Fehlender Haltegriff an einer Badewanne ist kein Reisemangel

LG Baden-Baden: Fehlender Haltegriff an einer Badewanne ist kein Reisemangel

Der Kläger buchte bei der Beklagten, einem Reiseveranstalter, eine Urlaubsreise nach Portugal. Während seines Aufenthalts im gebuchten Hotel nutzte der Kläger die Badewanne seines Hotelzimmers und verletzte sich beim Aussteigen aus dieser.  Er fordert nun von der Beklagten Schadensersatz, da diese ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei.

Das Landgericht Baden-Baden hat dem Kläger die begehrte Schadensersatzzahlung nicht zugesprochen. Ein Missachten der Verkehrssicherheitspflicht liege nur vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reise von derjenigen abweicht, welche die Vertragsparteien bei Vertragsschluss vereinbart haben. Ein fehlender Haltegriff an einer Badewanne könne nicht als Missachten der Verkehrssicherheitspflicht gewertet werden.

LG Baden-Baden 1 O 81/06 (Aktenzeichen)
LG Baden-Baden: LG Baden-Baden, Urt. vom 13.06.2006
Rechtsweg: LG Baden-Baden, Urt. v. 13.06.2006, Az: 1 O 81/06
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Landgericht Baden-Baden

1. Urteil vom 13. Juni 2006

Aktenzeichen: 1 O 81/06

Leitsatz:

2. Das Fehlen eines Haltegriffs an der Badewanne stellt keine Sicherheitslücke dar und begründet somit auch keinen Hotelmangel bzw. Reisemangel.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei der Beklagten, einem Reiseveranstalter, eine Urlaubsreise nach Portugal. Während seines Aufenthalts im gebuchten Hotel nutzte der Kläger die Badewanne seines Hotelzimmers. Beim Aussteigen aus der Badewanne verlor der Kläger sein Gleichgewicht. Er versuchte sich an einem Handtuchhalter festzuhalten, der jedoch abbrach, stürzte und zog sich eine schwere Beckenfraktur zu.

Der Kläger fordert von der Beklagten Schadensersatz, da sie ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei. Die Ausstattung des Hotels habe seiner Meinung nach nicht den gängigen Sicherheitsstandards entsprochen, da an der Badewanne kein Haltegriff montiert war. Des Weiteren fordert der Kläger, dass die volle Haftung der Beklagten festgestellt werde.

Das Landgericht Baden-Baden hat dem Kläger die begehrte Schadensersatzzahlung nicht zugesprochen. Zwar sind der Hotelbetreiber und der Reiseveranstalter verpflichtet ihrer Verkehrssicherungspflicht zu entsprechen und den gültigen Sicherheitsstandard einzuhalten. Ein Missachten dieser Pflicht liegt jedoch nur vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reise von derjenigen abweicht, welche die Vertragsparteien bei Vertragsschluss vereinbart haben.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus übergegangenem Recht wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht Zahlung von Schadensersatz und Feststellung der Haftung.

6. xxx ist bei der Klägerin kranken- und pflegeversichert. Die Beklagte schloss zu einem nicht genau bestimmten Zeitpunkt mit xxx einen Vertrag über eine Pauschalreise mit Flug und Hotelunterbringung im xxx in xxx für den Zeitraum vom 08.05.2005 bis 18.05.2005. Am letzten Tag der Reise erlitt xxx aus zwischen den Parteien streitigen Umständen im Bad seines Hotelzimmers eine komplizierte Beckenfraktur. Die Tochter des Versicherungsnehmers der Klägerin meldete nach dem Unfall an der Hotelrezeption, dass ihr Vater gestürzt sei, als er sich beim Verlassen der Badewanne an einem Handtuchhalter festgehalten habe. xxx wurde nach dem Unfall in ein portugiesisches Krankenhaus verbracht. Aufgrund unzureichender Versorgung führte seine Familie am 20.05.2005 privat seine Rückführung nach Deutschland durch. In einem Krankenhaus in xxx wurde der Versicherungsnehmer der Klägerin sodann alsbald operiert. Noch immer ist xxx pflegebedürftig.

7. Die Klägerin erlangt in der Regel durch elektronische Datenübertragung Kenntnis von Krankenhausaufenthalten ihrer Versicherten, wobei auch die Diagnoseschlüssel übermittelt werden. Die Klägerin hat in ihrer Datenverarbeitung Schlüssel hinterlegt, wonach typische Unfallfolgen im Rahmen von sog. Batch-Läufen herausgefiltert werden. Hierauf werden Unfallfragebögen an die Versicherten versandt. Einen solchen Fragebogen versandte die Klägerin auch an xxx und erhielt am 22.06.2005 von diesem mitgeteilt, dass es sich vorliegend um einen Unfall während einer Pauschalreise gehandelt habe und Reiseveranstalter die Firma „xxx“ sei. Am 23.06.2005 meldete die Klägerin ihre Ansprüche aus übergegangenem Recht bei der Firma xxx an. Dieses Schreiben ging der Beklagten am 27.06.2005 zu.

