Anspruch bei Flugverspätung

AG Rüsselsheim: Anspruch bei Flugverspätung

Ein Fluggast wird mit einer mehr als 3-stündigen Verspätung von seiner Airline befördert. In der Folge verlangt er eine Ausgleichszahlung. Das Luftfahrtunternehmen weigert sich der Zahlung mit der Begründung, in der, die Verspätung begründenden, Verzögerung des Vorfluges sei ein außergewöhnlicher Umstand zu sehen.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat dem Kläger Recht zugesprochen. In der Verspätung des Vorfluges sei kein haftungsbefreiender außergewöhnlicher Umstand zu sehen.

AG Rüsselsheim 3 C 3394/13 (31) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 27.11.2013
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 27.11.2013, Az: 3 C 3394/13 (31)
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Amtsgericht Rüsselsheim

1. Urteil vom 27. November 2013

Aktenzeichen: 3 C 3394/13 (31)

Leitsatz:

2. Eine mehr als 3-stündige Flugverspätung begründet eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechte-Verordnung.

Zusammenfassung:

3. Ein Urlauber bucht bei einem Luftfahrtunternehmen einen Flug. Weil dieser sich um mehr als 3 Stunden verspätete, fordert er eine Ausgleichzahlung nach Artikel 7 der Fluggastrechte-Verordnung.
Die Airline weigert sich der Zahlung und hält der Forderung des Klägers das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände entgegen. Die Verzögerung ergebe sich aus der Verspätung des eines Vorfluges und des Nachtflugverbots auf dem Rollfeld.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat dem Kläger Recht zugesprochen. Im Falle einer mehr als 3-stündigen Flugverspätung stehe den Fluggästen grundsätzlich eine Ausgleichszahlung zu.

Eine Ausnahme bilde das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung. Voraussetzung hierfür sei, dass das hinderliche Ereignisse nicht im Machtbereich der Airline liege und für selbige nicht vorherzusehen sei.

Vorliegend war eine Verspätung des Vorfluges der Grund für die Verzögerung der Ankunft. Eine solche Verspätung ist im täglichen Flugverkehr nicht unüblich und in jedem Fall vorherzusehen.
Auch das den Abflug verhindernde Nachtflugverbot war den Angestellten des Luftfahrtunternehmens bekannt. Beide Umstände hätten durch die Einleitung entsprechender Maßnahmen umgangen werden können.

Im Ergebnis könne sich die Airline deshalb nicht von der Haftung befreien und schulde dem Kläger die entsprechende Ausgleichszahlung.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger je 400,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit 03.05.2013 zuzüglich vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit 17.07.2013 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten ist gestattet, eine Zwangsvollstreckung gegen Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Forderung abzuwenden, soweit nicht die Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sowie Verzugsschaden.

6. Die Kläger waren bei der Beklagten als ausführendem Luftfahrtunternehmen auf einen Flug von … nach Düsseldorf am 13.04.2013 unter der Flugnummer … eingebucht.

7. Dieser Flug wurde nicht planmäßig ausgeführt. Es kam zu einer Ankunftsverspätung von über 6 Stunden.

8. Die Kläger begehrten erfolglos mit Schreiben vom 15.04.2013 (Kopie hiervon Bl. 6 d. A.) von der Beklagten Ausgleichszahlungen in streitgegenständlicher Höhe. Mit Schreiben vom 03.05.2013 (Kopie hiervon Bl. 7 d. A.) wies die Beklagte die Ansprüche zurück.

9. Mit weiterem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 08.05.2013 wurde der Ausgleich der streitgegenständlichen Forderung nochmals erfolglos gefordert.

10. Die Kläger beantragen,

11. die Beklagte zu verurteilen, an sie insgesamt 800,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit 30.04.2013 zuzüglich 120,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%- Punkten seit 25.05.2013 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Zur verspäteten Durchführung des streitgegenständlichen Fluges beruft sich die Beklagte auf eine verspätete Ankunft des Vorfluges in … Ein hierdurch ausgelöster verspäteter Rückflug nach Düsseldorf wäre wegen des Nachflugverbotes nicht möglich gewesen. Aus diesem Grunde wurde der Flug erst durchgeführt, damit die Ankunft nach dem Ende des Nachflugverbotes liegt.

15. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

17. Die Klage ist überwiegend begründet. Die Kläger haben einen Anspruch aus Zahlung der Ausgleichspauschale gem. Artikel 7 Abs. 1b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

18. Unstreitig wurde der Flug … am 13.04.2013 nicht planmäßig durchgeführt. Abflug- und Ankunftsverspätung betrugen jeweils über 3 Stunden, so dass den Klägern nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die titulierten Ausgleichszahlungen zustehen. Insoweit war der Klage stattzugeben.

19. Diesem Ergebnis steht nicht die Einlassung der Beklagten entgegen. Eine verspätete Ankunft des Vorfluges am Abflugort des streitgegenständlichen Fluges stellt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Artikel 5 Abs. 3 der vorgenannten Verordnung dar. Ebenso wenig ist ein Nachtflugverbot ein außergewöhnlicher Umstand. Das Nachflugverbot wurde ja nicht gerade für den streitgegenständlichen Flug ausgesprochen, sondern war der Beklagten bekannt. Es stellt damit kein überraschendes und unabwendbares Ereignis dar, dass von der Beklagten als Luftfahrtunternehmen weder vorhersehbar noch beherrschbar ist. Die Beklagte ist daher nicht leistungsfrei geworden.

20. Der Zinsanspruch ist aus dem Zahlungsanspruch der Beklagten begründet (§§ 286 ff. BGB). Verzug ist eingetreten mit der Ablehnung der Beklagten durch Schreiben vom 03.05.2013. Die einseitige Fristsetzung im Forderungsschreiben der Kläger begründet keinen Verzug gem. § 286 Abs.1 BGB. Insoweit bedarf es einer Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner über den kalendermäßig bestimmten Leistungszeitpunkt. Wegen der Zinsmehrforderung war die Klage daher abzuweisen.

21. Die Kläger haben einen Anspruch auf Erstattung vorprozessual entstandener Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden (§§ 280 ff. BGB). Das Antwortschreiben der Beklagten vom 03.05.2013 ist ein im Wesentlichen inhaltsleeres Standardschreiben der Kundenbetreuung der Beklagten. Die konkreten Umstände für die nicht planmäßige Durchführung des Fluges werden darin nicht angegeben. Ein Fluggast kann sich nicht sachgerecht mit dem Inhalt eines solchen Schreibens auseinandersetzen und abwägen, ob er das Verhalten des Luftfahrtunternehmens akzeptieren will oder seine Forderung doch gerichtlich geltend macht. Wenn er sich unter diesen Umständen anwaltlicher Hilfe versichert, ist dies sachgerecht und verständlich. Die hierdurch entstehenden vorprozessualen Anwaltskosten hat daher das Luftfahrtunternehmen zu erstatten. Wegen dieser Nebenforderung war der Klage stattzugeben.

22. Die Nebenforderung ist gem. § 291 BGB zu verzinsen. Hinsichtlich der darüber hinaus geltend gemachten Verzugszinsen gilt das zuvor Ausgeführte bei den Hauptansprüchen. Wegen der Zinsmehrforderung bezüglich der Nebenforderung war die Klage gleichfalls abzuweisen.

23. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.

24. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.

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