Flugumbuchung durch Reiseveranstalter ist eine Nichtbeförderung

AG Düsseldorf: Flugumbuchung durch Reiseveranstalter ist eine Nichtbeförderung

Ein Reisegast nahem ein Luftfahrtunternehmen auf Ausgleichzahlung in Anspruch, da der Reiseveranstalter gegen den Willen des Fluggasts den Flug umgebucht hat, obwohl dieser regulär stattfand und deswegen der Fluggast nicht den Flug antreten konnte.

Das Amtsgericht Düsseldorf gab der Klage statt und entschied, dass eine Umbuchung gegen den Willen des Reisenden wie eine Nichtbeförderung zu behandeln ist und das Luftfahrtunternehmen zu einer Ausgleichzahlung verpflichtet.

AG Düsseldorf 23 C 6252/13 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 10.10.2013
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.2013, Az: 23 C 6252/13
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 10.10.2013

Aktenzeichen: 23 C 6252/13

Leitsatz:

2. Bei der Umbuchung eines Flugs durch den Reiseveranstalter gegen den Willen des Reisenden liegt auch eine Nichtbeförderung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vor.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte die Klägerin bei einem Reiseveranstalter eine Urlaubsreise mit Flug. Jedoch buchte der Reiseveranstalter den geplanten Flug für die Klägerin um, obwohl der für die Klägerin vorgesehene Flug ordnungsgemäß von dem Luftfahrtunternehmen durchgeführt worden ist.

Die Klägerin begehrt eine Ausgleichszahlung von dem Luftfahrtunternehmen im Sinne des Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 lit b der Verordnung EG Nr. 261/2004 in Höhe von 400 €.

Das Amtsgericht Düsseldorf entschied, dass nach dem Wortlaut des Art. 4 der Verordnung den Fluggästen Ausgleichsansprüche zustehen, wenn ihnen die Beförderung verweigert worden ist. Der Grund der Nichtbeförderung muss nicht immer bei dem Luftfahrtunternehmen liegen, sondern kann auch durch die Umbuchung des Reiseveranstalters verursacht werden. Als ausführendes Luftfahrtunternehmen ist dieses zu einer Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung verpflichtet. Eine Auslegung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung ergibt dies auch, wenn es die Nichtbeförderung nicht selbst veranlasst hat, sondern diese durch ein mit dem Luftfahrtunternehmen in Vertragsbeziehungen stehenden Reiseunternehmen vorgenommen wurde.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 400,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Ohne Tatbestand (gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

6. Die Klägerin hat einen Anspruch gemäß Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 lit b) der Verordnung EG Nr. 261/2004 auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400,00 Euro.

7. Die Beklagte hat den ursprünglich für die Klägerin gebuchten Flug unstreitig wie vorgesehen durchgeführt. Nach Ansicht des Gerichts stellt die von der Reiseveranstalterin veranlasste Umbuchung der Klägerin auf einen anderen Flug eine Beförderungsverweigerung im Sinne von Art.4. Abs. 3 der Verordnung hinsichtlich des ursprünglichen Rückflugs dar, die die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen zu einer Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung verpflichtet.

8. Eine Umbuchung, die wie hier gegen den ausdrücklichen Willen des Fluggastes am Vortag des Reisetags erfolgt, stellt nach Ansicht des Gerichts eine Nichtbeförderung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung dar (vgl. AG Bremen, RRa 2011, 207; AG Rüsselsheim RRa 2006, 92; offengelassen von BGH NJW 2009, 285). Dem Vorbringen der Klägerin, dass ihr eine Umbuchung erst am Vortag mitgeteilt wurde, ist die Beklagte nicht erheblich entgegengetreten, jedenfalls für eine Kenntnis zu einem früheren Zeitpunkt beweisfällig.

9. Der Umstand, dass die Beklagte die Umbuchung nicht selbst vorgenommen oder veranlasst hat, steht einer Haftung der Beklagten nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung vorliegend nicht entgegen. Eine Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmen ergibt sich auch, wenn ein Reiseveranstalter, der den Flug für den Fluggast bei dem Luftfahrtunternehmen gebucht hat, eine Umbuchung vornimmt (wie hier LG Düsseldorf RRa 2008, 45; a.A. LG Darmstadt RRa 2006, 228; offengelassen von BGH NJW 2009, 285).

10. Das AG Bremen, Urteil vom 14.12.2010, Az. 18 C 73/10 führt dazu aus:

11. „a) Für diese Ansicht spricht bereits der deutsche Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung, der unbestimmt im passiv formuliert ist „wird Fluggästen … die Beförderung verweigert“ und nicht explizit verlangt, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen die Beförderung verweigert. Auch der englische Wortlaut der Verordnung spricht für diese Auslegung. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der spanische und französische Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 nicht passiv formuliert ist (vgl. Wiedergabe des spanischen und französischen Wortlauts bei BGH NJW 2009, 285), spricht dies nicht entscheidend gegen die hier vertretene Ansicht.

12. b) Für die Bestimmung der Reichweite des Art 4 Abs. 3 der Verordnung ist eine Auslegung geboten, die nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur den Wortlaut einer Vorschrift berücksichtigt, sondern auch ihren Zusammenhang und die mit der Regelung verfolgen Ziele, wie sie sich insbesondere aus den Erwägungsgründen ergeben (EuGH NJW 2010, 43). Das Gemeinschaftsrecht ist zudem im Sinne einer Wahrung der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, hier der Verordnung, auszulegen. Bei der gebotenen Auslegung ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Vorschriften der Verordnung, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, einschließlich derjenigen, die einen Ausgleichsanspruch vorsehen, weit auszulegen sind (vgl. EuGH NJW 2010, 43 m.w.N.).

13. Eine Auslegung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung nach diesen Maßgaben führt zu dem Ergebnis, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen auch dann bei einer Nichtbeförderung Ausgleich zu leisten hat, wenn es die Nichtbeförderung nicht selbst veranlasst hat, sondern diese durch ein mit dem Luftfahrtunternehmen in Vertragsbeziehungen stehenden Reiseunternehmen vorgenommen wurde.

14. aa) Der Verordnungsgeber hat bei Erlass der Verordnung durchaus erkannt, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen nach den Vorschriften der Verordnung gegenüber Fluggästen auch dann zur Ausgleichszahlung verpflichtet sein kann, wenn die Verantwortung bei einem Reiseveranstalter liegt. Dies zeigt die Existenz des Art. 13 der Verordnung, der explizit Regressansprüche des Luftfahrtunternehmens gegenüber einem Reiseunternehmen unberührt lässt (vgl. auch Erwägungsgrund 8 der Verordnung). Dennoch hat der Verordnungsgeber ausweislich des Erwägungsgrundes 7 der Verordnung den Grundsatz aufgestellt, dass die durch die Verordnung begründeten Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen. Der Verordnung lässt sich daher der Grundsatz entnehmen, dass gegenüber den Fluggästen das ausführende Luftfahrtunternehmen auch dann verpflichtet sein soll, wenn vom Reiseunternehmen die Nichtbeförderung zu verantworten ist.

15. bb) Dass dies als Grundsatz gewollt ist, lässt sich auch aus dem Verlauf des legislativen Verfahrens entnehmen. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission für die Verordnung sah im Artikel 5 Abs. 3 noch folgenden Wortlaut vor: „Falls Fluggästen die Beförderung verweigert wird, muss das Luftfahrt- oder Reiseunternehmen diesen unverzüglich die Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Betreuungsleistungen gemäß Artikel 8 und 9 erbringen“ (vgl. Kommissionsvorschlag KOM (2001) 784 vom 21.12.2001, ABl. EG C 103 vom 30.04.2002, S. 225). Erst durch die Stellungnahme des Rates der EU wurde diese Regelung dahingehend geändert, dass nur noch das Luftfahrtunternehmen verpflichtet ist, die Ausgleichs- und Betreuungsleistungen zu erbringen (vgl. Stellungnahme des Rates 2001/0305 (COD) vom 11.03.2003). Diese Änderung wurde damit begründet, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen aufgrund seiner Präsenz am Flughafen in der Regel am besten geeignet ist, die Verpflichtungen nach der Verordnung zu erfüllen. Außerdem könne das ausführende Luftfahrtunternehmen Regress nehmen, insbesondere der Regress gegenüber dem Reiseunternehmen sei nicht durch die Verordnung ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des Rates, a.a.O).

16. cc) Dem dargestellten Grundsatz der Verordnung und der Vorgabe, die anspruchsbegründenden Vorschriften der Verordnung weit auszulegen, wird eine Auslegung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung am besten gerecht, die eine Verpflichtung des ausführenden Luftfahrtunternehmens unabhängig davon annimmt, ob das Luftfahrtunternehmen oder der mit diesem vertraglich verbundenen Reiseveranstalter die Umbuchung veranlasst hat.

17. dd) Diese Auslegung wahrt auch die praktische Wirksamkeit der Verordnung. Denn für den Fluggast wird oftmals überhaupt nicht erkennbar sein, wer die konkrete Ursache für eine Flugumbuchung tatsächlich gesetzt hat. Müsste er dies ggf. während der Reise vor der Geltendmachung der Unterstützungsleistungen gemäß Art. 4 Abs. 3, Art. 9 der Verordnung aufklären, wäre der Fluggast an einer effektiven Wahrnehmung seiner Rechte gehindert und das ausweislich des Erwägungsgrundes 4 der Verordnung angestrebte hohe Schutzniveau für Fluggäste könnte nicht erreicht werden. Daher ist ein Anspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen aus Art. 4 Abs. 3 der Verordnung unabhängig davon anzunehmen, ob dieses oder der Reiseveranstalter, mit dem das Luftfahrtunternehmen eine vertragliche Beziehung hat, die Ursache für eine Nichtbeförderung gesetzt hat.

18. ee) Die hier befürwortete Auslegung führt zudem zu der gemeinschaftsrechtlich und grundgesetzlich gebotenen Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle. Denn für die Unannehmlichkeiten des Fluggastes ist es unbedeutend, ob eine Umbuchung durch den Reiseveranstalter oder das ausführende Luftfahrtunternehmen veranlasst wurde. Daher ist es geboten, ihm auch in beiden Fällen die Rechte aus Art. 4 Abs. 3 gegenüber dem Luftfahrtunternehmen zu gewähren.“

19. Dieser Auffassung, die im Übrigen mit der Berufungsinstanz des hiesigen Gerichtes übereinstimmt, schließt sich das Gericht an.

20. Die Klägerin hat daher Anspruch auf Zahlung von 400,00 Euro. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286, 288, 291 BGB

21. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

22. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

23. Streitwert: 400,00 Euro.

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