Ausschluss des Kündigungsrechtes des Fluggastes gemäß § 649 BGB

AG Köln: Ausschluss des Kündigungsrechtes des Fluggastes gemäß § 649 BGB

Reisende haben bei einer Fluggesellschaft Tickets für einen Flug gebucht. Die Buchung erfolgte über ein Onlineportal und es standen mehrere Tarife zur Auswahl. Der günstigste Tarif schloss eine Rückerstattung des Ticketpreises bei einer Stornierung aus.
Die Reisenden buchten zum günstigsten Tarif und stornierten die Tickets später. Die Fluggesellschaft zahlte daraufhin lediglich die Zuschläge und Steuern an sie zurück.

Die Reisenden verklagten daraufhin die Fluggesellschaft auf vollständige Kostenrückerstattung  und bekamen durch das Amtsgericht (kurz: AG) Köln Recht.

AG Köln 142 C 238/15 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 04.04.2016
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 04.04.2016, Az: 142 C 238/15
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 04. April 2016

Aktenzeichen 142 C 238/15

Leitsätze:

2. Bei Stornierung eines Fluges stehen dem Anbieter 5% des Preises als Vergütung zu.

Sieht ein Tarif den Ausschluss von Stornierungen vor, so ist diese Klausel als Teil der AGB auszulegen.

Der Ausschluss von Stornierung ist eine unzulässige Klausel und somit unwirksam.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger buchten bei der Beklagten Flüge von Frankfurt am Main nach Kairo. Die Buchung erfolgte über das Online-Buchungssystem der Beklagten. Die Kläger konnten während der Buchung auswählen zwischen dem nicht stornierbaren Tarif „Economy Basic“ und den stornierbaren Tarifen „Economy Basic Plus“ und „Economy Basic Plus II“. Im Falle einer Stornierung würden im Tarif „Economy Basic“ lediglich die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren erstattet, aber nicht der Ticketpreis.
Die Kläger buchten 2 Tickets des Tarifs „Economy Basic“ und wurden während der Buchung noch einmal darauf hingewiesen, dass eine Stornierung des Flugtickets nicht möglich ist. Die Kosten pro Person beliefen sich auf 418,27 €. Die Kläger buchten die Tickets zu einem späteren Zeitpunkt. Die Umbuchung kostete 60 € pro Ticket. Die Kosten für die Tickets reduzierten sich jedoch auf 398,57 €.

Die Kläger stornierten ihre Flüge zu einem späteren Zeitpunkt und erhielten von der Beklagten jeweils 77,57 € zurückerstattet. Die Kläger waren der Ansicht, ihnen stünde der volle Ticketpreis zu und verklagten daraufhin die Fluggesellschaft.

Das AG Köln gab den Klägern recht, da seiner Ansicht nach die Stornierungsklausel als allgemeine Geschäftsbedingung angesehen werden konnte, anstatt nur als eine Preisvereinbarung. Das Einbehalten des gesamten Ticketpreises und lediglich die Rückzahlung von Steuern, Gebühren und Zuschlägen sind als unangemessen hoch anzusehen und widerspricht § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch war es der Beklagten nicht  klar ersichtlich, inwieweit ihr durch die Stornierung zusätzliche Kosten entstanden waren, da der Flug überbucht war und die Tickets weiterverkauft wurden. Die Beklagte wurde verurteilt an die beiden Kläger jeweils 301,07 Euro zu zahlen, sowie weitere 147,56 Euro an die Kläger als Gesamtgläubiger.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) und an die Klägerin zu 2.) jeweils 301,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 147,56 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.11.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 1.) und 2.) jeweils zu 1/10 und im Übrigen die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Beklagte wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen

Tatbestand:

5. Die Kläger nehmen die Beklagte, eine Fluggesellschaft, auf Rückzahlung des Flugpreises nach Stornierung in Anspruch.

6. Die Kläger buchten bei der Beklagten zunächst Flüge von Frankfurt am Main nach Kairo für den 18.09.2011 und von Kairo nach Frankfurt für den 19.10.2011. Die Buchung erfolgte über das Online-Buchungssystem der Beklagten. Im Rahmen des Buchungsvorgangs hatten die Kläger mittels Anklicken die Wahl zwischen den Tarifstufen „Economy Basic“, „Economy Basic Plus“ und „Economy Basic Plus II“. Diese Tarife unterschieden sich den Klägern unmittelbar ersichtlich unter anderem darin, dass alleine in den beiden letztgenannten Tarifen eine Erstattung des Flugpreises im Falle einer Stornierung erfolgen sollte. Die Kläger wählten den Tarif „Economy Basic“, der ihnen einen Platz in der Economy-Klasse des betreffenden Flugzeuges einräumte. In einem weiteren von den Klägern während des Buchungsvorgangs abrufbaren Fenster wurde in Betreff des von den Klägern gewählten Tarifs unter „Stornierungsgebühr“ ausgeführt:

7. „Die Stornierung des Tickets ist nicht möglich. Die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren sind erstattbar, der Internationaler/Nationaler Zuschlag wird nicht erstattet.“

8. Vor Abschluss des Buchungsvorgangs erhielten die Kläger die Möglichkeit, in einer Übersicht die Beträge zu überblicken, die jeweils auf den Flugpreis an sich und die für ein Ticket anfallenden Steuern, Gebühren und sonstigen Zuschläge entfielen. Durch einen Klick auf ein Fragezeichensymbol in unmittelbarer Nähe des für Steuern, Gebühren und sonstigen Zuschläge ausgeworfenen Betrages öffnete sich ein weiteres Fenster, das Aufschluss gab über die Zusammensetzung der Steuern, Gebühren und sonstigen Zuschläge, auch wurde der „Nationalen/Internationalen Zuschlag“ beziffert.

