Wettbewerbswidrige Preiswerbung für Kreuzfahrten ohne Einbeziehung des Serviceentgelts

LG München:Wettbewerbswidrige Preiswerbung für Kreuzfahrten ohne Einbeziehung des Serviceentgelts

Einem Kreuzfahrtveranstalter aus der Schweiz wurde untersagt, mit Preisen zu werben, in die das in jedem Fall fällige Serviceentgelt nicht eingerechnet war, da diese Praxis wettbewerbswidrig ist.

LG München 1 HKO 2655/13 (Aktenzeichen)
LG München: LG München, Urt. vom 30.07.2013
Rechtsweg: LG München, Urt. v. 30.07.2013, Az: 1 HKO 2655/13
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Landgericht München

1. Urteil vom 30. Juli 2013

Aktenzeichen 1 HKO 2655/13

Leitsätze:

2. Die Werbung mit Kreuzfahrtpreisen, die ein in jedem Fall zu zahlendes Serviceentgelt nicht enthalten, ist wettbewerbswidrig.

„Derselbe sachlich relevante Markt“ i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG wird dadurch bestimmt, dass der Absatz der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens durch ein wettbewerbswidriges Handeln eines anderen Unternehmens beeinträchtigt werden kann.

Zusammenfassung:

3. Ein Zusammenschluss von Unternehmen und Reiseveranstaltern klagte gegen einen schweizer Kreuzfahrtveranstalter und dessen deutsche Niederlassung wegen unvollständiger Preiswerbung. So hatten die Beklagten in der Zeitschrift der Deutschen Bahn eine Kreuzfahrt zum Preis von 799,- € angeboten und in einer Fußnote auf ein Serviceentgelt von 7,- € pro beanstandungsfreier Nacht an Bord hingewiesen. Die Beklagten vertraten die Ansicht, dass das Entgelt nicht Teil des Reisepreises, sondern eine Art Trinkgelt sei und überdies der Kläger nicht klagebefugt sei.

Das Landgericht München gab der Klage statt. Die Beklagten wurden verurteilt, die entsprechende unvollständige Preiswerbung zu unterlassen und an den Kläger 166,60 EUR nebst Zinsen zu zahlen. zur Begründung führte es aus, dass sich die Aktivlegitimation des Klägers daraus ergab, dass genügend seiner Mitglieder im selben Bereich Waren und Dienstleistungen vertrieben wie die Beklagten. Da das Serviceentgelt in jedem Fall außer dem einer Beanstandung anfiel, war es als Teil des Reisepreises anzusehen, sodass seine Aussparung aus der Preiswerbung wettbewerbswidrig war.

Tenor:

4. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen am Geschäftsführer

zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr gegenüber Letztverbrauchern für Schiffsreisen mit der Ankündigung von Preisen zu werben, ohne den jeweiligen Endpreis zu nennen, insbesondere ohne ein obligatorisch erhobenes Serviceentgelt in den Endpreis einzurechnen,

sofern dies geschieht wie in Anlage K 26 wiedergegeben.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 166,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2013 zu bezahlen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagten samtverbindlich.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 EUR, hinsichtlich Ziffer II. und III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110% des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand:

5. Der Kläger macht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen unvollständiger Preiswerbung geltend.

6. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.

7. Die Beklagte zu 1) ist eine Reederei mit Sitz in der Schweiz und veranstaltet Kreuzfahrten. Die Beklagte zu 2) ist der administrative Ansprechpartner der Beklagten zu 1) für Deutschland.

8. Die Beklagte zu 1) vermarktet ihre Produkte auf dem deutschen Markt u. a. mit eigenen Katalogen, Anzeigen und im Rahmen eines Internetauftritts. Sie vertreibt und veranstaltet außerdem ihre Kreuzfahrten im Rahmen von Kooperationen mit verschiedenen Vertriebspartnern. Diese Reiseangebote durch die jeweiligen Vertriebspartner erfolgen mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Beklagte zu 1) Veranstalterin der Reisen ist.

