Pflicht des Reiseveranstalters zur Information eines ausländischen Reisenden über die Einreisebestimmungen des Reiseziels

AG Baden-Baden: Pflicht des Reiseveranstalters zur Information eines ausländischen Reisenden über die Einreisebestimmungen des Reiseziels

Der Kläger, ein bosnischer Staatsbürger, verlangt von seinem Reiseveranstalter eine Erstattung des Reisepreises. Weil er kein Visum bei sich führte, wurde ihm die Beförderung nach England durch das Flughafenpersonal verwehrt. Der Kläger ist der Ansicht, der Reiseveranstalter hätte ihn hierauf hinweisen müssen.

Das Amtsgericht Baden-Baden hat die Klage abgewiesen. Eine Informationspflicht bezüglich etwaiger Visaerfordernisse treffe in Deutschland ansässige Reiseveranstalter nur gegenüber deutschen Staatsbürgern.

AG Baden-Baden 16 C 2/09 (Aktenzeichen)
AG Baden-Baden: AG Baden-Baden, Urt. vom 10.07.2009
Rechtsweg: AG Baden-Baden, Urt. v. 10.07.2009, Az: 16 C 2/09
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Baden-Württemberg-Gerichtsurteile

Amtsgericht Baden-Baden

1. Urteil vom 10. Juli 2009

Aktenzeichen: 16 C 2/09

Leitsatz:

2. Keine Pflicht des Reiseveranstalters zur Information eines ausländischen Reisenden über die Einreisebestimmungen des Reiseziels

Zusammenfassung:

3. Der Kläger, ein bosnischer Staatsbürger, verklagt seinen Reiseveranstalter auf Rückzahlung des Reisepreises. Weil er kein gültiges Visum bei sich führte, weigerte sich das gebuchte Luftfahrtunternehmen ihn zu befördern.
Der Kläger ist der Meinung, der Beklagte hätte ihn im Vorfeld ausdrücklich auf das Erfordernis eines Visums hinweisen müssen.
Dieser bestreitet eine generelle Verantwortlichkeit und verweist zudem auf die vom Kunden unterschriebene allgemeine Belehrung, die einen ausdrücklichen Hinweis auf eine Visumspflicht beinhaltete.

Das Amtsgericht Baden-Baden hat die Klage abgewiesen. Die Pflicht des Reiseveranstalters, den Reisenden über Pass- und Visumerfordernisse zu informieren, bezieht sich gemäß § 5 Nr. 1 BGB-InfoV nur auf die Erfordernisse für Angehörige des Staates, in dem die Reise angeboten wird. Folglich ist der Reiseveranstalter nicht verpflichtet, einen Reisenden, der nicht die Staatsangehörigkeit des Angebotslandes besitzt, über die Einreisebestimmungen des Reiseziels aufzuklären.

Es liege nicht im Verantwortungsbereich des Veranstalters, sich über die Nationalität des Auftraggebers zu informieren und diesen über etwaige Visaerfordernisse in Kenntnis zu setzen.
Dem Kläger steht in der Folge kein Anspruch auf eine nachträgliche Erstattung des Reisepreises zu.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

5. Die Parteien streiten um Ersatz für eine von den Klägern bei der Beklagten gebuchte Reise nach London, die seitens der Beklagten nicht angetreten werden konnte, weil sie nicht die hierfür erforderlichen Ausweispapiere mit sich führten.

6. Der Bruder der Kläger buchte in dem Büro der … eine von der Beklagten veranstaltete Pauschalreise nach London für den Zeitraum 17.10.2008 bis 18.10.2008, die für die Kläger bestimmt gewesen ist.

7. Der Reisepreis betrug 662 Euro.

8. Der Kläger ist bosnischer Staatsangehörigkeit und benötigte für die Einreise nach Großbritannien neben einem gültigen Reisepass ein Visum, welches er am Flughafen nicht vorlegen konnte. Aufgrund des fehlenden Visums konnte eine Einreise nicht erfolgen und dem Kläger wurde am Check-In deshalb am 17.10.2008 bereits der Abflug verweigert.

9. Angesichts dieser Umstände wurde die Reise von beiden Klägern nicht angetreten.

10. Bei der Buchung der Reise am 30.09.2008 wurden die Kläger nicht darauf hingewiesen, dass ein bosnischer Staatsangehöriger für eine Einreise nach Großbritannien ein Einreisvisum benötigt.

11. Die Kläger behaupten, über etwaige besondere Einreisebestimmungen für den Kläger sei bei der Buchung überhaupt nicht gesprochen worden.

12. Sie sind der Auffassung, die Beklagte hätte auf besondere Einreisebestimmungen oder zumindest auf den Umstand, dass solche bestehen könnten, hinweisen müssen.

13. Nach vorangegangenem Mahnverfahren beantragten die Kläger mit der am 08.05.2009 zugestellten Anspruchsbegründung

14. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 662 Euro neben Zinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 05.11.2008 nebst weiteren 147,56 Euro neben Zinsen in gesetzlicher Höhe seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

15. Die Beklagte beantragte Klagabweisung.

16. Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Kläger, da die Reise durch den Bruder der Kläger gebucht worden ist.

