Umbuchung und Ausgleichszahlung

AG Rüsselsheim: Umbuchung und Ausgleichszahlung

Eine Reisende bucht bei einem Luftfahrtunternehmen eine Flugreise. Weil der Rückflug kurzfristig um einen Tag verschoben wurde, verlangt sie nun eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Verordnung 261/2004.
Die Beklagte weigert sich der Zahlung. Da die Klägerin zum ursprünglichen Starttermin nicht am Gate erschienen sei, könne sie auch keine Ausgleichszahlung geltend machen.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat der Klage stattgegeben. Für die Begründung des Ausgleichsanspruchs spiele es keine Rolle, ob die Klägerin tatsächlich am Flughafen gewesen sei.

AG Rüsselsheim 3 C 1127/05 (35) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 06.01.2006
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 06.01.2006, Az: 3 C 1127/05 (35)
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Hessen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Rüsselsheim

1. Urteil vom 06. Januar 2006

Aktezeichen: 3 C 1127/05 (35)

Leitsatz:

2. Die Verweigerung der Beförderung gegen den Willen des Fluggastes im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der EG-Verordnung 261/2004 ist auch dann gegeben, wenn der Reisende sich nach einer durch den Reiseveranstalter mitgeteilten „Flugänderung“ entgegen Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung nicht zu dem ursprünglich gebuchten, aber tatsächlich durchgeführten Flug am Flugplatz einfindet.

Zusammenfassung:

3. Eine Reisende buchte bei einem Flugunternehmen eine Flugreise. Der fest terminierte Rückflug fand durch das Verschulden der Airline erst mit 24-stündiger Verspätung statt. Aus diesem Grund begehrt die Klägerin von dem Unternehmen eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Verordnung 261/2004.

Die Beklagte weigert sich der Zahlung. Sie habe zwar die Nicht-Beförderung zu verschulden, jedoch sei die Klägerin zum ursprünglich geplanten Flugzeitpunkt nicht am Gate gewesen. Aus diesem Grund stehe ihr eine Ausgleichszahlung nicht zu.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat der Klägerin Recht zugesprochen. Der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen Nicht-Beförderung ergebe sich grundsätzlich aus Art. 4 i.V.m Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung. Eine Haftungsbefreiung sei nur in den Fällen möglich, in der sich der Ausfall außerhalb der Verantwortung der Airline bewege.
Die bloße Tatsache, dass die Klägerin zum ursprünglichen Flugzeitpunkt nicht am Gate war, begründe keinen Ausschluss des Anspruchs. Es sei nicht auf die hypothetische Möglichkeit der Leistungsempfängnis abzustellen, sondern vielmehr auf die vertragliche Schlechtleistung der Airline.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.686,45 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1.600,– Euro seit 28.10.2005 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Beträge vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

5. Die Klägerin buchte über ein Reisebüro in Berlin bei der Firma .. Touristik GmbH für sich, ihren Ehemann und zwei Kinder eine Pauschalreise nach Antalya für den Zeitraum 01.07. bis 15.07.2005. Die Flugbeförderung sollte durch die Beklagte erfolgen. Der Rückflug war unter der Flugnummer DE 5663 am 15.07.2005 um 10:40 Uhr gebucht. Am 12.07.2005 erhielt die Klägerin durch den Reiseveranstalter die Mitteilung, dass der Rückflug auf DE 5423 von Antalya nach Leipzig am 15.07.2005 um 11:00 Uhr geändert worden sei, der Transport von Leipzig bis Berlin-Tegel per Bus erfolgen werde. In diesem geänderten Umfang erfolgte die Beförderung der Klägerin und ihrer Familie. Der Flug DE 5663 wurde daneben durchgeführt. Mit der Klage begehrt die Klägerin, hilfsweise und teilweise aus abgetretenem Recht, Zahlung der Ausgleichsleistung gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 261/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11.02.2004, sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.

6. Die Klägerin beantragt die Beklagte zu verurteilen, an sie  1.699,75 Euro nebst  5 Prozentpunkte Zinsen  über dem Basiszinssatz aus 1.600,–Euro seit Zustellung der Klage zu zahlen.

7. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

8. Die Beklagte ist der Auffassung, weder eine Annullierung noch eine Nichtbeförderung liege vor, da sich die Klägerin – insoweit unstreitig – zur Abfertigung des Fluges DE 5663 nicht eingefunden habe.

9. Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

10. Die Klage ist im wesentlichen begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der Ausgleichszahlung nach Artikel 7 Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Unstreitig ist die Klägerin und ihre Familie mit dem Flug  DE 5663 nicht befördert worden. Die Änderung der Luftbeförderung durch den Reiseveranstalter unterliegt in gleicher Weise wie die Verlegung des Fluges durch das Luftfahrtunternehmen dem Anwendungsbereich der Verordnung. Die Gründe für die Verlegung sind unmaßgeblich. Da der Reiseveranstalter eine Änderung des Rückfluges vorgenommen hatte, mussten die Klägerin und ihre Familie sich nicht, wie ursprünglich vorgegeben, am Schalter zur Abfertigung des Fluges DE 5663 einfinden.

11. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass der Reiseveranstalter die Buchungen für die Klägerin und die weiteren Familienmitglieder auf dem ursprünglichen Flug aufrecht erhalten hätte. Die Klägerin hätte bei einer Vorsprache einzig in Erfahrung gebracht, dass sie – wovon sie bereits am 12.07.2005 durch Mitteilung des Reiseveranstalters in Kenntnis gesetzt wurde – von der Passagierliste gestrichen war. Die Verlegung auf einen anderen Flug entbindet analog der Bestimmung  in Artikel 3 Abs. 2 a der Verordnung von der Verpflichtung, sich zur ursprünglich angegebenen Zeit zur Abfertigung einzufinden.

12. Ein freiwilliger Verzicht der Klägerin auf den Flug DE 5663 ist nicht erfolgt. Die Beklagte oder der Reiseveranstalter haben der Klägerin den Abschluss einer Vereinbarung nicht unterbreitet. Der Reiseveranstalter hat den Flug ohne Rücksprache geändert. Hieraus folgt die Verpflichtung nach Artikel 4 Abs. 3 der Verordnung.

13. Die Höhe der Ausgleichsleistung ist aus Artikel 7 Abs. 1 der Verordnung zu entnehmen. Diese beträgt  400,– Euro pro Person, insgesamt  1.600,–Euro. Dass die Klägerin und ihre Familie mit einer Verspätung von drei Stunden oder weniger am Endziel Berlin-Tegel angekommen sind, wird nicht behauptet. In einem derartigen Fall hätte eine Kürzung der Ausgleichszahlung erfolgen können.

14. Die vorgerichtlich entstanden Rechtsanwaltskosten sind nur in Höhe  86,45 Euro begründet. Denn die nicht anzurechnende Gebühr ist aus einer 0,65 Geschäftsgebühr und einem Streitwert von 1.600,– Euro zu berechnen. Eine Mehrheit von Auftraggebern liegt nicht vor. Im übrigen war die Klage in dieser Nebenforderung abzuweisen.

15. Die Zinsforderung ist als Verzugsschaden begründet.

16. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die abgewiesene Zuvielforderung war relativ geringfügig und hat auch keine besonderen Kosten ausgelöst. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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