Gepäckdiebstahl auf dem Weg vom Hotel

AG Berlin-Mitte: Gepäckdiebstahl  auf dem Weg vom Hotel

Im vorliegenden Fall macht ein Kläger aus abgetretenem Recht Ansprüche aus einer Reisegepäckversicherung geltend, da das Gepäck auf der Reise in Südafrika entwendet wurde, als er sich auf dem Weg zum Busbahnhof alleine und im dunkeln begab.

Das Gericht wies die Klage ab, da der Reisende trotz Reisewarnung sich in eine gefährliche Situation begeben hat und somit grob fahrlässig handelte.

AG Berlin-Mitte 16 C 513/04 (Aktenzeichen)
AG Berlin-Mitte: AG Berlin-Mitte, Urt. vom 01.12.2005
Rechtsweg: AG Berlin-Mitte, Urt. v. 01.12.2005, Az: 16 C 513/04
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Amtsgericht Berlin-Mitte

1. Urteil vom 01.12.2005

Aktenzeichen: 16 C 513/04

Leitsatz:

2. Eine grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Reisende sich Reisewarnung und Verhaltensregeln selber in eine gefährliche Situation begibt.

Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall macht ein Kläger aus abgetretenem Recht Ansprüche aus einer Reisegepäckversicherung geltend. Der Zeuge wurde auf dem Weg zum Busbahnhof von Einheimischen in Kapstadt überfallen. Sein Gepäck wurde dabei entwendet. In diesem sich laut Zeugen Bekleidung befand, die er jetzt erstattet haben möchte.
Das Gericht entschied, dass dem Zeugen grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, da allgemein bekannt sei, das aufgrund der Armut in Südafrika eine hohe Kriminalitätsrate vorhanden sei. Durch das unüberlegte Verhalten, 2,5 km um 5.30 Uhr sich alleine auf dem Weg zu machen, musste er mit einem Überfall rechnen, er hat also den Schadensfall selber grob fahrlässig herbeigeführt.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

5. Der Kläger macht aus abgetretenem Recht Ansprüche aus einer Reisegepäckversicherung geltend.

6.  Der Zeuge … schloß bei Buchung einer Flugreise von Berlin nach Südafrika und zurück (Bl. 8 und 9 d. A.) bei der Beklagten eine Reisegepäckversicherung unter Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ab. Wegen des Inhaltes der Geschäftsbedingungen im einzelnen wird auf Bl. 10-11 d. A.). Am 22.12.2003 zeigte der Zeuge … bei der Polizei in Kapstadt an, daß er morgens um 5.30 Uhr in der Albert Street auf dem Weg zum Busbahnhof von drei Afrikanern überfallen, zu Boden gestoßen und mit einem Messer bedroht worden war und ihm sein Gepäck mit allen Kleidungsstücken entrissen worden sei (Bl. 12-16 d. A.). Nach seiner Rückkehr nach Deutschland teilte der Zeuge … der Beklagten am 30.1.2004 telefonisch den Vorfall mit (Bl. 70 d. A.) und schilderte mit Schreiben vom 7.2.2004, wegen dessen Inhalt im einzelnen auf Bl. 66 d. A. Bezug genommen wird, nochmals den Hergang der Ereignisse. Er legte der Beklagten eine Schadensliste vor (Bl. 17 d. A.) sowie Kaufbelege (Bl. 18-24 d. A.) vor. Der Zeuge … trat seine Ansprüche aus dem Schadenfall an den Kläger ab (Bl. 7 d. A.). Die Beklagte verweigert die Zahlung u. a. mit der Begründung, der Zeuge … habe falsche Kaufbelege eingereicht, da es sich bei einigen Kleidungsstücken um Damenkleidung gehandelt habe und hinsichtlich einer unstreitig nicht stattgefundenen Röntgendiagnostik falsche Angaben getätigt worden seien.

7. Der Kläger behauptet, die Geschehnisse am 22.12.2003 hätten sich so zugetragen wie vom Zeugen … gegenüber der südafrikanischen Polizei geschildert. Er behauptet, daß der Zeuge … im Anschluß hieran das S-Hospital in Kapstadt aufgesucht habe, wo man zwei verstauchte Rippen diagnostiziert habe. Er behauptet ferner, daß es sich bei einer von dem Zedenten erworbenen Jacke um ein Herrenmodel und kein Damenmodel gehandelt habe und daß dem Zeugen … eine Jogginghose der Größe S passe. Er behauptet, es sei ein Schaden von 2591,62 Euro entstanden.

8. Der Kläger beantragt,

9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2591,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10. Die Beklagte beantragt,

11. die Klage abzuweisen.

12. Sie meint, von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden zu sein, da der Zeuge … ihrer Behauptung nach falsche Belege über Damenkleidungsstücke eingereicht habe. Zudem hegt die Beklagte aufgrund der ihrer Auffassung nach unterschiedlicher Schilderungen des Zeugen Peters zum Geschehenshergang Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit und meint, Widersprüchlichkeiten in den Angaben zu erkennen. Sie bestreitet die Höhe des geltend gemachten Schadens.

13. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14.  Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann von dem Beklagten nicht gemäß § 398 BGB in Verbindung mit dem Reisegepäckversicherungsvertrag die Zahlung von 2591,62 Euro verlangen. Denn die Beklagte ist gem. § 61 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden, da der Zeuge … den Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.

15. Nach dem Vortrag des Klägers hat sich der Zeuge … frühmorgens gegen 5.30 Uhr in Kapstadt alleine auf einen 2,5 km langen Weg von seiner Unterkunft zum Busbahnhof gemacht und hierbei eine Fliegertasche mit einer Vielzahl von Kleidungsstücken und persönlichen Gegenständen (Bl. 17 d. A.) auf dem Rücken tragend mit sich geführt. Durch dieses Verhalten hat der Zeuge … den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr gebotene Sorgfalt außer acht läßt (§ 276 Abs. 2 BGB). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist und schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte (BGHZ 10, 16). Die Sorgfaltsanforderungen bemessen sich dabei u. a. nach dem jeweiligen Verkehrskreis und die Lage des Betroffenen. Zudem muß die Gefahr vorhersehbar gewesen sein.

16. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat der Zeuge … sich geradezu aufdrängende Sicherheitsmaßnahmen mißachtet und sich leichtfertig in eine Gefahrensituation begeben, in der es zu dem von dem Kläger behaupteten Schaden gekommen ist. Es ist allgemein bekannt und damit offenkundig (§ 291 ZPO), daß die Kriminalitätsrate in Südafrika und insbesondere in den dortigen Großstädten aufgrund der vielfach vorherrschenden Armut insbesondere unter der schwarzen Bevölkerung extrem hoch ist. Hierauf wird, wie gerichtsbekannt ist, in Reiseführern ausdrücklich hingewiesen. Weiter ist allgemein bekannt, daß die Bereitschaft zu massiver Gewaltanwendung mittels Waffen und Messer kaum einer Schwelle unterliegt. Dies wird bereits dadurch belegt, daß der Zeuge … selbst dem Vortrag des Klägers zufolge im Krankenhaus Patienten mit sehr viel schwereren Verletzungen wie Schußwunden wahrgenommen hat und daher wegen der „Geringfügigkeit“ seiner körperlichen Beeinträchtigung warten und den schwerverletzten Patienten den Vortritt in der ärztlichen Behandlung lassen mußte. Auch die Polizei hat dem Zeugen … gegenüber erklärt, daß die Art der von ihm geschilderten Straftat kaum eine Chance auf Aufklärung hat. Hieraus läßt sich gleichfalls ableiten, daß in Südafrika das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, ungleich höher ist. Wenn sich der Zeuge … in Kenntnis dieser Umstände ohne Begleitung in den frühen Morgenstunden, wenn in jeder Großstadt deutlich weniger Betriebsamkeit herrscht als zu den Geschäftszeiten, zu Fuß auf einen 2,5 km langen Weg durch die Stadt macht, mißachtet er einfachste Sorgfaltsregeln. Die Möglichkeit, ausreichend Schutz für sich und sein Eigentum zu gewährleisten, bestand in dieser Situation nicht. Zudem war der Zeuge … aufgrund seiner weißen Hautfarbe, die das Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung wahrnehmen konnte, und darüber hinaus aufgrund des umfangreichen mitgeführten Gepäcks ohne Weiteres als Nicht-Einheimischer und Tourist zu identifizieren und gleichsam prädestiniert dafür, Opfer einer Straftat zu werden. Dieses Risiko hat der Zeuge … noch dadurch erhöht, daß er nicht nur einen kurzen Fußweg durch die Stadt in Kauf nahm, sondern eine Strecke von 2,5 km, die nach Schätzung des Gerichts unter Berücksichtigung des Gepäcks in etwa 20-30 Minuten in Anspruch nehmen dürfte. Dem Zeugen … hätte es oblegen, diese Strecke mittels Taxi zurückzulegen, was einen zumutbaren Aufwand erfordert hätte. soweit der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung die Ansicht vertreten hat, die Vorbereitungsmaßnahmen hierfür hätten einigen Aufwand erfordert, ist dies unzutreffend. Denn bereits durch ein Telefonat hätte die Fahrt mit dem Taxi organisiert werden können.

17. Daß die Beklagte wußte, daß der Zeuge … nach Südafrika reist und sich und sein Gepäck einem erhöhten Risiko aussetzt, steht der Annahme grober Fahrlässigkeit nicht entgegen. Denn eine Gepäckversicherung für ein von Kriminalität betroffenes Reiseziel bedeutet nicht zugleich eine Herabsetzung der allgemeinen Sorgfaltspflichten.

18. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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