Ausgleichszahlung wegen Verspätung eines Fluges

AG Düsseldorf: Ausgleichszahlung wegen Verspätung eines Fluges

Flugreisende verlangten für die 15-stündige Verspätung ihres Fluges eine Ausgleichszahlung.

Das Amtsgericht Düsseldorf wies die Klage ab und widersprach damit der Rechtsauslegung des Europäischen Gerichtshofes.

AG Düsseldorf 32 C 5415/12 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 13.09.2012
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 13.09.2012, Az: 32 C 5415/12
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 13. September 2012

Aktenzeichen 32 C 5415/12

Leitsatz:
2. Erhebliche Verspätung und Annullierung sind hinsichtlich der Ausgleichsansprüche nicht gleichzusetzen, da von einem gleich hohen Schutzniveau der vom jeweiligen Mangel geschädigten Fluggäste nicht ausgegangen werden kann.

Zusammenfassung:
3. Die Kläger sind Fluggäste eines Fluges von Puerto del Rosario in Spanien nach Düsseldorf in Deutschland, dessen Ankunft und Abflug sich um 15 Stunden verspätete. Hierfür verlangten sie eine Ausgleichszahlung gemäß der europäischen Fluggastrechteverordnung für Ausgleichsansprüche bei Annullierung und Nichtbeförderung.

Das Amtsgericht Düsseldorf wies die Klage ab und begründete dies mit dem Fehlen einer Annullierung oder Nichtbeförderung. Es widersprach explizit der Rechtsauslegung des europäischen Gerichtshofes, welche Verspätungen von über 3 Stunden mit ebendiesen Leistungsmängeln gleichsetzte. Die Kammer führte aus, der EuGH gehe fälschlich davon aus, das in Fällen erheblicher Verspätung das gleich hohe Schutzniveau der Geschädigten anzunehmen sei, wie in Fällen der Nichtbeförderung und überdehne seine Kompetenzen, wenn diese Rechtsauslegung zu Norm erhoben werde.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Die Kläger buchten bei der Beklagten für den 18.07.2011 den Flug H 000 von Puerto del Rosario (Spanien) nach Düsseldorf. Der Flug sollte um 10.05 Ortszeit in Puerto del Rosario starten und um 15.25 Uhr Ortszeit in Düsseldorf landen. Tatsächlich erfolgte der Abflug um 22.30 Uhr. Die Kläger erreichten ihren Zielort Düsseldorf erst am 19.07.2011 um 6.30 Uhr. Die Kläger begehren wegen der Verspätung des Fluges Zahlungen gemäß der EG-​Verordnung Nr. 261/2004.

6. Die Kläger beantragen,

7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) einen Betrag in Höhe von 400,00 EUR und an die Klägerin zu 2) einen Betrag in Höhe von 400,00 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5-​Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.Oktober 2011 zu zahlen.

8. Die Beklagte beantragt,

9. die Klage abzuweisen.

10. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

11. Die zulässige Klage ist unbegründet.

12. Den Klägern steht kein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszahlung nach Artikel 7 der EG-​Verordnung Nr. 261/2004 zu.

13. Hier liegt weder ein Fall der Nichtbeförderung noch der Annullierung gemäß Artikel 4 bzw. Artikel 5 der EG-​Verordnung Nr. 261/2004 vor, sondern allein ein Fall der Verspätung, der in Artikel 6 der EG-​Verordnung Nr. 261/2004 geregelt ist.

14. Für den Fall der Verspätung eines Fluges sieht die EG-​Verordnung Nr. 261/2004 keine Ausgleichsleistungen vor.

15. Das erkennende Gericht übersieht dabei nicht, dass der EuGH in seiner Entscheidung vom 19.11.2009 (Aktenzeichen C-​402/07 und C-​432/07) ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen für den Fall eines verspäteten Fluges angenommen hat. Dieser Rechtsprechung vermag das erkennende Gericht nicht zu folgen. Die 52. Abteilung des Amtsgericht Düsseldorf hat im Urteil vom 20.12.2011 (Aktenzeichen 52 C 9057/11) hierzu folgende Ausführung gemacht:

16. „Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 7 der Verordnung ist eine Ausgleichszahlung nur in den Fällen zu leisten, in welchen die Verordnung auf eben diesen Art. 7 verweist. Im Falle der Verspätung ist dies nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 6 nicht der Fall. Dies bestätigt auch der EuGH selbst. Will man dennoch den Tatbestand einer Verspätung mit dem unstreitig ausgleichspflichtigen Tatbestand etwa der Annullierung eines Fluges gleichstellen, so muss man dem Verordnungsgeber eine planwidrige Regelungslücke nachweisen, also praktisch ein Versehen, trotz entsprechender Absicht für den Fall der Verspätung keine Ausgleichszahlung normiert zu haben, bzw. diesen Fall planwidrig übersehen zu haben.

