Sturz im angeblich unbeleuchteten Bereich eines Flusskreuzfahrtschiffes

AG Rostock: Sturz im angeblich unbeleuchteten Bereich eines Flusskreuzfahrtschiffes

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Flusskreuzfahrt unternommen. Bei einem Abendspaziergang an Bord stürzte sie und zog sich Verletzungen zu. Hierfür fordert sie Schmerzensgeld, da die Stelle nicht ausreichend beleuchtet gewesen sei.

Das Gericht wies die Klage ab. Zwar sei es ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters, nicht für ausreichende Beleuchtung zu sorgen. Wenn die Klägerin aber wahrnimmt, dass eine Stelle nicht ausreichend beleuchtet ist, und trotzdem dort spazieren geht, so trägt sie das alleinige Risiko. Daher bestehe kein Ersatzanspruch.

AG Rostock 47 C 58/14 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 09.07.2014
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 09.07.2014, Az: 47 C 58/14
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Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 09. Juli 2014

Aktenzeichen 47 C 58/14

Leitsatz:

2. Wer in einer nicht ausreichend beleuchteten Umgebung spazieren geht, haftet alleine für das Verletzungsrisiko, auch wenn die Beleuchtung einem Dritten obliegt.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten mit ihrem Ehemann eine Flusskreuzfahrt unternommen. Während das Schiff im Hafen von Kehl am Rhein festmachte, unternahm sie mit ihrem Ehemann einen Abendspaziergang an Bord des Schiffes. Beim Herabsteigen auf einer Treppe stürzte sie und zog sich mehrere Verletzungen zu, die u.a. ärztliche Behandlung und Krankengymnastik erforderten. Sie behauptet, an der Stelle sei es „stockfinster“ gewesen. Daher fordert sie Schmerzensgeld.

Das Gericht wies die Klage ab. Zwar sei es ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters, nicht für ausreichende Beleuchtung zu sorgen. Wenn die Klägerin aber wahrnimmt, dass eine Stelle, insbesondere eine Treppe, nicht ausreichend beleuchtet ist, und trotzdem dort spazieren geht, so trägt sie das alleinige Verletzungsrisiko, das daraus resultiert. Es sei zwar zu bezweifeln, dass die Treppe tatsächlich gänzlich unbeleuchtet gewesen ist, da sich das Schiff in einem beleuchteten Hafen befand und auf Fotos der Treppe Lampen erkennbar seien. Die Klägerin sei aber in ihrem Sachvortrag beständig gewesen und eine weitere Zeugenbefragung wäre eine unzulässige Ausforschung. Daher bestehe kein Ersatzanspruch.

Tatbestand

1.

4. Die Klage wird abgewiesen.

2.

5. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

7. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

8. Die Klägerin fordert Schmerzensgeld nach einem Sturz auf einem Flusskreuzfahrtschiff.

9. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten bei der Beklagten eine Flussschiffreise vom 21. – 25.11.2012 gebucht. Am 23.11.2012 lag das Schiff in Kehl am Rhein fest. Gegen 20.15 spazierte die Klägerin mit ihrem Ehemann auf dem Schiff umher und wollte dabei vom Sonnen- zum Liegedeck gehen. Beide Decks sind durch zwei abwärts führende Stufen voneinander getrennt. Zur Darstellung dieser Stufen wird auf die von der Beklagten eingereichten Fotos (Anlagenkonvolut B 1, Bl. 33 ff. d.A.) Bezug genommen. Das auf den Fotos zu sehende Hinweisschild befand sich dort zum vorgenannten Zeitpunkt nicht.

10. Die Klägerin stolperte an den vorgenannten Stufen und kam zu Fall. Hierbei zog sie sich u.a. einen partielle Außenbandruptur des linken Sprunggelenkes nebst Supinationstrauma, eine knöcherne Absprengung der ventralen rechten Patella, eine Kniegelenkkontusion rechts und eine Ellenbogenkontusion zu. Die Klägerin musste sechs Wochen eine Aircast-Schiene tragen, Medikamente einnehmen und an krankengymnastischen Behandlungen sowie Massagen teilnehmen. Mit der Klage fordert sie Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 €.

11. Die Klägerin behauptet, an der Unfallstelle sei es „stockdunkel“ bzw. „stockfinster“ gewesen. Eine Beleuchtung sei nicht vorhanden gewesen. Die Treppenstufen seien auch bei Tageslicht nicht zu erkennen.

12. Letztlich erklärt die Klägerin, für die erlittenen Verletzungen sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € angemessen.

13. Die Klägerin beantragt,

14. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, das mindestens 1.000,00 € betragen sollte, nebst Verzugszinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2013 zu zahlen;

15. die Beklagten weiter zu verurteilen, an die Klägerin die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 € nebst Verzugszinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2013 zu zahlen.

16. Die Beklagte beantragt

17. die Klage abzuweisen.

18. Sie behauptet, die Decks seien in den Abend- und Nachtstunden beleuchtet. Zudem hätte es von den Hafenanlagen entsprechendes Umgebungslicht gegeben.

Entscheidungsgründe

19. Die zulässige Klage ist unbegründet.

20. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aufgrund des Unfall vom 23.11.2012 auf dem Deck des Flusskreuzfahrtschiffes der Beklagten.