9. Der Preis für die von den Klägern vorgenommenen Buchungen belief sich je Ticket, dh. je Person für Hin- und Rückflug, auf 418,27 Euro, wobei 249,00 Euro auf den Flugtarif an sich, die übrigen 169,27 Euro auf Steuern, Gebühren und Zuschläge entfielen.

10. Am 03.09.2011 nahmen die Kläger eine Umbuchung der Flüge vor. Bei ansonsten unveränderten Bedingungen sollte der Hinflug nunmehr am 20.05.2012, der Rückflug am 20.06.2012 erfolgen. Für diese Umbuchung fiel je Ticket eine Gebühr von 60 Euro an. Durch die Umbuchung reduzierte sich der für Steuern, Gebühren und Zuschläge erhobene Betrag auf 149,57 Euro, sodass für ein Ticket nunmehr 398,57 Euro zu entrichten waren. Die Kläger beglichen diesen Betrag und die erhobene Umbuchungsgebühr. Die Steuern, Gebühren und Zuschläge setzten sich dergestalt zusammen, dass auf den Treibstoffzuschlag/Internationalen Zuschlag 72,00 Euro, auf die Luftverkehrssteuer 25,82 Euro und auf die übrigen Steuern und Zuschläge 51,75 Euro entfielen.

11. Am 20.03.2012 stornierten die Kläger ihre bei der Beklagten gebuchten Flüge. Mit Schreiben vom 16.04.2012 bestätigte die Beklagte die Stornierung und erstattete den Klägern jeweils einen Betrag von 77,57 Euro.

12. Die von der Beklagten am 20.05. und 20.06. 2012 durchgeführten Flüge wurden jeweils mit einem Flugzeug mit einer Kapazität von 181 Sitzen durchgeführt, wovon 135 Sitze auf die Economy-Klasse entfielen. Für den Hinflug gab es im Zeitpunkt des Abfluges für diese Klasse 87 Buchungen. Davon traten 81 Passagiere den Flug tatsächlich an. Für den Rückflug gab es im Zeitpunkt des Abfluges 136 Buchungen. 124 Passagiere traten den Flug tatsächlich an.

13. Die Kläger sind  der Ansicht, dass die Beklagte je Kläger den jeweiligen Ticketpreis in Höhe von 458,57 Euro abzüglich des erstatteten Betrages in Höhe von 77,57 Euro abzgl. weiterer 5 % der verbleibenden Differenz in Höhe von 381,00 Euro, entsprechend 19,05 Euro und damit insgesamt 361,95 Euro zu erstatten habe. Die Kläger sind der Ansicht, dass ihnen das Recht zur Kündigung nach § 649 BGB unbeschränkt zustehe. Bei der für ihre Beförderungsverträge maßgeblichen Tarifbestimmung, die eine Erstattung des Ticketpreises im Falle der Stornierung weitgehend ausschließt, handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Die den Klägern eingeräumte Wahl zwischen verschiedenen Tarifen könne nicht zur Annahme einer individuellen Vereinbarung zwischen den Parteien führen, denn die Kläger könnten keinen Einfluss auf die hinter den verschiedenen, ihnen angebotenen Tarifen liegenden einzelnen Tarifbestimmungen nehmen. Als Allgemeine Geschäftsbedingung sei die Klausel aber unwirksam.  Der Beklagten stehe entsprechend § 649 Satz 3 BGB aufgrund der Stornierung nur eine Vergütung in Höhe von 5 % des ihr ursprünglich zustehenden Vergütungsanspruches zu. Die Beklagte habe im konkreten Fall weitere Aufwendungen erspart und sie habe die Flugverbindungen der Kläger weiter vergeben können.

14. Die Kläger beantragen,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) einen Betrag in Höhe von 361,95 Euro und an die Klägerin zu 2) einen Betrag in Höhe von 361,95 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2014 zu zahlen.
  2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten einen Betrag in Höhe von 147,56 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.11.2014 zu zahlen.

15. Die Beklagte beantragt,

16. die Klage abzuweisen.

17. Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Kündigungsrecht aus § 649 BGB wirksam beschränkt worden sein. Bei dem von den Klägern gewählten Tarif handele es sich um eine Individualvereinbarung zwischen den Parteien, weil die Parteien den Tarif und die Stornierungsklausel im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz  3 BGB „ausgehandelt“ hätten. Die Kläger hätten während der Buchung die Wahl zwischen verschiedenen Tarifen gehabt, die sich hinsichtlich der angebotenen Leistung erheblich unterschieden. Durch diese Wahlmöglichkeit hätten die Kläger wesentlichen Einfluss auf den Inhalt des zu schließenden Beförderungsvertrages – insbesondere auch in Hinblick auf den Preis – nehmen können. Zudem scheitere die Annahme einer Allgemeinen Geschäftsbedingung daran, dass die Tarifbestimmung nicht von dem gesetzlichen Leitbild des § 649 BGB abweiche und daher einer AGB-Kontrolle entzogen sei. Selbst wenn es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, sei diese wirksam, weil ein Verstoß gegen § 308 Nr. 7 BGB in Ermangelung einer unangemessenen Benachteiligung nicht vorliege. In Hinblick auf ersparte Aufwendungen und unterlassenen Erwerb sei sie ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen. Die von den Klägern gebuchten Sitzplätze hätten im Ergebnis nicht weiterverkauft werden können. Sie müsse nur zu der Anzahl der abgeschlossenen Beförderungsverträge vortragen, nicht aber zu der Buchungshistorie für einzelne Sitzplätze.

18. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

19. Die Klage ist überwiegend begründet.

20. Die Kläger haben gegen die Beklagte aus den wirksam gekündigten Flugbeförderungsverträgen jeweils einen Anspruch auf Zahlung von 301,07 Euro  gemäss §§ 812 Abs. 1  S.2 1.Alt., 631, 649 BGB.

I.

21. Die Kläger haben die Flugbeförderungsverträge mit der Beklagten wirksam nach § 649 BGB gekündigt, so dass der Rechtsgrund für die Zahlungen der Kläger auf die Tickets entfallen ist und die Beklagte nach Abzug von 5 % der Vergütung gemäss § 649 Satz 3 BGB zur Rückzahlung des restlichen Betrages verpflichtet ist.

22. Der Anspruch der Kläger aus § 649 BGB ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie sich beim Abschluss des Flugbeförderungsvertrag für den „Economy Basic“ Tarif entschieden haben, der eine Ticketstornierung nicht erlaubte. Durch diese Tarifbestimmung konnte das Kündigungsrecht der Kläger nach § 649 BGB nicht ausgeschlossen werden, da es sich hierbei um eine nach §§ 308 Nr. 7 a, 309 Nr. 5 b BGB analog unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 BGB handelt.

23. Allerdings kann das Kündigungsrecht auch in Flugbeförderungsverträge durch ausdrückliche Vereinbarung zwischen Fluggast und Fluggesellschaft aber auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaften beschränkt werden.

24. Bei einem Luftbeförderungsvertrag handelt es sich um einen Werkvertrag. Dieser regelt in § 649 BGB das freie Kündigungsrecht des Bestellers. Als Ausgleich gewährt § 649 BGB dem Unternehmer seinen Verdienst unter Abzug ersparter Aufwendungen sowie des Verdienstes, den er anderweitig erworben hat oder böswillig zu erwerben unterlassen hat. Dieses Recht des Bestellers ist dispositiv und kann sowohl den Grunde als auch der Höhe nach beschränkt werden. Eine solche Beschränkung kann zwischen Besteller und Unternehmer vereinbart werden, soweit dies durch Allgemeines Geschäftsbedingungen geschieht hängt die Wirksamkeit der Vereinbarung davon ab, dass die Klausel in Einklang mit §§ 305 ff BGB steht.  Bei einem Flugbeförderungsvertrag stellt sich die Stornierung eines Fluges als Ausübung des Kündigungsrechtes nach § 649 BGB dar und stellen Stornierungsklausel in Tarifbestimmungen eine Beschränkung des Kündigungsrechtes dar, die wirksam sind soweit sie ausgehandelt wurden oder aber der Prüfung nach den §§ 305 ff BGB unterliegen, wenn es sich um von der Fluggesellschaft gestellten Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.

25. Vorliegend stellen sich der von der Beklagten angebotene Economy Tarif und die zugehörigen Tarifbestimmungen und damit auch die Bestimmung über den Ausschluss der Stornierung als Allgemeine Geschäftsbedingung gemäss § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Insbesondere wurde die Buchung des Economy Tarif zwischen den Parteien nicht nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausgehandelt.

26. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gem. § 305 Abs. 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind, § 305 Abs. 1 Satz  3 BGB. Das Merkmal des „Stellens“ ist erfüllt, wenn der Verwender die vorformulierten Bedingungen in die Verhandlungen einbringt und deren Einbeziehung in den Vertrag verlangt. Wesentliches Merkmal von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist dabei die einseitige Gestaltungsmacht des Verwenders. Der andere Teil erhält keine Möglichkeit an der Ausgestaltung der Regelungen mitzuwirken. Er kann lediglich wählen, ob er den Vertrag unter Geltung der Regelungen akzeptiert oder nicht. Ein Stellen entfällt hingegen, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen Vertragsteils beruht, an den der Verwendungsvorschlag herangetragen wird; dazu ist erforderlich, dass die Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und tatsächlich Gelegenheit besteht, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen. Dazu genügt es nicht, lediglich Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren (BGH, Urteil vom 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15 –  m.w.N., zitiert nach juris). Es genügt nach dem Gesagten auch nicht, wenn der Verwender dem anderen Teil mehrere verschiedene Regelwerke zur Auswahl stellt; denn dies ändert nichts daran, dass der Verwender den Inhalt der Regelungen einseitig ohne Beteiligung des anderen Teiles gestaltete. Auch hier kann der andere Teil zwischen den Regelwerken nur nach dem „Alles oder Nichts“ – Prinzip wählen, Einfluss nehmen kann er auf die Ausgestaltung der einzelnen Regelwerke nicht. „Aushandeln“ bedeutet aber schon nach dem normalen Sprachgebrauch mehr als nur auswählen. Während „Auswählen“ ein einseitiger Vorgang ist, impliziert Aushandeln ein Kommunizieren zwischen den Beteiligten. Ein Aushandeln ist überhaupt nur denkbar, wenn die konkrete Möglichkeit zu einer Kommunikation angeboten wird und diese zumindest zu einer Veränderung der Regelungen im Interesse des anderen Teiles führen kann. Auch der Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 305 ff. BGB steht der Annahme eines Aushandelns in den Fällen entgegen, in denen dem anderen Teil die Auswahl zwischen verschiedenen vom Verwender einseitig gestalteten Regelwerken geboten wird. Die §§ 305 ff. BGB treffen Vorkehrungen für den Fall, dass sich ein Vertragsteil vorformulierter Vertragsbedingungen bedient. Dem Vorteil, den sich die Partei dadurch verschafft, dass sie ihre Vertragspraxis ökonomisiert, und der Bestrebung, möglichst viele vertragliche Risiken auf den anderen Teil abzuwälzen, steht der Nachteil einer verstärkten inhaltlichen Kontrolle der getroffenen Regelungen gegenüber, die den typischerweise schwächeren Vertragspartner, insbesondere den Verbraucher im Verhältnis zum Unternehmer, vor übermäßiger Übervorteilung schützen soll. Dieser Schutzzweck greift aber auch in Fällen, in denen der andere Teil die Wahl zwischen verschiedenen Regelungsalternativen hat, jedenfalls solange, wie er keinen Einfluss auf den Inhalt der Regelung nehmen kann. Es wäre widersinnig, wenn sich der Verwender vorformulierter Bedingungen dadurch der AGB-Kontrolle entziehen könnte, dass er nur möglichst viele verschiedene vorformulierte Bedingungen zur Wahl stellte. Die Wahl an sich ändert nichts an der Störung der Vertragsparität, die dadurch entsteht, dass der eine Teil die Regelungen nicht inhaltlich beeinflussen kann.

27. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Economy Tarif nebst  in ihm enthaltenem Stornierungsausschluss gestellt. Er ist nicht Ergebnis eines Aushandelns zwischen den Parteien. Zwar hatten die Kläger die freie Wahl zwischen verschiedenen Tarifen, die unterschiedliche Stornierungsregelungen vorsahen. Allerdings bestand für die Kläger nie die Möglichkeit, eigene vertragliche Gestaltungen einzubringen. Eine inhaltliche den Interessen der Kläger entsprechende Veränderung der vorformulierten Tarife war weder möglich noch vorgesehen. Diesen entscheidenden Unterschied zwischen Wahlfreiheit ohne Einflussmöglichkeit und Verhandlungsoption mit Einflussmöglichkeit übersieht nach Auffassung der erkennenden Abteilung des Gerichtes auch die von der Beklagten vorgelegte Entscheidung der Abt. 119 des Gerichtes (AG Köln, Urteil vom 16.09.2015 – 119 C 349/15 -; nicht veröffentlicht). Die Möglichkeit unter mehreren Flugtarifen zu wählen, führt vielmehr nur dazu, dass alle zur Wahl stehenden Tarife der gesonderten Klauselprüfung unterliegen (KG Berlin, Urteil vom 12. August 2014 – 5 U 2/12 –, zitiert nach juris). Aus den von der Beklagten weiter zitierten Entscheidungen des BGH ergibt sich für den vorliegenden Fall ebenfalls nichts anderes. Die Entscheidung des BGH in NJW 2003, 1313 betraf einen Fall, in dem zumindest die Möglichkeit bestand, dass im Rahmen von Verhandlungen Einfluss auf die inhaltlichen Regelungen des Vertrages, konkret von  Vertragslaufzeiten, genommen werden konnte. An einer solchen Möglichkeit fehlte es im vorliegenden Fall gerade. Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des BGH in NJW 2013, 856 ff beruft, stützt diese Entscheidung die hier vertretene Auffassung, da sie gerade auf die inhaltliche Einflussmöglichkeit für die Annahme eines Aushandelns abstellt. Sowohl die streitgegenständliche Stornierungsregelung in dem Ecomomy Tarif, als auch die anderen den Klägern zur Wahl stehenden Tarifoptionen standen inhaltlich nicht zur Disposition.

28. Die Stornierungsklausel in dem Ecomomy Tarif ist auch nicht gemäss § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen; es handelt sich weder um eine Preisvereinbarung noch stimmt die Klausel mit den normativen Vorgaben überein.

