Ausgleichsanspruch eines Reisebüroagenten bei Kündigung des Agenturvertrages

AG Charlottenburg: Ausgleichsanspruch eines Reisebüroagenten bei Kündigung des Agenturvertrages

Die Betreiberin eines Reisebüros vermittelt, trotz Kündigung des entsprechenden Handelsvertretervertrages, weiterhin Flüge für ein Luftfahrtunternehmen. In der Folge verlangt sie eine entsprechende Provision.
Die Airline lehnt diese mit Verweis auf eine fehlende Vertragsgrundlage ab.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Beklagten Recht zugesprochen. Durch die Kündigung des Vertrages habe die Klägerin jeglichen Anspruch auf Ausgleichsleistungen sowie Provisionen verloren.

AG Charlottenburg 232 C 63/07(Aktenzeichen)
AG Charlottenburg: AG Charlottenburg, Urt. vom 01.06.2007
Rechtsweg: AG Charlottenburg, Urt. v. 01.06.2007, Az: 232 C 63/07
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Berlin-Gerichtsurteile

Amtsgericht Charlottenburg

1. Urteil vom 01. Juni 2007

Aktenzeichen: 232 C 63/07

Leitsatz:

2. Einem Handelsvertreter steht nach Kündigung des Handelsvertretervertrages kein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zu, wenn er weiterhin Flugscheine der Fluggesellschaft zum Nettopreis verkaufen und von den Kunden Provisionen erhalten kann und darüber hinaus Flüge der Fluggesellschaft im Internet anbietet, so dass ihm durch die Kündigung keine Einnahmeverluste in Bezug auf die die Fluggesellschaft betreffenden Stammkunden entstehen.

Zusammenfassung:

3. Die Betreiberin eines Reisebüros verkaufte über mehrere Jahre Flugscheine für ein Luftfahrtunternehmen. Die Airline entlohnte sie hierfür mit einer in einem Handelsvertretervertrag festgelegten Provision.
Nachdem der Vertrag gekündigt wurde, verkaufte die Klägerin weiterhin Flugscheine der Beklagten an Stamm- und Neukunden. Sie verlangt nun die Auszahlung der entsprechenden Provisionssumme.
Die Airline weigert sich der Zahlung und verweist auf eine fehlende vertragliche Grundlage.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Airline Recht zugesprochen. Die von der Klägerin gemäß §89b BGB geforderte Zahlung,  sei als Nachteilsausgleich anzusehen. Sie entschädige für etwaige Umsatzeinbußen, die der Vertreter als Folge der Vertragskündigung zu erleiden habe.

Vorliegend wurde der Klägerin allerdings ausdrücklich von der Beklagten zugesichert, dass sie die Flugscheine weiterhin vertreiben könne. Die Provision würde ihr in diesem Fall direkt von den Kunden und nicht über die Airline zukommen.
Da somit werder eine vertragliche noch eine gesetzliche Anspruchsgrundlage gegeben seien, sei die Klage abzuweisen.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

5. Die Klägerin begehrt Schadensersatz infolge der Beendigung eines Agenturvertrags.

6. Die Klägerin betreibt ein Reisebüro und war seit ca. 10 Jahren für die Beklagte im Rahmen eines Agenturvertrags als Handelsvertreterin tätig. Sie erhielt eine durchschnittliche Provision in Höhe von 8,5 %. In dem Zeitraum von November 2000 bis Oktober 2005 erhielt sie Provisionen in Höhe von 28.767,93 Euro brutto. Mit Schreiben vom 27. April 2005 kündigte die Klägerin den Agenturvertrag zum 31. Oktober 2005 (Blatt 7 d. A.). Dabei führte sie aus, dass sie weiterhin an einem Verkauf von Flugscheinen durch das Reisebüro der Klägerin interessiert sei.

