Verspätung wegen Pilotenstreik

AG Frankfurt: Verspätung wegen Pilotenstreiks

Weil ihr Flug, aufgrund eines Pilotenstreiks, erhebliche Verspätung hatte, verlangt ein Ehepaar von der ausführenden Airline eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 5 der Fluggastrechte Verordnung. Die Gesellschaft verweigert die Zahlung mit der Begründung, in dem Pilotenstreik sei ein außergewöhnlicher Umstand zu sehen.

Das Amtsgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. In dem Streik sei ein Umstand zu sehen, für den die Airline nicht haftbar gemacht werden könne.

AG Frankfurt 31 C 1700/11 (16) (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 08.11.2011
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 08.11.2011, Az: 31 C 1700/11 (16)
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 08. November 2011

Aktenzeichen: 31 C 1700/11 (16)

Leitsatz:

2. Ein Pilotenstreik stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar.

Zusammenfassung:

3. Ein Ehepaar buchte bei einer privaten Fluggesellschaft einen Linienflug von Kairo nach Frankfurt. Wegen eines Pilotenstreiks konnte dieser jedoch nicht wie geplant ausgeführt werden. Da der gestellte Ersatzflug mit einer Verspätung von mehr als 10 Stunden in Frankfurt ankam, verlangen die Kläger nun eine Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung.
Die Beklagte weigert sich der Zahlung. In dem Pilotenstreik sei ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 der Fluggastrechte Verordnung zu sehen, der sie von der Haftung befreie.

Das Amtsgericht Frankfurt hat der Beklagten Recht zugesprochen. Grundsätzlich stehe Fluggästen im Falle einer erheblichen Verspätung ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der VO zu. Eine Ausnahme ergebe sich lediglich in den Fällen, in denen diese Verspätung auf einen Umstand zurückzuführen ist, der für die Airline weder vorhersehbar, noch zu kontrollieren sei.
Ein solcher sei vorliegend anzunehmen. Streiks würden stets von Gewerkschaften ausgerufen, die ihr Handlungsfeld naturgemäß außerhalb des Unternehmens hätten. Auch sei eine vorherige Ankündigung des Streiks nicht erfolgt. Die hieraus resultierende Verspätung sei der Airline folglich nicht anzurechnen.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Streitwert wird auf 1.243,37 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

5. Die Kläger, ein Ehepaar, machen gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Deutschland Ausgleichsansprüche aus der Fluggastrechteverordnung (EGV 261/2004) wegen Annullierung sowie Erstattungsansprüche für Verpflegungsmehraufwendungen, Taxikosten und Telefonkosten geltend.

6. Der Kläger und seine Ehefrau buchten bei der Beklagten einen Direktflug mit der Beklagten für den 24.02.2010 von Kairo nach Frankfurt am Main (Flugnummer: LH …). Der Flug wurde wegen eines Streiks der bei der Beklagten eingesetzten Piloten annulliert. Stattdessen wurden die Kläger mit einem anderen Flug mit Zwischenstopp in Paris zurückbefördert. Daher kamen sie statt am 24.02.2010 um 08.05 Uhr am 24.02.2010 um 21.35 Uhr in Frankfurt am Main an.

7. Die Kläger behaupten dem Kläger zu 1. sei durch die Annullierung und den vertragswidrigen Zwischenstopp in Paris Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 60,00 EUR und Telefonkosten in Höhe von 104,37 EUR entstanden. Beweis für die von der Beklagten in zulässiger Weise Grund und Höhe nach bestritten Mehrposten haben die Kläger bis Schluss der mündlichen Verhandlung nicht angetreten. Mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenem Schriftsatz unter dem 31.10.2011 haben die Kläger weiter zu den behaupteten Telefonkosten vorgetragen und zum Beleg eine Handyabrechnung vorgelegt (Blatt 72-73 der Akte). Ihnen seien zudem Fahrtkosten in Höhe von jeweils 139,00 EUR entstanden, da nach der verspäteten Ankunft des Ersatzflugs keine Bahnverbindung mehr von Frankfurt am Main zu ihrem Heimatort bestanden habe und sie daher ein Taxi genommen hätten; ein Mitarbeiter der Beklagten, der namentlich nicht bekannt sei, habe sie mit dem Taxi nach Hause gefahren und ihnen zugesagt, dass die Beklagte ihnen die Taxikosten erstatten werde. Zum Beweis dieser von der Beklagten ebenfalls in zulässiger Weise bestrittenen Tatsache haben die Kläger vortragen lassen: „Beweis: Mitarbeiter der Beklagten als Zeuge“ und die Beklagte aufgefordert, anhand der Dienstpläne den Mitarbeiter namentlich zu benennen (Blatt 56 der Akte).