29. Soweit Preisvereinbarungen Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regeln unterliegen sie gemäss § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle. Ist aber Regelungsgegenstand der Klausel nicht die Vergütung selbst, sondern nur die Verteilung von dem Verwender entstandenen Kosten, die im eigenen Interesse bei der Erbringung der Hauptleistung entstehen, liegt eine kontrollfähige Preisnebenabrede vor. Diese wiederum ist dann der Kontrolle entzogen, wenn sie mit den einschlägigen Rechtsvorschriften übereinstimmt. Zu den Rechtsvorschriften gehören gesetzliche Regelungen. Das gilt auch, soweit in diesen keine starren Regelungen getroffen, sondern Gestaltungsmöglichkeiten geboten werden und für die Höhe des Entgelts ein Spielraum gewähren. Dann hat der Gesetzgeber Vorgaben für die Preisgestaltung aufgestellt. Soll der vom Gesetzgeber mit dem Erlass der Preisvorschrift verfolgte Zweck nicht verfehlt werden, können und müssen Entgeltklauseln darauf überprüft werden, ob sie mit den Preisvorschriften übereinstimmen (BGH, NJW 2014, 922).

30. Im vorliegenden Fall befasst sich die streitgegenständliche Stornierungsklausel nicht mit der Vergütung der Beklagten für die Durchführung des Fluges, sondern zum einen damit, ob dem Fluggast ein Kündigungsrecht zusteht, also mit einem Gestaltungsrecht des Fluggastes, und zum anderen damit, welche ersparten Aufwendungen sich die Beklagte auf ihren, auch bei nicht ausgeführten Flug fortbestehenden Vergütungsanspruch, nach § 649 Satz 2 BGB anrechnen lässt. Geregelt wird damit nur eine die Vergütungshöhe mittelbar beeinflussende Grösse, die sich ohne Regelung nach § 649 Satz 3 BGB bestimmen würde, so dass es sich nur um eine  Preisnebenabrede handelt. Diese weicht aber von § 649 BGB ab; denn diese Norm sieht anders als die von der Beklagten verwendete Klausel in Satz 3 einen pauschalen Anspruch des Unternehmers nach einer Kündigung für noch nicht erbrachte Leistungen in Höhe von lediglich 5 Prozent der ursprünglich dafür geschuldeten Vergütung vor und erlaubt dem Besteller den Nachweis noch weitergehender Aufwendungsersparnis.

31. Als danach der Inhaltskontrolle unterliegende Allgemeine Geschäftsbedingung erweist sich die Stornierungsklausel in dem Ecomy Traif gemäss §§ 308 Nr.7a, 309 Nr. 5 b BGB analog als unwirksam. Die Einbehaltung des Ticketpreises lediglich unter Abzug von Steuern und Gebühren erweist sich als unangemessen hoch.

32. Nach § 308 Nr. 7a BGB ist eine Bestimmung unter anderem dann unwirksam, wenn der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei den Vertrag kündigt, eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen verlangen kann. Die Norm erfasst ihrem Wortlaut nach nur die Vergütung für erbrachte Leistungen. Sie ist jedoch analog auch auf die hier in Rede stehende Vergütung für nicht erbrachte Leistungen nach § 649 BGB anzuwenden. Auf Abwicklungsklauseln nach einem gekündigten Werkvertrag, die die Höhe der Vergütung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung regeln, findet § 308 Nr. 7a BGB Anwendung. Das gilt auch für Vergütungsklauseln, die die dem Unternehmer nach § 649 BGB zustehende Vergütung pauschalieren. Es besteht sachlich kein Unterschied zwischen einer unangemessen hohen Vergütung für erbrachte und für nicht erbrachte Leistungen, so dass die entsprechende Anwendung des § 308 Nr. 7a BGB gerechtfertigt ist (BGH, NJW 2011, 3030-3031). Ausgangspunkt der Bewertung der Unangemessenheit ist sodann ein Vergleich mit dem Betrag, der ohne die Klausel vom Besteller nach dem Gesetz typischerweise geschuldet wäre. Dies sind nach der gesetzlichen Wertung des § 649 Satz 3 BGB nunmehr 5 % der auf den Teil der nicht erbrachten Leistung entfallenden Vergütung. Unabhängig davon liegt Unangemessenheit in insoweit entsprechender Anwendung des § 309 Nr.5 b BGB jedoch immer dann vor, wenn der Verwender dem Vertragspartner nicht ausdrücklich den Nachweis gestattet, dass dem Verwender überhaupt keine oder eine wesentlich niedrigere Vergütung zustehe als die Pauschale. (vgl. BGH, NJW 2011, 3030-3031).