7. Mit der Klage begehrt die Klägerin eine Ausgleichszahlung nach § 89 b Abs. 1 HGB. Sie behauptet, die zu berücksichtigenden Provisionen aus Geschäften mit Neukunden und intensivierten Altkunden hätten in den letzten 12 Monaten vor Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses 5758,21 Euro betragen. Daraus ergebe sich ein Ausgleichsanspruch von 3484,22 Euro. Wegen der genauen Berechnung des Anspruchs wird auf Seite 4 der Klageschrift (Blatt 4 d. A.) verwiesen. Exemplarisch benennt die Klägerin mehrere Kunden, die mehrfach bei ihr Flüge gebucht hätten. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf Seite 2 bis 7 des Schriftsatzes der Klägerin vom 16. Mai 2007 (Blatt 65 – 70 d. A.) verwiesen. Der Umsatz mit diesen Stammkunden hätte in den letzten 12 Monaten vor Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses 73.382,20 Euro betragen. Würde man nur 50 % der Kunden als Stammkunden ansehen, würde der Ausgleichsanspruch nach einer vorsichtigen Schätzung immer noch 1694,25 Euro betragen. Wegen der Einzelheiten dieser Berechnung wird auf Seite 8 des Schriftsatzes der Klägerin vom 16. Mai 2007 (Blatt 71 d. A.) verwiesen.

8. Es sei auch nicht richtig, dass die Klägerin nach Umstellung des Vertriebs mehr als während der vorherigen Agenturtätigkeit verdienen würde. Sie könnte dann lediglich auf den von der Beklagten publizierten Preis einen Aufschlag als Makler nehmen, also etwa ein Ticket von 100,00 Euro für 120,00 Euro verkaufen. Der Kunde würde aber sehr schnell merken, dass die Flüge im Internet ohne Aufpreis verkauft werden und dann preisgünstiger im Internet buchen. Außerdem würde sie die Flüge auf eigene Rechnung verkaufen und dann dafür haften, wenn die Beklagte einen Flug streicht. Schließlich würde sie zum Reiseveranstalter, wenn sie neben dem auf eigene Rechnung vermittelten Flug auch noch ein Hotel oder einen anderen Veranstalter vermittelt.

9. Die Klägerin vertreibe auch nicht Flugscheine der Beklagten über ihre Internetpräsentation. Zwar sei tatsächlich noch eine Flugdatenbank für Linienflüge separat vorhanden gewesen. Bei dieser sei sie jedoch mittlerweile herausgenommen. Ein Umsatz sei über die Beklagte nicht gemacht worden.

10. Die Klägerin beantragt,

11. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3484,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.1.2006 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Sie trägt vor, die Beklagte würde immer noch Flugscheine der Beklagten über ihre Internetpräsentation vertreiben. Dies habe eine Buchungsanfrage vom 30.4.2007 ergeben (Blatt 59 und 60 d. A.). Soweit die Klägerin jetzt noch Flüge der Beklagten vermittele, erhalte sie dafür nicht mehr eine Provision von der Beklagten, sondern von den Kunden selbst. Diese sei höher als die Provision, die sie von der Beklagten erhalten habe. Die Klägerin habe der Beklagten auch keine Stammkundenkartei übertragen, aus welcher diese jetzt Vorteile ziehen könne. Auch beanstandet sie, dass nicht ersichtlich sei, dass die Klägerin Stammkunden habe. § 89 b HGB sei schließlich auf den Flugreisevermittlungsmarkt nur eingeschränkt anwendbar.

15. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16. Die Klage ist nicht begründet.

17. Die Voraussetzungen des § 89 b HGB sind nicht gegeben. Die Vorschrift ist nicht einschlägig, weil § 89 b HGB von Voraussetzungen ausgeht, die in der speziellen Beziehung der Parteien und der Situation eines Reisebüros hier nicht gegeben sind. Der Anspruch ist ein Ausgleichsanspruch für die Vorteile des Unternehmers und die Provisionsverluste des Handelsvertreters aufgrund der Beendigung des Vertragsverhältnisses (vgl. Baumbach/Hopp, 32. Auflage Rnr. 2 zu § 89 b HGB).

18. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zwar den Agenturvertrag mit der Klägerin gekündigt. Die Klägerin hat aber gleichwohl weiterhin Flüge der Beklagten im Internet angeboten. Bis zum 30. April 2007, und das hat die Klägerin auch nicht bestritten, war eine entsprechende Buchungsanfrage jedenfalls möglich. Schließlich kann die Klägerin davon unabhängig weiterhin Flüge der Beklagten vermitteln.

