Sexuelle Belästigung weiblicher Reisenden als Reisemangel

AG Bad Homburg: Sexuelle Belästigung weiblicher Reisenden als Reisemangel

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Reise gebucht. Am Urlaubsort angekommen, wurde die Klägerin vom arabischen Reiseleiter der Beklagten sexuell belästigt. Dafür verlangte sie einen Geldausgleich in Form einer Reisepreisminderung von der Beklagten. Das Gericht hielt die Klage für unbegründet.

AG Bad Homburg 2 C 857/95 (Aktenzeichen)
AG Bad Homburg: AG Bad Homburg, Urt. vom 05.09.1995
Rechtsweg: AG Bad Homburg, Urt. v. 05.09.1995, Az: 2 C 857/95
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Amtsgericht Bad Homburg

1. Urteil vom 05. September 1995

Aktenzeichen 2 C 857/95

Leitsatz:

2. Urlaubsflirts seitens des Reiseleiters begründen keinen Reisemangel.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Reise gebucht. Am Urlaubsort angekommen wurde die Klägerin vom arabischen Reiseleiter der Beklagten sexuell belästigt. Die Klägerin sah sich in ihrer Ehre und ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte für die sexuellen Belästigungen einen Geldausgleich in Form einer Reisepreisminderung von der Beklagten.

Das Gericht hielt die Klage für unbegründet. Zwar können sexuelle Belästigungen grundsätzlich einen Reisemangel begründen. Dafür bedarf es aber eines fortdauernden, aufdringlichen Verhaltens. Das ist hier nicht gegeben. Der Reiseleiter hat in einer sozial-adäquaten Umgebung lediglich mit der Klägerin geflirtet. Das ist grundsätzlich hinzunehmen und begründet keinen Reisemangel.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht eingelegt werden kann, bedurfte es der Darstellung eines Tatbestandes nicht (§ 313a ZPO).

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist unbegründet.

7. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Minderung und Rückerstattung des Reisepreises in Höhe von DM 694,00 aus § 651 d BGB. Denn die von der Beklagten veranstaltete Reise war nicht mit Mängeln im Sinne von § 651 c BGB behaftet.

8. So stellt das von der Klägerin beanstandete Verhalten des Reiseleiters ihr gegenüber keinen Reisemangel dar.

9. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß sexuelle Belästigungen weiblicher Reisender durch von im Einflußbereich des Reiseveranstalters stehende Personen grundsätzlich einen Reisemangel begründen können (vgl. LG Frankfurt/M NJW 84, 1762). Hierfür ist jedoch ein fortdauerndes, aufdringliches Verhalten erforderlich, das in verbalen Belästigungen oder non-​verbalen Gesten wie etwa Anfassen zum Ausdruck kommen muß und das das nach außen zum Ausdruck gekommene Bedürfnis der Reisenden, in Ruhe gelassen zu werden, mißachtet (vgl. LG Frankfurt/M a.a.o.). Nicht ausreichend sind demgegenüber Verhaltensweisen, die in lockerer, ungezwungener Atmosphäre am Urlaubsort als sozial adäquat angesehen werden müssen, wie etwa Flirts oder Annäherungsversuche, soweit sie sich nicht über den unmißverständlich hervorgetretenen entgegenstehenden Willen der Reisenden hinwegsetzen.

10. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin kein Verhalten des Reiseleiters dargelegt, das die Voraussetzungen einer sexuellen Belästigung erfüllt. Die gegen Anfang der Trekkingreise erfolgte Reaktion des Reiseleiters auf die Mitteilung der Klägerin von ihrem geschwollenen Knöchel, „er wolle ihr die Füße küssen“, stellt zwar eine sicherlich unpassende, aber objektiv harmlose Bemerkung dar, die ersichtlich nicht ernst gemeint war. Auf die angemessene Erwiderung der Klägerin hierauf hat der Reiseleiter auch offensichtlich nichts unternommen, um seine Worte in die Tat umzusetzen.