8. Die Kläger beantragen die Beklagte zu verurteilen,

9. an den Kläger zu 1. insgesamt 704,37 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2011 und an die Klägerin zu 2. insgesamt weitere 539,00 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2011 zu zahlen,

10. an die Kläger 223,72 EUR für vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

11. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

12. Die Beklagte ist der Ansicht, der Streik sei ein „außergewöhnlicher Umstand“, der zur Leistungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 führe. Hinsichtlich der Posten Taxikosten, Telefonkosten und Verpflegungsmehraufwendungen sei die Klage – ungeachtet fehlenden Vortrags zur Rechtsgrundlage – schon deshalb abzuweisen, weil die Grund und Höhe nach in zulässiger Weise bestrittenen Posten bis Schluss der mündlichen Verhandlung nicht unter Beweis gestellt worden seien.

13. Wegen Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

14. Die Klage hat keinen Erfolg.

15. Ein Ausgleichsanspruch der Kläger scheitert an Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004. Die Beklagte ist von einer etwaigen Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen jedenfalls freigeworden. Die Annullierung war unstreitig auf einen Streik der von der Beklagten eingesetzten Piloten zurückzuführen. Ein solcher Streik ist ein „außergewöhnlicher Umstand“, bei dem der Verordnungsgeber ausweislich des – klaren – Erwägungsgrundes 14 der EGV 261/2004 generell – und damit insbesondere ohne Beleuchtung der näheren Umstände des Zustandekommens des Streiks und des Ausmaßes der Beeinträchtigung des Betriebs des Luftfahrtunternehmens – von einer Unvermeidbarkeit ausging.

16. Auch die in Erwägungsgrund 14 vom Verordnungsgeber vorgenommene Gleichsetzung eines den Betrieb des Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks mit den anderen dort genannten, zur Leistungsfreiheit führenden Umständen (politische Instabilität, Wetterbedingungen und Sicherheitsrisiken) belegt eindeutig, dass der Verordnungsgeber bei einem den Betrieb beeinträchtigenden Streik von einer „Unvermeidbarkeit“ ausging, so dass die Erwägungen der Kläger – bei denen es sich letztlich ohnehin nur um Vermutungen und damit prozessual unerhebliche Behauptungen ins Blaue hinein handelt -, der Streik habe sich arbeitsrechtlich vermeiden lassen, unerheblich sind. Soweit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 31.10.2011 Tatsachenvortrag zum Streik zu entnehmen ist, war dieser Vortrag schon nach § 296a Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen; ein Fall des § 296a Satz 2 ZPO liegt – für eine auf sorgfältige Prozessführung bedachte Partei deutlich erkennbar – nicht vor. Das nach § 156 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessen übt das Gericht dahin aus, dass es die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet.

17. Auch im Übrigen ist die Klage abzuweisen. Die Kläger haben – ungeachtet der Tatsache, dass es an Tatsachenvortrag zur Rechtsgrundlage der Ersatzansprüche fehlt – die Grund und Höhe nach von der Beklagten in prozessual zulässiger Weise bestrittenen Posten Taxikosten, Telefonkosten und Verpflegungsmehraufwendungen bis Schluss der mündlichen Verhandlung nicht unter Beweis gestellt. Die Kostenübernahmeerklärung der Beklagten hinsichtlich der Taxikosten ist mit dem Verweis auf einen namentlich nicht benannten „Mitarbeiter der Beklagten“ – für eine auf sorgfältige Prozessführung bedachte Partei deutlich erkennbar – nicht wirksam unter Beweis gestellt (§ 373 ZPO); eine prozessuale oder materielle Pflicht der Beklagten zur Preisgabe des Namens des Zeugens besteht nicht. Soweit dem Schriftsatz der Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung Tatsachenvortrag zu den behaupteten Mehrkosten zu entnehmen ist, gilt das oben Gesagte entsprechend: Solcher Vortrag ist nach § 296a Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen; ein Fall des § 296a Satz 2 ZPO liegt nicht vor. Sein nach § 156 Abs. 1 ZPO eingeräumtes Ermessen übt das Gericht dahin aus, dass die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet.

18. Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1, 709 Satz 2 ZPO.

19. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 3 ZPO.

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