Annullierung des Anschlussfluges
AG Köln: Annullierung des Anschlussfluges
Ein Flugreisender buchte bei einer Airline einen zweigeteilten Linienflug. Als sich der Anschlussflug um mehr als 24 Stunden verspätete, verlangte er eine Ausgleichszahlung. Die Gesellschaft weigert sich der Zahlung, da nur eine der Teilstrecken verspätet beflogen wurde und die anspruchsbegründende Mindestdistanz somit nicht erreicht wurde.
Das Amtsgericht Köln gab der Klage statt. Anders als von der Airline dargestellt, werden beide Teilstrecken zur Berechnung der Ausgleichsleistung herangezogen.
AG Köln | 118 C 412/16 (Aktenzeichen) |
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AG Köln: | AG Köln, Urt. vom 23.02.2017 |
Rechtsweg: | AG Köln, Urt. v. 23.02.2017, Az: 118 C 412/16 |
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Leitsatz:
2. Für die Beurteilung der Reiseentfernung und damit die Anspruchshöhe bei Annullierung ist der letzte von der Annullierung betroffene Zielort maßgeblich.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger hatte bei der Beklagten Flüge von Moskau-Domodedowo über Frankfurt nach Toulouse gebucht. Der Flug nach Toulouse wurde annulliert und der Passagier ersatzbefördert, sodass er sein Ziel mit eintägiger Verspätung erreichte. Hierfür klagte er vor dem Amtsgericht Köln Schadensersatz gemäß Art. 5 der Fluggastrechteverordnung ein. Die Beklagte verteidigte sich mit der Auffassung, für die Berechnung der Höhe der Ausgleichszahlung sei nur die annullierte Flugstrecke von Frankfurt nach Toulouse zu berücksichtigen.
Das Amtsgericht Köln hat dem Klägerbegehren entsprochen. Gemäß Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004 sei für die Berechnung der Entfernung auch bei der Selbstständigkeit der Teilflüge der letzte von der Annullierung betroffene Zielort maßgeblich. Für eine Unterscheidung zwischen Fluggästen, welche einen Direktflug gebucht haben und solchen, deren Flüge eine Zwischenlandung ausführen, bestehe kein sachlicher Grund. Dem Kläger wurde entsprrechend Schadensersatz in Höhe von 400 Euro zuzüglich Zinsen zugesprochen.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 400 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.06.2016 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten hat das Gericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
5. Der Kläger war am 00.00.0000 unter der Buchungsnummer XXABXB auf die von der Beklagten durchgeführten Flüge XX 0000 und XX 0000 von Moskau-Domodedowo über Frankfurt nach Toulouse gebucht. Der Flug XX 0000 wurde regulär durchgeführt. Der Flug XX 0000 hätte regulär um 21:55 Uhr in Frankfurt starten und 21.35 Uhr am endgültigen Zielort Toulouse landen sollen. Der Flug XX 0000 nach Toulouse wurde annulliert. Nach der Großkreismethode beträgt die Entfernung zwischen Moskau-Domodedowo und Toulouse mehr als 1500, jedoch weniger als 3500 km. Mithilfe der Firma B. Ltd. wurde die Beklagte mit Schreiben vom 03.06.2016 unter einer zweiwöchigen Fristsetzung zur Zahlung von 400 € Entschädigung nach der Fluggastverordnung aufgefordert. Unter dem 10.06.2016 lehnte die Beklagte die Zahlung ab.
6. Der Kläger behauptet, er sei am 00.00.0000 mit dem Flug XX 0000 ersatzweise von Frankfurt nach Toulouse befördert worden, welcher unstreitig um 7:26 Uhr in Frankfurt startete und um 9:02 Uhr in Toulouse landete. Der Kläger behauptet, durch die Beförderung auf diesem Flug habe er sein endgültiges Reiseziel mit einer Verspätung von mehr als 24 Stunden erreicht. Der Kläger ist der Auffassung, für die Höhe der geltend gemachten Erstattungsansprüche sei auf die Entfernung von Moskau-Domodedowo nach Toulouse abzustellen.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.06.2016 zu bezahlen.
die Klage abzuweisen.
9. Die Beklagte ist der Auffassung, für einen Anspruch sei hinsichtlich der Höhe lediglich auf die Entfernung zwischen Frankfurt und Toulouse abzustellen.
Entscheidungsgründe:
10. Die Klage ist mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs begründet.
11. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 400,00 EUR gem. Art. 5 Abs. 1 c), 7 Abs. 1 b) EG-VO Nr. 261/2004/EG.
