Begriff des Fluges im Sinne der Fluggastrechteverordnung bei Hin- und RückflugBegriff des Fluges im Sinne der Fluggastrechteverordnung bei Hin- und Rückflug

Begriff des Fluges im Sinne der Fluggastrechteverordnung bei Hin- und Rückflug

Ein Ehepaar wurde auf der Rückreise aus ihrem Urlaub auf einen anderen Rückflug verlegt. Dadurch dass dieser später startete als der eigentlich geplante Flug, verpassten die Reisenden ihren Anschlussflug und der Mann klagte auf Erstattung der vollen Flugkosten.

Das Gericht verurteilte das Reiseunternehmen zur Zahlung von etwa 60 €, was einer anteiligen Reisepreisminderung für die Verspätung entspricht, wies die Klage ansonsten aber ab.

AG München 261 C 13238/16 (Aktenzeichen)
AG München: AG München, Urt. vom 10.11.2016
Rechtsweg: AG München, Urt. v. 10.11.2016, Az: 261 C 13238/16
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Amtsgericht München

1. Urteil vom 10.11.2016

Aktenzeichen 261 C 13238/16

Leitsatz:

2. Der Begriff des Fluges i.S.d. Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 261/2004 meint Hin- und Rückflug jeweils getrennt voneinander. Auch wenn alle Flüge von der gleichen Fluggesellschaft durchgeführt und gemeinsam gebucht werden.

Zusammenfassung:

3. Ein Ehepaar buchte bei einem Reiseveranstalter eine Reise nach Colombo. Auf der Rückfahrt wurden sie auf einen anderen Flug verlegt und verpassten so ihren Anschlussflug nach Deutschland. Der Mann klagte auf Erstattung der Flugkosten, da der Flug nicht hätte verlegt werden dürfen.

Das Gericht verurteilte den Reiseveranstalter zur Zahlung von 61,20 € an den Kläger, was einer anteiligen Minderung des Tagesreisepreises um 5% pro verlorener Stunde entspricht. Ansonsten wurde die Klage abgewiesen. Es sei rechtens vom Reiseveranstalter die Flüge zu ändern und die Änderung an sich sei auch nicht als Grund für das Verpassen des Anschlussflugs zu sehen.

Tenor:

4.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 61,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.05.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 1.347,33 € festgesetzt.

Tatbestand:

5. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadenersatzansprüche aus §§ 651 f, 280 Abs. 1 BGB wegen schuldhafter Verletzung des zwischen den Parteien geschossenen Reisevertrags durch die Beklagte sowie aufgrund verspäteter Rückreise Minderungsansprüche aus § 651 d BGB geltend.

6. Der Kläger buchte für sich und seine Lebensgefährtin bei der Beklagten eine Reise nach Colombo im Zeitraum 16.06.15–28.06.14, zum Preis von 1.768,00 €. Gegenstand der Reise war unter anderem der Hin- und Rückflug. Dieser wurde von der Fluggesellschaft … ausgeführt.

7. Der Kläger behauptet, Der Rückflug am 28.06.2015 mit der Flugnummer EY 287 von Colombo nach Abu Dhabi startete anstatt planmäßig um 4.40 Uhr erst um 7.45 Uhr. Dadurch habe der Kläger und seine Lebensgefährtin den Anschlussflug von Abu Dhabi nach Frankfurt verpasst und konnten erst mit dem nächsten Flug nach Frankfurt weiterfliegen. In Frankfurt sei der Flug am 29.06.2015 um 02.05 Uhr, anstatt planmäßig am 28.06.2015 um 13.40 Uhr angekommen.

8. Der Kläger behauptet, Gegenstand der Reise sei der Hin- und Rückflug mit der Fluggesellschaft … gewesen.

9. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte schulde Schadenersatz nach §§ 651 f, 280 BGB, weil sie die geschuldete Reiseleistung nicht ordnungsgemäß erbracht habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die vereinbarte Fluggesellschaft auszutauschen. Hierdurch sei dem Kläger ein Schaden entstanden in Höhe von 1.200,00 €, da er gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen infolge des Wechsels mangels Anwendbarkeit keine Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach Art 6, 7 VO (EG) 261/2004 geltend machen kann.

