Ausgleichszahlung bei Annullierung

AG Frankfurt: Ausgleichszahlung bei Annullierung

Der Kläger buchte eine Flugreise und konnte sie am gebuchten Tag, aufgrund von heftigem Schneefall nicht antreten.  Der Kläger wurde in einem Hotel für die Nacht untergebracht. Der geplante Abflug konnte erst am darauffolgenden Tag durchgeführt werden. Die Beklagte wies daraufhin, dass zu Start des eigentlichen Fluges eine Enteisung der Maschine im großen Umfang durchgeführt werden musste und zum Startbeginn die Arbeitszeit der eingesetzten Crew zu Ende gewesen sei.  Der Beklagten blieb daher nichts anderes übrig den Flug auf den nächsten Tag zu verschieben, nicht zu annullieren.
Das Gericht entschied da der Flug nicht am geplanten Tag durchgeführt wurde und die Passagiere neben einer neuen Boardkarte, sich auch die Flugnummer geändert hat, ist der ursprüngliche Flug  annulliert wurden.  Dem Kläger steht somit eine Ausgleichzahlung zu.

AG Frankfurt 30 C 2192/06 (Aktenzeichen)
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Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 13.02.2007, Az: 30 C 2192/06
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Hessen-Gerichtsurteile

AG Frankfurt

1. Urteil vom 13.02.2007

Aktenzeichen: 30 C 2192/06

 Leitsätze:

2. Wird der geplante Flug am selben Tag ausgeführt nur verspätet, handelt es sich um eine Verspätung.

Findet er aber erst an einem anderen Tag unter einer neuen Flugnummer statt, kann man von einer Annullierung ausgehen.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger für sich und seine Frau eine Flugreise von Frankfurt (Main) nach Dubai. Der Abflug sollte am 03.03.2006 um 14.25 Uhr erfolgen. Zu dieser Zeit herrschte aber laut der Beklagten, eine Fluggesellschaft reges Schneetreiben.  Das Boarding wurde trotzdem, wenn auch verspätet durchgeführt.

Nachdem die Maschine immer noch nicht abheben konnte, wurden die Passagiere gebeten diese wieder zu verlassen. Auch ein erneutes Boarding um 20.15 Uhr und ein Start der Maschine scheiterten gegen 23.45 Uhr. Die Passagiere verließen erneut das Flugzeug und wurden für die Nacht in ein Hotel untergebracht. Erst am 04.03. 2006 um 14.00 Uhr konnte der geplante Flug nach Dubai durchgeführt werden. Der Kläger beansprucht nun eine Ausgleichszahlung, da der Flug am 03.03. annulliert wurde. Die Beklagte schildert dass die Maschinen bei Schneefall enteist werden müssen und es dafür eine zeitliche Abfolge für alle am Boden befindliche Maschinen gebe.

Nachdem die Enteisung erfolgte, stellte man fest, dass die Arbeitszeit der Crew zu Ende sei und keine Ersatzcrew zur Verfügung stehe. Schlussendlich handelte es sich aber um denselben Flug nur mit einer Verspätung von 24 Stunden.

Das Gericht entschied der Klage stattzugeben, da der eigentlich geplante Flug nicht am 03.03.2006, sondern erst am 04.03. 2006 durchgeführt wurden sei. Es liegt also keine bloße Verspätung sondern eine Annullierung vor, da die Kläger eine neue Boardkarte erhielt. Der Flug bekam auch eine neue Flugnummer.  Dem Kläger steht eine Ausgleichzahlung zu.

Tatbestand:

4. Der Kläger macht gegenüber der Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 geltend.“

5. Der Kläger und seine Ehefrau waren im Besitz bestätigter Buchungen für den Flug EK0046, der am 03.03.2006 um 14:25 Uhr von Frankfurt a.M. nach Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) fliegen sollte. Das Boarding für diesen Flug wurde von der Beklagten erst um 15:30 Uhr durchgeführt. Nach einer Wartezeit von einer Stunde mussten die Passagiere das Flugzeug wieder verlassen und auf dem Flughafen warten.

6. Um 20:15 Uhr erfolgte ein erneutes Boarding. Diesmal mussten die Passagiere dreieinhalb Stunden im Flugzeug warten, um dieses dann gegen 23:45 Uhr wieder zu verlassen. Der Kläger und seine Ehefrau wurden sodann in einem Hotel untergebracht und am nächsten Tag, dem 04.03.2006, mit dem Flug EK8046 um 14:00 Uhr nach Dubai geflogen.

7. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünden auf Grund der Annullierung des gebuchten Fluges Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu.

8. Die Beklagte behauptet, am 03.03.2006 habe auf dem Frankfurter Flughafen starker Schneefall geherrscht, so dass sich auch durch die erforderlich werdenden Enteisungen ein enormer Rückstau wartender Flugzeuge gebildet hätte. Grundsätzlich dauere eine Enteisung bei normalem Schneefall ca. 15 bis 20 Minuten, bei schwerem Schneefall dauere eine Enteisung ca. 50 Minuten. Nach der Enteisung bleibe ein Flugzeug bei andauerndem schlechten Wetter max. 25 Minuten eisfrei; nur innerhalb dieser 25 Minuten dürfe es starten, danach müsse es erneut enteist werden. Ihr für den Flug EK0046 vorgesehenes Flugzeug sei erst um 23:26 Uhr enteist gewesen, nachdem es sehr lange auf die Enteisung habe warten müssen und auch die Enteisung sehr viel Zeit benötigt habe.

9. Um 23:26 Uhr sei dann unglücklicherweise die Dienstzeit der Crew überschritten gewesen; es habe keine Ersatz-Crew mehr zur Verfügung gestanden, so dass der Flug erst am nächsten Tag durchgeführt werden konnte.

10. Die Beklagte ist der Ansicht, der Flug sei nicht annulliert worden, sondern lediglich verspätet durchgeführt worden.

11. Es sei mit demselben Flugzeug geflogen worden, welches für den Flug EK0046 am 03.03.2006 vorgesehen war, die Flugnummer sei nur zur Vermeidung von Verwechselungen auf EK8046 geändert worden. Auch seien mit dem Flug EK8046 am 04.03.2006 im Wesentlichen dieselben Passagiere befördert worden, die für den Flug EK0046 am Vortag gebucht waren. Von den 303 Passagieren, die mit dem Flug EK8046 befördert wurden, seien nur zwei Passagiere nicht bereits für den Flug EK0046 gebucht gewesen.

12. Die Beklagte regt an, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH die Frage vorzulegen, wie ein verspäteter Flug von einem annullierten Flug unterschieden werden kann bzw. ob eine Verspätung ab einem bestimmten Zeitpunkt in eine Annullierung umschlägt.

Entscheidungsgründe:

13. Die Klage ist begründet.

14. Dem Kläger stehen gegenüber der Beklagten die geltend gemachten Ausgleichsansprüche aus Art. 5 Abs. 1 lit. c i.V.m.Art. 7 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.2.2004 zu.

15. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt keine bloße Verspätung, sondern eine Annullierung des Fluges EK0046 vom 03.03.2006 vor.

16. Nach der Legaldefinition des Begriffs „Annullierung“ in Art. 2 lit. l der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 bezeichnet der Ausdruck „Annullierung“ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.

17. Der Kläger und seine Ehefrau waren im Besitz bestätigter Buchungen für den Flug EK0046, der am 03.03.2006 um 14:25 Uhr von Frankfurt a.M. nach Dubai fliegen sollte. Am 03.03.2006 wurde von der Beklagten der Flug EK0046 jedoch nicht durchgeführt.

18. Während Schmid (NJW 2006, 1841 ff. und NJW 2007, 261 ff.) bei der Abgrenzung zwischen Verspätung und Annullierung auf den Zeitfaktor setzt, soll es nach Tonner (in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss [2005], Kap. 13a, Rn. 66 f.) für die Annahme der Annullierung entscheidend darauf ankommen, ob ein Passagier neu abgefertigt wird und eine neue Bordkarte erhält (dann Annullierung), oder die ursprüngliche Bordkarte weiterhin gilt (dann Verspätung). Auch nach Führich (Newsletter 11/2006 des „Competenz Centrum Reiserecht der FH Kempten“) ist für die Abgrenzung der Verspätung von der Annullierung nicht der Zeitfaktor das Entscheidende; die Abgrenzung sei vielmehr danach vorzunehmen, ob ein neues Ticket oder eine neue Bordkarte ausgestellt wurde, eine neue Flugnummer vergeben wurde, nochmals eingecheckt werden musste oder andere Passagiere auf dem Flug befördert wurden.

