Ersatzansprüche bei Streik des Hotelpersonals am Urlaubsort

LG Frankfurt: Die Ersatzansprüche bei Streik des Hotelpersonals am Urlaubsort

Der Kläger nahm den Reiseveranstalter auf Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit  in Anspruch und verlangte Reisepreisminderung, weil das Hotelpersonal gestreikt hat und die Reiseleistungen deshalb nicht vertragsgemäß erbracht werden konnten.

LG Frankfurt hat dem Kläger Recht zugesprochen und entschieden, dass der Streik des Hotelpersonals zu einer Minderung des Reisepreises um 50%, bei Halbpension, und um 60%, bei Vollpension, berechtigt.

LG Frankfurt 2-24 S 258/79 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 14.04.1980
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 14.04.1980, Az: 2-24 S 258/79
AG Frankfurt, Urt. v. 28.08.1979, Az: 30 C 10217/79
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Landgericht Frankfurt                                                                                                                                                          

1. Urteil vom 14.04.1980

Aktenzeichen: 2/24 S 258/79

Leitsätze:

2. Der Streik des Hotelpersonals berechtigt den Reisenden zu einer Reisepreisminderung gegenüber dem Reiseveranstalter zur Minderung des Reisepreises, wenn während des Streicks weder Mahlzeiten gereicht werden noch Serviceleistungen erbracht werden.

Der Reisende kann im Falle einer wesentlichen Beeinträchtigung der Urlaubs durch den Streick des Hotelpersonals schadensersatz wegen vertanen Urlaubs verlangen.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender verklagte den Reiseveranstalter auf Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs und verlangte Minderung des Reisepreises. Wegen eines Streiks des Hotelpersonals wurden im Hotel, in dem der Reisende und seine Familie den Urlaub verbracht haben, weder Serviceleistungen erbracht noch Malzeiten gereicht.

Das LG Frankfurt hat dem Kläger eine Reisepreisminderung und ein Schadensersatzanspruch wegen vertanen Urlaubs zugesprochen. Wenn weder Serviceleistungen erbracht, noch Malzeiten gereicht werden, liegt ein Mangel vor, welcher den Reisenden berechtigt den Reisepreis zu mindern. Bei Halbpension ist eine Reisepreisminderung von 50% angemessen. Bei Vollpension beträgt die  Reisepreisminderung 60%. Der Reiseveranstalter haftet unabhängig davon, ob der Streik rechtmäßig oder rechtswidrig war, da er auch für Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Hotelpersonal) nach § 278 BGB haftet.

Tenor:

4. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 28.8.1979 – 30 C 10217/79 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.550,77 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 15.6.1979 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 1/12, die Beklagte 11/12.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau und zwei Kinder im Alter von 1 und 6 Jahren bei der Beklagten eine dreiwöchige Flugreise nach Teneriffa. Ausgewählt hatte er für den Aufenthalt vom 15.12.1978 an das Hotel … in P, welches im Katalog auf Seite 21 von der Beklagten unter der Überschrift „Lassen Sie sich in unserem ausgesuchten Top-Hotels verwöhnen“ mit 4 Sternen angekündigt wird; 5 Sterne vergibt die Beklagte für die besten Hotels. Im übrigen wird es wie folgt beschrieben:

6. „Hotel mit 325 Betten, gegenüber den Meerwasserschwimmbädern, Gartenanlage, Minigolfplatz, große, windgeschützte Sonnenterrasse, temperierter Swimming-Pool, Tischtennis, Poolbar. Behagliche Salon, Nightclub „L C“, Pianobar-Salon Speisesaal (Frühstücks-Mittagsbüffet, Menüwahl bei HP: Frühstück, Abendessen). Ihr Zi.:Sitzecke, Teppichboden, Telefon (Zimmer-Service), Musik-, Klimaanlage, Bad/Dusche, sep. Bidet/WC. Balkon“

7. Außerdem wird auf besondere Kinderermäßigung hingewiesen.

8. Nach der Beschreibung weiterer Hotels befinden sich auf den Seiten 24 und 25 die Angaben zu den Preisen der angegebenen Hotels. Außerdem befindet sich dort darunter folgender Vermerk:

9. „Unsere Kinderermäßigung: (Abschlag in %)-weitere Informationen siehe Seite 5“.

10. 1 Kind von 2-11 Jahren mit 2 vollzahlenden Erwachsenen bei Unterbringung im selben Zimmer in allen Hotels mit diesem Zeichen (es folgt als Zeichen ein Kinderkopf, in der sich auch in der Preisspalte hinsichtlich des Hotels V befindet)…

11. 1 Kind von 2-11 Jahren mit 1 vollzahlenden Erwachsenen in allen Hotels und Appartements

12. Auf Seite 5 befindet sich unter der Überschrift „Hohe Ermäßigung für Kinder“ u.a. folgender Text:

13. „So erhalten Sie bei uns für jedes Kind im Alter von 2-11 Jahren in Begleitung eines vollzahlenden Reisegastes 20 % Ermäßigung auf den Reisepreis. Das gilt für jedes Urlaubsziel in diesem Prospekt, zu jedem Reisetermin, in jedem Haus und ist unabhängig von der Art der Unterbringung.

