Voraussetzungen für die Inobhutnahme von Reisegepäck
LG Frankfurt: Voraussetzungen für die Inobhutnahme von Reisegepäck
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, aufgrund von verloren gegangenen Reisegepäck. Die Klägerin möchte die an den Versicherungsnehmer ausgezahlte Summe von der Fluggesellschaft erstattet bekommen.
Das Landgericht Frankfurt wies die Klage zurück und entschied, dass das Gepäck nicht am Schalter „eingecheckt“ wurde und die Lesbarkeit der Empfangsbestätigung nicht gegeben ist.
LG Frankfurt | 3-13 O 170/06 (Aktenzeichen) |
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LG Frankfurt: | LG Frankfurt, Urt. vom 02.05.2007 |
Rechtsweg: | LG Frankfurt, Urt. v. 02.05.2007, Az: 3-13 O 170/06 |
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Leitsatz:
2. Eine Empfangsbestätigung durch das Abflugpersonal reicht nicht aus, solange sie nicht beim Gepäckaufgabeschalter der jeweiligen Fluggesellschaft aufgegeben wurde.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Der Versicherungsnehmer der Klägerin führte in seinem Handgepäck 2 Prototypen eines von ihr neu entwickelten Polizeieinsatzstocks mit. Da dies aber aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt ist, musste er dies bei der Kontrolle des Gepäcks abgeben. Er bekam dafür eine Empfangsbestätigung ausgehändigt und die Zusage diese am Zielflughafen wieder entgegenzunehmen. Am Zielflughafen waren diese Prototypen nicht mehr auffindbar. Die Klägerin zahlte daraufhin ihrem Versicherungsnehmer die volle Summe aus. Die Klägerin möchte diese ausgezahlte Summe von der Fluggesellschaft aber erstattet bekommen. Die Beklagte bestreitet den Empfang, da sie nicht am Schalter „eingecheckt“ wurden und die Lesbarkeit der Empfangsbestätigung nicht gegeben ist.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und entschied, dass der Luftfrachtführer so lange Obhut an dem Gepäck oder sonstigen Transportgut, als es sich mit seinem Willen derart in seinem Einwirkungsbereich befindet, dass er in der Lage ist, das Gepäck oder Frachtgut gegen Verlust und Beschädigung zu schützen. Die Obhut beginnt mit der Annahme des Gutes durch den Luftfrachtführer und endet erst dann, wenn er das Frachtgut abliefert oder den Gewahrsam ohne eigene Mitwirkung – beispielsweise durch staatlichen Hoheitsakt – verliert und keine tatsächlichen oder rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf das Frachtgut mehr hat.
Der Fluggast hat die Schlagstöcke jedoch nicht in die Obhut der Luftfahrtgesellschaft gelegt, sondern der Sicherheitskontrolle übergeben. Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht kein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 17 Abs. 2 bzw. Art. 18 MÜ zu.
Tenor:
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
5. Die Parteien streiten um Schadenersatz für im Zusammenhang mit einer Flugreise abhanden gekommenes Gepäck.
6. Die Klägerin ist Transportversicherungsassekuradeur der …. Sie macht gegenüber der beklagten Fluggesellschaft aus übergegangenem sowie abgetretenem Recht Schadenersatzansprüche geltend.
7. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin hat im Jahre 2005 Prototypen eines von ihr neu entwickelten Polizeieinsatzstocks („kurz – ausziehbar“) herstellen lassen. Der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin wollte diese in Wien den dortigen Behörden vorführen. Er buchte für den 24.02.2005 einen Flug mit der Beklagten von Frankfurt am Main nach Wien und zurück zum Preis von Euro 476,00. Er führte dabei im – nicht aufgegebenen – Handgepäck die beiden Prototypen des entwickelten Einsatzstocks bei sich. Nach dem Check-in am Frankfurter Flughafen wurde der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin bei der vom Flughafenbetreiber F AG durchgeführten Sicherheitskontrolle darauf hingewiesen, dass er diese beiden Stöcke nicht im Handgepäck mit sich führen dürfte. Ihm wurde angeboten, diese in Sicherheitsverwahrung zu nehmen, wobei ihm versichert wurde, dass er die zwei Stöcke in Wien sofort wieder übergeben bekommen würde.