19. Selbst wenn man mit der Beklagten den Ausführungen von Schmid nicht folgt, wonach im Hinblick auf den Charakter des Luftbeförderungsvertrages als Fixgeschäft eine Verspätung immer dann in eine Nichtbeförderung umschlägt, wenn die Abflugzeit – wie hier – unangemessen überschritten werde, kann im vorliegenden Fall nicht mehr von einer Verspätung ausgegangen werden.

20. Zum einen haben der Kläger und seine Ehefrau für den Flug EK8046 am 04.03.2006 neue Bordkarten erhalten, zum anderen erfolgte der Flug unter einer anderen Flugnummer als vorgesehen, auch wurden (wenn auch nur zwei) andere Passagiere befördert, als für den Flug EK0046 am 03.03.2006 vorgesehen waren.

21. Insbesondere die Tatsache, dass auch andere Passagiere mit dem Flug EK8046 befördert wurden, als für den Flug EK0046 gebucht, zeigt deutlich, dass nicht mehr von einer Verspätung gesprochen werden kann. Es ist – bis auf die Fälle des Todes oder der Geburt während des „Wartens“ – denklogisch ausgeschlossen, dass sich durch einen verspätet erfolgten Abflug eines Fluges die Zusammensetzung der wartenden Passagiergruppe ändern kann.

22. Ändert sich aber bei einem bestätigten Flug nicht nur der Abflugtag, sondern auch die Flugnummer, die Zusammensetzung der Gruppe der Passagiere und der Sitzplatz innerhalb des Flugzeugs, so kann nicht mehr von einer bloßen Verspätung eines Fluges gesprochen werden. Es liegt vielmehr die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges vor, für den ein Platz reserviert war, was nach der Legaldefinition in Art. 2 lit. l der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 den Begriff „Annullierung“ bezeichnet.

23. Die Beklagte kann sich im vorliegenden Fall auch nicht mit Erfolg auf die Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 stützen. Die Beklagte wäre nach dieser Ausnahmeregelung nicht verpflichtet, die festgeschriebenen Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn sie nachweisen könnte, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Tatsache, dass nach erfolgter Enteisung die Beklagte kein Personal habe, um den dann möglichen Flug durchzuführen, da die Dienstzeit der Crew überschritten war und keine Ersatz-Crew mehr zur Verfügung stand, hätte sich aber vermeiden lassen können.

24. Den Vortrag der Beklagten zu den Wetterbedingungen am Frankfurter Flughafen unterstellt, konnte die Beklagte die Verzögerung des Abflugs bis 23:26 Uhr, dem Zeitpunkt, zu dem das Flugzeug endlich enteist war, trotz Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen vermutlich nicht vermeiden.

25. Die Beklagte hätte bei Auftreten der wetterbedingten Verzögerungen erkennen können und müssen, dass die Enteisung und das Warten hierauf einen Zeitraum benötigen wird, der zur Kollision mit den Dienstzeiten der Crew führen kann und daher für eine Ersatz-Crew sorgen müssen. Die Beklagte führt allein in Deutschland regelmäßige Linienflüge von vier Flughäfen (Düsseldorf, Frankfurt a.M., Hamburg und München) aus durch, so dass es nicht darauf ankommt, dass sie an jedem Flughafen eine Ersatz-Crew vorrätig halten muss. Es wäre vielmehr auch möglich gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass von einem der nahe gelegenen Flughäfen eine Ersatzcrew herangezogen werden kann.

26. Der Beklagten ist insoweit Recht zu geben, dass die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 keine Einlassungs- und Darlegungslast der Beklagten vorschreibt, unter welchen Voraussetzungen sie wann, wo, wie schnell und zu welchen Kosten Ersatzpersonal nach Frankfurt a.M. hätte bringen können.

27. Die positive Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsleistung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 stellt zunächst nicht darauf ab, ob eine Fluggesellschaft darlegt, warum ein geplanter Flug, für den zumindest ein Platz reserviert war, nicht durchgeführt wurde (Legaldefinition des Begriffs „Annullierung“ in Art. 2 lit. l der Verordnung (EG) Nr. 261/2004).

28. Die Verordnung räumt der Fluggesellschaft jedoch in Art. 5 Abs. 3 die Möglichkeit zur Exkulpation ein, indem diese nachzuweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

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