14. Sparen Sie noch viel mehr !

15. Auf Gran Canaria, Teneriffa… bieten wir Ihnen in bestimmten Hotels oder Appartements eine besonders hohe Kinderermäßigung. Sie erkennen die Angebote an diesem Zeichen: (es folgt das oben beschriebene Zeichen). Sie erhalten bis zu 70 % Ermäßigung und mehr für 1 Kind im Alter von 2-11 Jahren in Begleitung von 2 vollzahlenden Reisegästen. Die Unterbringung des Kindes muß bei dieser Ermäßigung im gemeinsamen Zimmer oder Appartement erfolgen. Informieren Sie sich in der folgenden Tabelle, wie preiswert Sie Familien-Urlaub machen können:

16. Es folgt nun eine Tabelle mit folgenden Spalten:

17. „Anzahl und Alter der zusammen reisenden Gäste“,

18. „Art der Unterbringung“ mit den Unterspalten

19. „Personen im Doppelzimmer“,

20. „Personen im Zusatzbett“.

21. Darunter folgen Zeilen, die mit der Anzahl der reisenden Gäste beginnen. In der Zeile 4 Personen, davon 2 Erwachse und 2 Kinder im Alter von 2-11 Jahren befindet sich in der Spalte „Art der Unterbringung“, unter Spalte „Personen im Doppelzimmer“ die Zahl 4, während in der Unterspalte „Personen im Zusatzbett“ sich ein Strich befindet. Schließlich heißt es in den Reise- und Zahlungsbedingungen auf Seite 168 unter der Nr.3.5.3. Kinderermäßigung:

22. „Kinder unter 2 Jahren… werden ohne Anspruch auf einen Sitzplatz im Flugzeug… unentgeltlich befördert. Kosten, die für Kinder unter 2 Jahren im Hotel … entstehen, sind dort direkt zu bezahlen.

23. Je vollzahlenden Reisegast kann ein Kind im Alter von 2-11 Jahren (…) bei angepaßter Leistung eine Ermäßigung von 20 % auf den Preis der Flugreise … beanspruchen.

24. Für bestimmte Angebote gelten noch günstigere Ermäßigungen. Diese sind auf der jeweiligen Angebotsseite aufgeführt.

25. Maßgebend für alle Ermäßigungen ist das Alter bei Reiseantritt. Wenn nicht anders ausgeschrieben bringen wir ein Kind in Begleitung eines vollzahlenden Reisegastes im Doppelzimmer, in Begleitung von zwei Gästen im Doppelzimmer mit Zusatzbett, im Appartement oder in der Zimmer-Suite unter. Zwei Kinder in Begleitung von zwei vollzahlenden Gästen werden im separaten Doppelzimmer, im Appartement oder in der Zimmer-Suite untergebracht.

26. Bei seiner Ankunft wurde dem Kläger lediglich ein Doppelzimmer zur Verfügung gestellt. Vom 21.-28.12.1978 streikte das gesamte Hotelpersonal auf der Insel zur Durchsetzung von höheren Lohnforderungen. Während des Streiks wurden in dem vom Kläger gebuchten Hotel die Zimmer nicht gemacht, Bettwäsche und Handtücher nicht gewechselt, keine Mahlzeiten gereicht. Lediglich einmal wurde ein Lunchpaket ausgegeben.

27. Vor Prozeßbeginn zahlte die Beklagte DM 210,– an den Kläger zurück. Im Verlaufe des Rechtsstreits erkannte sie wegen der Minderleistungen hinsichtlich Essen und Service infolge des Streiks einen weiteren Betrag von DM 700,– an; am 5.7.1979 erging entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil (Bl.45 d.A.).

28. Regelungen über Streik enthält das Diskret-Gesetz vom 22.Mai 1975 Nr. 5/75. In diesem Gesetz heißt es auszugsweise in den Vorbemerkungen:

29. Absatz 13: „Der unzulässige Streik ist ein rechtswidriger Akt und kann gemäß seinen Motiven oder seiner Verwirklichung durch das Arbeitsrecht geahndet werden oder auch den Bestimmungen der Strafgesetzgebung und den Bestimmungen zur öffentlichen Ordnung unterworfen werden.“

30. Absatz 14: „Der Rückgriff auf den Streik hat den Charakter eines letzten Notbehelfs; er manifestiert das Scheitern der Verhandlungen oder ggf. der gütlichen Interessenabgleichung zwischen den Parteien durch ihre gesetzlichen Vertreter…“

