Berechnung des Vergütungsanspruches und der ersparten Aufwendungen nach Einheitspreisen

BGH: Berechnung des Vergütungsanspruches und der ersparten Aufwendungen nach Einheitspreisen

Ein Unternehmen nimmt das Land in Anspuch auf Vergütungsforderung aus dem gekündigten Auftrag mit rund. 1 Million DM.

Das Gericht entschied, dass das Urteil durch Revision aufgehoben und neu entschieden werden soll.

BGH VII ZR 198/94 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 21.12.1995
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 21.12.1995, Az: VII ZR 198/94
OLG Frankfurt, Urt. v. 17.07.1994, Az: 1 U 154/91
LG Frankfurt, Urt. v. 08.05.1991, Az: 2/4 O 58/90
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Bundesgerichtshof

1. Urteil vom 21.12.1995

Aktenzeichen: VII ZR 198/94

Leitsätze:

2. Als nach BGB § 649 S 2 erspart anzurechnen sind die Aufwendungen, die der Unternehmer bei Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muß. Dabei ist auf die Nichtausführung des konkreten Vertrages abzustellen. Maßgebend sind dabei die Aufwendungen, die sich nach den Vertragsunterlagen unter Berücksichtigung der Kalkulation ergeben.

Was er sich in diesem Sinne als Aufwendungen anrechnen lässt, hat der Unternehmer vorzutragen und zu beziffern, denn in der Regel ist nur er dazu in der Lage. Dabei sind Einheitspreisverträge nach den Positionen des Leistungsverzeichnisses abzurechnen.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall erteilte das Land dem Kläger einen Auftrag und kündigte diesen nach einiger Zeit mit sofortiger Wirkung. Der Auftrag wurde noch nicht durchgeführt jedoch waren bereits innerbetrieblice Vorbereitungen und Planungszeit von dem Unternehmen in das Projekt investiert worden.

Das Unternehmen begehrt eine Aufwandsentschädigung.

Das Gericht entschied, dass das Urteil aufgehoben wird und neu etschiedn werden soll. Beim Einheitspreisvertrag hat der Unternehmer den Vergütungsanspruch, der als Ausgangspunkt der Berechnung nach BGB § 649 S 2 heranzuziehen ist, nach den vertraglichen Einheitspreisen abzurechnen. Er hat also die Einheitspreise mit den für sie anzunehmenden Mengen zu vervielfältigen und daraus die sich aus den einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses ergebenden Ansprüche zu errechnen.en lassen, daß die Abrechnung ihm Vorteile aus dem geschlossenen Vertrag nimmt. Andererseits darf er keinen Vorteil daraus ziehen, daß ein für ihn ungünstiger Vertrag gekündigt worden ist. Das gilt beim Einheitspreisvertrag auch für die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses. Ungünstige und günstige Positionen sind dabei nicht untereinander verrechenbar.

Tenor

4. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juli 1994 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.

Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

5. Das beklagte Land hat der Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 1989 einen Auftrag für Lieferung und Montage einer Kleinbehälter-Förderanlage für die chirurgische Klinik der Universität G. erteilt. Die Auftragssumme belief sich ohne Mehrwertsteuer auf 1.490.210 DM. In den besonderen Vertragsbedingungen waren die Geltung der VOB/B sowie der unverzügliche Beginn der Ausführung vereinbart.

6. Schon bald nach Auftragserteilung, nämlich mit Schreiben vom 2. November 1989, kündigte das Land den Vertrag gemäß § 8 Nr. 1 VOB/B mit sofortiger Wirkung.

7. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin mit den Einbauten noch nicht begonnen. Nach ihren Behauptungen hatte sie aber die innerbetriebliche Fertigung anlaufen lassen sowie bereits umfangreiche Planungen durchgeführt.

8. Die Klägerin berechnet ihre Vergütungsforderung aus dem gekündigten Auftrag mit rd. 1 Million DM. Dieser Betrag soll sich aus der Differenz zwischen kalkulierten und angefallenen Kosten für Wareneinsatz (34 % vom Umsatz), Gehälter (19 % vom Umsatz), Fertigungs- und Montagelöhnen (32 % vom Umsatz), Gemeinkosten (12 % vom Umsatz) sowie einem kalkulierten Gewinn von 3 % vom Umsatz ergeben. Die Differenz zwischen den so errechneten Kosten und dem Umsatz, also der vertraglich vereinbarten Vergütung, will sich die Klägerin als ersparte Aufwendungen anrechnen lassen. Im übrigen trägt die Klägerin vor, sie habe wegen der überraschenden Kündigung zur Auslastung von Kapazitäten „Füllaufträge“ vergeben müssen, die sie nur mit „Sonderrabatten“ von 1,5 bis 8 % habe vereinbaren können. Sie verlangt mit der Klage nach Abzug von Abschlagszahlungen noch 518.236,97 DM zuzüglich Zinsen.

9. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 211.550,11 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Dagegen wendet sich die Revision des beklagten Landes. Die Anschlußrevision der Klägerin hat der Senat nicht angenommen.

Entscheidungsgründe

10. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

11. Das Berufungsgericht hält die von der Klägerin gewählte Berechnungsweise für Ersparnisse nach § 649 S. 2 BGB für richtig. Es führt dazu aus:

12. Die Klägerin habe grundlegende Merkmale der Kalkulation für den streitgegenständlichen Auftrag genannt. Danach habe sie die Einheitspreise auf der Grundlage von Umsatzanteilen, wie sie sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung 1987 ergeben, kalkuliert. Diese Art der Kalkulation sei weder willkürlich noch ohne hinreichenden Bezug zum konkreten Auftrag. Ausgangspunkt für die Berechnung der Forderung sei die vereinbarte Vergütung. Auf der Grundlage der Abrechnung der Klägerin seien noch 211.550,15 DM offen. Die Einwendungen des beklagten Landes seien teils unsubstantiiert, teils unschlüssig; das Bestreiten des Landes sei nicht erheblich.

13. Was die sogenannten „Füllaufträge“ angeht, so führt das Berufungsgericht aus:

14. Die Anrechnung anderweitig erzielten Gewinnes setze voraus, daß der Unternehmer ausschließlich durch die Vertragskündigung in die Lage versetzt worden sei, einen anderen Auftrag ausführen zu können. Eine Minderung des Vergütungsanspruchs komme nicht in Betracht, soweit diese Aufträge neben dem gekündigten Auftrag hätten ausgeführt werden können. Hier spreche bereits die zeitliche Verzögerung, mit der diese Aufträge nach der Vertragskündigung abgeschlossen und ausgeführt wurden, gegen die Annahme, daß diese weiteren Aufträge ohne die Kündigung nicht hätten ausgeführt werden können.

15. Dagegen wendet sich die Revision des beklagten Landes mit Erfolg.

16. Ersparte Aufwendungen:

17. Nach § 649 S. 2 BGB hat der Werkunternehmer, dem nach § 649 BGB gekündigt wurde, einen Anspruch auf die vertragliche Vergütung. Er muß sich darauf aber unter anderem anrechnen lassen, was er durch die Kündigung an Aufwendungen erspart. Sein Anspruch auf die Vergütung ist dabei unmittelbar um die ersparten Aufwendungen verkürzt. Es ist jedoch Sache des Bestellers darzulegen und zu beweisen, daß höhere Ersparnisse oder mehr anderweitiger Erwerb erzielt wurde als der Unternehmer sich anrechnen läßt (BGH, Urteil vom 5. Mai 1992 – X ZR 133/90, NJW-RR 1992, 1078. Beim Einheitspreisvertrag, wie er hier vorliegt, hat der Unternehmer den Vergütungsanspruch, der als Ausgangspunkt der Berechnung heranzuziehen ist, nach den vertraglichen Einheitspreisen abzurechnen (allg. Meinung, vgl. z.B. MünchKomm/Soergel, 2. Aufl, § 649 Rdn. 11; Ingenstau/Korbion, 12. Aufl., VOB Teil B, § 8.1 Rdn. 21; Riedl in Heiermann/Riedl/Rusam, 7. Aufl., VOB Teil B, § 8.1 Rdn. 3). Das heißt, er hat die Einheitspreise mit den für sie anzunehmenden Mengen zu vervielfältigen und auf dieser Basis die sich aus den einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses ergebenden Ansprüche zu errechnen. Es wird allerdings im allgemeinen nichts dagegen sprechen, daß er von den im Leistungsverzeichnis angegebenen Mengen und Massen ausgeht.

18. Als erspart anrechnungspflichtig sind die Aufwendungen, die der Unternehmer bei Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muß. Dabei ist auf die Aufwendungen abzustellen, die durch die Nichtausführung des konkreten Vertrages entfallen sind (Staudinger-Peters, BGB, 13. Bearb., § 649 Rdn. 19). Maßgebend sind dabei im einzelnen die Aufwendungen, die sich nach den Vertragsunterlagen unter Berücksichtigung der Kalkulation ergeben (Riedl in Heiermann/Riedl/Rusam, 7. Aufl., VOB Teil B, § 8.1 Rdn. 5).

