Auslegung der Richtlinie 2000/31/EG
EuGH: Auslegung der Richtlinie 2000/31/EG
Der Kläger betreibt für sein Unternehmen ein offenes WLAN. Die Beklagte, eine Gesellschaft zur Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, verlangte vom Kläger die Unterlassung der Urheberrechtsverletzung über diesen WLAN-Zugang und die Erstattung der Abmahnkosten. Das Landgericht München setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Haftung des klagenden WLAN-Betreibers vor.
Der EuGH entschied, dass gegen den Anbieter eines kostenlosen WLANs keine Schadensersatz-, aber Unterlassungsansprüche bestehen können.
EuGH | C-484/14 (Aktenzeichen) |
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EuGH: | EuGH, Urt. vom 15.09.2016 |
Rechtsweg: | EuGH, Urt. v. 15.09.2016, Az: C-484/14 |
LG München, Urt. v. 18.09.2014, Az: 7 O 14719/12 | |
LG München, Urt. v. 16.01.2014, Az: 7 O 14719/12 | |
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Leitsatz:
2. Gegen den Anbieter eines kostenlosen WLANs, über den Urheberrechtsverletzungen begangen wurde, besthen keine Schadensersatz-, aber Unterlassungsansprüche.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger betreibt für sein Unternehmen ein offenes, kostenloses WLAN. Die Beklagte, eine Gesellschaft zur Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, verlangte vom Kläger die Unterlassung von Urheberrechtsverletzungen über diesen WLAN-Zugang und die Erstattung der Abmahnkosten. Das Landgericht München setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Haftung des klagenden WLAN-Betreibers vor.
Der EuGH entschied, dass gegen den Anbieter eines kostenlosen WLANs keine Schadensersatz-, aber Unterlassungsansprüche bestehen können. Auch die Prozesskosten sind dabei vom Anbieter des WLANs zu tragen. Der EuGH führt außerdem den Begriff der behördlichen und gerichtlichen Unterlassungsverfügung ein.
Tenor:
4. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die von dem Betreiber eines Kommunikationsnetzes erbracht wird und darin besteht, dass dieses Netz der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellt, wenn diese Leistung von dem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird.
Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung genannte Dienst, der darin besteht, Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, bereits dann als erbracht anzusehen ist, wenn dieser Zugang den Rahmen des technischen, automatischen und passiven Vorgangs, der die erforderliche Übermittlung von Informationen gewährleistet, nicht überschreitet, ohne dass eine zusätzliche Anforderung erfüllt sein müsste.
Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Voraussetzung nicht im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie entsprechend gilt.
Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass es keine anderen Anforderungen als die in dieser Bestimmung genannte gibt, denen ein Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, unterläge.
Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass es ihm zuwiderläuft, dass derjenige, der durch eine Verletzung seiner Rechte an einem Werk geschädigt worden ist, gegen einen Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, Ansprüche auf Schadensersatz und auf Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten geltend machen kann, weil dieser Zugang von Dritten für die Verletzung seiner Rechte genutzt worden ist. Hingegen ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass es ihr nicht zuwiderläuft, dass der Geschädigte die Unterlassung dieser Rechtsverletzung sowie die Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtskosten von einem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt und dessen Dienste für diese Rechtsverletzung genutzt worden sind, verlangt, sofern diese Ansprüche darauf abzielen oder daraus folgen, dass eine innerstaatliche Behörde oder ein innerstaatliches Gericht eine Anordnung erlässt, mit der dem Diensteanbieter untersagt wird, die Fortsetzung der Rechtsverletzung zu ermöglichen.
Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 ist unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Grundrechtsschutzes und der Regelungen der Richtlinien 2001/29 und 2004/48 dahin auszulegen, dass er grundsätzlich nicht dem Erlass einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, mit der einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz, das der Öffentlichkeit Anschluss an das Internet ermöglicht, vermittelt, unter Androhung von Ordnungsgeld aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse („peer-to-peer“) zur Verfügung zu stellen, wenn der Diensteanbieter die Wahl hat, welche technischen Maßnahmen er ergreift, um dieser Anordnung zu entsprechen, und zwar auch dann, wenn sich diese Wahl allein auf die Maßnahme reduziert, den Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern, sofern die Nutzer dieses Netzes, um das erforderliche Passwort zu erhalten, ihre Identität offenbaren müssen und daher nicht anonym handeln können, was durch das vorlegende Gericht zu überprüfen ist.
Gründe
Urteil
5. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1).
6. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Tobias Mc Fadden und der Sony Music Entertainment Germany GmbH (im Folgenden: Sony Music) wegen der etwaigen Haftung von Herrn Mc Fadden für die von einem Dritten vorgenommene Nutzung eines von Herrn Mc Fadden betriebenen lokalen Funknetzes mit Internetzugang („wireless local area network“, im Folgenden: WLAN), um der Öffentlichkeit unerlaubt einen von Sony Music hergestellten Tonträger zur Verfügung zu stellen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
8. Das Europäische Parlament und der Rat erließen am 22. Juni 1998 die Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37), die durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geändert wurde (im Folgenden: Richtlinie 98/34).
9. In den Erwägungsgründen 2 und 19 der Richtlinie 98/48 heißt es:
10. „(2) Für eine Vielzahl von Diensten im Sinne der Artikel 59 und 60 des [EG-Vertrags, jetzt Art. 46 und 57 AEUV] lassen sich die Möglichkeiten der Informationsgesellschaft nutzen, Leistungen elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Dienstleistungsempfängers zu erbringen.