31. In den Artikeln 1-3 werden Zulässigkeitsvoraussetzungen für Streik niedergelegt. In Artikel 4 heißt es:

32. „1. Der zulässige Streik führt nicht per se das Erlöschen des Arbeitsvertrages herbei noch … zieht er Sanktionen nach sich; der Arbeiter hat jedoch, so lange er sich im Streik befindet, kein Recht auf Arbeitslohn noch auf Leistungen für Arbeitslosigkeit…

33. 2. Bereits die bloße Teilnahme an einem Streik, der nicht die Voraussetzung erfüllt oder nicht den von diesem Dekret-Gesetz festgesetzten Verfahren folgt sowie die Durchführung von anderen kollektiven Änderungen des normalen Arbeitsablaufs berechtigt das Unternehmen zur ordentlichen Kündigung, die dieses im Hinblick auf jeden einzelnen daran beteiligten Arbeiter getrennt ausüben kann.“

34. In Artikel 7 wird ausgeführt, wer zur Durchführung von kollektiven Arbeitskonflikten berechtigt ist. Nach Artikel 10 erfolgt die Eröffnung eines kollektiven Arbeitskonfliktes durch eine schriftliche Mitteilung der Personen, die den Arbeitskonflikt eröffnen, an diejenigen, die davon betroffen sind. Nach Artikel 11 muß dieses Schreiben bei der Syndikatsorganisation für das entsprechende Gebiet vorgelegt werden, die es am selben Tag an die Arbeitsverwaltung und an den Gegner des Arbeitskampfes weiterleitet. Außerdem sind die Parteien vor die Syndikatsvermittlungskommission zu einem binnen 3 Tagen stattfindenden Termin zu laden. Nach Artikel 13 soll dort eine einvernehmliche Lösung herbeigeführt werden. Der Versuch muß innerhalb von 5 Tagen nach der ersten Verhandlung beendet werden. Kommt es zu keiner Einigung leitet die Syndikatsvermittlungskommission den Vorgang mit ihrem Bericht an die Arbeitsbehörde innerhalb der beiden nächsten Tage weiter. Nach Artikel 15 lädt die Arbeitsverwaltung binnen 3 Tage die Parteien vor und versucht eine gütliche Einigung herbeizuführen. Die Arbeitsverwaltung kann einen Schiedsspruch erlassen, der binnen 5 Tagen nach der Verhandlung gefällt werden muß. Fällt sie keinen Schiedsspruch und kommt es auch sonst nicht zu einer Einigung, gibt sie den Vorgang mit ihrem Bericht an die Magistratura de Trabajo weiter Nach Artikel 18 können die Parteien innerhalb von 2 Tagen beginnend mit dem Tag, nachdem die Verhandlung vor der Syndikatsschlichtungskommission ohne Vereinbarung endete, die Personen, die den Arbeitskonflikt eingeleitet haben, den Beschluß fassen, den Arbeitern den Streikbeschluß vorzulegen. In diesem Fall findet binnen der nächsten 3 Tage eine Abstimmung der betroffenen Arbeiter darüber statt, ob sie zum Streik greifen oder nicht. Nach der Feststellung des Abstimmungsergebnisses müssen der Unternehmer und die Arbeitsbehörde binnen einer Frist von mindestens 5 Tagen Mitteilung erhalten, damit der Streik als zulässig betrachtet werden kann (Art.19 Abs.4).

35. Außer dem vorprozessual gezahlten und anerkannten Betrag verlangt der Kläger weiter DM 1.550,77 mit der Begründung, die Unterbringung von 4 Personen in einem Doppelzimmer stelle keine vertragsgerechte Leistung dar. Nach Nr.3.5.3 der Reise- und Zahlungsbedingungen hätte die Beklagte 2 Doppelzimmer zur Verfügung stellen müssen. Wegen der nicht gereichten Mahlzeiten und des unterbliebenen Service, während des Streiks könne er den Reisepreis mindern. Auch nach Ende des Streiks seien die Leistungen des Hotels nicht wesentlich besser geworden. Das Personal habe die Arbeiten nur widerwillig aufgenommen. Das Essen sei minderwertig gewesen, insbesondere erheblich schlechter als in der ersten Woche, da der Chefkoch und zwei weitere Köche nicht zur Verfügung gestanden hätten. Dadurch sei sein Urlaub erheblich beeinträchtigt worden.

36. Nicht einmal die reguläre Versorgung seiner Kinder sei sichergestellt gewesen. Das Beschaffen der Verpflegung sei zeitaufwendig gewesen, so daß ein eigentlicher Urlaub nicht stattgefunden hätte. Er beziffert seinen Schaden wegen entgangener Urlaubsfreude auf je DM 500,– für sich und seine Ehefrau, da sie beide zusammen über ein monatliches Nettoeinkommen von DM 8.500,– verfügten. Die Beklagte treffe auch ein Verschulden, da in Teneriffa schon wochenlang vorher bekannt gewesen sei, daß an Weihnachten gestreikt werden solle. Dies habe auch die Beklagte gewußt. Reiseleitung sei im Hotel nicht erreichbar gewesen. Im Reisebüro sei er 2 Tage hingehalten worden. Die Beschwerde habe er mündlich vorgetragen.

37. Er hat beantragt,

38. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 2.450,77 nebst 7,5 % Zinsen seit dem 15.6.1979 zu zahlen.

39. Die Beklagte hat beantragt,

40. die Klage abzuweisen.

41. Sie hat vorgetragen, die Unterbringung habe der versprochenen Leistung entsprochen. Dass alle 4 Personen in einem Zimmer untergebracht werden sollten ergebe sich aus den Seiten 5 und 21 des Katalogs. Das einjährige Kind des Klägers sei nicht als Kind gegen Bezahlung gereist, sondern als Infant, für das sie keinen Reisepreis berechnet habe. Auf die Nummer 3.5.3 der Reise-Zahlungsbedingungen könne sich der Kläger nicht berufen, da es dort heiße „Wenn nicht anders ausgeschrieben“, was jedoch auf Seite 21 geschehen sei. Minderleistungen infolge des Streiks seien durch die gezahlten und anerkannten Beträge abgegolten. Ein Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger nicht zu, da sie für den Streik des Hotelpersonals nicht einzutreten habe. Eine definitive Vorwarnung habe sie bis zur Ausrufung des Streiks über Rundfunk in der Nacht vom 21./22.12.1978 nicht erhalten. Der Streikt habe begonnen, obwohl der Tarifvertrag noch bis zum 31.12.1978 in Kraft gewesen sei.

42. Es habe keine Chance bestanden, den Streik abzuwenden. Eine dem deutschen Recht entsprechende Friedenspflicht gäbe es in Spanien nicht. Nicht einmal die nach spanischem Recht vorgesehenen Streikbedingungen seien eingehalten worden. Etwaige Ansprüche gegen Streikende seien nicht durchsetzbar.

43. Durch Urteil vom 28.8.1979 (Bl.57-64 d.A.) hat das Amtsgericht der Klage in Höhe von DM 840,– stattgegeben und in den Gründen ausgeführt, dem Kläger stehe Schadensersatz wegen mangelhafter Leistungen in Höhe von insgesamt 1.750,– DM zu und zwar für die Streikwoche in Höhe von DM 700,–, für die folgende Woche in Höhe von DM 350,–. Er könne außerdem Schadensersatz in Höhe von DM 700,– wegen Beeinträchtigung einer Woche seines Urlaubs durch den Streik verlangen, da die Beklagte für die Hoteliers als Erfüllungsgehilfen einzustehen haben. Wegen der Unterbringung in einem Zimmer stehe dem Kläger jedoch kein Anspruch zu, da diese vertragsgemäß gewesen sei.

44. Gegen das der Beklagten am 17.9.1979, dem Kläger am 18.9.1979 zugestellte Urteil, hat die Beklagte am 8.10.1979 Berufung eingelegt und am 7.11.1979 begründet. Der Kläger hat am 22.11.1979 Anschlußberufung mit gleichzeitiger Begründung eingelegt.

45. Die Beklagte wiederholt im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und trägt weiter vor, es treffe nicht zu, daß das Personal nach dem 28.12.1978 seine Dienstleistungen nur widerwillig aufgenommen habe. Weder sie noch das Hotel oder deren Angestellte treffe ein Verschulden. Denn der Streik sei rechtmäßig gewesen. Der Streikbeschluß sei in Übereinstimmung mit dem Dekret vom 22.5.1975 über kollektive Arbeitskonflikte bei oder nach der Ankunft des Klägers in Teneriffa gefasst worden. Erst am Abend des 20.12.1978 habe sie erfahren, daß das Hotel bestreikt werde. Das Amtsgericht habe zu Unrecht streikbedingte Leistungsstörungen als schuldhaft mangelnde Leistungen angesehen.

46 Wer an einem rechtmäßigen Streik teilnehme, könne nicht schuldhaft handeln. Der Hotelier habe die Forderungen der Streikenden nicht ohne Verstoß gegen seine Pflichten gegenüber dem Arbeitgeberverband erfüllen können. Im übrigen stelle der Streik ein außergewöhnliches, unvorhergesehenes Ereignis dar, das nach ihren Reise- und Zahlungsbedingungen die Haftung ausschließe. Generelle Risiken übernehme der Reiseveranstalter nicht. Im übrigen habe es dem Kläger freigestanden, den Vertrag zu kündigen, da er offensichtlich schon früher von dem Streik gewußt habe. Schließlich habe der Kläger die Mängel nicht schriftlich gerügt. Ihr Reiseleiter habe die Sprechstunden ordnungsgemäß angekündigt und abgehalten.

47. Sie beantragt,

48. das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 28.8.1979 – 30 C 10217/79 – aufzuheben, soweit es dem Berufungsbeklagten DM 840,– nebst 7,5 % Zinsen seit dem 15.6.1979 zuspricht, und die Klage auch insoweit abzuweisen,

49. die Anschlußberufung zurückzuweisen.

50. Der Kläger beantragt,

51. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, auf die Anschlußberufung unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt, soweit die Klage abgewiesen worden ist, nach dem Antrag der Vorinstanz zu entscheiden.

52. Auch er wiederholt im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und trägt weiter vor, gerade in den Weihnachtstagen sei es schwer gewesen, Nahrungsmittel zu besorgen. Die meisten Restaurants seien geschlossen gewesen. Nur ein paar kleine Familienbetriebe hätten geöffnet gehabt, seien jedoch dem Ansturm der Gäste nicht gewachsen gewesen. Infolgedessen habe das Essen nur unterdurchschnittliche Qualität gehabt. In der Streikwoche seien er und seine Ehefrau im wesentlichen damit beschäftigt gewesen, die notwendigen leiblichen Bedürfnisse der Familie zu befriedigen, sowie das Zimmer aufzuräumen und zu putzen. Er habe erst auf Teneriffa von dem bevorstehenden Streik erfahren. Dabei sei ihm jedoch gesagt worden, daß die Streikabsicht dort schon lange bekannt gewesen sei. Auch nach dem Streik seien die Serviceleistungen so schlecht gewesen, daß sie nicht dem Standard eines First-Class-Hotels entsprochen hätten.

53. Auf die unter Angabe der Blattzahl der Akten angeführten Schriftstücke wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

54. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet, während die unselbständige Anschlußberufung des Klägers zulässig und begründet ist.

55. Dem Kläger steht über die vor Prozeßbeginn gezahlten DM 210,– und über die rechtskräftig anerkannten DM 700,– sowie die vom Amtsgericht zugesprochenen DM 840,– noch ein weiterer Betrag von DM 700,77 zu. Denn sein Minderungs- und Schadensersatzanspruch beläuft sich entsprechend seinem Klageantrag auf jedenfalls DM 2.450,77.

56. Der Kläger kann zunächst den Reisepreis um jedenfalls DM 456,– nach § 634 BGB mindern, weil ihm nur ein Doppelzimmer für 4 Personen zur Verfügung gestellt worden ist. Denn die Beklagte hat insoweit die vertraglich geschuldete Leistung nicht erbracht. Aufgrund der Nr. 3.5.3. ihrer Reise- und Zahlungsbedingungen war sie zur Unterbringung der 4 Personen in 2 Doppelzimmern, in einem Appartement oder in einer Zimmer-Suite verpflichtet. Denn die Voraussetzung, daß zwei Kinder sich in Begleitung von zwei vollzahlenden Gästen befanden, ist erfüllt. Für die Auffassung der Beklagten, daß die 1 Jahr alte Tochter des Klägers kein (ermäßigt reisendes Kind, sondern ein (kostenlos befördertes) Infant sei, daß nicht unter die Bestimmungen der Nr. 3.5.3 der Zahlungsbedingungen falle, ergibt sich aus dem Katalog der Beklagten nicht; denn dort ist – soweit festgestellt war – an keine Stelle das Wort „Infant“ gebraucht. Eine solche Bezeichnung widerspricht im übrigen völlig dem allgemeinen deutschen Sprachgebrauch. Darüber hinaus ist in der Nr. 3.5.3. der Reise- und Zahlungsbedingungen von „Kind unter 2 Jahren“ die Rede. Deshalb ist der Kläger völlig zu Recht davon ausgegangen, daß auch seine 1 Jahr alte Tochter ein Kind im Sinne der Nr. 3.5.3 der Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten sei und deshalb mit dem anderen Kind in einem weiteren Doppelzimmer untergebracht werde. Daran vermögen auch der Hinweis auf die Kinderermäßigung bei der Beschreibung des Hotels auf Seite 25 und die Angaben auf Seite 5 des Katalogs nicht zu ändern. Denn auch die dortigen Aussagen sind keineswegs eindeutig. Zwar befindet sich unter den Preisen der einzelnen Hotels auf Seite 25 der Vermerk, daß ein Kind im Alter von 2-11 Jahren bei vollzahlenden Erwachsenen im selben Zimmer untergebracht werde. Hieraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß dies bei 2 Kind ebenso (oder – wie die Beklagte meint – erst recht) gelten solle. Gleiches gilt für die Angaben auf Seite 5. Auch dort ist im Text nur die Rede von einem Kind, dessen Unterbringung im gemeinsamen Zimmer oder Appartement erfolgen müsse. Auch hier findet sich kein Wort darüber, wie 2 Kinder untergebracht werden. Nur aus der auf Seite 5 befindlichen Tabelle sind Angaben über die Unterbringung von mehreren Kindern enthalten. Doch auch diese ist nicht eindeutig. Denn zum einen ist in der maßgeblichen Zeile für 4 Personen nur von 2 Erwachsenen und 2 Kindern von 2-11 Jahren die Rede. Zwar läßt sich hier aus entnehmen, daß möglicherweise 4 Personen „im Doppelzimmer“ untergebracht werden sollen. Dafür spricht der Singular des Wortes Doppelzimmer. Jedoch ist damit die Angabe nicht in Einklang zu bringen, daß keine Person in einem Zusatzbett untergebracht werde. Logischerweise könnte dies nur bedeuten, daß 4 Personen in einem Doppelbett untergebracht werden sollen. Da dies nicht gemeint sein kann, bleibt die Aussage unklar. Ihr fehlt jedenfalls das Gewicht, die eindeutige gegenteilige Aussage in der Nr. 3.5.3 der Reise- und Zahlungsbedingungen zu entkräften.