11. Die von der Klägerin bei ihrer informatorischen Anhörung geschilderte Situation, wonach der Reiseleiter sich ständig in ihrer Nähe aufgehalten und „dummes Zeug“ erzählt habe, wodurch sie sich bedrängt gefühlt habe, reicht zur Darlegung eines Reisemangels ebenfalls nicht aus.

12. Wenn der Reiseleiter ständig ihre Nähe suchte und gegenüber den Mitreisenden äußerte, daß er eine passende Frau suche, mußte die Klägerin dies zwar zwangsläufig als Annäherungsversuch verstehen. Dieser non-​verbale Versuch des Anbändelns hielt sich jedoch im Rahmen dessen, was einer ohne männliche Begleitung reisenden jungen Frau am Urlaubsort grundsätzlich widerfahren kann. Die Klägerin mochte diese durchaus als störend empfunden haben. Es lag jedoch an ihr, dem Verhalten des Reiseleiters ein Ende zu setzen. Bei allem Verständnis für ihre im Termin geäußerte Abneigung, eindeutige Avancen eines Mannes durch deutliche, unmißverständliche Äußerungen zurückzuweisen, muß sich die Klägerin gleichwohl vorhalten lassen, daß sie durch ihr passiv-​distanziertes Verhalten dem Reiseleiter gegenüber kein ausreichendes Signal gesetzt hat, er solle mit seinen Annäherungsversuchen aufhören, welches dieser hätte erkennen können. Hierbei hätte die Klägerin auch berücksichtigen müssen, daß sie es mit einem in einem orientalischen Land aufgewachsenen jungen Araber zu tun hatte, der eine distanzierte Haltung als Reaktion auf seine Annäherungsversuche möglicherweise mißverstand und eventuell sogar als Einladung zum Weitermachen fehl deutete.

13. Daß der Reiseleiter auf eindeutige Erklärungen der Klägerin mit einer Abwendung reagiert hätte, zeigt der weitere Verlauf der Reise.

14. Nachdem die Klägerin nach dem Vorfall anläßlich des Eselsritts schließlich ihre Zurückhaltung aufgab und dem Reiseleiter sagte, daß er das Bespritzen mit Wasser unterlassen solle und sie nichts von ihm wissen wolle, hat der Reiseleiter offensichtlich sein Verhalten geändert, wovon die Klägerin nach ihrem Vortrag auf Seite 4 der Klageschrift offenbar selbst ausgeht.

15. Der auf Seite 4 der Klageschrift geschilderte Vorfall begründet schließlich ebenfalls keinen Reisemangel.

16. Wie die Klägerin selbst eingeräumt hat, hatten sich die Reisenden im Rahmen der Trekkingtour selbst um die Versorgung mit Getränken zu kümmern. Wenn die Klägerin und die Mitreisende Zeugin … es unterlassen hatten, bei der letzten Einkaufsmöglichkeit vor dem Zielort Tiznit sich mit ausreichenden Trinkwasservorräten einzudecken, haben sie dieses Versäumnis selbst zu vertreten.

17. Das von der Klägerin beanstandete Bestehen des Reiseleiters auf die Einlegung einer Ruhepause vor dem Erreichen des Zielortes ist in reiserechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Ein Anspruch der Klägerin und der Zeugin … im Hinblick auf ihre nicht vorhandenen Wasservorräte ohne Rast zum Zielort gebracht zu werden, bestand nicht, zumal auch die Fahrer der Fahrzeuge bei brütender Hitze nach allgemeiner Lebenserfahrung Erholungspausen nötig hatten.

18. Wenn durch den Streit über die Frage der Weiterfahrt und die sodann auftretenden Spannungen in der Reisegruppe die Urlaubsfreuden der Klägerin für die restliche Dauer der Trekkingtour beeinträchtigt waren, handelt es sich hierbei um ein Ergebnis, das in die Risikosphäre der Klägerin fällt und von dieser ersatzlos hinzunehmen ist.

19. Nach alledem war die Klage abzuweisen.

20. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. I ZPO.

21. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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