Reisemangel durch überbuchtes Hotel

OLG Frankfurt: Reisemangel durch überbuchtes Hotel

Ein Urlauber verklagt ein Reiseunternehmen auf Kostenerstattung und Schadensersatz. Er war nach nur einem Urlaubstag nach Hause zurückgekehrt, weil das gebuchte Hotel keine freien Zimmer mehr hatte und die angebotene Ersatzunterkunft nicht seinen Vorstellungen entsprach.
Das Oberlandesgericht Frankfurt bejaht einen Anspruch auf Rückerstattung der Buchungskosten sowie eine Entschädigung für vertane Urlaubszeit.

OLG Frankfurt 16 U 139/90 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 17.09.1992
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 17.09.1992, Az: 16 U 139/90
LG Frankfurt, Urt. v. – , Az: 2/21 O 538/89
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Hessen-Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Frankfurt

1. Urteil vom 17.09.1992

Aktenzeichen: 16 U 139/90

Leitsätze:

2. Ist das gebuchte Hotel überbucht, so ist der Reisende nicht verpflichtet das Alternativangebot anzunehmen.

Die Annahme des Alternativangebots begründet einen Anspruch auf Reisepreisminderung

Bei der Berechnung der Höhe der Reisepreisminderung für Einkommenslose Reiseteilnehmer ist deren Alter und Ausbildungsstand zu berücksichtigen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte eine Urlaubsreise. Angekommen am Urlaubsort stellte sich heraus, dass das durch ihn gebuchte Hotel überbucht war. Dem Kläger wurde eine Einquartierung in ein gleichwertiges Hotel angeboten, welches jedoch weiter vom Badesee entfernt war, als das ursprünglich gebuchte.
Das Oberlandesgerichts Frankfurt stimmt dem Kläger zu. Der Reisende müsse sich auf das Ersatzangebot nicht einlassen, wenn sich dadurch der Charakter des Urlaubs verändere. Zudem stelle dies einen Reisemangel dar und begründe einen Anspruch auf Reisepreisminderung zu Gunsten des Reisenden. Bei der Berechnung der Höhe der Reisepreisminderung für Einkommenslose Reiseteilnehmer sei zudem deren Alter und Ausbildungsstand zu berücksichtigen.

Tatbestand:

4. (Übernommen aus OLGR Frankfurt)

5. Der Kläger, Inhaber eines Bestattungsunternehmens, Geschäftsführer einer Handwerksbaugesellschaft und einer Firma zur Herstellung von Kunststoffelementen, buchte für sich, seine Ehefrau und seinen Stiefsohn für die Zeit vom 15.7. bis zum 29.7.1989 einen zweiwöchigen Urlaubsaufenthalt im „A. Hotel“. Der Pauschalreisepreis betrug für die drei Personen einschließlich Halbpension und Versicherungen 3.897 DM. Das gebuchte Hotel liegt unmittelbar am See und besitzt einen eigenen Uferabschnitt.

6. Als die Kläger am 15.7.1989 im Pkw nach … anreisten, ergab sich, daß sie im „A.-Hotel“ nicht aufgenommen werden konnten; das Hotel war überbucht. Die Reiseleitung bot den Kl. als Ersatz das Hotel „S.“ an. Es handelte sich dabei um ein gut ausgestattetes Hotel, das allerdings nicht am Seeufer, sondern vom Badesee mindestens 1 km entfernt liegt. Die Kl. nahmen das Ersatzangebot nicht an und reisten wieder ab. Sie verbrachten ihren Urlaub zu Hause.

7. Die Kläger haben von der Beklagten Rückzahlung des Pauschalreisepreises und der Fahrtkosten verlangt; außerdem 10.117 DM als Ersatz für vertanen Urlaub.

8. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klage hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe:

9. Die Kläger können von der Beklagten gem. § 651 d BGB Rückzahlung des Reisepreises einschließlich der Versicherungskosten verlangen, weil die von der Bekl. angebotene Leistung i.S.d. §§ 651 c, 651 d BGB mangelhaft war. Das von den Klägern bei der Beklagten gebuchte Hotel war, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, überbucht und konnte sie nicht aufnehmen; der Hotelier lehnte die Aufnahme der Kläger durch Schreiben vom 15.7.1989 ab.

10. Entgegen der Meinung des LG waren die Kl. nicht verpflichtet, sich auf das Ersatzangebot der Bekl. einzulassen und sich in das Hotel „S.“ abdrängen zu lassen. Zwar mag das genannte Hotel in seiner Ausstattung und seinen Leistungen an sich mit dem bei der Bekl. gebuchten Hotel vergleichbar gewesen sein. Es lag aber nicht unmittelbar am See mit einem hoteleigenen Uferabschnitt wie das „A.-Hotel“. Der See wäre von dort erst nach einem längeren Anmarsch oder nach einer Anfahrt mit dem Pkw zu erreichen gewesen. Der Charakter des von den Kl. geplanten Urlaubs hätte sich geändert, wenn sie nicht ihren Vorstellungen und der Anpreisung der Bekl. entspr. vom Hotel aus an den Badesee hätten gelangen können. Mit der von ihnen gewünschten und gebuchten Lage des Hotels unmittelbar am See waren für den Urlaub wichtige Bequemlichkeiten verbunden wie die Möglichkeit, den Pkw nicht in sommerlicher Hitze für das An- und Abfahren benutzen zu müssen, sich auf dem bekannten Hotelgelände Erfrischungen servieren zu lassen und jederzeit zwischendurch zwanglos das Zimmer aufsuchen zu können. Auf die Frage, ob in dem angebotenen Hotel „S.“ auch ein erholsamer Urlaub möglich gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