10. Weiter ist der Kläger der Auffassung, die Beklagte schulde infolge der verspäteten Ankunft in Frankfurt 100 % Minderung des Reisepreises für einen Tag, nämlich den 28.06.2015 in Höhe von 147,33 €.

11. In Höhe eines Betrags von 61,20 € nebst Zinsen wurde von der Beklagten die Klageforderung anerkannt.

12. Der Kläger beantragt,

die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 1.347,33 € zu bezahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 26.05.2016 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 201,71 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

13. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14. Die Beklagte behauptet, die Parteien hätten nicht die Durchführung der Reise mit einer bestimmten Fluggesellschaft vereinbart. Bei der Buchungsbestätigung handle es sich bei den Flugangaben nur um unverbindliche Angaben, die Beklagte sei berechtigt gewesen, zumutbare Änderungen vorzunehmen. Bei … handle es sich um eine höherwertigere Linienfluggesellschaft gegenüber ….

15. Die Beklagte ist der Auffassung, vier Verzögerungsstunden seien als bloße Unannehmlichkeit entschädigungslos hinzunehmen. Für darüber hinausgehende Stunden komme für jede betroffene Stunde eine Minderung des anteiligen Tagesreisepreises um 5 % in Betracht.

16. Ergänzend wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2016.

Entscheidungsgründe:

17. Die zulässige Klage erwies sich – soweit nicht von der Beklagten die Klageforderung anerkannt wurde – als unbegründet.

18. Minderungsanspruch aus § 651 d BGB

19. In Höhe von 61,20 € wurde die Klageforderung anerkannt. Ein darüber hinaus gehender Anspruch wegen behaupteter Rückreiseverspätung besteht nicht. Bei Unterstellung des klägerischen Vortrags lag eine Verspätung von 12 Stunden und 25 Minuten vor. Hiervon sind die ersten 4 Stunden nach ständiger Rechtsprechung als Unannehmlichkeit entschädigungslos hinzunehmen. Für jede weitere Stunde Verzögerung ist der Reisepreis um 5 % des Tagesreisepreises zu mindern (LG Frankfurt, Urteil v. 27.01.2009, Az. 2-24 S 177/08).

20. Ausgehend von einem Tagesreisepreis von 136,00 € (1.768,00 €/13Tage) und einer Verzögerung von 12 Stunden und 25 Minuten, sind damit auch bei Unterstellung des klägerischen Vortrags 9 Stunden Verzögerung (aufgerundet) zu entschädigen i.H.v. 5 % des Tagesreisepreises, mithin 9 × 6,80 € und damit insgesamt 61,20 €.

21. Damit besteht ein über den anerkannten Betrag hinausgehender Minderungsanspruch insoweit auch bei Annahme des klägerischen Vortrags nicht, so dass eine Beweisaufnahme hinsichtlich der behaupteten Verspätung nicht erforderlich war.

22. Soweit vorgetragen wurde, das klägerische Gepäck sei dem Kläger erst am 01.07.2015 zugesandt wurden, wurde hierdurch die Reise nicht beeinträchtigt, so dass ein Minderungsanspruch auch insoweit ausscheidet.

23. Schadenersatzanspruch aus §§ 651 f, 280 Abs. 1 BGB

24. Zutreffend ist, dass aufgrund des Wechsels der Fluggesellschaft dem Kläger gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen … ein Anspruch aus der Fluggastrechte-VO in Höhe von 1.200,00 € nicht zusteht.