12. Die Voraussetzung eines Anspruchs des Klägers auf Ausgleich in Höhe von 400,00 EUR liegen vor. Flug XX 0000 wurde annulliert. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger Toulouse mit einer Verspätung von 24 Stunden erreicht hat, da sich der Kläger auf die Annullierung eines Fluges als Anspruchsgrund beruft. Eine erhebliche Verspätung, wie sie in ständiger Rechtsprechung für Ausgleichsansprüche in analoger Anwendung der Verordnung vorausgesetzt wird, ist für einen Anspruch des Klägers wegen einer Flugannullierung nicht erforderlich. Dass in Art. 7 Abs.1 VO (EG) Nr. 261/2004 auf eine verspätete Ankunft abgestellt wird, ist nicht so zu verstehen, dass es auf eine (erhebliche) Verspätung am Zielort ankäme, da diese für Ausgleichsansprüche wegen Annullierung nicht Voraussetzung ist. Es soll vielmehr der Bezug zwischen den Unannehmlichkeiten, welche der Fluggast erfährt, und der Höhe des Ausgleichsanspruchs verdeutlicht werden. (vgl. AG Köln, Urteil vom 10.10.2016, 113 C 311/16). Insoweit ist auch irrelevant, ob der Kläger auf dem Ersatzflug XX 0000 tatsächlich ersatzbefördert wurde. Eine Ersatzbeförderung wäre allenfalls für eine Reduktion von Ansprüchen gegen die Beklagte gemäß Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 261/2004 relevant. Hierfür wäre die Beklagte beweisbelastet.
13. Der Ausgleichsanspruch ist gem. Art. 7 Abs. 1 b) der Verordnung auf Grundlage der Gesamtstrecke Moskau-Domodedowo – Toulouse zu berechnen. Demnach erhalten Fluggäste u.a. bei allen nicht-innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von 1500 km bis 3500 km Ausgleichszahlungen in Höhe von 400,00 EUR.
14. Eine Beschränkung auf die Strecke des annullierten Fluges XX 0000 von Frankfurt nach Toulouse für die Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vorzunehmen. Dies gilt auch, obgleich hier allein der Anschlussflug annulliert wurde und der erste Teilflug ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
15. Die Selbständigkeit der Flüge XX 0000 und XX 0000 ändert nichts daran, dass gem. Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004 für die Beurteilung der Entfernung und damit auch für die Frage, in welcher Höhe Ausgleich zu leisten ist, der letzte von der Annullierung betroffene Zielort maßgeblich ist. Auch der BGH hat in seinem von der Beklagten zitierten Urteil vom 13. 11. 2012 – X ZR 12/12 ausgeführt:
16. „Lediglich bei der Höhe der Ausgleichszahlung berücksichtigt die Verordnung (in pauschalierter Weise), dass die einzelnen Fluggäste durch die Annullierung eines Flugs oder durch die Verweigerung der Beförderung in unterschiedlicher Weise betroffen sein können, je nachdem, wie sich diese Maßnahme auf die Erreichung ihres individuellen Endziels auswirkt. Nach Art. 7 Absatz I 2 FluggastrechteVO wird deshalb bei der Ermittlung der für die Höhe der Ausgleichszahlung maßgeblichen Entfernung der letzte Zielort zu Grunde gelegt, an dem der Fluggast (hier und nur hier verwendet die Verordnung im erörterten Zusammenhang den Singular) infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.“ (BGH, NJW 2013, 682, 683).
17. Dies hielt der BGH gerade in Bezug auf eine Situation fest, in der nur der letzte Abschnitt eines zusammengesetzten Flugs von einer Verspätung betroffen war.
18. Dies muss grundsätzlich auch bei der Annullierung (lediglich) eines Anschlussfluges als Anspruchsgrund gelten. Abzustellen ist auf die Gesamtentfernung zwischen Start und endgültigem Ziel, auch wenn der einzelne Flug eine kürzere Teilstrecke umfasst. Eine engere Auslegung der Vorschrift entspräche nicht dem Sinn und Zweck der Verordnung und trüge nicht dem Ziel des Verbraucherschutzes Rechnung.
19. Eine Unterscheidung bzw. Benachteiligung solcher Fluggäste, welche einen Flug mit Zwischenlandung gebucht haben, gegenüber solchen, welche einen Direktflug über die Gesamtstrecke gebucht haben, erscheint nicht sachgerecht. Denn es ist nicht ersichtlich, dass bei der Annullierung einer Teilstrecke nach Zwischenlandung dem Fluggast weniger Unannehmlichkeiten entstünden, als bei der Annullierung eines Direktfluges. Dass die erste von mehreren Teilstrecken planmäßig verlaufen ist, dürfte aus der Perspektive des Fluggastes kaum einen Zugewinn bieten, wenn sich dieses Ziel nur als notwendiges Zwischenziel darstellt (vgl. AG Köln, Urteil vom 10.10.2016, 113 C 311/16).
20. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Da Verzug mit endgültiger Ablehnung am 10.06.2016 eintrat, rechtfertigt sich der Zinsanspruch erst ab dem 11.06.2016.
21. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
22. Die Berufung war zuzulassen, da die unterliegende Partei mit nicht mehr als 600,00 EUR beschwert ist und Frage, ob Art. 7 Abs. 1 der EG-VO Nr. 261/2004 so auszulegen ist, dass die Anspruchshöhe auf der Basis einer oder mehrerer Teilflugstrecken zu bemessen ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betrifft und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
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