12. (19) Unter Diensten sind Dienstleistungen im Sinne des Artikels 60 des [EG-Vertrags, jetzt Art. 57 AEUV] entsprechend der Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu verstehen, d. h. Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Dieses Merkmal fehlt bei den Tätigkeiten, die ein Staat ohne wirtschaftliche Gegenleistung im Rahmen seiner Aufgaben, insbesondere in den Bereichen Soziales, Kultur, Bildung und Justiz, ausübt. …“
13. Art. 1 der Richtlinie 98/34 bestimmt:
14. „Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
17. ‚Dienst‘: eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.
20. In den Erwägungsgründen 18, 41, 42 und 50 der Richtlinie 2000/31 heißt es:
21. „(18) Die Dienste der Informationsgesellschaft umfassen einen weiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten, die online vonstatten gehen. … Die Dienste der Informationsgesellschaft beschränken sich nicht nur auf Dienste, bei denen online Verträge geschlossen werden können, sondern erstrecken sich, soweit es sich überhaupt um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, auch auf Dienste, die nicht von denjenigen vergütet werden, die sie empfangen, wie etwa Online-Informationsdienste, kommerzielle Kommunikation oder Dienste, die Instrumente zur Datensuche, zum Zugang zu Daten und zur Datenabfrage bereitstellen. … Zu den Diensten der Informationsgesellschaft zählen auch Dienste, die … Zugang zu einem Kommunikationsnetz anbieten …
23. (41) Diese Richtlinie schafft ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessen und legt die Grundsätze fest, auf denen Übereinkommen und Standards in dieser Branche basieren können.
24. (42) Die in dieser Richtlinie hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen decken nur Fälle ab, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen Vorgang beschränkt ist, ein Kommunikationsnetz zu betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt oder zum alleinigen Zweck vorübergehend gespeichert werden, die Übermittlung effizienter zu gestalten. Diese Tätigkeit ist rein technischer, automatischer und passiver Art, was bedeutet, dass der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt.
26. (50) Es ist wichtig, dass die vorgeschlagene Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und die vorliegende Richtlinie innerhalb des gleichen Zeitrahmens in Kraft treten, so dass zur Frage der Haftung der Vermittler bei Verstößen gegen das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte auf Gemeinschaftsebene ein klares Regelwerk begründet wird.“
27. Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2000/31 sieht vor:
28. „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a)
29. ‚Dienste der Informationsgesellschaft‘ Dienste im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie [98/34];
b)
30. ‚Diensteanbieter‘ jede natürliche oder juristische Person, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet;
32. Der Abschnitt 4 („Verantwortlichkeit der Vermittler“) des Kapitels II der Richtlinie 2000/31 besteht aus den Art. 12 bis 15.
33. Art. 12 („Reine Durchleitung“) der Richtlinie 2000/31 bestimmt:
34. „(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, der Diensteanbieter nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich ist, sofern er
a)
35. die Übermittlung nicht veranlasst,
b)
36. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht auswählt und
c)
37. die übermittelten Informationen nicht auswählt oder verändert.
39. (3) Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern.“
40. Art. 13 („Caching“) Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 bestimmt:
41. „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln, der Diensteanbieter nicht für die automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung verantwortlich ist, die dem alleinigen Zweck dient, die Übermittlung der Information an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter zu gestalten, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a)
42. Der Diensteanbieter verändert die Information nicht;
b)
43. der Diensteanbieter beachtet die Bedingungen für den Zugang zu der Information;
c)
44. der Diensteanbieter beachtet die Regeln für die Aktualisierung der Information, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind;
d)
45. der Diensteanbieter beeinträchtigt nicht die erlaubte Anwendung von Technologien zur Sammlung von Daten über die Nutzung der Information, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind;
e)
46. der Diensteanbieter handelt zügig, um eine von ihm gespeicherte Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald er tatsächliche Kenntnis davon erhält, dass die Information am ursprünglichen Ausgangsort der Übertragung aus dem Netz entfernt wurde oder der Zugang zu ihr gesperrt wurde oder ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde die Entfernung oder Sperrung angeordnet hat.“
47. Art. 14 („Hosting“) der Richtlinie 2000/31 sieht vor:
48. „(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a)
49. Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in Bezug auf Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder
b)
50. der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
51. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird.
52. (3) Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, oder dass die Mitgliedstaaten Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festlegen.“
53. Art. 15 („Keine allgemeine Überwachungspflicht“) Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 bestimmt:
54. „Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.“
56. Der 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10) lautet:
57. „Die Haftung für Handlungen im Netzwerk-Umfeld betrifft nicht nur das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte, sondern auch andere Bereiche wie Verleumdung, irreführende Werbung, oder Verletzung von Warenzeichen, und wird horizontal in der Richtlinie [2000/31] geregelt, die verschiedene rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, einschließlich des elektronischen Geschäftsverkehrs, präzisiert und harmonisiert. Die vorliegende Richtlinie sollte in einem ähnlichen Zeitrahmen wie die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr umgesetzt werden, da jene Richtlinie einen einheitlichen Rahmen für die Grundsätze und Vorschriften vorgibt, die auch für wichtige Teilbereiche der vorliegenden Richtlinie gelten. Die vorliegende Richtlinie berührt nicht die Bestimmungen der genannten Richtlinie zu Fragen der Haftung.“
59. Art. 2 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, mit Berichtigung in ABl. 2004, L 195, S. 16) bestimmt:
61. (3) Diese Richtlinie berührt nicht:
a)
62. … die Richtlinie [2000/31] im Allgemeinen und insbesondere deren Artikel 12 bis 15;
Deutsches Recht
64. Die §§ 7 bis 10 des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179) in der durch das Gesetz vom 31. März 2010 (BGBl. I S. 692) geänderten Fassung (im Folgenden: Telemediengesetz) setzen die Art. 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31 in das deutsche Recht um.
65. § 7 des Telemediengesetzes bestimmt:
66. „(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
67. (2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. …“
68. § 8 Abs. 1 des Telemediengesetzes sieht vor.
69. „Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
1.
70. die Übermittlung nicht veranlasst,
2.
71. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
3.
72. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.
73. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.“
74. § 97 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273) in der durch das Gesetz vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3728) geänderten Fassung (im Folgenden: Urheberrechtsgesetz) bestimmt:
75. „(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.
76. (2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. …“
77. § 97a des Urheberrechtsgesetzes sieht vor:
78. „(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. …
80. (3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist …, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. …“
Die innerstaatliche Rechtsprechung zur mittelbaren Haftung der Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft (Störerhaftung)
81. Der Vorlageentscheidung zufolge kann für die Verletzung eines Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts haftbar sein, wer diese unmittelbar (Täterhaftung) oder mittelbar (Störerhaftung) verwirklicht hat. Denn § 97 des Urheberrechtsgesetzes wird von den deutschen Gerichten dahin ausgelegt, dass im Fall eines Verstoßes gegen dieses Gesetz haftet, wer – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – willentlich an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat (Störer).
82. So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. Mai 2010, Sommer unseres Lebens (I ZR 121/08), festgestellt, dass eine Privatperson, die einen WLAN-Anschluss mit Internetzugang betreibt, als Störer anzusehen ist, wenn sie ihr Netz nicht durch ein Passwort gesichert hat und es dadurch einem Dritten ermöglicht, ein Urheberrecht oder verwandtes Schutzrecht zu verletzen. Nach diesem Urteil ist es einem derartigen Netzbetreiber zuzumuten, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, z. B. ein Identifizierungssystem mit einem Passwort vorzusehen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
83. Herr Mc Fadden betreibt ein Gewerbe, in dessen Rahmen er Licht- und Tontechnik für Veranstaltungen aller Art verkauft und vermietet.
84. Er ist Inhaber eines WLAN, mit dem er im Bereich seines Geschäfts unentgeltlich und anonym Zugang zum Internet bietet. Hierfür nimmt er die Dienste eines Telekommunikationsunternehmens in Anspruch. Der Internetzugang war absichtlich ungeschützt, um die Aufmerksamkeit der Kunden umliegender Geschäfte sowie von Passanten und Nachbarn des Geschäftslokals zu wecken.
85. Um den 4. September 2010 herum änderte Herr Mc Fadden die Bezeichnung für sein WLAN von „mcfadden.de“ in „Freiheitstattangst.de“, um so auf eine Demonstration für Datenschutz und gegen ausufernde staatliche Überwachung hinzuweisen.
86. Im gleichen Zeitraum wurde über das von Herrn Mc Fadden betriebene WLAN der Öffentlichkeit im Internet ohne Zustimmung der Rechtsinhaber ein musikalisches Werk unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Herr Mc Fadden hat nach eigener Darstellung diese Rechtsverletzung nicht begangen, kann aber nicht ausschließen, dass sie von einem Nutzer seines WLAN begangen wurde.
87. Sony Music ist die Herstellerin des Tonträgers dieses Werkes.
88. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 mahnte Sony Music Herrn Mc Fadden wegen der Rechtsverletzung ab.
89. Auf diese Abmahnung hin erhob Herr Mc Fadden beim vorlegenden Gericht eine negative Feststellungsklage. Im Rahmen einer Widerklage beantragte Sony Music im Gegenzug, Herrn Mc Fadden zu verurteilen, ihr erstens wegen seiner Verletzung ihrer Rechte als Täter Schadensersatz zu leisten, zweitens die Verletzung ihrer Rechte bei Meidung von Ordnungsgeld oder -haft zu unterlassen und drittens ihre Abmahn- und Verfahrenskosten zu tragen.
90. Mit Versäumnisurteil vom 16. Januar 2014 wies das vorlegende Gericht die von Herrn Mc Fadden erhobene Klage ab und gab der Widerklage von Sony Music statt.
91. Herr Mc Fadden legte gegen dieses Versäumnisurteil Einspruch ein. Er machte vor allem geltend, dass seine Haftung gemäß den deutschen Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ausgeschlossen sei.
92. Im Rahmen dieses Einspruchsverfahrens beantragte Sony Music, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten, und hilfsweise, falls das vorlegende Gericht eine unmittelbare (täterschaftliche) Haftung von Herrn Mc Fadden verneinen sollte, ihn gemäß der deutschen Rechtsprechung, wonach Betreiber von WLAN mittelbar hafteten (Störerhaftung), deshalb zu Schadensersatz zu verurteilen, weil er sein WLAN nicht gesichert und damit Dritten die Verletzung der Rechte von Sony Music ermöglicht habe.
93. Das vorlegende Gericht führt in seiner Vorlageentscheidung aus, es neige der Ansicht zu, dass die Rechte von Sony nicht durch Herrn Mc Fadden selbst, sondern durch einen unbekannten Nutzer seines WLAN verletzt worden seien. Jedoch sei seine mittelbare Haftung (Störerhaftung) in Betracht zu ziehen, weil er das Netz nicht gesichert und dadurch eine anonyme Begehung der Rechtsverletzung ermöglicht habe. Aber es stelle sich die Frage, ob nicht die Haftungsausnahme gemäß Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31, der durch § 8 Abs. 1 Satz 1 des Telemediengesetzes in das deutsche Recht umgesetzt worden sei, jeglicher Haftung von Herrn Mc Fadden entgegenstehe.