11. Der Behauptung der Bekl., die Kl. hätten ihren Urlaub in der geplanten Weise im gebuchten Hotel ohnehin nicht antreten können, weil im Hotel „A.“ Hunde nicht aufgenommen würden, haben sich nicht als richtig erwiesen. Der Zeuge hat überzeugend ausgeführt, daß das Mitbringen des Hundes beim Abschluß des Pauschalreisevertrages zum Vertragsgegenstand gemacht worden ist. Der Kl. hat danach, ob sein Hund ins Hotel mitgebracht werden könnte, eigens gefragt; der Zeuge hat dann mit dem „A.-Hotel“ ein Ferngespräch geführt und von der Rezeption des Hotels eine zustimmende Mitteilung bekommen. Übereinstimmend damit hat die Zeugin H. glaubhaft ausgesagt, daß prinzipiell Hunde in ihrem Hotel gehalten werden dürfen. Demgemäß wäre der gebuchte Urlaubsaufenthalt der Kl. an dem Umstand, daß sie zum Urlaub ihren Hund mitbringen wollten, nicht gescheitert. Daß der Hund in den Speisesaal nicht hätte mitgenommen werden dürfen und auch nicht im Bad am See geduldet worden wäre, steht dem nicht entgegen. Diese relativ geringfügigen Einschränkungen hätten den Kl. den geplanten Aufenthalt im Hotel nicht unmöglich gemacht.

12. Die Bekl. ist deshalb zur Rückzahlung des Reisepreises i.H.v. 3.897 DM verpflichtet. Darüber hinaus muß sie den Kl. gem. § 651 f BGB, weil sie die durch ihren Erfüllungsgehilfen vorgenommene Überbuchung des Hotels zu vertreten hat, die nutzlos aufgewendeten Fahrtkosten von 923,20 DM ersetzen. Den zusätzlich noch geltend gemachten Verpflegungsmehrbedarf für die Hin- und Rückfahrt hat der Senat nicht zuerkannt, weil die Aufwendungen für Verpflegung in dem ohnehin zurückzuzahlenden Pauschalreisepreis auch für die in Betracht kommenden Tage enthalten waren.

13. Im übrigen ist der geltend gemachte Anspruch auf angemessene Entschädigung wegen Vereitelung der Reise gem. § 651 f BGB teilweise begründet. Der Senat bemißt den insoweit zu zahlenden Erstattungsbetrag auf 3.784 DM.

14. Über die Berechnung des Schadensersatzanspruches wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit besteht in der Rspr. bisher zwar noch keine volle Übereinstimmung (dazu MünchKomm./Tonner Rn. 54 f zu § 651 f BGB). Es besteht insb. noch keine volle Übereinstimmung darüber, ob alle Umstände des Einzelfalles oder im wesentlichen nur einige bestimmte Bezugspunkte bei der Bemessung zu berücksichtigen sind (Tonner a.a.O.). Der Senat hat sich in verschiedenen Entscheidungen (u.a.: 16 U 174/90; 16 U 168/89; 16 U 114/89) dahin ausgesprochen, die Berechnung des Schadensersatzes wegen vertaner Urlaubszeit richte sich nach der Schwere der Beeinträchtigung, der Höhe des Reisepreises, den Kosten der Finanzierung einer gleichwertigen Urlaubsreise, der Schwere des Verschuldens des Veranstalters und den Einkommensverhältnissen des Reisenden (so auch Palandt/Thomas Rn. 5 zu § 651 f BGB). Diese Auffassung, an der der Senat festhält, entspricht auch den Absichten des Gesetzgebers, wie sich ausdrücklich aus der BT-Drucks. 8/2343 S. 11 ergibt; sie deckt sich im wesentlichen auch mit den vom BGH aufgestellten Grundsätzen (BGH NJW 1983, 35; vgl. MünchKomm./Tonner Rn. 55 zu § 651 f BGB).

15. Unter den zur Bemessung heranzuziehenden Kriterien stehen auch nach Lage des vorliegenden Falles die Höhe des Reisepreises (3.897 DM) und die Einkommensverhältnisse der Pauschalreisenden, also der Kl., im Vordergrund. (Wird ausgeführt.)

16. Es scheint dem Senat im Anschluß an Tonner (a.a.O., Rn. 57 zu § 651 f BGB) angebracht, die Bemessung des Ersatzes wegen der nutzlos aufgewendeten Urlaubszeit nach dem Mittelwert aus Arbeitseinkommen und Reisepreis zu bestimmen. Daraus errechnet sich ein Betrag von 7.007 DM. Besondere Umstände, die zu einer abweichenden Bewertung (etwa wegen nur sehr geringen Verschuldens des Unternehmers oder nur geringfügige Beeinträchtigungen) führen könnten, sind hier nicht ersichtlich.

17. Dieser Betrag ist jedoch in angemessener Weise noch deshalb zu kürzen, weil die Kl. Ihre Urlaubszeit in offensichtlich nicht unerfreulicher Umgebung zu Hause verbracht haben. Der Resterholungswert des „Balkonurlaubes“ wird üblicherweise mit 50 % angesetzt (vgl. u.a. Tonner a.a.O., Rn. 57). Besondere Umstände, die Anlaß geben könnten, von diesem „Regelwert“ abzuweichen, sind nicht ersichtlich. Der Ersatzbetrag berechnet sich demgemäß auf 50 % von 7.007 DM = 3.504 DM.

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