19. Dies hat ihr die Beklagte im Schreiben vom 27.04.2005 ausdrücklich zugestanden und es ist auch unstreitig. Sie kann dafür, wie sie selbst einräumt, auch weiterhin Einnahmen erzielen, lediglich mit dem Unterschied, dass sie keine Provision von der Beklagten, sondern von dem Kunden erhält. Damit ist zwar eine veränderte Situation eingetreten. Das bedeutet aber nicht, dass die Klägerin durch die Kündigung des Agenturvertrags Einnahmeverluste in Bezug auf die die Beklagte betreffenden Stammkunden erleiden würde. Denn offensichtlich erzielt sie solche Provisionen.

20. Ihre Ausführungen, dass sie mehr als bisher verdienen könnte, dies aber von den Kunden bemerkt werden würde, stellt kein Bestreiten dar, dass sie zumindest ebenso viel einnimmt wie zuvor. Jedenfalls hat sie die Möglichkeit. Da sie eine durchschnittliche Provision von 8,5 % erhielt, müsste sie auch nicht 20 % aufschlagen, um die bisherigen Einnahmen zu erzielen. Zwar ist es richtig, dass der Kunde im Internet preisgünstiger buchen könnte.

21. Es ist aber ohnehin allgemein bekannt, dass Flüge im Internet günstiger gebucht werden können als über ein Reisebüro. Wer zu einer Internetbuchung bereit ist und in erster Linie an einem günstigen Preis interessiert ist, wird deshalb ohnehin die Buchung im Internet vornehmen. Die Internetbuchung ist zudem weniger aufwändig, weil sie vom eigenen PC erfolgen kann. Der Kunde kann eigene Recherchen nach einem passenden und preisgünstigen Flug vornehmen. Die Vorteile der Buchung über das Reisebüro liegen in der Beratung und darin dass ein Fachmann dem Kunden die Suche und weitere Formalitäten abnimmt.

22. Der Kunde muss nicht über einen Internetanschluss verfügen und es gibt nicht die Unsicherheiten, die mancher bei einer Buchung über das Internet empfindet. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, wie der Klägerin durch die Beendigung des Agenturvertrags Stammkunden verloren gegangen sein sollen. Ein Stammkunde, der in einer gewissen Regelmäßigkeit bei der Klägerin Flüge der Beklagten gebucht hat und nicht auf das Internet zurückgriff, hatte keine Veranlassung, allein weil der Agenturvertrag nicht mehr bestand, nun nicht mehr bei der Klägerin zu erscheinen, um Flüge der Beklagten zu buchen.

23. Umgekehrt ist nicht erkennbar, dass die Klägerin durch die Kündigung unmittelbar Vorteile durch Übernahme von Stammkunden, die bisher bei der Klägerin erschienen sind, erzielt. Dass sich die allgemeine Situation geändert haben dürfte und deshalb viele Kunden direkt über das Internet bestellen, mag für die Beklagte vorteilhaft sein. Dieser Vorteil steht dann aber nicht in Zusammenhang mit der Kündigung des Agenturvertrags. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass in dem Computerausdruck, der die Namen und Buchungsdaten von Personen enthält, die die Klägerin als Stammkunden bezeichnet, auch diverse Buchungen für die Zeit nach Beendigung des Agenturvertrags verzeichnet sind, auch noch im Jahr 2006 und sogar im Jahr 2007.

24. Damit besteht hier für die Klägerin zwar jetzt eine veränderte Situation. Diese stellt sich aber ganz anders dar, als sie in der Vorschrift des § 89 b HGB vorgesehen ist. Die Tatsache, dass die Klägerin sich an veränderte Situationen anpassen muss und damit möglicherweise auch neue Risiken zu tragen hat, ändert nichts daran, dass die in § 89 b HGB unterstellte Entwicklung, dass durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses, und nicht durch andere Umstände, die Beklagte erhebliche Vorteile hätte und die Klägerin Ansprüche auf Provision (auch wirtschaftlich) verlieren würde, hier nicht gegeben ist.

25. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.

26. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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