17. Die Beklagte behauptet, die Pass- und Einreisebestimmungen seien zumindest problematisiert worden, was sich aus von dem Bruder der Kläger unterschriebenen Buchung ergebe.

18. Sie ist der Auffassung, dass sie zu einem Hinweis auf etwaige Einreisebestimmungen nicht verpflichtet gewesen ist, da eine solche Pflicht nur bezüglich deutschen Staatangehörigen besteht.

19. Beweis wurde nicht erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

20. Die zulässige Klage ist unbegründet.

21. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Minderung und Rückerstattung des Reisepreises aus § 651 d BGB. Denn die von der Beklagten veranstaltete Reise war nicht mangelhaft im Sinne von § 651 c BGB.

22. Eine Aufklärungs- und Informationspflicht des Reiseveranstalters über Einreisebestimmungen ist in Übereinstimmung mit Rechtsprechung und Schrifttum grundsätzlich zu bejahen.

23. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Literatur und Rechtsprechung gilt diese Verpflichtung zur Unterrichtung über Pass- und Visumserfordernisse gemäß § 5 Ziff. 1 BGB-InfoV jedoch nur für Angehörige des Mitgliedstaates, in dem diese Reise angeboten wird (vgl. Führich, Reiserecht, [5. Aufl.], Rn. 663 m. w. N.). Das heißt in diesem Falle nur für Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Der Kläger ist jedoch bosnischer Staatsangehörigkeit, weshalb eine Hinweispflicht in Bezug auf die für ihn geltenden Einreisbestimmungen im Ergebnis zu verneinen ist.

24. Während der Reisende, der die Staatsangehörigkeit des Angebotslandes besitzt, auf die Sachkunde und die Detailkenntnisse des dort tätigen Reiseveranstalters vertrauen darf, gilt dies nicht ohne weiteres für den nicht dazu gehörenden Personenkreis. Dies wäre eine Überspannung der Anforderungen, angesichts der Fülle von Einreise- und Visumbestimmungen sämtlicher Länder und deren wechselseitigen Beziehungen untereinander. Dazu kämen dann möglicherweise noch rechtliche Probleme hinsichtlich der Staatsangehörigkeit bzw. des Status der betreffenden Person. Deshalb kann ein ausländischer Reisender nicht ohne weiteres erwarten, dass ein deutscher Veranstalter mit sämtlichen Pass- und Visumbestimmungen ausländischer Staaten gegenüber jedweder anderen Nation vertraut ist. Der Reiseveranstalter wird seinerseits im Regelfall auch kein Risiko für die Mitteilung spezieller Einreisehindernisse gegenüber Ausländern, deren Kenntnis von ihm nicht erwartet werden kann, übernehmen wollen, was für einen ausländischen Reisenden auch klar ersichtlich ist. Ein Reiseveranstalter ist demnach nicht verpflichtet, einen Kunden, der nicht die Staatsangehörigkeit des Angebotslandes besitzt, über die Einreisebestimmungen des Reiseziels aufzuklären.

25. Unabhängig davon, dass der klägerische Vortrag, dass überhaupt nicht über Visum – und Einreisebestimmungen gesprochen sein soll zweifelhaft erscheint, da bei der Buchung von dem die Buchung ausführenden Bruder des Klägers eine eigens hierfür vorgesehene Erklärung unterschrieben wurde, worin dieser bestätigt hat, über Pass- und Visumbestimmungen informiert worden zu sein (AS 31), kommt es hierauf jedoch nicht an. Soweit teilweise in der Rechtsprechung nämlich die Ansicht vertreten wird, dass bei ausländischen Staatsangehörigen zumindest ein klarstellender Hinweis gegeben werden muss, dass es irgendwelche besonderen Einreisbestimmungen geben könnte, schließt sich das erkennende Gericht dieser Auffassung nicht an. Ein solcher pauschaler Hinweis ist im Ergebnis nichtssagend, denn es stellt eine allgemein bekannte Selbstverständlichkeit dar, dass es je nach Kombination von Staatsangehörigkeit des Reisenden und Zielland unterschiedliche Einreisebestimmungen geben könnte. Ein solches Wissen kann von einem durchschnittlichen Reisenden vorausgesetzt werden.

26. Darüber hinaus lässt der klägerische Vortrag vermissen, weshalb sich die Beklagte oder der Reisevermittler… als deren Erfüllungsgehilfe veranlasst gesehen haben könnte, von einer bosnischen Staatsangehörigkeit der Kläger auszugehen. Eine irgendwie geartete Hinweispflicht kann jedoch von vornherein nur bestehen, wenn dem Reiseveranstalter die bosnische Staatsangehörigkeit bekannt war oder sich zumindest hätte aufdrängen müssen.

27. Da nach alledem ein Reisemangel nicht vorgelegen hat, war die Klage vollumfänglich abzuweisen.

28. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

29. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO

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