Busfahrerstreik keine höhere Gewalt

AG Duisburg: Busfahrerstreik keine höhere Gewalt

Der Kläger fordert eine Reisepreisminderung sowie eine Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit von der beklagten Reiseveranstalterin. Er hatte bei der beklagten Reiseveranstalterin einen Flug gebucht, der jedoch ersatzlos gestrichen wurde. Aufgrund eines Busfahrerstreiks habe er zudem 15 Stunden auf dem Flughafen werten müssen, keine Nachtruhe gehabt habe und seinen Urlaub nicht genießen können. Er fordert deshalb wegen der Flugverspätung und der Unannehmlichkeiten am Flughafen eine Reisepreisminderung und eine Entschädigung.

Das Amtsgericht Duisburg hält die Klage zu überwiegenden Teil für unbegründet und spricht dem Kläger lediglich eine Minderung des Reisepreises wegen der über vierstündigen Verspätung des Fluges zu. Die Beklagte könne sich nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, weil das Risiko, vertragliche Hauptleistungen (Transport, Unterkunft, Verpflegung) infolge von Beeinträchtigungen durch bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare höhere Gewalt erbringen zu können, im Rahmen der Erfolgshaftung der Reiseveranstalter zu tragen habe.

AG Duisburg 3 C 543/02 (Aktenzeichen)
AG Duisburg: AG Duisburg, Urt. vom 08.04.2002
Rechtsweg: AG Duisburg, Urt. v. 08.04.2002, Az: 3 C 543/02
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Duisburg

1. Urteil vom 08. April 2002

Aktenzeichenb: 3 C 654/02

Leitsatz:

2. Der Reiseveranstalter hat bei einem Streik von Angestellten zu haften, wenn das betreffende Unternehmen direkt mit ihm assoziiert ist und ihm zuzurechnen ist.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der beklagten Reiseveranstalterin einen Flug von Pama de Mallorca gebucht, der jedoch ersatzlos gestrichen wurde. Aufgrund eines Streiks der Busfahrer auf Mallorca musste der Kläger zudem früher zum Flughafen reise. Aus diesen beiden Gründen verbrachte der Kläger letzendlich über 15 Stunden am Flughafen, bevor der Flug schließlich mit einer Verspätung von über 6 Stunden startete.

Der Kläger fordert nun eine Reisepreisminderung von der Beklagten gem. §§ 651 d Abs. I, 651 c Abs. I BGB sowie eine Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit, weil aufgrund er aufgrund der Verspätung des Fluges und des Busfahrerstreiks keine Nachtruhe gehabt habe und seinen Urlaub nicht habe genießen könne.

Das Amtsgericht Duisburg hält die Klage zu überwiegenden Teil für unbegründet. Zwar habe der Kläger Anspruch auf eine Minderung des Reisepreises i. H. v. 56,75 Euro wegen der über vierstündigen Verspätung des Fluges. Allerdings könne das Gericht ihm keinen Anspruch auf Entschädigung zusprechen, weil der Abreisetag ohnehin nicht zur tatsächlichen Urlaubszeit gerechnet werden könne.

Das Risiko, vertragliche Hauptleistungen (Transport, Unterkunft, Verpflegung) infolge von Beeinträchtigungen durch bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare höhere Gewalt erbringen zu können, trägt im Rahmen der Erfolgshaftung der Reiseveranstalter. Die Busfahrer seien im verliegenden Fall der Beklagten zuzuordnen, weshalb sie sich nicht auf einen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand berufen könne.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 56,75 Euro (111,– DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 5. Dezember 2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 80 % und der Beklagten zu 20 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

5. Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

6. Der Kläger ist gemäß §§ 651 d Abs. I, 651 c Abs. I BGB zu einer Minderung des Reisepreises von 56,75 Euro berechtigt.

7. Nach dem vom Kläger nicht bestrittenen Sachvortrag der Beklagten war der Rückflug für die von ihm im Juni 2001 nach Mallorca gebuchte Flugreise ursprünglich für den 1.7.2001, 8.50 Uhr bestimmt. Unstreitig ist weiterhin, dass die Reiseleitung der Beklagten dem Kläger mitgeteilt hat, dass er wegen eines Streiks der Busfahrer auf der Insel Mallorca in Eigeninitiative versuchen sollte, in den frühen Morgenstunden des 1.7.2001 den Flughafen zu erreichen. Dementsprechend hatte sich der Kläger um ein Taxi bemüht. Da der für ihn und seine Familie vorgesehene Flug ersatzlos gestrichen wurde und der Rückflug erst am 1.7.2001 um 14.00 Uhr angetreten werden konnte, hat sich der Kläger 15,5 Stunden auf dem Flughafen in Palma de Mallorca aufhalten müssen. Auch dies hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt.