9. Nachfolgende Unternehmen sind Mitglieder des Klägers (Mitgliederliste Anlage K 1):

10. – Otto GmbH & Co. KG. Mittels eines Links auf der Seite www.otto.deerreicht man die Seiten der Otto-Reisen, auf denen die Reisen von der Otto Freizeit und Touristik GmbH vertrieben werden, u. a. auch Kreuzfahrten.

11. – Tchibo GmbH, unter deren Domain www.tchibo.deüber den Menüpunkt „Reisen“ eine Vielzahl von unterschiedlichsten Reiseangeboten, u. a. auch Kreuzfahrten, gebucht werden können.

12. – VdK Reisedienst GmbH, der eine Vielzahl von Schiffsreisen anbietet.

13. – Expedia Inc., ein US-amerikanischen Online-Portal, das ebenfalls u. a. Kreuzfahrten und Schiffsreisen vertreibt.

14. Weitere Mitglieder des Klägers sind die Lidl Dienstleistungs GmbH & Co. KG, die ebenfalls Reisen vermittelt, sowie die Hotelbuchungsportale der Firmen Booking.com GmbH und HRS-Hotelreservation Service GmbH, über deren Portale Hotels gebucht werden können.

15. Im Magazin der Deutschen Bahn „mobil Ausgabe 12/2012“ warben die Beklagten auf der Seite 11 (Anlage K 26) für eine Reise auf der MSC Poesia „Der Zauber des Nordens!“ mit dem Preis

16. „ab EUR 799,00 pro Person zzgl. Serviceentgelt*“.

17. Das Sternchen * wird wie folgt am Ende der Anzeige in kleinen Buchstaben erklärt:

18. „Spezial zzgl. Serviceentgelt: Am Ende der Kreuzfahrt fällt zusätzlich ein Serviceentgelt in Höhe von EUR 7,00 pro Person/beanstandungsfrei an Bord verbrachter Nacht an. Ausführliche Informationen siehe MSC-Katalog.“

19. In den Informationen auf der Internetseite der Beklagten www.msc-kreuzfahrten-buchen.de(Anlage K 29) findet sich unter dem Stichwort „Serviceentgelt“ folgender Text:

20. „Während Ihrer Kreuzfahrt wird Ihnen unser Personal auf dem gesamten Schiff excellenten Service bieten. … Der Einfachheit halber belastet MSC Kreuzfahrten Ihr Bordkonto automatisch mit einem täglichen Serviceentgelt für Hoteldienstleistungen, das gemäß Ihrer Reiseroute und der Anzahl der Tage, an denen der Service tatsächlich erbracht wird, berechnet wird. Die Erhebung des Serviceentgelt für Hoteldienstleistungen dient der Erhaltung des hohen Qualitätsstandards der an Bord angebotenen Serviceleistungen. Sollten Sie mit der Qualität des erbrachten Service einmal nicht zufrieden sein, teilen Sie dies bitte unverzüglich dem Guest Relation Manager an Bord mit. In diesem Fall wird das Serviceentgelt für diesen Tag nicht erhoben.“

21. Unter einem weiteren Stichwort „Trinkgeld“ findet sich der Text:

22. „MSC Kreuzfahrten rät von Trinkgeldzahlungen an einzelne Mitarbeiter ab.“

23. Es folgt dann noch ein gesonderter Text für das Serviceentgelt für Bardienstleistungen.

24. Auf Seite 266 des Katalogs der Beklagten findet sich unter der Rubrik „nützliche Informationen“ (B 11) der identische Text zum Serviceentgelt, zum Trinkgeld und zum Serviceentgelt für Bardienstleistungen.

25. Der Kläger behauptet, es handle sich bei diesem Serviceentgelt zum Sternchen-Hinweis um ein obligatorisches Serviceentgelt. Tatsächlich müsse der Kunde statt der beworbenen 799,00 EUR mindestens 848,00 EUR bezahlen, um an der Reise teilnehmen zu können. Dieses Serviceentgelt sei daher als verbindlicher Preisbestandteil im Endpreis aufzunehmen. Auch sei der Sternchen-Hinweis für den Leser aufgrund der kleinen Schriftgröße und des fehlenden Farbkontrastes kaum lesbar. Es liege daher ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1, Abs. 6 PreisangabenVO vor. Es handle sich auch um keinen Verbrauchs-, zeit- oder bedingungsabhängigen Preisbestandteil, der ausnahmsweise mit dem Verrechnungssatz gem. § 1 Abs. 3 PreisangabenVO angegeben werden könne. Ein Bedienungsgeld für das Servicepersonal müsse auch gem. § 7 Abs. 5 PreisangabenVO als Teil des Endpreises angegeben werden. Sofern ein Verbraucher sich entsprechend den „Informationen“ im Einzelfall weigern würde, das Serviceentgelt zu zahlen, weil er mit der Dienstleistung nicht einverstanden sei, handle es sich schlicht um eine Minderung des Reisepreises.

26. Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 abgemahnt (K 27) und macht hierfür Abmahnkosten in Höhe von 166,00 EUR geltend.

27. Der Kläger beantragt:

28. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen am Geschäftsführer

zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr gegenüber Letztverbrauchern für Schiffsreisen mit der Ankündigung von Preisen zu werben, ohne den jeweiligen Endpreis zu nennen, insbesondere ohne ein obligatorisch erhobenes Serviceentgelt in den Endpreis einzurechnen,

sofern dies geschieht wie in Anlage K 26 wiedergegeben.

29. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 166,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2013 zu bezahlen.

30. Die Beklagten beantragen

Klageabweisung.

31. Die Beklagten behaupten, dass der Kläger nicht klagebefugt i. S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sei, da ihm keine erhebliche Anzahl von Reiseveranstaltern von Kreuzfahrten angehöre. Die Unternehmen Otto, Lidl und Tchibo würden nur als Randsortiment Kreuzfahrten vermitteln und seien auch über ihre Reiseunternehmen nicht Veranstalter, sondern nur Vermittler von Kreuzfahrten. Auch die Expedia Inc. vermittle nur Reisen.

32. Der VdK sei örtlich auf Süddeutschland beschränkt.

33. Die Unternehmen Booking.com bzw. HRS.de seien als bloße Hotelbuchungsplattformen schon gar keine Wettbewerber zu Veranstaltern von Kreuzfahrten.

34. Die Beklagten behaupten, dass das Vorgehen des Klägers auch den Interessen dieser Mitgliedsunternehmen widerspreche, da diese selbst Kreuzfahrten der Beklagten und auch anderer Veranstalter vertrieben und dabei die beanstandete Preisangabe zum Serviceentgelt benutzten.

35. Die Beklagten sind der Ansicht, dass es sich hierbei um eine branchentypische Ausschreibung handle, an die die Verbraucher längst gewöhnt seien, so dass keine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise mehr vorliegen könne.

36. Die Beklagten sind der Ansicht, dass das anfallende Serviceentgelt kein Bestandteil des Reisepreises sei, sondern eine Abgabe, die an Bord anstelle von Trinkgeldern in der jeweiligen Landeswährung von der Reederei erhoben werde. Dieses Trinkgeld sei auf Wunsch der Passagiere pauschalisiert worden. Die automatischen Abbuchungen auf dem Bordkonto würden dann zurückgebucht, sofern ein Kunde im Einzelfall mit der Leistung nicht zufrieden gewesen sei. Dieses Bordkonto würde dem Kunden dann am letzten Tag der Kreuzfahrt oder bis zu sieben Tage später von seinem hinterlegten Zahlungsmittel, in der Regel der Kreditkarte, abgebucht. Dieses Serviceentgelt fließe dann nicht dem Reiseveranstalter, nämlich der Beklagten zu 1) zu, sondern der Reederei.

