Unzulässige Stornopauschalen

LG Hamburg: Unzulässige Stornopauschalen

Ein Wettbewerbsverband verlangt das Unterlassen eines Online-Reiseveranstalters, weil sie eine Stornopauschale für unzulässig hält.

Das Landgericht Hamburg stimmt dem Unterlassungsbegehren zu und entschied, das die Beklagte keinen ausreichenden Nachweis eines pauschalen durchschnittsschaden bei Stornierung vorweisen kann, der die Höhe der Stornierungspauschale rechtfertigen würde.

LG Hamburg 312 O 330/12 (Aktenzeichen)
LG Hamburg: LG Hamburg, Urt. vom 23.04.2013
Rechtsweg: LG Hamburg, Urt. v. 23.04.2013, Az: 312 O 330/12
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Landgericht Hamburg

1. Urteil vom 23.04.2013

Aktenzeichen: 312 O 330/12

Leitsatz:

2. Stornopauschalen, wie „40 % des Reisepreises bei Reiserücktritt bis zum 30. Tag vor dem Reisebeginn“ und „100 % des Reisepreises bei Reiserücktritt ab dem 2. Tag vor dem Reisebeginn“ sind unzulässig.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall verwendet ein Online-Reiseveranstalter folgende Stornopauschalen: 40 % des Reisepreises bei Reiserücktritt bis zum 30. Tag vor dem Reisebeginn und 100 % des Reisepreises bei Reiserücktritt ab dem 2. Tag vor dem Reisebeginn.

Die Klägerin, ein Wettbewerbsverband, hält diese Pauschalen für unzulässig und begehrt gerichtlich deren Unterlassen.

Das Landgericht Hamburg hat diese Pauschalen für unzulässig erklärt und entschied, dass zwar § 651 i Absatz 3 BGB dem Reiseveranstalter das Erheben solcher Pauschalen erlaubt, jedoch müssen auf diese auch Beträge angerechnet werden, welche durch den anderweitigen Gebrauch der Reise durch den Reiseveranstalter entstanden sind.

Tenor:

4. I. Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen bei der Beklagten an ihren Geschäftsführern, verurteilt, es zu unterlassen, in den allgemeinen Geschäftsbedingungen-T. die Klauseln

„Sofern von der pauschalen Entschädigung Gebrauch gemacht wird, geht T. nach folgenden Entschädigungsstaffeln bei Pauschalreisen oder einzelnen Bausteinen einer Pauschalreise vor – bei Stornierungen: Bis zum 30. Tag vor Reiseantritt 40%“

oder

„Sofern von der pauschalen Entschädigung Gebrauch gemacht wird, geht T. nach folgenden Entschädigungsstaffeln bei Pauschalreisen oder einzelnen Bausteinen einer Pauschalreise vor – bei Stornierungen: ab 2. Tag vor Anreise oder bei Nichterscheinen 100% des Reisepreises“

zu verwenden.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 219,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 19.06.2012 zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

V. Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 50.000,00 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Der Kläger ist ein Wettbewerbsverband.

6. Die Beklagte ist ein Online-Reiseveranstalter. Sie wurde Anfang des Jahres 2011 gegründet und beschäftigt rund 10 Mitarbeiter an ihrem Firmensitz. Sie arbeitet überwiegend mit dem sog. „dynamic packaging“, bei dem einzelne Reiseleistungen vom Interessenten individuell in Echtzeit zu einer Gesamtreise verbunden werden können. Die so gebündelten Einzelleistungen stellen das Abbild von in dem jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren einzelnen Leistungen für einen konkreten Moment dar. Das konkrete Leistungsbündel lässt sich, wenn sich ein Kunde anders entscheidet, nicht mehr wiederherstellen, wenn beispielsweise eine der Teilleistungen aufgrund eines Zugriffs eines anderen Kunden anderweitig gebunden ist oder sich das Tarifmodell der Leistungsträger wegen Zeitablaufs überholt hat. Die Beklagte schließt für das „dynamic packaging“ Rahmen- oder Agenturverträge mit externen Dienstleistern zur Vermittlung der Reiseleistungen ab.