8. Darauf, dass sie für Streik ausdrücklich einen Haftungsausschluss vereinbart habe und es in § 10 ihrer Reisebedingungen für Pauschalreisen heiße

9. „darüber hinaus haftet B Flugreisen GmbH nicht bei Beeinträchtigung der Reise durch höhere Gewalt, wie z.B. Streiks, Krieg, innere Unruhen, Natur- und sonstige Katastrophen, Epidemien, Umweltbelastungen, Verfügungen der Behörden usw….“

10. kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Denn bei einem Streik bei einem der Leistungsträger liegt schon keine höhere Gewalt vor. Daneben sind selbst durch nicht vorhersehbare höhere Gewalt hervorgerufene Beeinträchtigungen der Hauptleistungen des Reiseveranstalters, wie etwa Transport, Unterkunft und Verpflegung als minderungsrelevante Reisemängel anzusehen (vgl. LG Frankfurt, RRA 2000 118 f.; LG Kleve, RRA 2000, 99 f). Das Risiko, vertragliche Hauptleistungen infolge von Beeinträchtigungen durch bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare höhere Gewalt nicht erbringen zu können, trägt im Rahmen der Erfolgshaftung nach § 651 c BGB der Reiseveranstalter.

11. Für die Frage, ob Streik als höhere Gewalt anzusehen ist, ist entscheidend, ob er aus dem Risikobereich des Reiseveranstalters stammt. In diesem Fall liegt keine höhere Gewalt vor. Findet der Streik dagegen bei einem außenstehenden Dritten statt, sei es ein privater, sei es ein Hoheitsträger, liegt höhere Gewalt vor (vgl. LG Frankfurt, NJW-RR 87, 823 f.; LG Hannover, NJW-RR 89, 820 f.).

12. Zu dem Risikobereich des Reiseveranstalters gehört der Streik bei den eingeschalteten Leistungsträgern, die für ihn als Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB tätig werden. Als ein solcher Leistungsträger sind auch die von den Beklagten beauftragten selbständigen Busunternehmer einzustufen und ihre Hilfspersonen (Busfahrer). Denn diese werden im Rahmen der reisevertraglichen Leistungen, (hier: Transfer Flughafen – Hotel und zurück) für sie tätig. Damit, dass nicht die mit ihr vertraglich verbundenen Busunternehmer, sondern deren Busfahrer gestreikt haben, kann sich die Beklagte nicht entlasten. Hilfspersonen des Erfüllungsgehilfen sind nämlich Erfüllungsgehilfen des Schuldners, sofern dieser mit ihrer Heranziehung einverstanden war. Davon kann vorliegend ausgegangen werden. Auch der Streik der Busfahrer und die damit verbundenen Störungen, die ihre eigentliche Ursache innerhalb des von der Beklagten beauftragten Unternehmens haben, ist ihr deshalb gemäß § 278 BGB zuzurechnen.

13. Zu berücksichtigen war demgemäß, dass für den Kläger und seine Familie aufgrund des Busfahrerstreiks und der Tatsache, dass er sich selbst um die Fahrt zum Flughafen kümmern musste, die Nachtruhe vollständig entfallen ist, wenn auch nicht verkannt wird, dass es auch bei der vorgesehenen Abflugzeit zu einer Verkürzung gekommen wäre. Darüber hinaus hat der Kläger, bezogen auf die ursprüngliche Abflugzeit, erst nach mehr als 4 Stunden Wartezeit, nämlich nach 5 Stunden und 10 Minuten den Rückflug antreten können. All dies rechtfertigt eine Minderung von 111,– DM, wobei sich das Gericht an einem Viertel des Tagespreises von 359,57 DM (= rund 90,– DM) orientiert hat und für die Flugverspätung von 1 Stunde 10 Minuten eine Minderung von 21,– DM angesetzt hat, § 287 ZPO. Dabei ist beachtet worden, dass der Reisende Flugverspätungen gerade im Zeitalter des Massentourismus bis zu 4 Stunden entschädigungslos hinzunehmen hat. Darüber hinausgehende Verspätungen berechtigen zu einer Minderung von 5 % des Tagesreisepreises pro Verspätungsstunde.

14. Ein Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit steht dem Kläger gemäß § 651 f Abs. II BGB nicht zu. Der Kläger konnte im Hinblick auf die Flugzeit nicht davon ausgehen, dass der Abreisetag einer Urlaubsnutzung zugänglich war. Ein Reisetag ist deshalb nicht aufgrund des Busfahrerstreiks völlig vertan.

15. Der Umstand, dass der Kläger bereits am Donnerstag (28.6.2001) seiner einwöchigen Reise durch Aushang erfahren haben will, dass die Rückreise nicht gesichert sei, vermag eine „erhebliche Beeinträchtigung“ der Reise nicht zu begründen. Denn eine solche wird erst angenommen, wenn zugrundeliegende Mängel zu einer Minderung von mehr als 50% berechtigen, was hier ersichtlich nicht der Fall ist.

16. Der Zinsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt des Verzugs begründet.

17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. II ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 11, 711, 713 ZPO.

18. Die Berufung ist hier nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts bzw. der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist §§ 511 Abs. IV ZPO, 26 Nr. 5 EGZPO.

19. Streitwert: 289,56 Euro.

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