57. Denn Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehen gemäß § 5 AGBGB zu Lasten der Beklagten Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen sich der Kunde bestimmte Informationen auf zahlreichen, weit von einander entfernten Seiten des Katalogs erst selbst zusammensuchen muß; darauf hat die Kammer schon verschiedentlich hingewiesen.

58. Die Minderleistung der Beklagten besteht somit in der zur Verfügungstellung nur eines Doppelzimmers statt zweier. Infolgedessen kann der Kläger … den Reisepreis um die Hälfte der Kosten für die Unterbringung mindern. Ausgehend von einem Preis der Verlängerungswoche für ein halbes Doppelzimmers mit Frühstück von 495,– DM ergibt sich nach Abzug der Kosten des Frühstücks mit 7 x 5,– DM = 35,– DM ein Zimmerpreis von 460,– DM je Erwachsenen und Woche und (nach Abzug von 30 % Kinderermäßigung) DM 322,– für ein 2-11 Jahre altes Kind. Der Kläger war daher zum Abzug von 50 % des Wochenpreises für seine Familie von insgesamt 1.344,– DM, nämlich von DM 622,– je Woche berechtigt.

59. Darüberhinaus steht dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte wegen der streikbedingten Minderleistungen zu. Denn die Beklagte hat die geschuldete Leistung – Unterbringung im gebuchten Hotel mit Halbpension und entsprechendem Service – nicht mangelfrei erbracht, da der Kläger weder Verpflegung erhalten hat noch das Zimmer gemacht und die Wäsche gewechselt worden ist. Dem gegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Minderleistungen beruhten auf außergewöhnlichen Umständen, für die sie nicht einzutreten habe. Denn das Recht des Kunden Reisepreis zu mindern, hängt allein vom Vorhandensein von Mängeln ab, ist insbesondere davon unabhängig, ob die Beklagte sie zu vertreten hat. Auch außergewöhnlich Umstände vermögen die Beklagte von dem Minderungsanspruch des Klägers nicht zu befreien. Das Verlangen des Klägers nach Minderung ist auch nicht treuwidrig. Da der Hotelier die der Beklagten zugesagten Leistungen nur teilweise und mangelhaft erbracht hat, ist auch sie berechtigt, ihrerseits die dem Hotelier zugesagte Gegenleistung zu mindern. Der Hotelier seinerseits erspart während des Streiks regelmäßig nicht nur die Lohnkosten für das streikende Personal (vgl. Art.4 Abs .. des Dekretes 5/75), sondern auch die Kosten für die Beschaffung von Verpflegungsmitteln usw. Daher ist kein Grund ersichtlich, warum die Grundsätze von Treu und Glauben es gebieten sollten, daß der Reisende trotz der Minderleistung den vollen Reisepreis zahlt. Ob und wie die Beklagte ihre Ansprüche gegen den Hotelier durchsetzt, ist ihre Sache; ggf. muß sie solchen Minderungsansprüchen schon bei Abschluß der Verträge mit den Hotels Rechnung tragen. An dieser Rechtslage ändert auch in Zukunft § 651 j BGB nichts. Selbst wenn der Streik als höhere Gewalt anzusehen sein sollte, was zweifelhaft ist (vgl. Palandt/Thomas, § 651 j Anm.2b; Bartl, Grundriß des Reiserechts, Randnr. 148, Tonner, Der Reisevertrag, § 651 j Randnr.2,4 Eberle DB 1979, 341, 347; Schröder Jur.Büro 1979, 1427 (1437) Löwisch, Betriebsberater 1974, 1493 (1499); ACP 174, 248 (252). gibt dies dem Veranstalter und dem Kunden nur ein Recht zur Kündigung. Wenn keine Seite davon Gebrauch macht, bleiben die Gewährleistungsansprüche unberührt. Auch aus den Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten ergibt sich nichts anderes. Die Gültigkeit der Klausel unter Nr. .. vorausgesetzt, ist die Beklagte nur berechtigt, bei außergewöhnlichen Umständen, zu denen sie auch Streik zählt, die Reise abzusagen, während nach Antritt der Reise beider Seiten zur Kündigung des Vertrages berechtigt sein sollen. Daraus läßt sich nicht entnehmen, daß Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sein sollen, sofern von dem Recht zur Kündigung kein Gebrauch gemacht wird.

