tenor:

4. Das Verfahren wird ausgesetzt.

5. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:

6. Ist der Begriff des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“ der VO (EG) 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (im Folgenden: FluggastrechteVO) dahingehend auszulegen, dass ein Luftfahrtunternehmen, welches einem anderen im Rahmen eines sog. wet lease für eine vertraglich festgelegte Anzahl vom Flügen das Flugzeug samt Besatzung vermietet, für die jeweiligen Flüge aber nicht die hauptsächliche operationelle Verantwortung trägt, und die Buchungsbestätigung des Passagiers ausweist: „ausgeführt von…“ eben diesem Unternehmen, als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne dieser Verordnung gilt?

Gründe:

7. Die Kläger verlangen von der Beklagten Ausgleichszahlungen nach Art. 7 (1) b) der FluggastrechteVO.

8. Die Buchungsbestätigung der Kläger wies als Flugnummer X. aus, hierbei handelt es sich um den Code der T.- F. GmbH. Darunter heißt es auf der Buchungsbestätigung „ausgeführt von T. Airways Ltd.“, mithin der Beklagten.

9. Der Flug wurde mit einem Flugzeug und einer Besatzung der Beklagten durchgeführt, welches die T. F. GmbH von der Beklagten im Rahmen eines sog. Wet-lease gechartert hatte. Ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Vertrages hat die T. F.GmbH von der Beklagten für eine vertraglich festgelegte Anzahl von Flügen das Flugzeug samt Besatzung (sog. A.C.M.I-leasing, Aircraft, Cabin and crew members, Maintenance and Insurance) gechartert. Nach den Bestimmungen des Vertrages ist die T. F. verantwortlich für “ground handling including passenger handling, passenger welfare at all times, cargo handling, security in respect of passengers and baggage, arranging on board services etc.” Die T. F. GmbH beantragte die Slots, verkaufte die Flüge und holte sämtliche Genehmigungen ein.

10. Das Amtsgericht hat die Beklagte wegen der Verspätung von mehr als drei Stunden zur Leistung von Schadensersatz verurteilt. Nach den Ausführungen des amtsgerichtlichen Urteil ist die Beklagte jedenfalls auch als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen, da es nach dem Erwägungsgrund (7) der FluggastrechteVO gerade nicht darauf ankäme, ob das ausführende Luftfahrtunternehmen mit einem eigenen Flugzeug oder im Rahmen eines dry oder wet lease den Flug durchführe. Ausführendes Luftfahrtunternehmen sei daher sowohl dasjenige, welches einen Flug mit eigener Mannschaft und eigenem Fluggerät – wie hier die Beklagte – durchführe, als auch dasjenige, welches sich zur Durchführung des Flugs eines gemieteten Flugzeugs mit oder ohne Besatzung bediene. Die Buchungsbestätigung weise ausdrücklich die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen aus. Eine Auslegung, die nur das Unternehmen, welches die operationelle Verantwortung für den Flug trägt, als ausführendes Luftfahrtunternehmen ansähe, verstieße auch gegen die Grundgedanken des Verbraucherschutzes, welche dieser Verordnung zugrunde lägen. Denn der Verbraucher müsse sich auf die Angaben in der Buchungsbestätigung verlassen können.

11. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte im Rahmen der Berufung. Es sei weder mit der Verordnung noch mit der Rechtsprechung in Einklang zu bringen, mehrere Luftfahrtunternehmen als ausführende im Sinne der Verordnung zu betrachten. Der Bundesgerichtshof habe vielmehr klargestellt, dass ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Verordnung immer nur ein Unternehmen sein könne. Dies könne nur das Unternehmen sein, welches die operationelle Verantwortung für die Durchführung des Fluges habe. Dies sei im vorliegenden Fall nicht die Beklagte, sondern die T. F. GmbH gewesen, unter deren Flugnummer der Flug auch durchgeführt worden sei. Denn nur das Unternehmen, welches die operationelle Verantwortung für den Flug habe, sei in der Lage, die Verpflichtungen aus der Verordnung zu erfüllen. Denn dieses Unternehmen habe die notwendige Präsenz an den Flughäfen und die Informationen über die Passagiere.

12. Die Berufungsbeklagte verweist auf die Erstellung einer gemeinsamen Liste der Luftfahrtunternehmen, gegen die in der Gemeinschaft eine Betriebsuntersagung ergangen ist, sowie über die Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens. Diese enthalte in Art. 11 (1) die Verpflichtung, die Fluggäste über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu unterrichten. Diese Verpflichtung sei durch Mitteilung, dass der Flug von der Beklagten ausgeführt werde, erfüllt worden. Ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der genannten Verordnung sei somit die Beklagte, dies müsse dann aber auch im Rahmen der FluggastrechteVO gelten.

13. Für den Erfolg der Berufung ist maßgeblich, ob (auch) die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der FluggastrechteVO anzusehen und damit passivlegitimiert ist. Dies hängt von der Auslegung des Begriffes „ausführendes Luftfahrtunternehmen“, wie er in Art. 2 b) der FluggastrechteVO definiert ist, ab.

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