37. Die Beklagten sind der Ansicht, dass die eingeleitete Klage rechtsmißbräuchlich i. S. d. § 8 Abs. 4 UWG sei, da sie der Interessenlage der Mitgliedsunternehmen des Klägers widerspreche.

38. Dem Kläger fehle auch das Rechtschutzinteresse, da die Beklagte zu 1) sich im Jahr 2010 bereits gegenüber der Wettbewerbszentrale über die jetzt beanstandete Werbung geeinigt habe. Durch diese Drittunterwerfung sei auch die Wiederholungsgefahr ausgeräumt.

39. Im Übrigen wird auf die vorgelegten Anlagen und Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

40. Die Klage war in vollem Umfang begründet. Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenVO einen Unterlassungsanspruch wie beantragt.

1.

41. Aktivlegitimaion gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG

42. Dem Kläger gehört als Verband eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf dem selben Markt vertreiben. Die Mitglieder Otto GmbH & Co. KG, VdK Reisedienst GmbH, Lidl GmbH & Co. KG, Tchibo GmbH sowie Expedia Inc., die jeweils über ihre Internetseiten, sei es unmittelbar, sei es über einen Link zu einem Tochterunternehmen, Reisen vermitteln, sind Wettbewerber zu den Beklagten. Die Mitglieder des Klägers bzw. der mit ihnen verbundenen Unternehmen müssen nicht auf derselben Wirtschafts- oder Handelsstufe wie die Beklagten stehen, insbesondere müssen sie nicht selbst Veranstalter von Reisen sein, um sich auf dem selben sachlich relevanten Markt wie die Beklagten zu bewegen.

43. „Derselbe sachlich relevante Markt“ i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG wird dadurch bestimmt, dass der Absatz der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens durch ein wettbewerbswidriges Handeln eines anderen Unternehmens beeinträchtigt werden kann. Es ist daher auch nicht erforderlich, dass der Vertrieb bestimmter Waren oder Dienstleistungen (hier: Kreuzfahrten) zum Kernsortiment eines Unternehmens gehören. Maßgeblich ist, ob die angesprochenen Verkehrskreise die Waren und Dienstleistungen des einen Unternehmens als substituierbar durch die angebotenen Güter eines anderen Unternehmens ansehen. Auch wenn die Beklagten selbst Veranstalter von Kreuzfahrten sind, sind grundsätzlich Reisevermittler wie Tchibo oder Vermittlungsportale geeignet, den potentiellen Wettbewerb zu beeinträchtigen. Die angesprochenen Verkehrskreise können sich entweder unmittelbar über die Buchungsplattform eines Veranstalters über bestimmte Reiseziele informieren oder über die Kataloge von Reisevermittlern. Bei wem sie letztlich eine bestimmte Reise buchen, hängt nicht davon ab, ob ein Angebot von einem Veranstalter unmittelbar stammt, sondern ob die Preise, die Reisezeiten, das Preis-Leistungs-Verhältnis und Ähnliches zur Nachfrage des Kunden passen.