60. Die Höhe der Minderung bemißt die Kammer auf 50 % des auf die Streikdauer entfallenden Anteils des Reisepreises, da der Kläger nur Halbpension gebucht hatte. Bei Vollpension beträgt den Minderungssatz 60 %. Der anteilige Reisepreis für eine Woche beträgt 2.131,70 DM. Im vorliegenden Fall ist jedoch noch ein Abzug von DM 252,– zu machen; da der Kläger nach den obigen Ausführungen berechtigt ist, wegen des nicht zur Verfügung gestellten Zimmers den Reisepreis jedenfalls in Höhe der von ihm berechneten DM 456,– zu mindern, kann nur dieser geminderte Reisepreis zugrunde gelegt werden. Dies bedeutet, daß der Kläger den auf DM 1.979,70 geminderten Wochenpreis um weitere 50 %, nämlich um DM 989,85 mindern kann.

61. Weiter hat die Beklagte durch ihre Erfüllungsgehilfen auch in der 3. Woche die geschuldete Leistung nicht vollständig mangelfrei erbracht. Sie hat nicht substantiiert bestritten, daß das Essen wegen des Fehlens des Chefkochs und zweier weiterer Köche in der Qualität erheblich verschlechtert war. Ausgehend von einem Halbpensionszuschlag von DM 100,– je Erwachsenen und DM 70,– für das Kind für die 3. Woche kann der Kläger diesen Teil des Reisepreises ebenfalls um 50 %, mithin um 135,– DM mindern. Einen höheren Betrag kann er nicht verlangen, da er übersieht, daß der Zuschlag von DM 100,– je Woche den Preis für die Halbpension ausmacht, während der Grundpreis sowohl nach dem Katalog wie nach der Reisebestätigung nur Unterkunftund Frühstück umfasst.

62. Dem Kläger steht schließlich wegen der streikbedingten Beeinträchtigung der 2. Urlaubswoche ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs zu. Daß diese Urlaubstage im wesentlichen wertlos waren, hat die Beklagte nicht bestritten, es liegt auch auf der Hand, daß die Einstellung jeglicher Versorgung des Reisenden im gebuchten Hotel erhebliche Auswirkungen hat. Denn der Gast kann ja nicht wie zu Hause auf Selbstversorgung ausweichen, da dazu im Hotel regelmäßig die Möglichkeiten fehlen. Weiterhin bedarf es keiner Erörterung, daß im Fall von Streiks auf der gesamten Insel Teneriffa Ausweichmöglichkeiten auf andere Restaurants nur bedingt möglich sind, wobei aufgrund des nichtbestrittenen Vortrags des Klägers zugrundezulegen war, daß nur einzelne kleine Familienbetriebe geöffnet hatten, die durch den Ansturm der Gäste überfordert waren. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Beschaffung von Nahrungsmitteln gerade ein Weihnachtsfeiertagen nur unter beträchtlichen Schwierigkeiten möglich ist. Diese Beeinträchtigungen des Urlaubs hat die Beklagte auch zu vertreten. Sie kann sich nicht mi dem Hinweis auf Streik entlasten (vgl. Bartl, Grundriß, Randnr. 146 Löwe BB 1979, 1364; Emmerich im Münchener Kommentar § 275 BGB Randnr.73, Eberle BB 1979, 342). Dabei ist zunächst bedeutungslos, ob der Streik rechtmäßig oder rechtswidrig war. Denn die Rechtmäßigkeit des Streiks allein, besagt nichts darüber, ob Schadensersatzansprüche im Verhältnis des Kunden (Kläger) und Unternehmer (Beklagter ausgeschlossen sind.

63. Die im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Streiks betreffen in erster Linie das Verhältnis zwischen bestreiktem Arbeitgeber und streikenden Arbeitnehmer und schließen – wenn der Streik rechtmäßig war – Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer aus. Da diese Rechtsgrundsätze nur die Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis betreffen, berühren sie die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem Unternehmer grundsätzlich nicht.

