Annullierung und Umbuchung Lufthansa Flug

AG Köln: Annullierung und Umbuchung Lufthansa Flug

Ein Fluggast nimmt eine Fluggesellschaft auf Zahlung eines Ausgleiches  für eine Annullierung in Anspruch. Der geplante Hinflug konnte nicht durchgeführt werden. Erst am darauffolgenden Tag konnte die Beförderung des Fluggastes durchgeführt werden.  Aufgrund eines nicht vorhersehbaren technischen Defekts an der Enteisungsmaschine wurde der ursprüngliche Flug gestrichen.
Das Gericht entschied, dass die Klage des Fluggastes abgewiesen wird, da es sich hierbei um einen außergewöhnlichen Umstand handelt, für welchen die Fluggesellschaft keine Haftung übernehmen muss.

AG Köln 118 C 473/06 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 17.01. 2007
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 17.01. 2007, Az: 118 C 473/06
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 17.01. 2007

Aktenzeichen: 118 C 473/06

Leitsatz:

2. Stellt ein technischer unerwarteter Defekt am Flugzeug, welches die Flugsichherheit gewährleistet, den Grund für eine Annullierung dar, so braucht die Fluggesellschaft hierfür keine Haftung zu übernehmen.

Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger eine Flugpauschalreise von Berlin über Düsseldorf nach Male. Am 30.1 2006 sollte der planmäßige Hinflug auf dieser Strecke erfolgen. Hierfür hatte der Kläger sogar eine Sitzplatzreservierung vorgenommen.  Aufgrund technischer Probleme an der bordeigenen Enteisungsanlage des geplanten Flugzeugs ist dieser Flug am eigentlichen Abflugtag annulliert wurden.

Der Flug wurde erst einen Tag später, also am 31.01.2006 nach Male über Frankfurt am Main durchgeführt. Der Kläger erhebt nun Anspruch auf Zahlung eines Ausgleiches und der entstandenen Mehrkosten gegenüber der Beklagten. Bei der Beklagten handelt es sich um die auszuführende Fluggesellschaft.

Das Gericht entschied das die Klage abgewiesen wird. Die Annullierung des geplanten Hinfluges war trotz Ergreifens aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeidbar und stellt somit einen außergewöhnlichen Umstand da.  Eine Enteisung während des Fluges  ist  zwingend erforderlich, um die Flugsicherheit nicht zu gefährden. Dieser technische Defekt war  unerwartet und konnte trotz regelmäßiger Wartung nicht vermieden werde.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger mögen die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vorläufig vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Kläger buchten über das Reisebüro A in H bei dem Reiseveranstalter T Reisen für den Zeitraum vom 30.01. bis zum 14.02.2006 eine Flugpauschalreise auf die Malediven.

6. Der Hinflug sollte am 30.01.2006 um 19:00 Uhr von Berlin-Tegel über Düsseldorf nach Male erfolgen, wobei die Beklagte die Strecke Berlin-Tegel – Düsseldorf mit Flug LH263 durchführen sollte, während der Weiterflug Düsseldorf-Male planmäßig durch LTU mit Flug LT730 zu erbringen war.

7. Für Hin- und Rückflug hatten die Kläger Sitzreservierungen zum Preis von EUR 10,00 pro Person und Flug, mithin insgesamt EUR 40,00 vorgenommen.

8. Aufgrund technischer Probleme an der bordeigenen Enteisungsanlage des geplanten Einsatzflugzeugs wurde der Flug LH 263 seitens der Beklagten am 30.01.2006 annulliert.

9. Die Maschine war am gleichen Tag zuletzt ohne technische Auffälligkeiten gewartet worden. Da die Beklagte eine Beförderung der Kläger am gleichen Tage nicht mehr anbieten konnte und diese die Nacht nicht auf dem Flughafen Tegel verbringen wollten, fuhren die in Berlin wohnhaften Kläger zur Übernachtung nach Hause und kehrten am 31.01.2006 zum Flughafen zurück, nachdem sie in einem Restaurant Abendessen und Frühstück zu einem Gesamtpreis von EUR 33,70 eingenommen hatten. Die Kläger wurden schließlich am 31.01.2006 um 19:30 Uhr mit dem Flug LH 197 über Frankfurt am Main nach Male befördert.