7. Die Beklagte musste seit Mitte 2011 und im ersten Halbjahr 2012 knapp 400 Stornofälle bearbeiten.

8. Sie verwendet die in der Anlage K 1 ersichtlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen unter Ziffer 6.2 Entschädigungspauschalen im Falle von Stornierungen geregelt sind.

9. Der Kläger ist der Auffassung, die Stornierungspauschalen der Beklagten verstießen gegen § 309 Nr. 5a) BGB, da diese gravierend von üblichen Entschädigungen abwichen. Er mahnte daher die Beklagte mit Schreiben vom 03.05.2012 ab und forderte diese auf, auf die weitere Verwendung der Klauseln zu verzichten. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 18.05.2012 auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben (Anlage K 3). Auch hierauf erfolgte keine Reaktion.

10. Der Kläger macht nunmehr Unterlassungsansprüche klageweise geltend. Die Klage ist der Beklagten am 18.06.2012 zugestellt worden.

11. Der Kläger trägt vor:

12. Ihm stünden Unterlassungsansprüche aus § 1,3 UKlaG zu. Die Klauseln verstießen gegen § 309 Nr. 5 a) BGB sowie gegen § 307 BGB in Verbindung mit § 651 i BGB. Sie seien auch nach § 651 m BGB nichtig. Eine Stornopauschale von 40% in der Eingangsstufe sei überhöht und unwirksam. Gerade in dem Segment, in dem die Beklagte tätig sei, sei es unproblematisch möglich, die stornierte Reise 30 Tage vor Reiseantritt anderweitig zu vermitteln. Auch eine Pauschale im Umfang eines vollständigen Reisepreises entspreche nicht dem gewöhnlichen Schadensverlauf, da ein Veranstalter immer ersparte Aufwendungen habe. Durch die Klausel erhalte der Veranstalter abweichend zu der gesetzlichen Regelung des § 651 i BGB den vollen Vergütungsanspruch für die Reise. Die Klausel sei mit dem wesentlichen Grundgedanken der Regelung des § 651 i BGB nicht zu vereinbaren, da die Regelung verlange, dass ersparte Aufwendungen auf Schadensersatzforderungen angerechnet würden.

13. Der Kläger beantragt,

14. I. Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen bei der Beklagten an ihren Geschäftsführern, verurteilt, es zu unterlassen, in den allgemeinen Geschäftsbedingungen-T. die Klauseln

15. „Sofern von der pauschalen Entschädigung Gebrauch gemacht wird, geht T. nach folgenden Entschädigungsstaffeln bei Pauschalreisen oder einzelnen Bausteinen einer Pauschalreise vor – bei Stornierungen: Bis zum 30. Tag vor Reiseantritt 40%“

16. oder

17. „Sofern von der pauschalen Entschädigung Gebrauch gemacht wird, geht T. nach folgenden Entschädigungsstaffeln bei Pauschalreisen oder einzelnen Bausteinen einer Pauschalreise vor – bei Stornierungen: ab 2. Tag vor Anreise oder bei Nichterscheinen 100% des Reisepreises“

18. zu verwenden.

19. II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 219,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 23.05.2012 zu zahlen.

20. Die Beklagte beantragt,

21.  die Klage abzuweisen.

22.  Die Beklagte trägt vor:

23. Die Dienstleister hätten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. in ihren üblichen Agenturverträgen Rahmenbedingungen vorgegeben, in denen teilweise erhebliche Stornogebühren erhoben würden. Zum Teil würden im Falle der Stornierung Leistungsentgelte durch die Dienstleister an die Beklagte überhaupt nicht erstattet. Teilweise könnten allein die Leistungsträger nach einer Stornierung selbst und nicht die Beklagte über die Verwendung der Teilleistung disponieren. Die Beklagte verweist auf Geschäftsbedingungen mehrerer Dienstleister und Flugprovider (Anlage B 1 – 6).

24. Sie müsse pro Stornofall durchschnittlich 60-90 Minuten an Zeit aufwenden. Es müsse manuell per Telefon, E-Mail oder Fax mit dem Dienstleister Kontakt aufgenommen werden, um Flug, Transfer, Hotel etc. zu stornieren. Hierfür müssten auch Empfangsbestätigungen eingeholt bzw. daran erinnert werden. Auch das Buchungssystem müsse aktualisiert werden. Für einen kleinen Reiseveranstalter entstehe hierdurch ein erheblicher Zeit- und Kostenaufwand pro Stornofall.

25.  Sie berücksichtige bei der Kalkulation der realen Stornokosten die durch die Stornierung ersparten Aufwendungen. Hierunter fielen Steuern, Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben. Die Beklagte legt die Anlagen B 8 und B 10 als exemplarische Übersichten von aktuellen Stornofällen vor. Aus der Anlage B 10 ergebe sich, dass der Schaden der Beklagten bei Stornierungen bei 30 Tagen oder mehr vor der Abreise bei mindestens 40% des ursprünglichen Reisepreises liege. Der Schaden setze sich aus dem Flugpreis (abzüglich Erstattungen für Steuern und Kerosinszuschläge), Hotelkosten, Transferkosten, Handling-Fees, Provisionen, Kreditkartengebühren und Bearbeitungsgebühren zusammen, die zum Teil gar nicht oder nur zu einem Bruchteil von den jeweiligen Anbietern erstattet würden.

26. Grundsätzlich bemühe sich die Beklagte um die Neuvermittlung der Reiseleistungen. Hierfür übernehme sie die stornierten Reiseleistungen in ihren Angebotsstand. Sie habe es jedoch anders als große Reiseveranstalter nicht in der Hand, bei den Anbietern besonders berücksichtigt zu werden oder durch ihre Stellung am Markt Druck auszuüben. Sie sei an die vertraglichen Vorgaben der Anbieter gebunden, die ebenfalls Stornostaffeln enthielten. Regelmäßig sei es ihr nicht möglich, die stornierte Reise kurzfristig anderweitig zu vermitteln, ohne nicht zumindest teilweise auf den Kosten sitzen zu bleiben, die die Anbieter verlangten.

27. Verweigerten große Airlines- und Hotelanbieter der Beklagten den Vertragsabschluss zu geänderten Konditionen, bleibe die Beklagte auf den Kosten sitzen. Zudem zahlten einige Kunden bei stornierten Reisen nicht, sodass ein Ausfallrisiko bestehe.

28.  Auch Mitbewerber im Bereich des dynamic packaging würden Stornosätze in derselben Größenordnung verlangen, so dass es sich um marktübliche Sätze handle.

29.  Aus der Anlage B 30 ergebe sich, dass bei Stornierungen von 30 Tagen und mehr vor Reisebeginn im Jahre 2012 Kosten im Verhältnis zum Originalpreis in Höhe von 38,5 Prozent entstanden seien. Entsprechende Zahlen auch im Jahr davor entstanden. Der geringfügige Unterschied von ca. 1,5 % falle nicht ins Gewicht, wenn es um die Beurteilung gehe, ob eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher vorliege.

30.  Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

31.  Die Klage ist zulässig und begründet.

32.  I. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 3 UKlaG zu, da die streitgegenständlichen Stornierungsklauseln aufgrund eines Verstoßes gegen §§ 309 Nr. 5 a) BGB, 651 i BGB unwirksam sind.

33.  In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach § 309 Nr. 5 a) BGB eine Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unzulässig, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt.

34.  Nach § 651i Abs. 2 BGB kann der Reiseveranstalter im Falle eines Rücktritts vom Reisenden eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach dem Reisepreis unter Abzug des Wertes der vom Reiseveranstalter ersparten Aufwendungen sowie dessen, was er durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen erwerben kann. Nach § 651 i Abs. 3 BGB kann im Vertrag für jede Reiseart unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbs ein Vomhundertsatz des Reisepreises als Entschädigung festgesetzt werden.

35.  Nach Auffassung der Kammer hat die insoweit beweisbelastete Beklagte nicht nachweisen können, dass ihr ein typischer zu erwartender Durchschnittsschaden im Falle einer Stornierung in Höhe von 40% des Reispreises bei Stornierung bis zum 30. Tag vor Reiseantritt bzw. in Höhe von 100% des Reisepreises bei Stornierung ab dem 2. Tag vor Anreise oder bei Nichterscheinen entsteht.

36.  Die Beklagte hat in dem in der Anlage B 12 ersichtlichen Rechenwerk ihre Schadensminderungspflicht nicht berücksichtigt. Weder ersparte Aufwendungen noch der durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich mögliche Erwerb werden hierbei einbezogen. Ein grundsätzlicher Verzicht auf das Bemühen um einen anderweitigen Erwerb ist bei der Berechnung einer Entschädigungspauschale im Sinne des § 651i BGB jedoch mindernd zu berücksichtigen (vgl. OLG Dresden, NJW-RR2012, 1134, 1136).

37.  Insbesondere ist es nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei ihrer Kostenberechnung die Möglichkeit, die sich aus § 651b BGB ergibt, beachtet hat. Nach dieser Regelung kann ein Reisender bis zum Reisebeginn verlangen, dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintritt. Es besteht daher für die Beklagte grundsätzlich die Möglichkeit im Falle einer Stornierung die Reise anderweitig anzubieten. Auch die Umbuchung von Einzelreiseleistungen ist – wie sich aus den Anlagen B 1 bis B 6 ergibt – zumindest grundsätzlich möglich. Die Beklagte trägt selbst vor, sich grundsätzlich um die Neuvermittlung der Reiseleistungen zu bemühen und die stornierte Reiseleistung erneut in ihren Angebotsstand zu übernehmen. Auch wenn sie – nach ihrem Vortrag – bei einer anderweitigen Vermittlung regelmäßig teilweise „auf den Kosten sitzen“ bleibt, ist bereits unter Berücksichtigung allgemeiner Lebenswahrscheinlichkeiten davon auszugehen, dass sie zumindest in einer relevanten Anzahl anderweitig vermittelter Reisen berücksichtigungswerte Einnahmen erzielen könnte. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der Beklagten um ein kleines „Startup“-Unternehmen – insoweit vom Kläger bestritten – handeln sollte. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte, die beispielsweise eine Reise 40 Tage vor Abreise vermittelt, diese Reise nicht – ggfs. erheblich reduziert – 20 Tage vor Abflug nicht mehr anderweitig vermitteln könnte. Dass es sich um individuell zusammengestellte Reisen handelt, steht einer anderweitigen Vermittlung nach Auffassung der Kammer zumindest nicht grundsätzlich entgegen.

38.  Das Oberlandesgericht Dresden hat in einem parallel gelagerten Verfahren (die dort beklagte Reiseveranstalterin bietet ebenfalls Reiseleistungen im Rahmen des sog. „dynamic packaging“ an) in seinem Urteil vom 21.06.2012 (OLG Dresden, NJW-RR 2012, 1134, 1136 f.) ausgeführt:

39.  „Dies bedeutet: Die Bekl. könnte bei Anfragen von Reisewilligen auf ihrer Suchmaske dann, wenn ein bei der Bekl. stornierter Flug den Wünschen eines Reisewilligen im Hinblick auf Anflugsort, Ankunftsort und Flugzeit entspricht, den stornierten Flug – unter Berücksichtigung des genannten Differenzbetrags und der genannten Umbuchungspauschale – anbieten, was jedenfalls dann zu einem Schaden von weniger als 100% des ursprünglichen Flugpreises führt, wenn der aktuelle Flugpreis der Airline nicht mehr als das Doppelte des ursprünglichen Preises abzüglich der oben genannten Pauschale beträgt. Zwar ist einzuräumen, dass ein derartiges Vorgehen in die technischen Abläufe der Bekl. eingeflochten werden müsste. Auch ist die Bekl. gesetzlich nicht verpflichtet, ihre Technik umzustellen. Wenn sie aber auf ein derartiges Vorgehen verzichtet, muss sie sich dies im Rahmen der Berechnung des gewöhnlich möglichen Erwerbs nach § 651 i BGB BGB als Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht Vorhalten lassen. Die Bekl. hat auch nicht substanziiert dargelegt, dass ihr die finanziellen Folgen einer Programmänderung unzumutbar und deren Kosten auch im Verhältnis zu ihrer Schadensminderungspflicht nicht vertretbar wären.“

40.  Der Senat führt weiter aus:

41.  „Legt man all dies zu Grunde, sind 40% Stornogebühren bei Stornierung bis 30 Tage vor Flugantritt auch bei Reisen, in denen die Anreise mit dem Flugzeug erfolgt, auf Grund des zutreffenden Rechenwerkes des LG deutlich überhöht, da gewöhnlich Aufwendungen in dieser Höhe nicht entstehen würden, wenn die Bekl. ihre Schadensminderungspflichten in gebotenem Umfang beachten würde (vgl. auch LG Köln, WRP 2011, 516 = RRa 2011, 150 = BeckRS 2011, 04145). Schließlich hat das LG auch zutreffend darauf abgestellt, dass das Rechenwerk der Bekl. nicht berücksichtigt, dass dann, wenn die Flugreisen auch bei den Luftfahrtunternehmen storniert werden, zwar- insofern von der Kl. bestritten- teilweise der vollständige Flugpreis verfällt, nicht aber- insofern unstreitig- die Steuern, Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben. Das Rechenwerk der Bekl. lässt nicht erkennen, dass sie in ihren Berechnungen diese Beträge – auch nur durchschnittlich herausgerechnet hat; sie stellt nur darauf ab, dass dies manuellen Aufwand mit sich brächte.“

42. Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen für das hiesige Verfahren an. Auch hier ergibt sich aus der Anlage B 12 nicht – zumindest nicht ersichtlich dass die Beklagte Steuern, Gebühren, Beiträge oder Sonderabgaben, die bei der Stornierung einer Flugreise nicht zu zahlen sind, als ersparte Aufwendungen aus den Kosten herausgerechnet hat.

43.  Eine andere rechtliche Bewertung ergibt sich auch nicht aufgrund der vorgelegten Anlagen B 8 und B 10. Zum einen wird in diesen Übersichten ebenfalls der mögliche anderweitige Erwerb nicht berücksichtigt. Zum anderen sind dort abgebildeten Kostenübersichten, die lediglich 7 bzw. 8 stornierte Reisen als Beispiele beinhalten, nicht ausreichend repräsentativ, um hierdurch die durchschnittlichen Kosten zu berechnen.

44.  Auch die Anlagen B 1 – B 6 sind nicht geeignet, um die typischen Kosten der Beklagten nachzuweisen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass unklar bleibt, welcher Anteil der von der Beklagten vermittelten Reiseleistungen von den Unternehmen erbracht werden, deren Geschäftsbedingungen die Beklagte vorgelegt hat. Eine Schadensberechnung ist anhand der Anlagen B 1 – B 6 daher nicht möglich.

45.  Unerheblich ist es, ob Mitbewerber der Beklagten im Bereich des dynamic packaging Stornosätze in derselben Größenordnung verlangen und ob es sich deshalb um marktübliche Sätze handelt. Maßgeblich ist es lediglich, ob die Beklagte einen entsprechenden durchschnittlichen, typischen Schadensumfang nachweisen kann. Dies ist ihr – wie bereits ausgeführt – nicht gelungen.

46.  II. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkostenpauschale in Höhe von € 219,35 ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in Verbindung mit § 5 UKlaG. Allerdings ist nicht ersichtlich, woraus sich ein Anspruch auf Zinszahlung seit dem 23.05.2012 ergeben soll. Die einseitige Fristsetzung in der Abmahnung vom 03.05.2012 war jedenfalls nicht geeignet, die Beklagte in Schuldnerverzug gemäß § 286 BGB zu setzen. Zinsen waren daher erst ab Rechtshängigkeit zuzusprechen, § 291 BGB.

47.  III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der unbegründete Teil des Zahlungsantrags betraf lediglich den Zinsbeginn. Hierdurch wurden keine höheren Kosten verlasst. Die Zuvielforderung war verhältnismäßig geringfügig.

48.  IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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