Fehldiagnose des Schiffsarztes

AG Rostock: Fehldiagnose des Schiffsarztes

Vorliegend verlangt der Kläger von der beklagten Reiseveranstalterin teilweise Kostenerstattung des gezahlten Reisepreises und Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreuden. Dieser buchte bei der Beklagten eine 14-tägige Kreuzfahrt mit Hin-und Rückflug. Während des Aufenthalts auf dem Schiff erkrankte der Kläger und musste sich dort in Behandlung begeben. Der behandelnde Arzt stellte fest, dass der dieser eine stationäre Behandlung an Land benötige. Er befolgte dem Rat des Arztes, konnte hierdurch jedoch nicht mehr auf das Schiff zurück.

Das Amtsgericht Rostock entschied, dass dem Kläger kein Anspruch auf Kostenerstattung und Schadensersatz zustehe, da der Schiffsarzt kein Erfüllungsgehilfe der Reiseveranstalterin sei und diese folglich nicht für etwaige Fehldiagnosen hafte.

AG Rostock 47 C 260/10 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 17.12.2010
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 17.12.2010, Az: 47 C 260/10
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 17. Dezember 2010

Aktenzeichen 47 C 260/10

Leitsatz:

2. Ein Schiffsarzt ist kein Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters aus dem Reisevertrag, sodass dieser nicht für etwaige Fehldiagnosen haftet.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger bei der beklagten Reiseveranstalterin eine 14-tägige Kreuzfahrt inklusive Hin- und Rückflug. Während des Aufenthalts erkrankte der Kläger an einer Venenentzündung/ Thrombose, weswegen er sich dort in ärztliche Behandlung begab. Der Arzt entschied, dass eine stationäre Behandlung an Land notwendig sei und der Kläger hierdurch nicht mehr reisfähig sei.

Sodann verließen der Kläger und seine Ehefrau das Schiff. Zu einer Wiedereinschiffung kam es nicht mehr, sodass der Kläger teilweise Rückzahlung des Reisepreises und Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreuden verlangt. Weiterhin verlangt er Auskunft über den Namen des behandelnden Arztes.

Das Amtsgericht Rostock spricht dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung und Schadensersatz zu. Entgegen der Auffassung des Klägers sei es unerheblich, ob es sich bei der Diagnose des Arztes um eine Fehldiagnose handele, da der Arzt kein Erfüllungsgehilfe der beklagten Reiseveranstalterin sei und sie damit nicht für die Fehler von diesem einstehen müsse. Jedoch sei dem Kläger Auskunft über den Namen des behandelnden Arztes zu geben.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern Auskunft über den vollständigen Namen und vollständige ladungsfähige Anschrift  des den Kläger auf der Reise vom 13.03.2010 bis 11.04.2010 auf der XXX behandelnden ca. 65 Jahre alten, großen, schlanken Schiffsarzt mit weißen Haaren, zu geben.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zusammen  4/5, die Beklagte trägt 1/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Kläger mindern den Reisepreis einer Kreuzfahrtreise und fordern weiterhin Schadensersatz sowie hilfsweise Auskunftserteilung aufgrund eines behaupteten Behandlungsfehlers.

6. Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Kreuzfahrtreise inklusive Hin- und Rückflug vom 13.03.2010 bis 11.04.2010 auf der XXX. Vorgesehen war zunächst eine 14-​tägige Karibikkreuzfahrt mit anschließender Überfahrt nach Palma de Mallorca. An Bord des Schiffes befanden sich zwei Ärzte. Während der Reise erkrankte der Kläger an einer Venenentzündung/ Thrombose und suchte deshalb erstmals am 23.03.2010 die Bordärzte auf. Am 25.03.2010 wurde aufgrund ärztlicher Entscheidung (strittig ist, ob von einem oder von beiden Ärzten) eine fehlende Reisefähigkeit festgestellt und festgelegt, dass eine stationäre Behandlung an Land notwendig sei. Das Schiff befand sich zu diesem Zeitpunkt im Hafen von St. Lucia. Der Kläger und seine Frau verließen das Schiff; der Kläger begab sich in das Krankenhaus von St. Lucia, wo er am 31.03.2010 entlassen wurde. Zuvor befand sich die XXX am 29.03.2010 erneut im Hafen von St. Lucia. Eine Stunde vor Auslaufen des Schiffes wurde der Kläger vom zuständigen Offizier des Schiffes kontaktiert. Eine Wiedereinschiffung war aus strittigen Gründen nicht möglich. Von St. Lucia aus traten die Kläger die Heimreise nach Deutschland an.