10. Die Kläger sind der Ansicht, die Annullierung des Fluges LH 263 sei allein in einem Organisationsverschulden der Beklagten begründet. Ein technischer Defekt begründe grundsätzlich keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne vonArt. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004; vielmehr habe die Beklagte einen technischen Defekt stets zu vertreten, da dieser aus ihrer betrieblichen Risikosphäre resultiere.

11. Mit der Klage begehren die Kläger Ausgleichsansprüche nach Art. 5 Abs. 1 c), Art. 7 Abs. 1 c) der VO (EG) 261/2004 in Höhe von EUR 1.200,00, Ersatz ihrer Verpflegungskosten als Betreuungsleistung gemäß Art. 5 Abs. 1 b) i. V. m. Art. 9 Abs. 1 a), Abs. 2 der VO (EG) 261/2004 sowie Rückzahlung der Platzreservierungskosten von EUR 20,00 für den annullierten Hinflug.

12. Nachdem die Beklagte nach Klagezustellung EUR 33,70 zur Erstattung der Verpflegungskosten an die Kläger gezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt.

13. Die Kläger beantragen nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 1.220,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.05.2006 zu zahlen.

14. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15. Sie behauptet, hinsichtlich des streitgegenständlichen Einsatzflugzeuges alle erforderlichen Wartungsintervalle eingehalten zu haben, was sich bereits daraus ergebe, dass sie seitens des die Wartungen kontrollierenden Luftfahrtbundesamtes kein Ordnungsgeld diesbezüglich erhalten habe.

16. Sie ist der Ansicht, ihre Haftung sei gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/04 ausgeschlossen, da die streitgegenständliche Annullierung auf außergewöhnliche Umstände in Gestalt eines unvorhersehbaren technischen Defekts zurückzuführen sei. Ein Anspruch auf Ersatz der Verpflegungskosten habe nicht bestanden, da die Kläger freiwillig den Flughafen verlassen und die dort zu erhaltenden Betreuungsleistungen nicht in Anspruch genommen hätten.

17. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zur Akte gereichten wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

18. Die zulässige Klage ist unbegründet.

19.  Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Euro 1.200,00 aus Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der VO (EG) 261/04.

20. Die Haftung der Beklagten ist gemäß Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) 261/04 ausgeschlossen, da die Annullierung des Fluges LH 263 am 30.01.2006 trotz Ergreifens aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeidbar war. Sie war vielmehr auf außergewöhnliche Umstände in Form eines unerwarteten technischen Defekts an der Enteisungsanlage des geplanten Einsatzflugzeugs zurückzuführen.

21. Ausweislich des 14. Erwägungsgrundes zur EG-Verordnung 261/2004 liegt ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) 261/04 unter anderem bei unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und Sicherheitsrisiken vor. Unter diese beispielhafte Aufzählung lässt sich ohne weiteres auch ein technischer Defekt des Einsatzflugzeugs subsumieren, der in der Regel einen Flugsicherheitsmangel darstellt.

22. Vorliegend führte ein unstreitiger Defekt an der bordeigenen Enteisungsanlage des geplanten Einsatzflugzeugs dazu, dass eine vollständige bzw. dauerhafte Enteisung während der Durchführung des Fluges nicht hätte sichergestellt werden können. Eine solche ist jedoch zwingend erforderlich, um die Flugsicherheit nicht zu gefährden.

23. Dieser technische Defekt war auch unerwartet.

24. Unerwartet ist ein solcher Defekt dem Wortsinn nach dann, wenn die Fluggesellschaft nicht mit diesem Defekt zu rechnen brauchte. Dies ist dann der Fall, wenn sie nachweislich alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung eines solchen Defekts unternommen hat.

25. Die insoweit beweisbelastete Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass sie die geplante Einsatzmaschine noch am Tage des geplanten Abflugs, nämlich am 30.01.2006 zuletzt den Vorschriften entsprechend gewartet hat, ohne dass Auffälligkeiten zutage traten.