64. Dennoch kann die Unterscheidung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigem Streik Auswirkungen haben. Jedenfalls ein rechtmäßiger Streik stellt im Verhältnis zwischen Reisenden und Reiseveranstalter keine höhere Gewalt dar, die dem Verschulden des Reiseveranstalters entgegensteht. Denn unter höherer Gewalt sind nur solche Ereignisse zu verstehen, die von außen kommend keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisen und weder vorhersehbar noch mit äußerster Sorgfalt abzuwenden sind. Ein rechtmäßiger Arbeitskampf ist jedoch grundsätzlich voraussehbar. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache der Befristung des jeweiligen Tarifvertrags und der daraus resultierenden Notwendigkeit einer neuen Einigung über die Bedingungen des Arbeitsvertrages. Es ist eine allgemeine Erfahrungstatsache, daß bei Scheitern von Tarifverhandlungen mit Arbeitskampfmaßnahmen gerechnet werden muß. Selbst wenn die Erwartung auf Einigung häufig berechtigt sein wird, beseitigt dies nicht die Vorhersehbarkeit von Arbeitskampfmaßnahmen für den Fall, daß eine solche Einigung nicht zustandekommt. Dies ist auch in Spanien nicht anders. Wie sich aus dem Dekretgesetz ergibt, ist auch in Spanien nach dem Scheitern von Verhandlungen ein detailliertes Schlichtungsverfahren vorgesehen, nach dessen Ende als ultima ratio der Streik begonnen werden kann. Mit Streik ist daher spätestens mit Beginn dieses Verfahrens zu rechnen. Da die streikenden Arbeitnehmer auf Teneriffa nach dem Vortrag der Beklagten dieses Verfahren eingehalten habe, ergibt sich allein aus der Länge der im Gesetz vorgeschriebenen Fristen und Abläufen, daß die Gefahr des Streiks bereits vor der Abreise des Klägers vorhersehbar war. Wann die Beklagte effektiv von dem Streik erfahren hat, ist in diesem Zusammenhang belanglos. Es ist ihre Sache, Informationen über Umstände, die zu beträchtlichen Leistungsstörungen führen können, zu beschaffen und zu sammeln (vgl. LG Frankfurt FVE 5,20). Der Beklagten ist zum Vorwurf zu machen, daß sie die erforderlichen Informationen nicht beschafft und dem Kläger nicht vor Reiseantritt mitgeteilt hat. Denn in diesem Fall hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, von der Durchführung der Reise abzusehen, so daß er jedenfalls Urlaub nicht vertan hätte.

65. Aber auch wenn der Streik, worauf die Beklagte in der ersten Instanz anscheinend hinaus wollte, rechtswidrig gewesen sein sollte, schuldet sie Schadensersatz. Zwar sind rechtswidrige Arbeitsniederlegungen, insbesondere während der Laufzeit eines Tarifvertrages, häufig nicht voraussehbar, so daß die Verletzung der Informationspflicht des Reiseveranstalters oft nicht vorliegen wird. Allerdings ist dies nicht generell so; es sind durchaus Fälle denkbar, in denen auch rechtswidrige Streiks vorhersehbar sind, soweit ihnen etwa eine „unpopuläre“ Maßnahme des Arbeitgebers vorausgeht. Dennoch hat die Beklagte für die durch den rechtswidrigen Streik entstehenden Beeinträchtigungen des Kunden einzustehen. Denn sie hat gemäß § 278 BGB … das Fehlverhalten ihrer Erfüllungsgehilfen zu vertreten. Erfüllungsgehilfen sind nicht nur die einzelnen Leistungsträger, wie Beförderungsunternehmen, Hoteliers usw. sondern auch deren Angestellte. Diese Rechtsfolge führt auch nicht zu einer unbilligem Risikoverteilung. Denn die Beklagte kann vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Hotelier bzw. nach Abtretung von dessen arbeitsvertraglichen Ansprüchen gegen das rechtswidrig streikende Personal selbst geltend machen (vgl auch BGHZ 70,277 = NJW 1978,816 und BVetG NJW 80,169) Die völlig unsubstantiierte Behauptung der Beklagten, gegen rechtswidrig streikende Arbeitnehmer gäbe es in Spanien keine Schadensersatzansprüche, wird schon durch die Vorbemerkung 13 und Artikel 4 Abs.2 des Dekretgesetzes widerlegt, in welchem gerade auf die Rechtsfolgen rechtswidriger Streiks hingewiesen wird.

66. Gegebenenfalls muß sich die Beklagte bei Vertragsschlüsse mit Hoteliers die Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Falle rechtswidriger Streiks vorbehalten. Da die Summe der möglichen Minderungs- und Schadensersatzansprüche die Klageforderung bei weitem übersteigt, der Kläger aber selbst seinen Anspruch unter Berücksichtigung der vorprozessual gezahlten und im Prozeß anerkannten Beträge auf DM 1.550,77 beziffert, war der Klage in dieser Höhe stattzugeben.

67. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; der Kläger hat ein Teil der Kosten zu tragen, da in dem von ihm eingeklagten Betrag von DM 2.450,77 die bereits vorprozessual gezahlten DM 210,– enthalten sind.

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