7. Mit der Klage fordern die Kläger die teilweise Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 2.608,66 € als den „auf den Rest der Reise nach verspäteter Information der Möglichkeit der Wiedereinschiffung in St. Lucia entfallende(n) Anteil“. Weiter fordern die Kläger Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreuden in Höhe von 1.400,00 € (50,00 € pro Person und Tag für 14 Tage) sowie Erstattung von – strittiger – Handykosten in Höhe von 396,84 €. Hilfsweise begehren die Kläger Auskunftserteilung über den Namen des älteren der behandelnden Schiffsärzte, der ihnen unbekannt ist.

8. Die Kläger behaupten, die Schiffsärzte seien bei der Beklagten angestellt gewesen. Der ältere, im Hilfsantrag genannte Arzt habe eine Fehldiagnose erstellt, indem er diagnostiziert habe, dass eine Vene platzen könne und der Kläger deshalb sofort in ein Krankenhaus müsse. Der jüngere der beiden Ärzte habe dagegen richtig diagnostiziert, dass die Vene lediglich entzündet gewesen sei.

9. Weiter behaupten die Kläger, bei rechtzeitiger Information über den Aufenthalt des Schiffes in St. Lucia am 29.03.2010 hätten diese die Reise fortsetzen können, weil der Kläger insoweit wieder hergestellt gewesen wäre. Lediglich durch die Kontaktierung erst eine Stunde vor Abfahrt sei eine Entlassung aus dem Krankenhaus sowie die Information der Klägerin, die gerade Einkäufe getätigt habe (unstrittig) nicht mehr möglich gewesen.

10. Letztlich behaupten die Kläger, für die Organisation des Rückfluges nach Deutschland seien dem Kläger Handykosten in Höhe von 396,84 € entstanden.

11. Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 4.405,50 € nebst einem Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2010 sowie 543,59 € nicht anrechenbare vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen.

Hilfsweise beantragen die Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, den Klägern Auskunft über vollständigen Namen und vollständige ladungsfähige Anschrift des den Kläger behandelnden ca. 65 Jahre alten, großen schlanken Schiffsarzt mit weißen Haaren, der seine letzte Schiffsreise als Schiffsarzt durchgeführt hat, zu benennen.

12. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13. Sie behauptet, die Entscheidung über die fehlende Reisefähigkeit des Klägers sowie der Notwendigkeit des sofortigen Aufsuchens eines Krankenhauses sei durch beide Ärzte getroffen worden.

14. Weiter meint die Beklagte, der Auskunftsanspruch bestehe nicht, weil die Kläger -unstrittig- an Bord die Gelegenheit gehabt hätten, die Namen der behandelnden Ärzte zur Kenntnis zu nehmen.

Entscheidungsgründe:

15. Die Klage ist zulässig.

16. Insbesondere ist der Hilfsantrag ausreichend bestimmt.

17. Zwar werden weder Schiff noch Reisezeitraum genannt. Diese Tatsachen sind jedoch unstreitig. Gleiches gilt für die Behandlung des Klägers durch einen jüngeren und einen älteren Arzt.

18. Der Antrag ist daher entsprechend der Tenorierung auslegbar.

19. Darauf, ob der ältere Arzt seine letzte Schiffsreise durchführte, kommt es nicht an, so dass diese Tatsache zur Vermeidung eines feststellenden Charakters im Tenor keine Berücksichtigung findet.

20. Die Klage ist hinsichtlich der Zahlungsforderungen unbegründet.

21. Die Kläger können von der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Minderungs- oder Schadensersatzanspruch geltend machen.

22. Soweit die Kläger ihre Ansprüche auf eine strittige Fehldiagnose des älteren der behandelnden Ärzte stützen kann es dahingestellt bleiben, ob eine solche Fehldiagnose tatsächlich erfolgte. Nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur ist der Schiffsarzt kein Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters aus dem Reisevertrag. Der Reiseveranstalter haftet daher für eine eventuelle Fehldiagnose nicht (MüKo/Tanner BGB 5.Auflage, § 651 e Anh. Rn. 96). Soweit die Kläger behaupten, die behandelnden Ärzte seien Angestellte der Beklagten gewesen ist dies  strittig. Zwar bestreitet die Beklagte diesen Vortrag nicht ausdrücklich. Sie nimmt jedoch Bezug auf die Entscheidung des Amtsgerichts Offenbach (a.a.O.) indem sie aus den Gründen zitiert. Hierin heißt es, dass ein Schiffsarzt zum einen schon deshalb kein Erfüllungsgehilfe des Reiseunternehmers sei, weil er kein Hilfspersonal des Reiseunternehmers wäre, sondern selbstständig tätig werde. Der Vortrag der Beklagten ist dahingehend zu bewerten, dass sie die Angestellteneigenschaft der Schiffsärzte bestreitet. Einen Nachweis dafür, dass die Ärzte angestellt waren, erbringen die Kläger nicht.