17. Die diesbezüglichen Erwägungen des Europäischen Gerichtshofes und der hierauf basierenden Rechtsprechung vermögen nicht nur nicht zu überzeugen, sondern sind unzutreffend. Der vom EuGH hierzu in Anspruch genommene Erwägungsgrund der Verordnung, wonach den Fluggästen ein „hohes Schutzniveau“ gewährleistet werden soll, bedeutet entgegen der nicht näher erläuterten Zugrundelegung des EuGH nicht,  dass keine Nivellierungen mehr möglich sein sollen und in allen geregelten Fällen ein einheitliches und gleich hohes Schutzniveau beabsichtigt gewesen sein soll. Es ist daher im Fall der Aufführung und Regelung unterschiedlicher Tatbestände schon rein logisch für unterschiedliche Fälle auch ein unterschiedlich hohes Schutzniveau denkbar. Exakt in dieser Weise ist aber die Verordnung aufgebaut. Die Fälle der Nichtbeförderung, der Annullierung und der Verspätung werden im Einzelnen und getrennt voneinander aufgeführt und jeweils ausführlichen Bestimmungen unterworfen. Dies wäre im Falle der Absicht der Gewährung eines immer gleichen Schutzniveaus nicht nötig gewesen und ergäbe demzufolge auch keinen nachvollziehbaren Sinn, da man die Fälle einheitlich hätte regeln können, wenn man sie auch einheitlichen Rechtsfolgen unterwerfen wollte. Die detaillierte Aufführung und unterschiedliche Regelung von mehreren Tatbeständen weist daher eher in die gegenteilige Richtung, auch unterschiedlich hohe Schutzniveaus bezüglich der Rechtsfolgen herstellen zu wollen. Denn wie bereits erwähnt, geht der EuGH unzutreffend und auch ohne nähere Erläuterung davon aus, dass ein hohes Schutzniveau auch immer ein gleich hohes Schutzniveau bedeuten muss. Dies hätte der Verordnungsgeber auch auf einfache Weise herstellen können, entweder durch eine gemeinsame Regelung für alle Fälle oder durch einen ebenso einfachen Verweis in Art. 6 auf Art. 7. Dies liegt aber beides nicht vor. Vielmehr ist in den unterschiedlichen Bestimmungen für von einander abgegrenzte Tatbestände der Wille einer unterschiedlichen Behandlung unterschiedlicher Fälle erkennbar und eben nicht die Absicht, alle Fälle mehr oder weniger gleich zu behandeln. Dies kann dem europäischen Verordnungsgeber nicht unterstellt werden, sondern bedürfte seiner ausdrücklichen Entscheidung. Der Rechtsprechung kommt bei dieser Sachlage keine Befugnis zu, dem Verordnungsgeber zu unterstellen, er habe keine Unterschiede in dem jeweiligen Umfang der Gewährung eines hohen Schutzniveaus beabsichtigt.

18. Auch der Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz führt zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn man sich der Auffassung des EuGH und der hierauf beruhenden anderweitigen Rechtsprechung anschließen wollte, dass die Interessenlage des Fluggastes und der ihm entstehende Schaden im Falle einer Annullierung und einer Verspätung als gleich zu bewerten sein sollen, so führt allein diese Annahme noch nicht dazu, in welcher Weise beide Fälle gleich zu behandeln sein sollen. Denn aufgrund der oben ausgeführten Erwägungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Wertung der Gleichbehandlung dieser Fälle auch der Wertung des Verordnungsgebers bei Verabschiedung seines Regelwerkes war. Wäre der Verordnungsgeber aber von einer Gleichartigkeit der Fälle und der Interessenlagen ausgegangen, hätte es ihm oblegen, zu entschieden, ob er in beiden Fällen eine Ausgleichszahlung gewähren wollte oder aber in keinem Fall, oder etwa auch in geringerer Höhe. Denn für den Verordnungsgeber wären auch die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Gleichbehandlung für die Betroffenen einer solchen Regelung zu bedenken gewesen, was nicht ausschließt, dass er zu einer anderen Bewertung gekommen wäre, hätte er gewollt oder erkannt, dass beide Fälle mit gleichen Rechtsfolgen versehen werden müssten. Da aber aus den bereits ausgeführten Gründen nicht davon ausgegangen werden kann, dass er eine Gleichbehandlung beider Fälle mit der Rechtsfolge einer Ausgleichszahlung in der von ihm verabschiedeten Höhe bereits in seine Absichten aufgenommen hatte, obläge es nach wie vor seiner legislativen Entscheidung, auf welche Weise gleichgelagerte Fälle gleich zu behandeln wären.

19. Die Erwägungen des EuGH erweisen sich mithin als Überdehnung judikativer Befugnisse und damit als Verletzung der in einem auf Gewaltenteilung beruhenden rechtsstaatlichem System allein der Legislative zukommenden Kompetenzen.“

20.Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die erkennende Abteilung in vollem Umfang an.

21. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

22. Streitwert: 800,00 EUR.

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