8. Die Klägerin behauptet,

9. am letzten Tag der Reise habe xxx in der Badewanne seines Hotelzimmers, welche unstreitig gleichzeitig mit Duschvorkehrungen zum Duschen genutzt werden konnte, geduscht und habe sich beim Aussteigen an einem außerhalb der Badewanne befindlichen Haltegriff festgehalten. Hierbei habe sich das Mittelteil des Griffs gelöst, wodurch xxx zu Boden gestürzt sei. Sie verweist zur Erläuterung des Unfallhergangs auf die Lichtbilder, Anlage K 6 bis K 8 (AH 51 ff.), auf die Bezug genommen wird.

10. Für die ärztliche und medizinische Behandlung von xxx habe die Klägerin als Krankenversicherung folgende Aufwendungen getätigt:

11.

Fallpauschale für ärztliche Behandlung 18.05.2005 Euro   120,75

Krankenhausaufenthalt 20.05.2005 – 06.06.2005 Euro 4.774,82

Rehabilitation 07.06.2005 – 12.07.2005 Euro 3.838,25

Gehhilfe 03.06.2005 Euro    88,34

Gehhilfe 28.07.2005 Euro    51,92

Krankentransport 12.07.2005 Euro   132,25

Abzüglich Eigenanteil Fahrtkosten 12.07.2005 – Euro  10,00

Krankentransport 13.07.2005 Euro    97,40

Abzüglich Eigenanteil Fahrtkosten 13.07.2005 – Euro  10,00

Fahrtkosten Taxi 07.06.2005 Euro   107,00

Euro 9.190,73.

12. Die Klägerin begehrt die Zahlung dieser Kosten im Wege des Schadensersatzes sowie Erstattung der im November 2004 für sie tätigen Rechtsanwälte in Höhe von Euro 389,64. Wegen der Einzelheiten der Zusammensetzung der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten wird auf die Klageschrift, S. 6, AS. 11, Bezug genommen.

13. Die Klägerin behauptet, eine frühere Anspruchsanmeldung bei der Beklagten sei ihr ohne eigenes Verschulden nicht möglich gewesen.

14. Die Klägerin beantragt:

15. 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 9.190,73 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 29.06.2005 zu zahlen.

16. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere Euro 389,64 zu zahlen.

17. 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin alle weiteren Kosten der von der Klägerin getragenen Krankenhausbehandlung des xxx, z.Zt. wohnhaft xxx aufgrund des Unfalls vom 18.05.2005 zu ersetzen hat.

18. Die Beklagte beantragt:

19. Die Klage wird abgewiesen.

20. Die Beklagte behauptet,

21. der Versicherungsnehmer der Klägerin sei beim Aussteigen aus der Badewanne ausgerutscht. Sie verweist darauf, dass es sich bei der Stange, die nach dem Vortrag der Klägerin zum Sturz geführt haben soll, um einen Teil eines Handtuchhalters gehandelt habe.

22. Die Ansprüche der Klägerin seien nach § 651 g Abs. 1 S. 1 BGB verfristet. Mithin habe es die Klägerin schuldhaft versäumt, die Ansprüche frühzeitig geltend zu machen. Ab dem Krankenhausaufenthalt des Versicherten am 20.05.2005 habe die Klägerin die Daten übermittelt erhalten. Sie hätte sich daher frühzeitig mit ihrem Versicherungsnehmer in Verbindung setzen und die Monatsfrist des § 651 g Abs. 1 BGB wahren können.

23. Sie ist der Ansicht, dass keine Pflicht der Beklagten bestehe, regelmäßig sicherheitsrelevante Einrichtungen zu überprüfen. Ein der Beklagten zuzurechnendes Verschulden des Hotels sei ebenfalls nicht gegeben. Das Bad sei täglich gereinigt worden, ohne dass dem Hotelpersonal Unzulänglichkeiten aufgefallen seien.

Entscheidungsgründe:

24. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

25. I. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Schadensersatz aus übergegangenem Recht gem. §§ 116 SGB X, 651 f Abs. 1 BGB, 823 Abs. 1, 831 BGB zu, weshalb sowohl die geltend gemachten Zahlungsanträge in Höhe von Euro 9.190,73 nebst Zinsen und Euro 389,64 sowie der Feststellungsantrag unbegründet sind.

26. 1. Eine Haftung der Beklagten nach § 651 f Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Reiseleistung der Beklagten mangelhaft im Sinne des § 651 c Abs. 1 BGB war, was dann anzunehmen ist, wenn zugesicherte Eigenschaften fehlen oder die Reise mit Fehlern behaftet ist. Ein Fehler liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reise von derjenigen abweicht, welche die Vertragsparteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam vorausgesetzt haben und dadurch der Nutzen der Reise aufgehoben oder gemindert ist (Palandt/Sprau, BGB, 65. Auflage, § 651 c Rdnr. 2). Dies kann dann vorliegen, wenn die Art der Unterbringung mit Sicherheitsrisiken verbunden ist, mit denen der Reisende nicht rechnen muss (Düsseldorf NJW-RR 2003, 59, Celle NJW-RR 2000, 1438, Palandt/Sprau, 65. Auflage, § 651 c Rdnr. 3 b und  § 823 Rdnr. 209).