94. Unter diesen Umständen hat das Landgericht München I beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1.
95. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 so auszulegen, dass „in der Regel gegen Entgelt“ bedeutet, dass das nationale Gericht feststellen muss, ob
a)
96. die konkret betroffene Person, die sich auf die Diensteanbietereigenschaft beruft, diese konkrete Dienstleistung in der Regel entgeltlich anbietet oder
b)
97. überhaupt Anbieter auf dem Markt sind, die diese Dienstleistung oder vergleichbare Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten, oder
c)
98. die Mehrheit dieser oder vergleichbarer Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden?
2.
99. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 so auszulegen, dass „Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk zu vermitteln“ bedeutet, dass es für eine richtlinienkonforme Vermittlung lediglich darauf ankommt, dass der Erfolg eintritt, indem der Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk (z. B. dem Internet) vermittelt wird?
3.
100. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 so auszulegen, dass es für „anbieten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 ausreicht, wenn der Dienst der Informationsgesellschaft rein tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, im konkreten Fall also ein offenes WLAN bereitgestellt wird, oder ist z. B. darüber hinaus auch ein „Anpreisen“ erforderlich?
4.
101. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 so auszulegen, dass „nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich“ bedeutet, dass etwaige Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtsgebühren des aufgrund einer Urheberrechtsverletzung Betroffenen gegen den Zugangs-Provider grundsätzlich oder jedenfalls in Bezug auf eine erste festgestellte Urheberrechtsverletzung ausgeschlossen sind?
5.
102. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 so auszulegen, dass die Mitgliedstaaten dem nationalen Richter nicht erlauben dürfen, in einem Hauptsacheverfahren gegen den Zugangs-Provider eine Anordnung zu erlassen, wonach dieser es künftig zu unterlassen hat, es Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen?
6.
103. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 dahin gehend auszulegen, dass unter den Umständen des Ausgangsverfahrens die Regelung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie entsprechend auf einen Unterlassungsanspruch anzuwenden ist?
7.
104. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 so auszulegen, dass sich die Anforderungen an einen Diensteanbieter darin erschöpfen, dass Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet?
8.
105. Falls Frage 7 verneint wird, welche zusätzlichen Anforderungen sind im Rahmen der Auslegung von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 an einen Diensteanbieter zu stellen?
9.
106. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 unter Berücksichtigung des bestehenden grundrechtlichen Schutzes des geistigen Eigentums, das sich aus dem Eigentumsrecht ergibt (Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union), sowie der in den Richtlinien 2001/29 und 2004/48 getroffenen Regelungen sowie unter Berücksichtigung der Informationsfreiheit und des Unionsgrundrechts der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) dahin gehend auszulegen, dass er einer Entscheidung des nationalen Gerichts in einem Hauptsacheverfahren nicht entgegensteht, wenn in dieser Entscheidung der Zugangs-Provider kostenpflichtig dazu verurteilt wird, es künftig zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen und dem Zugangs-Provider damit freigestellt wird, welche technischen Maßnahmen er konkret ergreift, um dieser Anordnung nachzukommen?
10.
107. Gilt dies auch dann, wenn der Zugangs-Provider dem gerichtlichen Verbot faktisch nur dadurch nachkommen kann, dass er den Internetanschluss stilllegt oder mit Passwortschutz versieht oder sämtliche darüber laufende Kommunikation darauf untersucht, ob das bestimmte urheberrechtlich geschützte Werk erneut rechtswidrig übermittelt wird, wobei dies schon von Anfang an feststeht und sich nicht erst im Rahmen des Zwangsvollstreckungs- oder Bestrafungsverfahrens herausstellt?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
108. Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage wissen möchte, ob ein Dienst wie der vom Kläger des Ausgangsverfahrens erbrachte, mit dem der Öffentlichkeit unentgeltlich ein lokales Funknetz mit Internetzugang zur Verfügung gestellt wird, in den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 fallen kann.
109. Daher ist diese erste Frage so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht mit ihr der Sache nach wissen möchte, ob Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 dahin auszulegen ist, dass eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die von dem Betreiber eines Kommunikationsnetzes erbracht wird und darin besteht, dass dieses Netz der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellt.
110. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass weder Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 noch ihr Art. 2 eine Definition des Begriffs „Dienst der Informationsgesellschaft“ enthält. Jedoch verweist Art. 2 der Richtlinie insoweit auf die Richtlinie 98/34.
111. Zum einen geht aus den Erwägungsgründen 2 und 19 der Richtlinie 98/48 hervor, dass der in der Richtlinie 98/34 verwendete Begriff des „Dienstes“ im gleichen Sinne zu verstehen ist wie der Begriff „Dienstleistung“ in Art. 57 AEUV. Als „Dienstleistungen“ werden gemäß Art. 57 AEUV jedoch insbesondere Leistungen angesehen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden.
112. Zum anderen sieht Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 vor, dass unter den Begriff „Dienstleistung der Informationsgesellschaft“ jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung fällt.
113. Demnach sind als Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 nur Dienste anzusehen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden.
114. Dieses Ergebnis wird durch den 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31 bestätigt, dem zufolge die Dienste der Informationsgesellschaft sich nicht nur auf Dienste beschränken, bei denen online Verträge geschlossen werden können, sondern sich auch auf andere Dienste erstrecken, soweit es sich überhaupt um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt.
115. Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass eine Leistung wirtschaftlicher Art, die unentgeltlich erbracht wird, niemals einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellen kann. Denn die Vergütung für einen Dienst, den ein Anbieter im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, wird nicht notwendig von denjenigen bezahlt, denen der Dienst zugutekommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, Papasavvas, C-291/13, EU:C:2014:2209, Rn. 28 und 29).
116. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine unentgeltliche Leistung von einem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird, da die Kosten dieser Tätigkeit dann in den Verkaufspreis dieser Güter oder Dienstleistungen einbezogen werden (Urteile vom 26. April 1988, Bond van Adverteerders u. a., 352/85, EU:C:1988:196, Rn. 16, und vom 11. April 2000, Deliège, C-51/96 und C-191/97, EU:C:2000:199, Rn. 56).
117. Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 dahin auszulegen ist, dass eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die von dem Betreiber eines Kommunikationsnetzes erbracht wird und darin besteht, dass dieses Netz der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellt, wenn diese Leistung von dem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird.
Zur zweiten und dritten Frage
118. Mit seiner zweiten und dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass der in dieser Bestimmung genannte Dienst, der darin besteht, Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, schon als erbracht anzusehen ist, wenn dieser Zugang lediglich zur Verfügung gestellt wird, oder ob hierfür zusätzliche Anforderungen erfüllt sein müssen.
119. Das vorlegende Gericht möchte insbesondere geklärt sehen, ob es außer dem Umstand, dass Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt wird, zum einen erforderlich ist, dass zwischen Empfänger und Anbieter des Dienstes ein Vertragsverhältnis besteht, und zum anderen, dass der Dienstleistende für diese Leistung Werbung macht.
120. Insoweit lässt sich, erstens, dem Wortlaut von Art. 12 („Reine Durchleitung“) der Richtlinie 2000/31 entnehmen, dass die Erbringung des in dieser Bestimmung genannten Dienstes die Übermittlung von Informationen in einem Kommunikationsnetz umfassen muss.
121. Im Übrigen sieht diese Bestimmung vor, dass die in ihr normierte Haftungsausnahme nur für die übermittelten Informationen gilt.
122. Schließlich ergibt sich aus dem 42. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31, dass die Tätigkeit der „reinen Durchleitung“ rein technischer, automatischer und passiver Art ist.
123. Daraus folgt, dass die Vermittlung des Zugangs zu einem Kommunikationsnetz den Rahmen eines solchen technischen, automatischen und passiven Vorgangs, der die erforderliche Übermittlung von Informationen gewährleistet, nicht überschreiten muss.
124. Zweitens ergibt sich weder aus den übrigen Bestimmungen der Richtlinie 2000/31 noch aus den mit dieser verfolgten Zielen, dass die Vermittlung des Zugang zu einem Kommunikationsnetz zusätzliche Anforderungen erfüllen müsste, wie etwa die eines Vertragsverhältnisses zwischen Empfänger und Anbieter des Dienstes oder eines Werbeaufwands des Anbieters, um die Leistung anzupreisen.
125. Zwar ließe sich anführen, dass Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 in seiner deutschen Fassung das Verb „anbieten“ verwendet, das im Sinne des Gedankens einer Offerte und damit einer gewissen Form der Werbung verstanden werden könnte.
126. Jedoch verbietet es die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit Auslegung des Unionsrechts, im Fall von Zweifeln eine Bestimmung in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, und gebietet vielmehr, sie unter Berücksichtigung ihrer Fassungen in den anderen Amtssprachen auszulegen und anzuwenden (Urteil vom 9. Juni 2011, Eleftheri tileorasi und Giannikos, C-52/10, EU:C:2011:374, Rn. 23).
127. Aber in den übrigen Sprachfassungen des Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31, insbesondere in der spanischen, tschechischen, englischen, französischen, italienischen, polnischen oder slowakischen Fassung, werden Verben verwendet, die einen solchen Gedanken der Offerte oder Werbung nicht zum Ausdruck bringen.
128. Demnach ist auf die zweite und dritte Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass der in dieser Bestimmung genannte Dienst, der darin besteht, Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, bereits dann als erbracht anzusehen ist, wenn dieser Zugang den Rahmen des technischen, automatischen und passiven Vorgangs, der die erforderliche Übermittlung von Informationen gewährleistet, nicht überschreitet, ohne dass eine zusätzliche Anforderung erfüllt sein müsste.
Zur sechsten Frage
129. Mit seiner sechsten Frage, die an dritter Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehene Voraussetzung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie entsprechend gilt.
130. Insoweit ergibt sich bereits aus dem Aufbau der Richtlinie 2000/31, dass der Unionsgesetzgeber zwischen den Regelungen, denen die Tätigkeiten der reinen Durchleitung, des Caching und des Hosting unterliegen, eine Unterscheidung treffen wollte, da für diese Tätigkeiten verschiedene Bestimmungen der Richtlinie gelten.
131. In diesem Zusammenhang zeigt ein Vergleich des Art. 12 Abs. 1, des Art. 13 Abs. 1 und des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie, dass für die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Haftungsausnahmen je nach Art der jeweiligen Tätigkeit unterschiedliche Anwendungsvoraussetzungen gelten.
132. So sieht Art. 14 Abs. 1 („Hosting“) der Richtlinie 2000/31 insbesondere vor, dass die darin vorgesehene Haftungsausnahme zugunsten der Anbieter von Hosting nur eingreift, wenn diese, sobald sie von einer rechtswidrigen Information Kenntnis erlangen, unverzüglich tätig werden, um diese Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
133. Hingegen macht Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 die dort vorgesehene Haftungsausnahme zugunsten von Diensteanbietern, die Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermitteln, nicht von einer solchen Voraussetzung abhängig.
134. Im Übrigen befinden sich, wie der Generalanwalt in Nr. 100 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ein Anbieter, der Informationen auf einer Website speichert, und ein Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, im Hinblick auf die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 normierte Voraussetzung nicht in gleicher Lage.
135. Dem 42. Erwägungsgrund der Richtlinie lässt sich nämlich entnehmen, dass die in der Richtlinie normierten Haftungsausnahmen mit Rücksicht darauf geschaffen wurden, dass die Tätigkeiten der verschiedenen genannten Arten von Anbietern, insbesondere der Vermittler des Zugangs zu einem Kommunikationsnetz und der Anbieter von Hosting, alle rein technischer, automatischer und passiver Art sind und dass diese Anbieter daher weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzen.
136. Dessen ungeachtet erstreckt sich der von einem Hosting-Anbieter erbrachte Dienst, der in der Speicherung von Informationen besteht, über einen gewissen Zeitraum. Infolgedessen ist es möglich, dass ein solcher Anbieter von der Rechtswidrigkeit bestimmter Informationen, die er gespeichert hat, zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Speicherung erfährt und zu diesem Zeitpunkt noch tätig werden kann, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
137. Hingegen erstreckt sich im Fall eines Anbieters, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, der von ihm erbrachte Dienst der Informationsübermittlung normalerweise nicht über eine gewisse Zeitdauer, so dass er nach der Übermittlung von Informationen keine Kontrolle mehr über diese besitzt. Daher ist ein solcher Anbieter im Gegensatz zu einem Hosting-Anbieter häufig nicht in der Lage, zu einem späteren Zeitpunkt tätig zu werden, um bestimmte Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.
138. Jedenfalls ergibt sich aus Rn. 54 des vorliegenden Urteils, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 keine zusätzlichen Anforderungen außer der stellt, dass mit dem fraglichen Dienst ein Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt wird, der den Rahmen eines technischen, automatischen und passiven Vorgangs, der die erforderliche Übermittlung von Informationen gewährleistet, nicht überschreiten muss.
139. Demnach ist auf die sechste Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Voraussetzung nicht im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie entsprechend gilt.
Zur siebten und achten Frage
140. Mit seiner siebten und achten Frage, die zusammen an vierter Stelle zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass es andere Anforderungen als die in dieser Bestimmung genannte gibt, denen ein Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, unterliegt.
141. Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 sieht ausdrücklich nur eine einzige Anforderung vor, die an einen solchen Diensteanbieter zu stellen ist, nämlich die, dass es sich bei ihm um eine natürliche oder juristische Person handeln muss, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet.
142. Insoweit lässt sich dem 41. Erwägungsgrund entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie 2000/31 ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen geschaffen hat. Folglich ist die Richtlinie in ihrer Gesamtheit, und insbesondere ihr Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem Art. 2 Buchst. b, dahin zu verstehen, dass in ihr dieses vom Gesetzgeber geschaffene Gleichgewicht zum Ausdruck gelangt.
143. Unter diesen Umständen ist es nicht Sache des Gerichtshofs, an die Stelle des Unionsgesetzgebers zu treten, indem er die Anwendung dieser Bestimmung Voraussetzungen unterwürfe, die in ihr nicht vorgesehen sind.
144. Die in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 vorgesehene Ausnahme Anwendungsvoraussetzungen zu unterwerfen, die der Unionsgesetzgeber nicht ausdrücklich vorgesehen hat, könnte nämlich zur Folge haben, dass dieses Gleichgewicht beeinträchtigt wird.
145. Auf die siebte und achte Frage ist daher zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass es keine anderen Anforderungen als die in dieser Bestimmung genannte gibt, denen ein Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, unterläge.
Zur vierten Frage
146. Mit seiner vierten Frage, die an fünfter Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass es ihm nicht zuwiderläuft, dass derjenige, der durch eine Verletzung seiner Rechte an einem Werk geschädigt worden ist, gegen einen Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt und dessen Dienste zur Begehung dieser Rechtsverletzung genutzt worden sind, Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz sowie Zahlung der Abmahnkosten und der Gerichtskosten geltend macht.
147. Insoweit ist daran zu erinnern, dass gemäß Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass Diensteanbieter, die Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermitteln, für die ihnen von denjenigen, die diesen Dienst in Anspruch nehmen, übermittelten Informationen nicht verantwortlich sind, wenn die drei in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind, dass die Diensteanbieter die Übermittlung nicht veranlasst haben, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht auswählen und die übermittelten Informationen nicht auswählen oder verändern.
148. Folglich besteht, wenn diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, keine Haftung eines Diensteanbieters, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, und ist es daher jedenfalls ausgeschlossen, dass ein Urheberrechtsinhaber von diesem Anbieter Schadensersatz verlangen könnte, weil Dritte dieses Kommunikationsnetz zur Verletzung seiner Rechte benutzt haben.
149. Infolgedessen scheidet es jedenfalls auch aus, dass ein Urheberrechtsinhaber die Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten verlangen könnte. Denn ein solcher Nebenanspruch könnte nur bestehen, wenn der Hauptanspruch selbst bestünde, was Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 jedoch ausschließt.
150. Jedoch wird in Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 klargestellt, dass dieser Artikel die Möglichkeit unberührt lässt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde vom Diensteanbieter verlangt, die Urheberrechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern.
151. Daher läuft es, wenn ein Dritter eine Rechtsverletzung mittels eines Internetanschlusses begangen hat, der ihm von einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, zur Verfügung gestellt worden ist, Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 nicht zuwider, dass der dadurch Geschädigte bei einer nationalen Behörde oder einem nationalen Gericht beantragt, es diesem Anbieter zu untersagen, die Fortsetzung dieser Rechtsverletzung zu ermöglichen.