25. Der Begriff des Fluges i.S.d. Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 261/2004 ist dahingehend auszulegen, dass Hin- und Rückflug getrennt voneinander auf die Anwendbarkeit hin zu überprüfen sind und auf jeden Flug einzeln abzustellen ist (EuGH, Urteil vom 10.07.2008, Az C-173/07, NJW 2008, 2697). Dies gilt auch dann, wenn alle Flüge von dem gleichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden und als Anschlussverbindungen gemeinsam gebucht werden (BGH, Urteil vom 13.11.2012, Az X ZR 12/12, NJW 2013, 682 und Urteil v. 28.05.2009, Az Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743, BGH, Urteil vom 30.04.09, Az Xa ZR 78/08, NJW 2009, 2740; vgl. auch Führich, Reiserecht, 7. Auflage, § 38, Rnr. 21 ff.). Damit ist die Fluggastrechte-VO (EG) auf den Rückflug nicht anwendbar, da es sich bei … nicht um ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft i.S.d. Art. 2 der Fluggastrechte-VO (EG) handelt.

26. Der damit entstandene Schaden i.H.v. 1.200,00 € wurde jedoch nicht adäquat kausal verursacht durch den von der Beklagten vorgenommenen Austausch der Fluggesellschaft.

Ein innerer Zusammenhang und damit ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Handlung der Beklagten durch den Austausch der Fluggesellschaft und dem geltend gemachten Schaden besteht nicht. Der Austausch der Fluggesellschaften war nicht ursächlich für die behauptete Verspätung. Auch war der Austausch nicht ursächlich für die Entstehung einer etwaigen Schadensersatzpflicht, zurechenbare Ursache hierfür ist alleine die behauptete Verspätung.

Diese stellt jedoch keine Pflichtverletzung der Beklagten dar. Damit ist der Schaden nicht durch eine Pflichtverletzung der Beklagten entstanden, eine Zurechnung kann nicht erfolgen. Das Verhalten der Beklagten mag zwar kausal i.S.d. condicio-sine-qua-non-Formel sein, dies ist jedoch bei Anwendung der Adäquanztheorie bzw. Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm nicht ausreichend (Palandt, vor § 249, Rnr. 24 ff).

27. Zwar ist dem Kläger insoweit zuzugeben, dass die Verbraucherrechte aus der Fluggastrechte-VO so ausgeschlossen werden. Andererseits ist der Anwendungsbereich der Fluggastrechte-VO nun einmal begrenzt und soll über den Weg der §§ 651 f, 280 Abs. 1 BGB auch nicht um weitere Schuldner, hier die Beklagte erweitert werden.

28. Damit kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zum Austausch der Fluggesellschaft berechtigt war und es sich bei den ausgetauschten Gesellschaften um zwei gleichwertige Gesellschaften handelt. Es ist jedoch festzustellen, dass selbst die Buchungsbestätigung den Hinweis enthält, dass „Details & Zeiten unverbindlich“ sind.

29. Geschuldet sind nur Verzugszinsen aus dem anerkannten Betrag aus §§ 280, 286 BGB.

30. Weitere Nebenforderungen sind nicht geschuldet. Zum einen war die Hauptforderung im Wesentlichen nicht geschuldet. Zum anderen befand sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers und damit zum Zeitpunkt des Anfalls der Rechtsanwaltsgebühren und folglich zum Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht in Zahlungsverzug. Die Mängelanzeige vom 16.07.2015 stellt keine Mahnung dar. Näherer Vortrag zu einer Zahlungsverweigerung durch die Beklagte liegt nicht vor. Damit stellt das Anwaltsschreiben vom 11.05.2016 erst die verzugsbegründende Mahnung dar, deren Kosten jedoch grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind. Dies wird vom Kläger selbst bestätigt, indem Verzugszinsen erst ab dem 26.05.2016 und damit nach dem Schreiben vom 11.05.2016 beantragt wurden.

31. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

32. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: Definition von „Flug“

Verwandte Entscheidungen

BGH, Urt. v. 21.11.2017, Az: X ZR 30/15
LG Frankfurt, Urt. v. 01.03.2012, Az: 2-24 S 185/11
AG Rüsselsheim, Urt. v. 20.07.2011, Az: 3 C 739/11 (36)

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Flugverlegung
Passagierrechte.org: Flugverlegung von Teilflug

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte