Ausgleichszahlung bei Umbuchung
AG Frankfurt: Ausgleichszahlung bei Umbuchung
Die Klägerin verlangt eine Ausgleichszahlung von der Beklagten. Die Beklagte nahm gegen den Willen der Klägerin eine Umbuchung vor, da der Zubringerflug eine Verspätung aufwies und die Beklagten erst 5 min vor Start des Anschlussfluges einchecken wollten.
Das Gericht sah in diesem Vorgehen einen Verstoß gegen EG-VO Nr. 261/2004 an.
AG Frankfurt | 29 C 499/06 (Aktenzeichen) |
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AG Frankfurt: | AG Frankfurt, Urt. vom 25.01.2007 |
Rechtsweg: | AG Frankfurt, Urt. v. 25.01.2007, Az: 29 C 499/06 |
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Leitsatz:
2. Das Flugunternehmen kann nicht ohne triftigen Grund die Reisenden auf einem anderen Flug gegen den Willen der Reisenden umbuchen, da es ein Verstoß gegen EG-VO Nr. 261/2004 wegen Nichtbeförderung, ist.
Zusammenfassung:
3. Ein Ehepaar bucht eine Reise von Stuttgart zum Urlaubsland bestehend aus Hin -und Rückflug. Da beide Buchungen mit einmal vorgenommen wurden, handelt es sich um eine Art Rundflug. Diese Flugreise beinhaltet bei beiden Flügen einen Zwischenstopp. Bei diesem Zwischestopp, auf dem Rückflug, verpasste das Ehepaar ihren Anschlussflug nach Deutschland, da der 1. Flugabschnitt eine Verspätung aufwies. Die Kläger konnte daher erst 5 min vor Start einchecken. Zu diesem Zeitpunkt waren ihre Plätze bereits erneut vergeben und eine Weiterbeförderung war erst später möglich.
Daher verklagt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung eines Ausgleiches, da sie entgegen ihren Willen auf eine neue Maschine umgebucht wurden.
Das Gericht sah in der Handlung der Beklagten einen Verstoß nach EG-VO Nr. 261/2004 wegen Nichtbeförderung, da der Beklagten bekannt war das eine Verspätung vorliegt.
Tenor
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
5. Die Klägerin begehrt von der Beklagten für sich und ihren Ehemann – dieser hat seine gegen die Beklagte bestehenden Ansprüche an die Klägerin abgetreten – eine Ausgleichszahlung nach der EG-VO Nr. 261/2004 wegen Nichtbeförderung.
6. Die Klägerin und ihr Mann buchten bei der Beklagten einen Flug von Stuttgart über Istanbul nach Bangkok und zurück zum Preis von zusammen 1.165,00 Euro. Der Rückflug … 0061 aus Bangkok sollte am 14.01.2006 um 6.45 Uhr in Istanbul ankommen, von wo aus der Weiterflug in das 1.764 km entfernte Stuttgart um 7.50 Uhr mit Flug … 1701, planmäßige Ankunft um 9.45 Uhr, erfolgen sollte. Tatsächlich erschienen die Klägerin und ihr Ehemann aufgrund einer Verspätung des Fluges von Bangkok nach Istanbul erst um 07.45 Uhr zum Einchecken des Weiterfluges nach Stuttgart. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte die Plätze bereits anderweitig vergeben, so dass die Weiterbeförderung der Klägerin und ihres Ehemanns erst mit Flug … 1705, planmäßiger Abflug 14.30 Uhr, tatsächlicher Abflug um 15.50 Uhr, erfolgte und beide erst um 17.50 Uhr in Stuttgart ankamen.
7. Mit Schreiben vom 18.01.2006 und 08.02.2006 machten die Klägerin und ihr Mann Ansprüche nach Art. 4 iVm. Art. 7 der Verordnung geltend. Die Beklagte hat die Ansprüche mit Schreiben vom 14.02.2006 endgültig abgelehnt.
8. Die Klägerin behauptet, schon beim Einchecken in Bangkok sei ihr am Abfertigungsschalter mitgeteilt worden, dass Flug … 1701 überbucht sei.