26. Sie hat hierzu das entsprechende Wartungsprotokoll (Anlage B 2, Bl. 49 d. A.) vorgelegt, ohne dass die Kläger diesen Umstand und dessen Inhalt bestritten hätten. Die Beklagte hat ebenso unbestritten vorgetragen, kein Bußgeld des kontrollierenden Luftfahrtbundesamtes erhalten zu haben, was das lückenlose Einhalten vorgeschriebener Wartungsintervalle belege. Wenn die Beklagte jedoch danach unstreitig alle vorgeschriebenen Wartungen und technischen Inspektionen an dem planmäßigen Einsatzflugzeug vorgenommen hat, ohne dass ein Defekt an der Enteisungsanlage offenbar geworden wäre, so ist dessen Auftreten am 30.01.2006 nur als unerwartet zu werten: Es ist nichts erkennbar, was die Beklagte noch hätte tun können oder müssen, um das Eintreten des konkreten Defekts am 30.01.2006 zu vermeiden.

27. Soweit die Kläger darauf abstellen, dass die Beklagte nicht nur hinsichtlich des geplanten Einsatzflugzeuges, sondern generell alle denkbaren Maßnahmen hätte ergreifen müssen, um die Durchführung des Fluges LH 263 am 30.01.2006 sicherzustellen, verfängt dies nicht.

28. Zum einen ist bereits der Anknüpfungspunkt falsch gewählt: Die Verordnung VO (EG) 261/04 stellt in Art. 5 Abs. 3 auf einen außergewöhnlichen Umstand ab, bei dem es sich nach den obigen Ausführungen auch um einen unvermeidbaren technischen Defekt handeln kann. Wenn aber allein der unvermeidbare technische Defekt Anknüpfungspunkt für eine Exkulpation der Beklagten ist, verbietet sich ein Rückgriff auf einen möglichen Austausch des Fluggerätes. Der konkrete technische Defekt an einem Einsatzflugzeug wird nicht dadurch vermeidbar, dass man das planmäßige, defekte Fluggerät gegen ein technisch einwandfreies anderes Flugzeug austauscht.

29. Zum anderen stellt es vorliegend kein Organisationsverschulden der Beklagten dar, dass sie letztlich nicht in der Lage war, ein Ersatzflugzeug für die defekte Maschine zu stellen. Ihre entsprechenden erfolglosen Bemühungen hat die Beklagte hinreichend substantiiert dargelegt, ohne dass die Kläger dies zulässig bestritten hätten. Soweit die Kläger meinen, der Beklagten obliege grundsätzlich die Verpflichtung, für einen annullierten Flug stets zeitnah ein Ersatzflugzeug bereitzuhalten, ist dem nicht zu folgen.

30. Es ist der Beklagten ebenso wie allen anderen Fluggesellschaften nicht zuzumuten, an jedem von ihr angeflogenen Zielflughafen mindestens ein Ersatzflugzeug außerhalb des planmäßigen Flugverkehrs bereitzuhalten, um für Fälle wie den vorliegenden zeitnah eine Ersatzmaschine bereitstellen zu können. Fluggesellschaften wie Flughäfen würden unmittelbar an ihre logistischen Grenzen stoßen, wollte man dieser grundsätzlichen Forderung der Kläger nachgeben.

31. Nach alledem ist die Beklagte bereits dem Grunde nach nicht verpflichtet, eine Ausgleichszahlung an die Kläger zu leisten. Auf die von der Beklagten problematisierte Frage nach der Berechnung einer solchen Ausgleichszahlung kam es daher streitentscheidend nicht an.

32. Mangels Verschuldens der Beklagten kommt ein Ersatzanspruch hinsichtlich der Platzreservierungsgebühren für den annullierten Hinflug nicht in Betracht.

33. Ob den Klägern ein Anspruch auf Ersatz der Verpflegungskosten als Betreuungsleistungen gemäß Art. 5 Abs. 1 b) i. V. m. Art. 9 Abs. 1 a), Abs. 2 der VO (EG) 261/04 zugestanden hätte, bedarf keiner Entscheidung mehr.

34. Denn nachdem die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nur noch gemäß §91 a ZPO über diesen Teil der Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Im Hinblick auf §92 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat diese Entscheidung jedoch keine Auswirkung auf die Gesamtkostenentscheidung, so dass die Streitfrage dahinstehen kann.

35. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§92 Abs. 2 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

36. Streitwert: EUR 1.253,70 bis zum 29.11.2006, danach EUR 1.220,00.

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