21. Zwar würde eine fehlende oder unzureichende Beleuchtung des Schiffsdecks eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht darstellen. Das Verhalten der Klägerin – die Richtigkeit ihres Sachvortrages unterstellt – würde jedoch ein so überwiegendes Verschulden bei der Ursächlichkeit des Sturzes darstellen, dass in Abwägung der Verursachungsgründe die Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten unberücksichtigt zu bleiben hätte.

22. Zweifellos hat die Beklagte für ein ordnungsgemäße Beleuchtung der für den Zugang ihrer Passagiere eröffneten Decksbereiche zu sorgen. Eine – wie von der Klägerin behauptet – fehlende Beleuchtung dieser Decksbereiche würde eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellen.

23. Für die Prüfung eines Schmerzensgeldanspruchs der Klägerin ist jedoch deren Sachvortrag zugrunde zu legen. Danach sei es an der Unfallstelle stockdunkel bzw. stockfinster gewesen.

24. Die Bedeutung dieser Wörter ist eindeutig. Danach sei es nach dem Vortrag der Klägerin völlig dunkel, finster, lichtlos bzw. ohne Licht gewesen. Der Zusatz „stock-“ wird im Zusammenhang mit dem Adjektiv dunkel nach der Eintragung im Duden als umgangssprachliche emotionale Verstärkung verwandt. Insofern logisch wäre der weitere Sachvortrag der Klägerin, dass es keinerlei Beleuchtung gegeben habe.

25. Ausgehend von der vorstehenden Beschreibung der Unfallstelle durch die Klägerin muss zwingend festgestellt werden, dass diese sich „sehenden Auges“ in eine für sie deutlich erkennbare Gefahr, begab. Die Gefahr bestand darin, dass die Klägerin nichts (!) habe sehen können. Die Klägerin konnte also nicht sehen, wohin sie tritt bzw. wie der Untergrund, auf dem sie spazieren ging, beschaffen war. Ihr Sachvortrag lässt nur den Schluss darauf zu, dass sich die Klägerin „quasi wie blind“ auf dem Schiff bewegte.

26. Wer wie die Klägerin sich in einem ihm mehr oder wenigen unbekannten Bereich bewegt, ohne dass er etwas erkennen kann, haftet für die daraus entstehenden Unfallfolgen allein deshalb, weil er sich bewusst dieser Gefahr aussetzte.

27. Das Gericht übersieht nicht, dass der Sachvortrag der Klägerin wahrscheinlich durch eine übertreibende Beschreibung der Unfallstelle gekennzeichnet ist. Allein das Umgebungslicht im Hafen von Kehl am Rhein stände offensichtlich einer Bewertung der Situation als stockdunkel bzw. stockfinster entgegen. Eine Beweisaufnahme zu der tatsächlichen Beleuchtungssituation durch Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen würde vor dem Hintergrund des eindeutigen Sachvortrages der Klägerin jedoch auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufen. Unabhängig davon wurde die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass nach ihrem Vortrag (es sei stockdunkel gewesen) ihre alleinige Haftung festzustellen wäre. Auch diesen Hinweis nahm die Klägerin nicht zum Anlass, von ihrem Sachvortrag abzurücken. Ihre Einschränkung, lediglich an der Unfallstelle sei es stockdunkel bzw. stockfinster gewesen, ändert an der vorstehenden Bewertung nichts.

28. Vorsorglich ist abschließend darauf hinzuweisen, dass der Sachvortrag offensichtlich nicht nur eine Übertreibung sondern das Vorbringen falscher Tatsachen darstellt. Abgesehen von dem bereits erwähnten Umgebungslicht durch den Hafen von Kehl ist selbst auf einem der von der Klägerin vorgelegten Fotos (Bl. 47 d.A.) zu erkennen, dass sich an der Railing des Schiffes angeschaltete Lampen befanden. Diese Lampen sind deutlicher auf dem von der Beklagten eingereichten Foto (Bl. 36 d.A.) zu erkennen, wobei das Gericht in diesem Zusammenhang nicht übersieht, dass dieses Fotos während der Dämmerung aufgenommen wurde.

29. Abschließend sei vorsorglich auch angemerkt, dass die tatsächliche Gestaltung der Stufen vom Sonnen- zum Liegedeck nicht als Realisierung einer Unfallgefahr für die Passagiere des Schiffes zu bewerten ist. Insbesondere wird dem Vortrag der Klägerin nicht gefolgt, dass diese Stufen auch bei Tageslicht nicht erkennbar wären. Zwar ist der Übergang vom oberen Deck auf die als Podest gestaltete Stufe darunter nicht durch eine andersfarbige Kante gekennzeichnet. Die sogenannten zweite Stufe, welche als Podest ausgestaltet ist, ist demgegenüber jedoch deutlich sowohl durch einen anderen, braunen Belag als auch durch die Kennzeichnung mit einem umlaufenden gelben Streifen und einer silbernen Umrandung von der grünen Umgebungsfarbe abgehoben. Allein daraus wird deutlich, dass trotz der fehlenden hervorgehobenen Kante an der ersten Stufe erkennbar ist, dass dort eine Stufe vorhanden sein muss. Im Übrigen macht auch die übrige Gestaltung des Decks an dieser Stelle deutlich, dass an dieser Stelle eine kleine Treppe vorhanden sein muss. Am Übergang vom Sonnen- zum Liegedeck befinden sich Sitzflächen bzw. Sicht- oder Windschutzvorrichtungen. Zwischen diesen besteht ein Durchgang über die streitgegenständlichen Stufen zum tiefer liegenden anderen Deck.

30. Mangels berechtigter Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Nebenforderungen.

31. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

32. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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