152. Folglich ist davon auszugehen, dass es Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 für sich genommen auch nicht ausschließt, dass der Geschädigte die Erstattung der Abmahnkosten und Gerichtskosten verlangen kann, die für einen Antrag wie die in den vorstehenden Randnummern genannten aufgewendet worden sind.
153. Demnach ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass es ihm zuwiderläuft, dass derjenige, der durch eine Verletzung seiner Rechte an einem Werk geschädigt worden ist, gegen einen Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsdienst vermittelt, Ansprüche auf Schadensersatz und auf Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten geltend machen kann, weil dieser Zugang von Dritten für die Verletzung seiner Rechte genutzt worden ist. Hingegen ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass es ihr nicht zuwiderläuft, dass der Geschädigte die Unterlassung dieser Rechtsverletzung sowie die Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtskosten von einem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt und dessen Dienste für diese Rechtsverletzung genutzt worden sind, verlangt, sofern diese Ansprüche darauf abzielen oder daraus folgen, dass eine innerstaatliche Behörde oder ein innerstaatliches Gericht eine Anordnung erlässt, mit der dem Diensteanbieter untersagt wird, die Fortsetzung der Rechtsverletzung zu ermöglichen.
Zur fünften, neunten und zehnten Frage
154. Mit seiner fünften, neunten und zehnten Frage, die zusammen an sechster Stelle zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Grundrechtsschutzes und der Regelungen der Richtlinien 2001/29 und 2004/48 dahin auszulegen ist, dass er dem Erlass einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, mit der einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz, das der Öffentlichkeit Anschluss an das Internet ermöglicht, vermittelt, unter Androhung von Ordnungsgeld aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse („peer-to-peer“) zur Verfügung zu stellen, wenn der Diensteanbieter zwar die Wahl hat, welche technischen Maßnahmen er ergreift, um dieser Anordnung zu entsprechen, aber bereits feststeht, dass die einzigen Maßnahmen, die er in der Praxis ergreifen könnte, in der Abschaltung des Internetanschlusses, dessen Sicherung durch ein Passwort oder der Überprüfung sämtlicher mittels dieses Anschlusses übermittelter Informationen besteht.
155. Zunächst ist offenkundig, dass eine Anordnung wie die vom vorlegenden Gericht im Ausgangsverfahren in Aussicht genommene, da mit ihr dem Anbieter, der Zugang zu dem fraglichen Netz vermittelt, aufgegeben wird, der Wiederholung einer Verletzung eines dem Urheberrecht verwandten Schutzrechts vorzubeugen, den Schutz des Grundrechts auf Schutz des geistigen Eigentums gemäß Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) berührt.
156. Weiter ist festzustellen, dass eine solche Anordnung, da sie zum einen gegen einen solchen Diensteanbieter eine Zwangswirkung entfaltet, die seine wirtschaftliche Tätigkeit beeinträchtigen kann, und zum anderen die Freiheit der Empfänger dieses Dienstes auf Zugang zum Internet einschränken kann, das durch Art. 16 der Charta geschützte Recht des Anbieters auf unternehmerische Freiheit und das durch Art. 11 der Charta geschützte Recht der Empfänger auf Informationsfreiheit tangiert.
157. Wenn jedoch mehrere unionsrechtlich geschützte Grundrechte einander widerstreiten, obliegt es den zuständigen innerstaatlichen Behörden oder Gerichten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Rechten sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C-275/06, EU:C:2008:54, Rn. 68 und 70).
158. Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Anordnung, nach der es einem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, überlassen bleibt, die konkreten Maßnahmen zu bestimmen, die zur Erreichung des angestrebten Ergebnisses zu ergreifen sind, unter bestimmten Voraussetzungen geeignet ist, ein solches angemessenes Gleichgewicht herzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C-314/12, EU:C:2014:192, Rn. 62 und 63).
159. Im vorliegenden Fall lässt sich dem Vorabentscheidungsersuchen entnehmen, dass das vorlegende Gericht von der Annahme ausgeht, dass die Vorkehrungen, die der von einer Anordnung Betroffene in der Praxis ergreifen könnte, auf drei Maßnahmen beschränkt sind, nämlich darauf, sämtliche über einen Internetanschluss übermittelten Informationen zu überprüfen, den Anschluss abzuschalten oder ihn mit einem Passwort zu sichern.
160. Die Vereinbarkeit der in Aussicht genommenen Anordnung mit dem Unionsrecht ist daher vom Gerichtshof allein auf der Grundlage dieser drei vom vorlegenden Gericht genannten Maßnahmen zu prüfen.
161. Was erstens die Überprüfung sämtlicher übermittelter Informationen angeht, so scheidet eine solche Maßnahme von vornherein deshalb aus, weil sie Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 zuwiderläuft, wonach Anbietern, die Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermitteln, keine allgemeine Verpflichtung zur Überwachung der von ihnen übermittelten Informationen auferlegt werden darf.
162. Hinsichtlich, zweitens, der Maßnahme einer vollständigen Abschaltung des Internetanschlusses ist festzustellen, dass ihre Durchführung einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit des Betroffenen bedeutete, der, und sei es auch nur als Nebentätigkeit, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die darin besteht, Zugang zum Internet zu vermitteln, da ihm damit die Fortführung dieser Tätigkeit faktisch vollständig untersagt würde, um einer begrenzten Urheberrechtsverletzung abzuhelfen, ohne die Ergreifung von Maßnahmen in Betracht zu ziehen, die diese Freiheit in geringerem Maße beeinträchtigen.