44. Dienstleistungen „der verwandten Art“ sind im vorliegenden Fall bei der Bestimmung des sachlich relevanten Markts nicht nur Kreuzfahrten, sondern Reisen allgemein. Zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören nicht nur Interessenten von Kreuzfahrten bzw. erfahrene Kreuzfahrtreisende, sondern auch Kunden, die sich erstmals für eine Kreuzfahrt interessieren und Kunden, die generell für Reisen in ein bestimmtes Gebiet interessieren. Wenn sich z. B. ein Kunde für eine Reise zu verschiedenen Inseln in der Ägäis interessiert, dann kann er entweder eine Kreuzfahrt buchen, in der ihm die Route, die Ausflüge und die Übernachtungen und Verpflegungen auf dem Schiff vorgegeben sind. Oder er sucht sich organisierte Rundreisen in einem Katalog aus, bei denen er in Hotels auf den jeweiligen Inseln übernachtet und mit Fähren bzw. Flugzeug transportiert wird, oder er sucht sich über bestimmte Bausteine individuell seine Ziele, Hotels und Transportmittel aus. Zumindest ein Teil der Kunden ist nicht von vornherein festgelegt auf eine bestimmte Art des Reisens, sondern informiert sich zunächst über verschiedene Möglichkeiten, wie sie seinen aktuellen individuellen Bedürfnissen am ehesten entsprechen. Deshalb sind nicht nur die Vermittler bzw. Veranstalter von Kreuzfahrten Wettbewerber zu den Mitgliedsunternehmen des Klägers, sondern auch Buchungsplattformen für Hotelbuchungen. Die Kunden, die keine überzeugten Kreuzfahrer sind, aber sich näher mit einem solchen Angebot befassen, werden für ihre Entscheidungsfindung auch die individuellen Preise von Hotels mit dem Preis für eine Rundumversorgung auf einem Schiff vergleichen. Deshalb müssen auch die marktstarken Unternehmen Booking.com bzw. HRS.de zu den Unternehmen des Klägers gerechnet werden, die im Verhältnis zu Veranstaltern von Kreuzfahrten Mitbewerber i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG darstellen.

45. Einschließlich des VdK, eines mitgliedsstarken Sozialverbandes in Süddeutschland, der ebenfalls Kreuzfahrten vermittelt, ist eine ausreichende Zahl an Mitgliedern mit entsprechender Marktstärke beim Kläger organisiert, die die Reisebranche repräsentativ vertreten können.

46. Ob diese Mitglieder selbst in der angegriffenen Art und Weise werben, spielt für die Frage keine Rolle, ob die Abmahnung des Verbands die Interessen der Mitglieder berühre. Es geht hierbei um die abstrakten Interessen der Mitglieder am lauteren Wettbewerb nach den gesetzlichen Vorgaben, nicht jedoch um ein konkretes wettbewerbswidriges Verhalten. Voraussetzung ist lediglich, dass es sich bei dem beanstandeten Verhalten nicht um einen Verstoß gegen eine ausschließlich mitbewerberschützende Bestimmung (wie z. B. § 4 Nr. 8 UWG) handelt, sondern um eine allgemeine Bestimmung zur Durchsetzung des lauteren Wettbewerbs auf einem bestimmten sachlich relevanten Markt. Die Vorschriften nach der PreisangabenVO sind verbraucherschützende Normen und daher von allen Wettbewerbern auf dem sachlich relevanten Markt der Reisebranche zu beachten.

2.

47. Rechtschutzbedürfnis/Wiederholungsgefahr

48. Die Beklagten sind der Ansicht, dass durch die „Drittunterwerfung“ bzw. den Vergleich im Jahr 2010 mit einem anderen Wettbewerbsverband das Rechtschutzbedürfnis bzw. die Wiederholungsgefahr entfallen sei. Bei der Werbung 2010 ging es jedoch unstreitig nicht um eine Preisangabe mit einem Sternchen-Hinweis. Nur das „Ergebnis“ der damaligen Drittunterwerfung soll die jetzige Art der Werbung sein. Da es sich bei den verletzten Vorschriften der PreisangabenVO um verbraucherschützende Normen handelt, kann eine Unterlassungserklärung in dem Vergleich 2010 gegenüber der Wettbewerbszentrale auch keine bindende Vereinbarung gegenüber anderen Bewerbern oder gegenüber den Verbrauchern dar. Verbraucherschutzvorschriften können nicht wirksam durch einen Vergleich mit einem angreifenden Unternehmen bzw. Verband außer Kraft gesetzt werden.

3.

49. Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PreisangabenVO

50. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenVO sind die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Endpreise). Das „Serviceentgelt“ wie es im Sternchen-Hinweis erklärt wird, ist kein freiwillig zu entrichtender Betrag nach Art eines Trinkgeldes, sondern ein verbindlicher Preisbestandteil, der in den Endpreis hineinzurechnen ist. Dieser Preisbestandteil ist endgültig bezifferbar, nämlich anhand der Zahl der vorgegebenen Nächte und der vorgegebenen Höhe. Lediglich im Fall einer Beanstandung an Bord kann dieses Entgelt zum Teil erlassen werden. Der Kunde hat entsprechend den vorgelegten Informationen zu dieser Reise (K 19 und B 11) keine Wahl, ob er dieses zusätzliche Serviceentgelt für einen „excellenten Service“ bezahlen will, oder sich viel lieber mit einem weniger excellenten, dafür aber billigeren Service zufrieden gibt. Dieses Entgelt wird „automatisch“ dem Bordkonto belastet. Nur unter der Bedingung, dass der Kunde Beanstandungen an einem bestimmten Tag auch dem entsprechenden Manager an Bord mitteilt, kann ihm im Einzelfall für diesen Tag das Serviceentgelt zurückgebucht werden. Nach den Informationen zu dieser Reise kommt es auch nicht darauf an, ob der Kunde tatsächlich jede Nacht an Bord verbringt, wie es im Sternchen-Hinweis steht, sondern ob der „excellente Service“ tatsächlich geboten wird. Dies ist auch folgerichtig, da ein excellenter Service als Dienstleistung nicht davon abhängt, ob der Kunde dann auch tatsächlich in dem frisch gemachten Bett schläft. Der Kunde bucht eine Reise mit „excellentem Service“, so dass die Nichtberechnung des Serviceentgelts im Einzelfall wegen Beanstandungen eine Art pauschalierte Minderung darstellt und nicht nur die Abstandnahme von der Zahlung eines freiwilligen Trinkgeldes.

51. Auch die Ausführungen in den Informationen (K 29 und B 11) zum Trinkgeld weist darauf hin, dass es sich bei dem „Serviceentgelt“ und dem „Trinkgeld“ sowie dem „Serviceentgelt für Bardienstleistungen“ um unterschiedliche Zahlungen handelt. Ein Kunde muss ein Trinkgeld nicht bezahlen, auch wenn er mit der Leistung vollumfänglich zufrieden ist. Das Serviceentgelt muss er dagegen bei Zufriedenheit entrichten. Oder plakativ ausgedrückt: Ein geiziger Kunde kann trotz Zufriedenheit die Zahlung eines Trinkgeldes unterlassen, nicht jedoch die Zahlung des Serviceentgelts.

52. Ob dieses Serviceentgelt dann an den Veranstalter bzw. die Reederei abgeführt wird oder unmittelbar an das Bordpersonal, spielt keine Rolle im Rahmen des § 1 PreisangabenVO, da in jedem Endpreis für eine solche Kreuzfahrt weiterzureichende Preisbestandteile wie z. B. Hafengebühren oder ähnliches enthalten sind. Auch solche Preisbestandteile sind zwingend in den Endpreis hineinzurechnen (Köhler/Bornkamm. UWG, 31. Aufl., § 1 PreisangabenVO Rn. 18 und 19).

53. Die beanstandete Angabe des Serviceentgelts ist auch nicht ausnahmsweise zulässig gem. § 1 Abs. 3 PreisangabenVO, da der Umfang des zu erbringenden Serviceentgelts bei Vertragsschluss bereits feststeht, nämlich 7,00 EUR multipliziert mit der Zahl der Nächte, hier 49,00 EUR. Reduzierungen durch Beanstandungen lassen lediglich nachträglich einen Teil des Reisepreises entfallen, da der beanstandungsfrei erbrachte excellente Service Vertragsinhalt und damit selbstverständlich ist (Kammergericht Berlin Beschluss vom 12. Februar 2013, 5 W 11/13).

4.

54. Abmahnkosten 166,00 EUR

55. Die Abmahnkosten sind gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet, die Höhe wurde nicht beanstandet.

5.

56. Kosten: § 91 ZPO.

57. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.

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