10. die Beklagte zu verurteilen, an sie 800,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 14.02.2006 zu zahlen.
13. Die Beklagte behauptet, die Klägerin und ihr Ehemann seien beim Einchecken in Bangkok mit einem Durchchecken ihres Gepäcks bis Stuttgart und damit mit der Weiterbeförderung mit dem Anschlussflug … 1705 einverstanden gewesen. Sie ist der Ansicht, die EG-Verordnung 261/2004 sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil sie kein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft sei, der maßgebliche Flughafen – Istanbul – nicht im Gebiet eines Mitgliedsstaates liege und die Klägerin und ihr Ehemann erst 5 Minuten vor dem planmäßigen Abflug des Fluges … 1701 zur Abfertigung am Check-in-Schalter einfanden. Auf ein fehlendes Verschulden der Klägerin und ihres Ehemanns komme es im Hinblick auf den insoweit eingetretenen Annahmeverzug nicht an; im übrigen folge aus der insoweit zu eng kalkulierten Reiseplanung auch ein Mitverschulden.
14. Wegen der weiteren Einzelheiten das Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
15. Die zulässige Klage ist begründet.
16. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte – aus eigenem und unstreitig seitens ihres Ehemanns an sie abgetretenem (§ 398 BGB) Recht – auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von insgesamt 800,00 Euro aus Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 lit. b) der EG-VO Nr. 261/2004.
17. Unstreitig ist zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann einerseits sowie der Beklagten andererseits ein Luftbeförderungsvertrag über einen Flug Stuttgart-Istanbul-Bangkok (… 1706/…0060) und Bangkok-Istanbul-Stuttgart (… 0061/1701) zustande gekommen. Ebenfalls unstreitig wurden die Klägerin und ihr Ehemann mit dem Flug … 1701 nicht befördert und kamen durch die anderweitige Beförderung mit Flug … 1705 erst mehr als acht Stunden nach der planmäßigen Ankunft des Fluges … 1701 in Stuttgart an.
18. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) der EG-VO Nr. 261/2004 eröffnet. Hiernach gilt die Verordnung – unabhängig davon, dass die Beklagte ihren Sitz in einem Drittstaat hat – für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedsstaates, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin und ihr Ehemann haben den Flug vorliegend nämlich in Stuttgart angetreten. Es handelt sich insoweit um einen einheitlich gebuchten Flug von Stuttgart über Istanbul nach Bangkok und zurück. Dies ergibt sich insbesondere aus der vorgelegten Buchungsbestätigung, nach der sowohl Hin- als auch Rückflug gemeinsam gebucht und mit einem einheitlichen Reisepreis berechnet wurde sowie dem entsprechenden Flugplan, der ebenfalls Hin- und Rückflug einheitlich aufführt. Unter diesen Umständen ist von einem Rundflug mit einheitlichem Flugschein und Stuttgart als Ausgangspunkt auszugehen, so dass der Anwendungsbereich der Verordnung auch dann eröffnet ist, wenn die Nichtbeförderung erst nach einem Zwischenaufenthalt auf einer Teilstrecke des Rundflugs – hier von Istanbul nach Stuttgart – erfolgt (vgl. AG Frankfurt am Main, NJW-RR 1996, 1335, 1336; Führich, Reisrecht, 5. A., RN 1012 m. w. N.; Schmid, die Bewährung der neuen Fluggastrechte in der Praxis, NJW 2006, 1841; a. A. AG Berlin-Mitte, NJW-RR 2006, 920, 21).
19. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dabei unbeachtlich, dass die Klägerin und ihr Ehemann sich erst 5 Minuten vor dem planmäßigen Abflug in Istanbul am Check-in-Schalter einfanden. Zum einen gilt Art. 3 Abs. 1 der Verordnung nach Abs. 2 lit. b) bereits dann („oder“), wenn die Fluggäste von einem Flugunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt worden, ungeachtet des Grundes hierfür . Dies ist hier der Fall. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden von der Beklagten von Flug … 1701, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug, nämlich … 1705, verlegt. Unabhängig davon kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin und ihr Ehemann sich entgegen Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Verordnung nicht spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit – auf die tatsächliche kommt es insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1989, 1529) – zur Abfertigung am Check-in-Schalter eingefunden hatten. Nach Sinn und Zweck der Verordnung, die eine Verbesserung und Erweiterung des Schutzes der Fluggäste bezweckt (vgl. Führich, a. a. O., RN 1011; Schmid, a. a. O., S. 1841), wird die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn die Ursache für das verspätete Einfinden zur Abfertigung – wie hier – allein in der Sphäre des ausführenden Luftfahrtunternehmens liegt (vgl. für den Fall, dass die Fluggäste den Flug dadurch verpassen, dass sie vom Luftfahrtunternehmen aufgrund von Personalmangel und einer dementsprechend langen Warteschlange am Check-in-Schalter nicht planmäßig abgefertigt werden, AG Erding, Urteil vom 05.07.2006 – 4 C 309/06 –, zit. nach www.reiserecht-fuehrich.de (Leitsatz)). Vorliegend lag der alleinige Grund dafür, dass die Klägerin und ihr Ehemann sich erst um 07.45 Uhr zum Einchecken am Schalter einfanden, darin, dass der Zubringerflug der Beklagten – anders unter Umständen bei einem Zubringerflug einer anderen Fluggesellschaft (vgl. OLG Frankfurt am Main, a. a. O.) – seinerseits eine entsprechende Verspätung hatte. Dass eine solche Verspätung offenbar kein Einzelfall ist und die Klägerin und ihr Ehemann dies wussten, vermag ein Mitverschulden (§ 254 BGB) – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht zu begründen. Die Klägerin und ihr Ehemann durften sich insoweit auf die vertragsgemäße Erfüllung des geschlossenen Luftbeförderungsvertrages durch die Beklagte verlassen.
20. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Klägerin und ihr Ehemann auf die vertragsgemäß geschuldete Beförderung mit dem Flug … 1701 auch nicht freiwillig verzichtet. Ein ausdrücklicher Verzicht liegt unstreitig nicht vor. Aber auch die Tatsache, dass die Klägerin und ihr Ehemann in Bangkok mit einem Durchchecken ihres Gepäcks bis Stuttgart einverstanden waren, obwohl nach dem – bestrittenen – Klägervortrag der Flug … 1701 bereits zu diesem Zeitpunkt „not open“ war, vermag einen solchen Verzicht nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass die Klägerin und ihr Ehemann sich zu diesem Zeitpunkt in der Zwangslage befanden, dem Durchchecken des Gepäcks zuzustimmen, um überhaupt wieder nach Stuttgart geflogen zu werden, kann hierin eine Einwilligung in eine Umbuchung auf Flug … 1705 insoweit allenfalls hinsichtlich des Gepäcks, nicht aber bezüglich der Klägerin und ihres Ehemanns selbst gesehen werden. Im übrigen wurden die Klägerin und ihr Ehemann nach dem Beklagtenvorbringen zum Zeitpunkt des Eincheckens in Bangkok auch keineswegs „auf Warteliste“ geführt, vielmehr hatte die Beklagte erst den Flug … 1701 erst dann mit weiteren Passagieren „aufgefüllt“, als die Verspätung der Klägerin und ihres Ehemanns absehbar war. Ausgehend von dem Beklagtenvortrag bestand für die Klägerin und ihren Ehemann daher beim Einchecken in Bangkok gar keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass bei einem „Durchchecken“ ihres Gepäcks nach Stuttgart die Beförderung etwa nicht mit dem gebuchten Flug … 1701 erfolgen würde.
21. Da der Klägerin und ihrem Ehemann damit die Beförderung gegen ihren Willen verweigert wurde, steht ihnen gemäß Art. 4 Abs. 3 iVm. Art. 7 der Verordnung ein Ausgleichsanspruch zu.
22. Hinsichtlich der Höhe sieht Art. 7 Abs. 1 lit. b) bei Flügen über die hier streitgegenständliche Entfernung eine Ausgleichszahlung von jeweils 400,00 Euro für die Klägerin und ihren Ehemann, insgesamt also 800,00 Euro vor.
23. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus Verzugsgrundsätzen (§§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB).
24. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
25. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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