27. a. Vorliegend hat die Klägerin ihren schriftsätzlichen Sachvortrag durch Vorlage der Lichtbilder der Anlage K 6 bis K 8, AH 57 ff., dahingehend präzisiert, dass xxx beim Aussteigen aus der auch zu Duschzwecken vorgesehenen Badewanne sich an einer außerhalb des Badewannenbereichs installierten Stange festgehalten habe, deren Mittelteil aus der Halterung gerissen und der Versicherungsnehmer der Klägerin dadurch zu Sturz gekommen sei. Dabei handelte es sich ausweislich der vorgelegten Lichtbilder offensichtlich aber nicht um einen Griff, der das Aussteigen aus der Badewanne erleichtern soll, sondern um einen Handtuchhalter. Damit geht auch die Unfallanzeige der Tochter des Versicherungsnehmers einher, die ebenfalls davon sprach, dass sich der Versicherungsnehmer der Klägerin an einem Handtuchhalter festgehalten habe, der nachgegeben habe.

28. b. Der streitgegenständliche Handtuchhalter diente vorliegend ohne weiteres erkennbar offensichtlich sowohl nach dem Ort seiner Anbringung, als auch nach seiner Konzeption lediglich dazu, Textilien außerhalb des Bereichs der Dusche/Badewanne aufzuhängen, so dass vom Versicherungsnehmer der Klägerin nicht erwartet werden konnte, dass dieser auch geeignet war, als Haltegriff den Ausstieg aus der Badewanne zu erleichtern. Er konnte daher nicht damit rechnen, dass der Handtuchhalter den Krafteinwirkungen, die beim Aussteigen aus der Badewanne bzw. dabei auftretenden Gleichgewichtsstörungen oder Unsicherheiten auf ihn einwirken, Stand halten würde.

29. c. Dass auf Höhe des Badewannenabschlusses kein sonstiger Haltegriff angebracht war, stellt auch im übrigen kein Sicherheitsrisiko dar, mit welchem der Reisende nicht rechnen konnte. Allgemeiner Lebenserfahrung entsprechend ist der Ausstieg aus einer Badewanne, unabhängig davon, ob diese nur als Badewanne oder auch als Dusche genutzt werden kann, infolge der Höhe der Badewannenkante als auch wegen des durch Bade- oder Duschzusätze rutschigen Wannenbodens stets mit dem Risiko verbunden, durch Stolpern, Hängenbleiben oder Ausrutschen oder zu Fall zu kommen. Dieses Risiko vermochte der Versicherungsnehmer der Klägerin zu erkennen und sich hierauf rechtzeitig einzurichten, so dass keine weiteren Sicherheitsvorkehrungen seitens des Hotels bzw. der Beklagten zu fordern waren. Ein Mangel der Reise liegt demnach nicht vor.

30. 2. Aus den gleichen Erwägungen scheiden Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht gem. §§ 116 SGB X i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB bzw. i.V.m. § 831 BGB aus.

31. Es gehört zu den Grundpflichten eines Reiseveranstalter, die für ihn tätigen Leistungsträger im Hinblick auf deren Eignung und Zuverlässigkeit sorgfältig auszuwählen und die Art und Weise der Leistungserbringung durch diese regelmäßig zu überwachen. Im Rahmen dieser Verpflichtung ist er auch für die Einhaltung von Sicherheitsstandards verantwortlich (BGH NJW 1988, 1380, 1381; Karlsruhe MDR 2004, 35).

32. Soweit zumutbar, sind Gefahren, die dem hinreichend sorgfältigen Reisenden nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht rechtzeitig einrichten kann, auszuräumen bzw. vor ihnen zu warnen (Köln NJW-RR 2004, 59). Der Versicherungsnehmer xxx konnte vorliegend aber ohne weiteres erkennen und sich darauf einstellen, dass es sich bei der Stange, an der er sich beim Aussteigen festgehalten haben soll, nicht um einen Haltegriff, sondern um einen Handtuchhalter handelte und dass im Ausstiegsbereich kein sonstiger Haltegriff angebracht war, so dass weder eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten noch des der Beklagten zuzurechnenden Hotels in Betracht kommt.

33. 3. Da demnach bereits dem Grunde nach Schadensersatzansprüche der Klägerin aus übergegangenem Recht ausscheiden, ist die Klage auch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenkosten wie Zinsen und Rechtsanwaltskosten wie auch der Feststellungsantrag unbegründet.

34. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

35. III. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist auf §§ 709, 108 ZPO gestützt.

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