Kreditkarte mit Reiserücktrittskostenversicherung

KG Berlin: Kreditkarte mit Reiserücktrittskostenversicherung

Eine Kreditkarteninhaberin forderte die Auszahlung einer mit der Karte verbundenen Reiserücktrittsversicherung. Die Klage wurde auf Berufung der beklagten Versicherung hin abgewiesen, da die Klägerin nicht nachgewiesen hatte, zum Zeitpunkt des Schadens bei ihr versichert gewesen zu sein.

KG Berlin 6 U 115/17 (Aktenzeichen)
KG Berlin: KG Berlin, Urt. vom 31.01.2018
Rechtsweg: KG Berlin, Urt. v. 31.01.2018, Az: 6 U 115/17
LG Berlin, Urt. v. 22.06.2017, Az: 23 O 503/15
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Kammergericht Berlin

1. Urteil vom 31. Januar 2018

Aktenzeichen 6 U 115/17

Leitsätze:

2. Bei Ansprüchen aus einer an eine Kreditkarte gebundenen Reiserücktrittsversicherung trägt der Inhaber die Beweislast dafür, dass zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles ein Versicherungsvertrag zwischen dem kartenausgebenden Kreditinstitut und dem belangten Versicherungsunternehmen bestand.

Dem unstreitigen Versicherer zum Zeitpunkt des Kartenerwerbs kommt die sekundäre Beweislast dafür zu, dass und warum das Versicherungsverhältnis beendet wurde.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin musste 2014 aufgrund der Erkrankung ihres Ehemannes eine zuvor gebuchte Schiffsreise absagen. Sie war Inhaberin einer Kreditkarte mit der eine Reiserücktrittsversicherung verbunden sein sollte. So forderte sie vor dem Landgericht vom Kreditinstitut und der Versicherung laut allgemeinen Geschäftsbedingungen die Erstattung der Stornokosten.

Das Landgericht Berlin gab der Klage zunächst statt. Daraufhin ging die beklagte Versicherung vor dem Kammergericht in Berufung. Dort bestritt sie ihre Passivlegitimation für Ansprüche der Klägerin.

Der Klage wurde stattgegeben, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert war. Jedenfalls hatte die Klägerin ihrer Beweislast nicht genügt, nachzulegen, dass zum Zeitpunkt der Reisestornierung, also des Versicherungsfalles, ein Versicherungsverhältnis mit der Beklagten bestand. Allein ihre Nennung als Versicherer in den AGB  für die Kreditkarte von 2010 genügte dafür nicht, lediglich dafür, der Beklagten eine sekundäre Beweislast zukommen zu lassen, dass und warum das Versicherungshältnis beendet worden war. Dem wurde die Versicherung gerecht, indem sie Dokumente vorlegte, die besagten, dass der Kollektivversicherungsvertrag mit dem Kreditinstitut ab 2010, 4 Jahre vor dem Versicherungsfall der Klägerin, an eine Konkurrentin der Beklagten vergeben worden war.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 22. Juni 2017 teilweise geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

5. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, die Inhaberin einer seit 2008 von der “D… … bank AG” (…) – der vormaligen Beklagten zu 1), im Folgenden: Beklagte zu 1) – herausgegebenen, eine Reise-​Rücktrittskosten-​Versicherung beinhaltende “… Credit Card” ist, von der Beklagten zu 2) Ersatz der Stornokosten einer im Oktober 2014 gebuchten, aber auf Grund einer Erkrankung ihres Ehemannes im Dezember 2014 stornierten Schiffsreise in Höhe von 7.630,-​- EUR.

6. In den der Klägerin im März 2008 übersandten “Bedingungen für die … Credit Card” der Beklagten zu 1) (Anlage K 14) heißt es unter “Erläuterungen zum Versicherungspaket” in den “Versicherungsbedingungen zur Reise-​Rücktrittskosten-​Versicherung” in § 1 u. a.: “Versicherer ist die A… E…, Direktion für Deutschland, … ”, also die hiesige Beklagte zu 2). In den ab Oktober 2014 von der Beklagten zu 1) verwendeten “Allgemeine Versicherungsbedingungen für die … Credit Card” (Anlage B 2), deren Erhalt die Klägerin bestreitet, heißt es unter Nr. 3.10: “Versicherer ist die I… P… A… S.A. (… )… vertreten durch: A… A… Deutschland GmbH…”.

7. Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2017 hat die Klägerin die Klage gegen die Beklagte zu 1) zurück genommen.

8. Durch hiermit in Bezug genommenes Urteil vom 22. Juni 2017 hat das Landgericht die Beklagte zu 2) zur Zahlung von 7.630,-​- EUR nebst Zinsen verurteilt.

9. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte zu 2) mit ihrer Berufung, mit der sie unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre Passivlegitimation weiter bestreitet.

10. Die Beklagte zu 2) beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

11. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurück zu weisen.

12. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

1.

13. Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das am 22. Juni 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingereicht (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO) worden.

2.

14. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg, weil die Beklagte zu 2) nicht passivlegitimiert, die Klage somit unbegründet und daher abzuweisen ist, wie im Hinweisbeschluss des Senats vom 28.11.2017 im Einzelnen ausgeführt.

15. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Beklagte zu 2) nicht “nach § 1 AVB 2008 als Versicherer passiv legitimiert”. Ob eine Partei passiv legitimiert, also nach materiellem Recht Schuldner des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs ist, richtet sich nicht nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Dritten – hier der Beklagten zu 1) -, sondern allein danach, ob der klagenden Partei ein vertraglicher, quasi vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch gegen diese zusteht. Nach den allgemeinen Regeln hat die Klägerin alle ihren Anspruch begründenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen. Hierzu gehört insbesondere auch hinreichend substantiierter Vortrag zu dem Grund, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch gerade gegenüber der in Anspruch genommenen Partei ergeben soll.

16. Da vorliegend nur ein Anspruch aus Versicherungsvertrag in Betracht kommt, hätte die Klägerin darlegen müssen, dass ihr versicherungsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) zustehen. Das Bestehen eines Versicherungsvertrags zwischen ihr und der Beklagten zu 2) behauptet die Klägerin nicht. Eine vertragliche Beziehung besteht vielmehr nur zwischen der Klägerin und dem kreditkartenausgebenden Institut, hier der Beklagten zu 1). Sofern Kreditkarten nämlich – wie hier – zusätzlich um bestimmte Versicherungsleistungen ergänzt werden, stellt sich die vertragliche Konstellation regelmäßig so dar, dass das kartenausgebende Unternehmen einen Kollektivversicherungsvertrag mit einem Versicherer abschließt. Die Karteninhaber sind in diesem Fall lediglich versicherte Personen, nicht aber Versicherungsnehmer (vgl. § 43 VVG). Sofern der Versicherungsfall eintritt, folgt der Anspruch der versicherten Personen dann aus diesem Kollektivversicherungsvertrag i. V. m. § 328 BGB (vgl. Steinbeck in Höra/Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 4. Aufl. 2017, § 30 Rdnr. 8).

17. Dies zugrunde gelegt wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, vorzutragen und ggf. zu beweisen, dass die von ihr in Anspruch genommene Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles (noch) der zuständige Versicherer war. Hierzu reicht die Darlegung, dass die Beklagte zu 2) im Jahre 2008 – und damit sechs Jahre vor Eintritt des streitgegenständlichen Versicherungsfalls – der für die Reise-​Rücktrittskosten-​Versicherung der “… Credit Card” zuständige Versicherer war, nicht aus; entscheidend ist der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls, hier also Dezember 2014.

18. Da die Beklagte zu 2) im Jahre 2008 unstreitig der in den damals geltenden “Bedingungen für die … Credit Card” der Beklagten zu 1) genannte Versicherer war, kommt allerdings eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2) dahingehend in Betracht, vorzutragen, dass und seit wann – ggf. auch auf Grund welcher Umstände – das Versicherungsvertragsverhältnis mit der Beklagten zu 1) beendet (worden) ist und sie deshalb zum Zeitpunkt des Eintritts des streitgegenständlichen Versicherungsfalls nicht (mehr) der zuständige Versicherer war.

19. Dies bedarf vorliegend aber keiner abschließenden Entscheidung, denn falls man eine sekundäre Darlegungslast für die vorliegende Konstellation bejaht, hätte die Beklagte zu 2) dieser durch ihren Vortrag genüge getan:

20. Die Beklagte zu 2) hatte bereits in der Klageerwiderung vom 13. Mai 2016 vorgetragen, seit dem 1. Januar 2010 nicht mehr der zuständige Versicherer der “… Credit Card” gewesen zu sein. Dieses Vorbringen hat sie in der Berufungsbegründung dadurch untermauert, dass sie den Ausdruck einer E-​Mail der … Versicherungsdienste GmbH vom 23. November 2009 (Anlage zur Berufungsbegründung vom 25.08.2017) betreffend die “Ausschreibung der Produkte der … Karten” vorgelegt hat, aus dem sich ergibt, dass sich das Angebot der Beklagten zu 2) nicht durchsetzen konnte und die Entscheidung zu Gunsten eines anderen Anbieters gefallen ist. Dieses Vorbringen war nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch noch in zweiter Instanz zuzulassen, da das Landgericht der Beklagten zu 2) weder einen mit Schriftsatz vom 13. Mai 2016 ausdrücklich erbetenen Hinweis rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung erteilt, noch nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung eine Erklärungsfrist eingeräumt hat.

21. Zudem hat die Beklagte zu 2) ein Muster des Hinweises (Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 13.05.2016) vorgelegt, der auf den Wechsel des Versicherers ab dem 1. Januar 2010 hinwies und auf den Kreditkartenabrechnungen aller Karteninhaber der “… Credit Card” abgedruckt gewesen sein soll. Dass Änderungen der Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) nach Nr. 21 der “Bedingungen für die … Credit Card” (Anlage K 14) grundsätzlich möglich waren, ist zwischen den Parteien unstreitig. Nach dieser Bestimmung konnte die Beklagte zu 1) auch die mit der Kreditkarte verbundenen Zusatzleistungen nach billigem Ermessen ändern. Diese Änderungsbefugnis schloss auch den Wechsel des zuständigen Versicherers ein, wobei zu derartigen Änderungen deren schriftliche Mitteilung unter Hinweis auf die in diesen Fällen bestehende Kündigungsmöglichkeit ausreichte.

22. Die Beklagte zu 2) hat ferner mit Schriftsatz vom 9. September 2016 die ab Oktober 2014 von der Beklagten zu 1) verwendeten “Allgemeine Versicherungsbedingungen für die … Credit Card” vorgelegt, aus deren Nr. 3.10 sich ergibt, dass die I… P… A… S.A., vertreten durch die A… A… Deutschland GmbH das zuständige die Versicherungsleistungen erbringende Versicherungsunternehmen ist.

23. Ob die Klägerin den Hinweis auf einen neuen Versicherer im Januar 2010 oder die von der Beklagten zu 1) ab Oktober 2014 verwendeten Versicherungsbedingungen erhalten hat, spielt für die Frage, ob die Beklagte zu 2) einer eventuellen sekundären Darlegungslast, zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls nicht mehr der zuständige Versicherer gewesen zu sein, durch hinreichend substantiierten Vortrag genügt hat, keine Rolle.

24. Nach alledem hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt, dass die von ihr in Anspruch genommene Beklagte zu 2) für den geltend gemachten Anspruch passiv legitimiert ist, so dass die Klage auf die Berufung der Beklagten zu 2) unter Änderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen war.

3.

25. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

26. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

27. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, nicht der Rechtsfortbildung dient und nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder der Oberlandesgerichte abweicht.

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