163. Hierin ist daher eine Maßnahme zu sehen, die nicht die Anforderung erfüllt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den miteinander in Einklang zu bringenden Grundrechten sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne hinsichtlich einer richterlichen Anordnung Urteil vom 24. November 2011, Scarlet Extended, C-70/10, EU:C:2011:771, Rn. 49, und entsprechend Urteil vom 16. Juli 2015, Coty Germany, C-580/13, EU:C:2015:485, Rn. 35 und 41).
164. Was drittens die Maßnahme anbelangt, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, so ist sie geeignet, sowohl das Recht des Anbieters, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, als auch das Recht der Empfänger dieses Dienstes auf Informationsfreiheit einzuschränken.
165. Gleichwohl ist erstens festzustellen, dass eine solche Maßnahme nicht den Wesensgehalt des Rechts des Anbieters von Netzzugangsdiensten auf unternehmerische Freiheit verletzt, da sie darauf beschränkt bleibt, in marginaler Weise eine technische Modalität für die Ausübung der Tätigkeit dieses Anbieters festzulegen.
166. Zweitens erscheint eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses besteht, auch nicht geeignet, den Wesensgehalt des Rechts der Empfänger eines Internetzugangsdienstes auf Informationsfreiheit zu verletzen, weil sie von ihnen nur verlangt, sich ein Passwort geben zu lassen, wobei überdies vorauszusetzen ist, dass dieser Anschluss nur ein Mittel unter anderen für den Zugang zum Internet bildet.
167. Drittens ergibt sich zwar aus der Rechtsprechung, dass die ergriffenen Maßnahmen in dem Sinne streng zielorientiert sein müssen, dass sie dazu dienen müssen, der Verletzung des Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts durch einen Dritten ein Ende zu setzen, ohne dass die für Internetnutzer, die die Dienste dieses Anbieters in Anspruch nehmen, bestehende Möglichkeit, rechtmäßig Zugang zu Informationen zu erlangen, dadurch beeinträchtigt wird. Andernfalls wäre der Eingriff des Anbieters in die Informationsfreiheit dieser Nutzer gemessen am verfolgten Ziel nicht gerechtfertigt (Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C-314/12, EU:C:2014:192, Rn. 56).
168. Jedoch erscheint eine von dem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, ergriffene Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses besteht, nicht geeignet, die Möglichkeit des rechtmäßigen Zugangs zu Informationen zu beeinträchtigen, über die die Internetnutzer, die Dienste dieses Anbieters in Anspruch nehmen, verfügen, weil sie keine Sperrung einer Website bewirkt.
169. Viertens hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Maßnahmen, die vom Adressaten einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen bei deren Durchführung getroffen werden, hinreichend wirksam sein müssen, um einen wirkungsvollen Schutz des betreffenden Grundrechts sicherzustellen, d. h., sie müssen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des genannten Grundrechts zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen (vgl. Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C-314/12, EU:C:2014:192, Rn. 62).
170. Insoweit ist festzustellen, dass eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, die Nutzer dieses Anschlusses davon abschrecken kann, ein Urheberrecht oder verwandtes Schutzrecht zu verletzen, soweit diese Nutzer ihre Identität offenbaren müssen, um das erforderliche Passwort zu erhalten, und damit nicht anonym handeln können, was durch das vorlegende Gericht zu überprüfen ist.
171. Fünftens ist darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts außer den drei von ihm genannten Maßnahmen keine andere Maßnahme existiert, die ein Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz wie dem hier fraglichen vermittelt, in der Praxis ergreifen könnte, um einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nachzukommen.
172. Da die beiden anderen Maßnahmen vom Gerichtshof verworfen worden sind, liefe die Auffassung, dass ein Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, seinen Internetanschluss nicht sichern muss, darauf hinaus, dem Grundrecht auf geistiges Eigentum jeden Schutz zu entziehen, was dem Gedanken eines angemessenen Gleichgewichts zuwiderliefe (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2015, Coty Germany, C-580/13, EU:C:2015:485, Rn. 37 und 38).
173. Unter diesen Umständen ist eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, als erforderlich anzusehen, um einen wirksamen Schutz des Grundrechts auf Schutz des geistigen Eigentums zu gewährleisten.
174. Nach alledem ist unter den im vorliegenden Urteil dargelegten Voraussetzungen die Maßnahme, die in der Sicherung des Anschlusses besteht, als geeignet anzusehen, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Grundrecht auf Schutz des geistigen Eigentums einerseits und dem Recht des Diensteanbieters, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, auf unternehmerische Freiheit sowie dem Recht der Empfänger dieses Dienstes auf Informationsfreiheit andererseits zu schaffen.
175. Daher ist auf die fünfte, neunte und zehnte Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Grundrechtsschutzes und der Regelungen der Richtlinien 2001/29 und 2004/48 dahin auszulegen ist, dass er grundsätzlich nicht dem Erlass einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, mit der einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz, das der Öffentlichkeit Anschluss an das Internet ermöglicht, vermittelt, unter Androhung von Ordnungsgeld aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse („peer-to-peer“) zur Verfügung zu stellen, wenn der Diensteanbieter die Wahl hat, welche technischen Maßnahmen er ergreift, um dieser Anordnung zu entsprechen, und zwar auch dann, wenn sich diese Wahl allein auf die Maßnahme reduziert, den Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern, sofern die Nutzer dieses Netzes, um das erforderliche Passwort zu erhalten, ihre Identität offenbaren müssen und daher nicht anonym handeln können, was durch das vorlegende Gericht zu überprüfen ist.
Kosten
176. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
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