19. Was er sich in diesem Sinne als Aufwendung anrechnen läßt, hat der Unternehmer vorzutragen und zu beziffern; denn in der Regel ist nur er dazu in der Lage. Dabei sind Einheitspreisverträge nach Positionen des Leistungsverzeichnisses abzurechnen. Entgegen der Auffassung der Revision gelten aber sonst nicht die Anforderungen der §§ 16, 14 VOB/B. Diese Bestimmungen beziehen sich auf ausgeführte Leistungen. Zwar gelten sie nach der Rechtsprechung des Senats bei vorzeitiger Vertragsbeendigung für erbrachte wie für nicht erbrachte Leistungen, weil insoweit insgesamt abgerechnet werden soll. Das paßt aber nicht, wenn überhaupt keine Leistungen erbracht sind.

20. Nach dem Gesetz sind Ersparnisse und gegebenenfalls auch anderweitiger Erwerb auf den konkreten Vertrag zu beziehen. Der Unternehmer muß sich also nicht gefallen lassen, daß die Abrechnung ihm Vorteile aus dem geschlossenen Vertrag nimmt. Andererseits darf er keinen Vorteil daraus ziehen, daß ein für ihn ungünstiger Vertrag gekündigt worden ist (vgl. hierzu eingehend van Gelder NJW 1979, 189). Das gilt beim Einheitspreisvertrag auch für die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses, da ungünstige oder günstige Positionen nicht untereinander verrechenbar sind.

21. b) Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt folgendes:

22. Der Klagevortrag entspricht bisher diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin geht zwar selbst von Ersparnissen aus, doch sind sie nicht nach den dargestellten Erfordernissen beziffert oder auch nur bezifferbar. Die von der Klägerin zur Berechnung der Ersparnisse gewählte betriebswirtschaftliche Kostenkontrolle erlaubt keinen Rückgriff auf den konkreten Vertrag und erst recht nicht auf die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses und auf die diesen nach dem Vortrag der Klägerin zugrunde liegenden Ansätze für Stundenlöhne und Materialpreise.

23. 2. Füllaufträge

24. Nach § 649 S. 2 BGB muß sich der Unternehmer ferner anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterläßt. Insoweit kommen die sogenannten „Füllaufträge“ in Frage.

25. Mit Recht beanstandet die Revision die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe eben wegen des Ausfalls des streitgegenständlichen Auftrags die fraglichen „Füllaufträge“ mit Sondernachlässen übernommen. Dieser Vortrag ist unvereinbar mit der Annahme des Berufungsgerichts, es könne sich um anderweitige Auslastung der Kapazitäten gehandelt haben. Auch die vom Berufungsgericht herangezogene Überlegung, daß die „Füllaufträge“ später liegen als die Ausführungszeit für den streitgegenständlichen Auftrag, gibt für die Überlegungen des Berufungsgerichts nichts her, denn schon die Größenordnung des Jahresumsatzes der Klägerin im Verhältnis zum vorliegenden Auftrag zeigt, daß sie mit diesem allein nicht ausgelastet war und deshalb jederzeit andere Fertigungen vorziehen konnte und wegen der erforderlichen Akquisitionszeiten auch vorziehen mußte. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß die behaupteten „Füllaufträge“ erst im Anschluß an die voraussichtliche Produktionszeit des vorliegenden Auftrags anfielen, spricht daher nicht dagegen, die Einnahmen aus den „Füllaufträgen“ grundsätzlich als anderweitigen Erwerb anzusehen.

26. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin können trotz der gewährten „Rabatte“ die Gemeinkosten und teilweise auch die kalkulierten Gewinne gedeckt gewesen sein, so daß insoweit ein anderweitiger Erwerb infrage kommt.

27. Im übrigen wird dem Vortrag des beklagten Landes nachzugehen sein, die Füllaufträge seien nicht mit Unterdeckung vergeben worden. Der insoweit angebotene Sachverständigenbeweis ist kein Ausforschungsbeweis, weil an den Sachvortrag des Bestellers angesichts seiner schwierigen Beweissituation nur geringe Anforderungen zu stellen sind.

28. Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehenbleiben. Da weitere Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

29. Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit, ihren Vortrag entsprechend zu ergänzen. Das gilt auch hinsichtlich des beschafften oder produzierten Materials. Ob und inwieweit dieses als ersparte Aufwendung anzurechnen ist, hängt davon ab, ob und in welchem Umfang dieses Material von der Klägerin in zumutbarer Weise anderweitig verwendet werden konnte (Nicklisch in Nicklisch/Weick, VOB/B, 2. Aufl., § 8 Rdn. 8; Riedl in Heiermann/Riedl/Rusam aaO, § 8.1 Rdn. 5). Dafür spricht hier viel. Vor allem wird die Klägerin sich insoweit entgegenhalten lassen müssen, daß sie dem beklagten Land angeboten hat, ihm das produzierte Material zu überlassen und dann „zurückzuerwerben“.

30. Die Zurückverweisung gibt ferner der Klägerin Gelegenheit sich auf die hier formulierten Grundsätze einzustellen.

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