23. Ansprüche können die Kläger weiterhin nicht damit begründen, dass die Beklagte eine Nebenpflichtverletzung begangen habe. Die Voraussetzung einer Vertragsverletzung lassen sich aufgrund der Tatsache, dass der Kläger eine Stunde vor Auslauf des Schiffes aus dem Hafen in St. Lucia hierüber informiert wurde, nicht feststellen.

24. Eine Informationspflicht der Beklagten könnte unter Umständen allenfalls dann festzustellen sein, wenn die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass der Kläger wieder reisefähig war. Dies trägt selbst der Kläger nicht vor.

25. Weiterhin ist strittig, ob der Kläger bei rechtzeitiger, d.h. früherer Information über eine Wiedereinschiffungsmöglichkeit diese tatsächlich hätte wahrnehmen können. Die Beklagte bestreitet dies substanziiert unter Hinweis auf den tatsächlichen Entlassungszeitpunkt am 31.03.2010. Soweit der Kläger Beweis für seine „Wiederherstellung zur Fortsetzung der Reise“ durch Einholung eines Sachverständigengutachtens anbietet, würde dies auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufen. Der Kläger trägt keine Tatsachen vor, weshalb er am 29.03.2010 aus dem Krankenhaus hätte entlassen werden können, tatsächlich aber erst am 31.03.2010 entlassen wurde.

26. Aus den vorgenannten Gründen kann es dahingestellt bleiben und bedarf keiner weiteren Aufklärung, ob den Klägern aufgrund der vorgegebenen Reiseroute der erneute Aufenthalt des Schiffes im Hafen von St. Lucia bekannt war bzw. sein musste und diese sich naheliegenderweise selbst um die Wiedereinschiffung, das heißt insbesondere um die rechtzeitige Entlassung des Klägers aus dem Krankenhaus hätten kümmern müssen und können.

27. Die Klage ist jedoch begründet, soweit die Kläger hilfsweise von der Beklagten Auskunftserteilung hinsichtlich des Namen des einen behandelnden Schiffsarztes begehren.

28. Der Auskunftsanspruch rechtfertigt sich aus § 242 BGB.

29. Eine Auskunftspflicht besteht, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Die Auskunftspflicht setzt eine Sonderverbindung zwischen den Parteien voraus (Palandt/Grüneberg BGB 70. Auflage, § 260 Rn. 4 f.).

30. Die vorstehenden Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwischen den Parteien bestand ein Reisevertrag. Die Beklagte schuldete aufgrund des Reisevertrages die Gewährleistung der ärztlichen Behandlung der Kläger. Der Kläger wurde ärztlich behandelt und meint, gegen einen der behandelnden Ärzte einen Schadenersatzanspruch zu haben. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs ist die Kenntnis des Namens des behandelnden Arztes notwendig. Die fehlende Kenntnis vom Namen des behandelnden Arztes ist vorliegend entschuldbar. Die Kläger tragen hierzu plausibel vor, dass sie dessen Namen nicht kennen. Insbesondere ist unstrittig, dass keine schriftlichen Unterlagen vorhanden sind, auf denen der Name des behandelnden Arztes genannt wird. Deutlich wird dies durch den als Anlage B2 (Blatt 21 d.A.) vorgelegten Arztbrief vom 25.03.2010, auf dem sich kein Name des behandelnden Arztes findet, obwohl dies zu erwarten wäre.

31. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ärzte Namensschilder trugen bzw. ihre Namen an den Behandlungszimmern ausgegeben gewesen seien.  Dass sich die Kläger diese nicht merkten, ist ihnen nicht vorzuwerfen. Unerheblich ist, dass auf Arztrechnungen der Name des behandelnden Arztes genannt ist. Die Beklagte trägt nicht vor, dass der Kläger entsprechende Rechnungen erhielt.

32. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

33. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: AG Rostock: Fehldiagnose des Schiffsarztes

Verwandte Entscheidungen

LG Düsseldorf, Urt. v. 22.06.2006, Az: 11 O 353/05
AG Rostock, Urt. v. 02.12.2015, Az: 47 C 243/15

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Haftung Reiseveranstalter für Fehldiagnose des Schiffarztes
Passagierrechte.org: Haftet Reiseveranstalter für Fehldiagnose des Schiffarztes

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte.