Kieselsteine statt grober Sandstrand als Preisminderungsgrund

LG Essen: Kieselsteine statt grober Sandstrand als Preisminderungsgrund

Eine Reisende klagt gegen eine Reiseveranstalterin auf Preisminderung einer von ihr gebuchten Reise. Als Gründe hierfür gibt die Klägerin an, dass es sich bei dem am Urlaubsort vorgefundenen Ort um einen Kieselstrand gehandelt habe und nicht um einen „groben Sandstrand“, wie es Reiseprospekt versprochen worden war. Außerdem gab sie an, von Lärm von einer nahe dem Strand gelegenen Baustelle gestört worden zu sein.

Das Landgericht Essen bestätigt hier das vorangegangene Urteil des Essener Amtsgerichts. Eine Preisminderung aufgrund einer anderen Beschaffenheit der Badestrandes ist zwar bis zu einer Grenze von 10% des Reisepreises berechtigt. Allerdings müssen Mängel grundsätzlich rechtzeitig bei der Reiseveranstalterin gemeldet werden, um dieser eine Möglichtkeit zur Beseitigung der Mängel zu geben.

LG Essen 10 S 186/02 (Aktenzeichen)
LG Essen: LG Essen, Urt. vom 10.10.2002
Rechtsweg: LG Essen, Urt. v. 10.10.2002, Az: 10 S 186/02
AG Essen, Urt. v. 21.03.2002, Az: 21 C 548/01
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Landgericht Essen

1. Urteil vom 10. Oktober 2002

Aktenzeichen 10 S 186/02

Leitsatz:

2. Besteht der Badestrand aus Kieselsteinen statt – wie vor Antritt der Reise zugesichert – aus grobem Sandstrand, rechtfertigt dies eine Preisminderung nicht über 10% des Reisepreises hinaus, wenn die Mängel rechtzeitig angezeigt werden.

Zusammenfassung:

3. Wenn die Qualität des Badestrandes im Reiseprospekt mit „grober Sandstrand“ angegeben worden ist, dieser aber tatsächlich aber nur aus grobe Kieselsteine an Stelle von Sand besteht, rechtfertigt dies eine Minderung des Reisepreises bis zu 10 %.

Der Ausblick auf eine Baustelle, auf der nicht gearbeitet wird, stellt grundsätzlich noch keinen Reisemangel dar. Dem Reisenden, der eine Belästigung durch Baulärm behauptet, kommt deshalb eine besondere Substanziierungspflicht zu, damit die Behauptung nachvollzogen werden kann.

Folglich muss der Reisende hinreichend substanziiert darlegen, dass er die entsprechenden Mängel dem Reiseveranstalter rechtzeitig i.S.d. § 651d Abs. 2 BGB angezeigt hat.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 21. März 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Essen (Az.: 21 C 548/01) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Wegen des Tatbestands wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen, § 540 ZPO.

Entscheidungsgründe:

6. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen, weil die Klägerin die Beklagte nicht gem.

7. § 651 d BGB auf Minderung des Reisepreises in Höhe eines 455,– DM übersteigenden, von der Beklagten bereits vorprozessual gezahlten und einer Minderungsquote von 10 % entsprechenden Betrages in Anspruch nehmen kann.

8. Die Klägerin kann zunächst nicht damit gehört werden, die angefochtene Entscheidung sei verfahrensfehlerhaft ergangen, weil das Amtsgericht keine gem. § 278 IV ZPO vorgeschriebene Güteverhandlung durchgeführt hat. Denn die Neufassung des § 278 IV ZPO gilt – wie sich aus § 26 Ziffer 1 EG ZPO ergibt – nur für zeitlich nach dem 1.1.2002 eingegangene Verfahren (Zöller § 278 ZPO Rdn. 10).

9. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung wohl nicht mehr sämtliche mit der Klageschrift geltend gemachten Beeinträchtigungen, sondern nur noch diejenigen, welche das Amtsgericht als Mängel qualifiziert hat – Baulärm, nächtlicher Discothekenlärm, Kieselstrand – sowie die Beeinträchtigungen, die damit verbunden waren, dass am Strand mit Hilfe von Baggern Aufräumarbeiten durchgeführt worden sind.

10. Gem. § 651 d II BGB ist der Reisende verpflichtet, zur Wahrung seiner Rechte rechtzeitig Reisemängel anzuzeigen. Mit der Mängelanzeige soll der Reiseveranstalter Kenntnis von dem Reisemangel und damit Gelegenheit zu seiner Beseitigung erhalten, damit für die Zukunft eine vertragsgemäße Leistung sichergestellt ist. Es wäre unredlich, wenn der Reisende behebbare Mängel stillschweigend in Kauf nimmt, um dann nach Rückkehr von der Reise Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Darüber hinaus soll der Reiseveranstalter die Gelegenheit zu einer Überprüfung der Beanstandungen haben, da der Beschwerdegegenstand des Reisenden möglicherweise auch nur eine Unannehmlichkeit der Reise darstellen könnte. In einem solchen Fall wäre der Veranstalter nicht zur Abhilfe verpflichtet.

11. Eine Mängelanzeige ist aber ausnahmsweise u.a. dann entbehrlich, wenn die Mängel dem Reiseveranstalter vor Reisebeginn bereits bekannt waren, weil es sich z.B. um offenkundige Mängel gehandelt hat.

12. Als derartige offenkundige Mängel sind zum einen die neben dem Hotel befindlichen Baustellen als auch der Kieselstrand zu bewerten. Ausweislich der Beschreibung im Reiseprospekt der Beklagten war die Qualität des Strandes mit „grober Sandstrand“ angegeben worden. Wenn auch aufgrund einer solchen Beschreibung der Reisende keinen feinen Sandstrand erwarten darf, so muss aber dennoch nicht damit gerechnet werden, dass anstelle von Sand nur, wie die Klägerin behauptet, grobe Kieselsteine vorhanden sind. Der damit anzunehmende Reisemangel rechtfertigt, da nach der Katalogbeschreibung gewisse Abstriche an der Strandqualität zu machen waren, aber keine über 10 % hinausgehende Minderung des Reisepreises.

13. Was den behaupteten Baulärm anbelangt, hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Beruft sich der Reisende wie hier die Klägerin auf Lärmbelästigungen infolge von Bauarbeiten, kommt es maßgebend darauf an, ob er während seines Urlaubsaufenthalts hiervon überhaupt betroffen worden ist. Da der Ausblick auf eine Baustelle, an der nicht gearbeitet wird, grundsätzlich noch keinen Reisemangel darstellt, trifft den Reisenden eine besondere Substantiierungspflicht, damit dargetane Lärmbelästigungen nachvollzogen werden können und die Bewertung, ob es sich dabei überhaupt um einen beachtlichen Reisemangel handelt, ermöglicht wird. Der Reisende hat daher die Entfernung der Baustelle, die Zimmerlage, die Dauer des Lärms, die Tages- oder Nachtzeit und die Art der Arbeiten zu beschreiben (Niehuus a.a.O. Rdn. 141).

14. Dem ist die Klägerin weder schriftsätzlich noch im Rahmen ihrer Anhörung gem. § 141 ZPO hinreichend nachgekommen. Ihre Angaben erlauben weder eine Feststellung dahin, an wieviel Tagen während der hier maßgeblichen Zeit an den Baustellen gearbeitet worden ist, noch welche konkreten Zeiträume davon erfasst waren. Angesichts dessen steht dem von ihr angebotenen Beweis das Verbot der Erhebung von Ausforschungsbeweisen entgegen.

15. Hinsichtlich der übrigen Beanstandungen – nächtlicher Discothekenlärm und Beeinträchtigung der Strand- und Poolnutzung infolge von Aufräumarbeiten – kann es dahinstehen, ob der Klägervortrag insoweit zutreffend ist. Denn selbst wenn davon auszugehen wäre, stünde einer hierauf gestützten Minderungsberechtigung entgegen, dass die Klägerin, worauf bereits das Amtsgericht abgestellt hat, nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hat, die entsprechenden Mängel rechtzeitig i. S. d. § 651 d II BGB dem Reiseveranstalter angezeigt zu haben. Ihr entsprechender Vortrag in der Berufungsbegründungsschrift, nämlich die Mängel einem örtlichen Reiseleiter an einem nicht näher konkretisierten Tag mitgeteilt zu haben, ist nicht einlassungsfähig. Da weder die Person, der gegenüber die Beanstandungen erhoben worden sein sollen, in zumutbarer Weise individualisiert noch der Zeitpunkt datumsmäßig eingegrenzt worden ist, kann dem hierzu angebotenen Zeugenbeweis ebenfalls wegen des Verbots der Erhebung von Ausforschungsbeweisen nicht nachgegangen werden.

16. Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, dass die Klägerin die erforderliche Mängelanzeige schuldlos unterlassen hat, sind nicht ersichtlich. Dazu bedarf es konkreter, vom Reisenden nicht zu vertretender Umstände, wie z. B., dass eine Reiseleitung fehlt bzw. diese nicht rechtzeitig erreichbar war (Niehuus a.a.O. § 6 Rdn. 100). Hierzu hat die Klägerin aber nichts vorgetragen, insbesondere hat sie nicht dargetan, wann und wo sie vergeblich versucht hat, die Reiseleitung zu erreichen, um Mängel anzuzeigen.

17. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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