33. Dies zugrundelegend liegen bei der von der Beklagten verwandten Stornierungsklausel  die tatbestandlichen Voraussetzungen der entsprechend anzuwendenden §§ 308 Nr.7a, 309 Nr. 5 b BGB vor. Die Stornierungsklausel sieht für den Fall, dass der Fluggast den Beförderungsvertrag kündigt, eine Pauschalierung des nach § 649 S.1 BGB vom Fluggast weiterhin geschuldeten Vergütungsanspruchs für noch nicht erbrachte Leistungen vor und begrenzt seinen Rückzahlungsanspruch auf einen Teil der Flugnebenkosten, nämlich auf Steuern und Gebühren. Der blosse Abzug von Steuern und Gebühren führt aber regelmässig zu einer höheren Vergütung als die der Beklagten nach der Vermutung des § 649 Satz 3 BGB für die nicht erbrachte Flugleistung zustehenden 5 % des Ticketpreises, so dass es der näheren Begründung seitens des Unternehmers bedarf, dass sein Verlangen einer über 5 % hinausgehenden Vergütung sich aufgrund branchenspezifischer oder unternehmspezifischer Besonderheiten nicht als unangemessen erweist. Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist die hier in Rede stehende Stornierungsklausel weiter deshalb unwirksam, weil sie entgegen § 309 Nr.5 b BGB dem Fluggast nicht die Möglichkeit des Gegenbeweises lässt (AG Rüsselsheim, RRa 2013, 32-34). Soweit sich einwenden liesse, dass die Kalkulation der Tarife  bei Fluggesellschaften gerade darauf beruhen, dass dem Fluggast günstige Preise nur dann angeboten werden können, wenn die Fluggesellschaft bereits bei Buchung den gezahlten Preis sicher als Einnahme verbuchen und diese Sicherheit nur durch Ausschluss der Stornierungsmöglichkeit des Fluggastes erreicht werden kann, ist festzustellen, dass diese Überlegung nicht geeignet ist, die Klauselkontrolle in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen entfallen zu lassen. Vielmehr ist es Sache der Fluggesellschaft im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten sich gegen den Vergütungsausfall bei Kündigung zu schützen. Die Pauschale in § 649 Satz 3 BGB ist mit dem Ziel eingeführt worden, dem Unternehmer die Durchsetzung seiner Vergütungsansprüche in Hinblick auf nicht erbrachte Leistungen bei Kündigung des Bestellers zu erleichtern. Das Gericht verkennt nicht, dass dabei eine Pauschale von 5 % sehr wahrscheinlich den Besonderheiten bei dem Abschluss von Flugbeförderungsverträgen nicht gerecht wird. Indes steht es der Fluggesellschaft frei, sich im Rahmen des § 308 Nr. 7 a BGB unter Beachtung des § 309 Nr. 5 b BGB über 5 % hinausgehende Pauschalen auszubedingen.

34. Die den Klägern zurück zugewährende Vergütung beläuft sich auf jeweils 301,07 Euro. Ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der an die Beklagte geleisteten besteht nur in Hinblick auf die von den Klägern gezahlten Umbuchungsgebühren in Höhe von 60,00 Euro und eine nach § 649 Satz 3 BGB zu berechnende Vergütung in Höhe von 19,93 Euro je Ticket. Eine höhere der Beklagten zustehende Vergütung ist nicht dargetan. Insoweit ist die ihrer sekundären Darlegungslast insbesondere in Hinblick auf den die Möglichkeiten anderweitigen Erwerbes nicht nachgekommen.

35. Zunächst ist bei der Berechnung des Anspruches entgegen der Ansicht der Kläger nicht von dem Ticketpreis in Höhe von 458,57 Euro sondern von einem Ticketpreis von 398,57 Euro auszugehen. Wegen der für die Umbuchung geleisteten und in dem Betrag von 458,57 Euro enthaltenen Zahlungen in Höhe von jeweils 60 Euro kommt ein Wegfall des Rechtsgrundes durch die Stornierung jedoch nicht in Betracht.

36. Die Kündigung hebt den Vertrag lediglich für die Zukunft auf. Sie beschränkt den Umfang der zu erbringenden Werkleistungen auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil und lässt den Vertrag als Rechtsgrund für diese Leistungen bestehen (Palandt/Sprau, § 649 Rn. 4).

37. Nach diesen Grundsätzen stellt der zwischen den Parteien jeweils vereinbarte Luftbeförderungsvertrag auch nach seiner Stornierung den Rechtsgrund dafür dar, dass die Beklagte die erlangten Umbuchungsgebühren behalten darf. Die Möglichkeit der Kläger zur Umbuchung ihrer Flüge und die damit verbundene Verpflichtung der Beklagten, die Umbuchung vorzunehmen, war Teil des von den Parteien jeweils vereinbarten, einheitlichen Vertrages. Weil die Umbuchung etwa 7 Monate vor der Stornierung erfolgte, war die insoweit geschuldete (Teil-)Werkleistung im Zeitpunkt der Kündigung bereits erbracht.

38. Nach der Vermutungsregel des § 649 Satz 3 BGB besteht ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gezahlten Vergütung für die nicht erbrachte Flugleistung nur in Höhe von 5 % des gesamten Ticketpreises. Dies entspricht ausgehend von 398,57 Euro dem Betrag von 19,93 Euro je Ticket. Von den verbleibenden 378,64 Euro sind unter Berücksichtigung gezahlter 77,57 Euro noch 301,07 Euro zurückzuzahlen.

39. Entgegen der Auffassung der Kläger kann die Berechnung des aus § 649 Satz 1, Satz 3 BGB folgenden Vergütungsanspruchs der Beklagten, in dessen Höhe sie einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen hat, nicht derart erfolgen, dass er sich auf 5% der Differenz aus Ticketpreis und erfolgter Erstattung (nach Berechnung der Kläger 5 % aus 381,00 Euro (458,57 Euro ./. 77,57 Euro) entsprechend 19,05 Euro) beliefe. Ein solche Berechnung übersieht, dass die Erstattung als teilweise Tilgung des klägerischen Rückzahlungsanspruchs nichts mit dem ursprünglichen Vergütungsanspruch zu tun hat, § 649 S.3 BGB aber für die Berechnung auf diesen abstellt. Vielmehr ist der von der Beklagten bereits zurückerstattete Betrag von 77,57 Euro je Ticket erst von der nach Abzug der 5 % verbleibenden Vergütung abzuziehen.

40. Eine von § 649 Satz 3 BGB abweichende höhere Vergütung steht der Beklagten nicht zu, da sie ihrer sekundären Darlegungslast in Bezug auf den in § 649 Satz 1 und Satz 2 BGB zu ihren Gunsten bestehenden Vergütungsanspruch nicht nachgekommen ist. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, dass es ihr nicht gelungen ist, die am 20.03.2012 stornierten Flüge wieder zu den von den Klägern gezahlten Preis zu verkaufen.

41. Die Darlegungs- und Beweislast für höhere ersparte Aufwendungen bzw. anderweitigen Erwerbes trifft im Rahmen von § 649 Satz 2 BGB den Besteller. Der Unternehmer muss aber zu den Abläufen und Gegebenheiten, von denen nur er Kenntnis hat, substantiiert Stellung nehmen. Dazu gehört es in Hinblick auf die ersparten Aufwendungen, darzulegen wie die vertraglich vereinbarte Vergütung kalkuliert wurde, welche Kosten also in die Preisbildung einflossen. Bei dem anderweitigen Erwerb bedarf es der Darlegung, ob es solchen gab bzw. welche Anstrengungen unternommen wurden, einen anderweitigen Erwerb zu erzielen.  Unterläßt der Unternehmen derartige Angaben ohne hinreichenden Grund, kann nach den Grundsätzen der sogenannten sekundären Darlegungslast sein bestrittener Vortrag als unzureichend und der Vortrag des Bestellers als zugestanden behandelt werden. Nach diesen Grundsätzen kann er gehalten sein, Angaben über innerbetriebliche und deshalb dem Gegner unzugängliche Vorgänge zu machen, wenn er hierzu unschwer in der Lage ist (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 989-991). Diese sekundäre Darlegungslast im Bereich von § 649 Satz 2 BGB entfällt nur soweit der Unternehmer sich auf die nach § 649 Satz 3 BGB pauschalen 5 % Verdienst beschränkt. Dann darf er sich auf die in § 649 BGB Satz 3 geregelte gesetzliche Vermutung stützen und ist es Sache des Bestellers diese zu widerlegen. Darüber hinaus wird er von der sekundären Darlegungslast nur dann entbunden, wenn der dazu erforderliche Vortrag zur Offenlegung der Geschäftspolitik, der Bekanntgabe von Geschäftsbeziehungen zu Dritten oder aber zur Preisgabe von Betriebsgeheimnissen führen würde; denn insoweit überwiegt das Interesse des Unternehmers an der Geheimhaltung das Auskunftsinteresse des Bestellers. Die Beweislast wird durch die sekundäre Darlegungslast nicht umgekehrt, vielmehr trifft den Besteller aufbauend auf den Vortrag des Unternehmers die Darlegungs- und Beweislast für von ihm behauptete höhere Ersparnisse bzw. anderweitige den durch die Kündigung erlittenen Verlust kompensierende Geschäfte (BGH NJW 1999, 1253).

42. Vorliegend sind den Klägern Darlegungen zu den durch die Stornierung ersparten Flugnebenkosten der Beklagten genauso wenig möglich wie Vortrag zu dem anderweitigen Erwerb der Beklagten in Hinblick auf die freigewordenen Flüge. Die Beklagte trägt daher nach dem eben Gesagten eine sekundäre Darlegungslast, da sie über die entsprechenden Kenntnisse verfügt. Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte vorliegend nicht nachgekommen. Zwar hat sie zu den ersparten Aufwendungen in Gestalt von Steuern und Gebühren substantiiert vorgetragen, nicht aber zu der anderweitigen Verwendung der frei gewordenen Flüge. Entscheidend ist aber, ob es der Beklagten möglich war, die durch die Kündigung der Kläger freiwerdenden Flüge erneut zu verkaufen.

43. In Hinblick auf den Rückflug steht schon durch die Buchungsübersicht im Zeitpunkt des Abfluges fest, dass eine Überbuchung des Fluges bei den Economy Plätzen vorlag; es gab im Zeitpunkt des Abfluges am 20.06.2012 136 Buchungen bei 135 Economy Plätzen. Die Flüge der Kläger konnten also neu verkauft und der durch die Kündigung der Kläger verursachte Vergütungsausfall kompensiert werden. Dass dies nicht zu den gleichen Preise möglich war, wie seitens der Kläger geschuldet, ist weder ersichtlich noch dargetan. Auch ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass der Beklagten trotz Weiterverkauf der Rückflüge noch durch die Buchung der Kläger verursachte Kosten verblieben sind.

44. In Bezug auf den Hinflug am 20.05.2012 genügt es allerdings nicht, dass die Beklagte allein dazu vorträgt, wie der Buchungsstand des betreffenden Flugzeugs im Zeitpunkt des Abfluges war und insoweit behauptet, dass zu diesem Zeitpunkt eine Ausbuchung der Maschine nicht vorgelegen habe, da für 135 Economy Plätze nur 87 Buchungen vorlagen. Denn es ist ohne weiteres denkbar, dass zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Kündigung der Kläger und Abflug eine Ausbuchung bestand, also auch diese Flüge der Kläger neu verkauft werden konnten. Denn auch dann  wäre der den Klägern zuzurechnende Vergütungsausfall kompensiert worden. Nach einer zwischenzeitlich erfolgten Ausbuchung erklärte Kündigungen anderer Fluggäste lassen die Vergütungspflicht der Kläger nicht mehr aufleben. Dass die Möglichkeit einer zwischenzeitlichen Ausbuchung mehr als nur eine theoretische Möglichkeit ist, zeigt sich daran, dass die Kündigung 2 Monate vor Abflug erfolgte, die Beklagte also ausreichend Zeit hatte, die freigewordenen wie die übrigen Plätze der Maschine noch zu vergeben, und die Beklagte als wirtschaftlich agierender Markteilnehmer anzunehmend mit einer vollen Auslastung ihrer Flüge kalkuliert (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 06.06.2014, -2-24 S 152/13-; zitiert nach juris). Schließlich lässt auch die offenkundige Tatsache, dass im Mai 2012 die ersten Präsidentschaftswahlen in Ägypten nach dem sog. Arabischen Frühling erfolgten, während derer verstärkt und wieder mit Ausschreitungen im Land gerechnet werden musste, es als nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass es nach dem 20.03.2015 einen Zeitpunkt gab, an dem eine Ausbuchung des Fluges vorlag und die Reduzierung auf 87 Buchungen im Zeitpunkt des Abfluges erst danach eintrat. Die Klägerin wäre daher gehalten gewesen, zu der Buchungshistorie vorzutragen und  darzulegen, dass es zu keinem Zeitpunkt zwischen Kündigung und Abflug eine Ausbuchung des Hinfluges gab, also immer zwei Flüge freiblieben. Soweit die Beklagte der Ansicht ist, sie biete Beförderungen auf einer bestimmten Flugstrecke und nicht Tickets für einen bestimmten Platz an, müsse daher auch nicht zur „Buchungshistorie“ einzelner Sitzplätze vortragen, führt dies zu keiner anderen Bewertung der sekundären Darlegungslast. Es kommt nicht auf die Vergabe bestimmter Sitzplätze im Flugzeug an, sondern auf die von der Klägerin in Bezug auf den konkreten Flug in dem Zeitraum zwischen Stornierung und Abflug geschlossenen Beförderungsverträge. Die Darlegungslast, dass das Flugzeug zu keinem Zeitpunkt zwischen Kündigung der Kläger und Abflug ausgebucht war, ist der Beklagten auch zuzumuten. Die Darlegung, dass zu keinem Zeitpunkt zwischen Kündigung der Kläger und Abflug eine Ausbuchung der Maschine bestand, stellt keinen geheimhaltungsbedürftigen Umstand dar; denn die Beantwortung der Frage, in welchem Maße bei einem bestimmten Flug Stornierungen erfolgt sind, kann für Konkurrenten der Beklagten keinen höheren Erkenntniswert bieten als die ohnehin offenbare Tatsache, inwieweit ein Flugzeug im Zeitpunkt des Abfluges besetzt ist. Auch an der technischen Möglichkeit der Beklagten zum Auswurf einer vollständigen Buchungshistorie kann nicht gezweifelt werden. Solche Schwierigkeiten hat die Beklagte auch nicht behauptet. Soweit die Beklagte unter Berufung auf das Urteil des BGH vom  08.01.2015 (BGH, NJW-RR 2015, 469-472) der Ansicht ist, dass der BGH mildere Anforderungen an die Darlegungslast hinsichtlich des anderweitigen Erwerbes stellt als das Gericht, ist festzustellen, dass der vom BGH entschiedene Fall nicht vergleichbar ist. In dem Fall des BGH ging es um eine andere Vertragsart (Erstellen einer Internetpräsenz), bei dem es dem Unternehmer aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung und der Betriebsstruktur nur schwer möglich war, die konkrete Akquirierung von Aufträgen darzulegen. Bei Luftbeförderungsverträgen liegt der Fall jedenfalls in Bezug auf tatsächlich abgeschlossene Beförderungsverträge aber anders, denn ein Luftbeförderungsunternehmen bietet Flugverbindungen bis zur Kapazitätsgrenze eines Fluges an und muss in der Lage sein die konkrete Buchungshistorie einer Flugverbindung nachzuvollziehen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte einen Auszug aus ihrem System zur Auslastung bei Flugantritt, also zu einem bestimmten Datum, vorlegen kann. Wenn dieser Auszug die Buchungssituation an einem bestimmten Tag darlegt, muss dieser Auszug auch zu einem anderen Stichtag (die Tage zwischen der Stornierung und dem Flugantritt) möglich sein, um die Auslastung eines Fluges überblicken zu können.

II.

45. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 286 Abs. 1 BGB jedenfalls ab dem 18.07.2014 aufgrund der als Mahnung anzusehenden Zahlungsaufforderung vom  08.07.2014.

46. Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Erstattung der mit dem anwaltlichen Schreiben vom 22.12014 angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 Euro, da sich die Beklagte zu dem Zeitpunkt der Beauftragung der Anwälte in Verzug befand. Der weitere Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB aufgrund der Fristsetzung in dem Schreiben vom 22.10.2014 seit dem 08.11.2014.

III.

47. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr.11, 711, 713 ZPO.

48. Streitwert: 723,90 Euro

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