8. Dem Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin wurde eine „Empfangsbescheinigung über in Verwahrung genommene Gegenstände“ der F AG vom 24.02.2005 ausgehändigt (Anlage K 1, Bl. 42 d. A., und Anlage K 7, Bl. 56 d. A.). Darin heißt es vorgedruckt:
9. Auf Grund bestehender Sicherheitsmaßnahmen wurden Ihnen bei der heute durchgeführten Kontrolle folgende Gegenstände abgenommen und zur Weiterleitung an die befördernde Luftverkehrsgesellschaft übergeben. Sie erhalten Ihre Gegenstände am Aussteigeflughafen von der Luftverkehrsgesellschaft zurück.
10. Im weiteren Text des Vordrucks wurde ausgefüllt, dass es sich um „2 Stöcke (Prototyp 3000 Euro/St.)“ handelte, die im Handgepäck des Reisenden gefunden wurden. Die Flugnummer, das Gate und die Abflugzeit sind passend zum Flug der Beklagten eingetragen. Schließlich ist eine „Tag-Nr. LH06/5/9“ aufgeführt. In der Rubrik „Einsatzleitung“ findet sich eine unleserliche Unterschrift. Der vorgedruckte Text in der letzten Spalte des Vordrucks lautet:
11. LVG: Gegenstand empfangen (Name leserlich, Unterschrift)
12. Ausgefüllt ist diese Spalte mit den handschriftlichen Druckbuchstaben „I“ und einer unleserlichen Unterschrift, in der sich ein „ü“ befinden könnte. Auf das Schriftbild in der Anlage K 7 (Bl. 56 d. A.) wird Bezug genommen.
13. Nach Ankunft in Wien wurden dem Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin die Polizeistücke nicht ausgehändigt; sie blieben verschwunden.
14. Die Transportversicherer haben die Herstellungskosten von je Euro 3.000,00 für die Stöcke ersetzt.
15. Die Klägerin hat der F AG, Frankfurt Airport Services Worldwide, vertreten durch den Vorstand, Flughafenstraße, 60528 Frankfurt am Main, (Verf.-Bev.: Rechtsanwältin M., Frankfurt) mit Schriftsatz vom 21.11.2006 (Bl. 3 d. A.), zugestellt am 05.12.2006 (ZU Bl. 36 d. A.) den Streit verkündet. Die Streitverkündete hat einen Schriftsatz zu den Akten eingereicht, den Beitritt aber abgelehnt.
16. Die Klägerin trägt vor, die Beklagte hafte nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast ohne Haftungsbeschränkung für den unaufgeklärten Verlust des Reisegepäcks des Geschäftsführers der Versicherungsnehmerin. Nach Angaben der Streitverkündeten würden von dieser nach wie vor im Rahmen der Sicherheitskontrollen in Abstimmung mit den befördernden Luftverkehrsgesellschaften den Fluggästen abgenommene Gegenstände entgegengenommen und dann an die Luftverkehrsgesellschaft weitergeleitet.
18. die Beklagte zu verurteilen, an sie Euro 6.476,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2006 zu zahlen.
19. Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen LGs und beantragt hilfsweise,
21. Sie trägt zur Zuständigkeitsrüge und zum Anspruch vor, ein Luftbeförderungsvertrag über die verlustigen Schlagstöcke sei nicht zustande gekommen. Die Stöcke seien nicht am Schalter der Beklagten „eingecheckt“ und damit zum aufgegebenen Gepäck oder zum Handgepäck gemacht worden. Der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin wäre sonst darauf hingewiesen worden, dass diese Stöcke nicht per Handgepäck transportfähig waren Die verschwundenen Polizeistöcke seien niemals in ihre – der Beklagten – Obhut gelangt oder ihr zum Transport übergeben worden. Sie – die Beklagte – hätte die erwähnte „Empfangsbescheinigung“ weder unterschrieben noch erhalten.
22. Da sie – die Beklagte – ihre Flüge durch eigenes Personal selbst abfertigte und auch an jenem Tage abgefertigt habe, könne von der Klägerin auch nicht oder allenfalls bedeutungslos behauptet werden, dass die Schlagstöcke einem Mitarbeiter etwa der Lufthansa übergeben worden seien. Vielmehr sei vollkommen ungeklärt, welcher Mitarbeiter oder Sicherheitsbedienstete der Streitverkündeten die Stöcke zwischen der Wegnahme und der angeblichen Übergabe in Gewahrsam gehabt habe.
Entscheidungsgründe:
23. Die Klage ist zulässig, insbesondere vor dem zuständigen Gericht erhoben.
24. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus Art. 33 Nr. 1 Montrealer Übereinkommen (MÜ). Bei einem Hin- und Rückflug stellt der Abflugort zugleich den Bestimmungsort i.S.v. Art. 33 Nr. 1 MÜ dar ( Reuschle , Montrealer Übereinkommen, Art. 33 Rn. 26). Beim Flug Frankfurt – Wien – Frankfurt ist deshalb Frankfurt der zuständige Gerichtsstand. Soweit geltend gemacht wird, dass hinsichtlich der verlustigen Schlagstöcke kein Luftbeförderungsvertrag zustande gekommen sei und deshalb Art. 33 Nr. 1 MÜ nicht zur Anwendung gelange, verkennt diese Argumentation, dass es sich hierbei um eine doppeltrelevante Tatsache handelt, deren Prüfung der Begründetheit der Klage vorbehalten ist. Für die Frage der Zuständigkeit reicht aus, dass nach dem Vortrag der Klägerin ein solcher Vertrag zustandegekommen ist.
25. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat nicht dartun können, dass die beiden Einsatzstöcke in die Obhut der Beklagten als Luftverkehrsgesellschaft gelangt sind.
26. Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht kein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 17 Abs. 2 bzw. Art. 18 MÜ zu. Zwar bestand zwischen der B Gesellschaft für Sicherheit m.b.H. und der Beklagten ein Beförderungsvertrag. Bei den verloren gegangenen Schlagstöcken handelt es sich auch um Reisegepäck i.S.v. Art. 17 Abs. 2 MÜ. Die beiden Einsatzstöcke sollten im Flugzeug des Reisenden zur Entgegennahme am Bestimmungsort mitgeführt werden; sie sollten zusammen mit dem Reisenden in Wien ankommen.
27. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich jedoch nicht, dass die Schlagstöcke als Reisegepäck aufgegeben worden sind (Art. 17 Abs. 2 S. 1 MÜ). Dies ist dann der Fall, wenn das Reisegepäck in die Obhut des Luftfrachtführers gegeben wurde. Hierfür bedarf es der Entgegennahme der Sachen durch den Luftfrachtführer beim Check-in oder sonst vor dem Einstieg ( Reuschle , a.a.O., Art. 17 Rn. 35).
28. Der Begriff der Obhut ist dabei nicht vollständig mit Gewahrsam oder Besitz gleichzusetzen.
29. Nach der Rechtsprechung hat der Luftfrachtführer so lange Obhut an dem Gepäck oder sonstigen Transportgut, als es sich mit seinem Willen derart in seinem Einwirkungsbereich befindet, dass er in der Lage ist, das Gepäck oder Frachtgut gegen Verlust und Beschädigung zu schützen. Dazu ist körperlicher Gewahrsam durch den Luftfrachtführer nicht zwingend erforderlich. Es genügt, dass der Luftfrachtführer auf die Behandlung des Transportgutes Einfluss nehmen kann. Dafür reicht es aus, wenn die obhutsbegründende Einwirkungsmöglichkeit durch das rechtliche Band etwa einer Vertragsbeziehung vermittelt wird. Die Obhut beginnt mit Annahme des Gutes durch den Luftfrachtführer und endet erst dann, wenn er das Frachtgut abliefert oder den Gewahrsam ohne eigene Mitwirkung – beispielsweise durch staatlichen Hoheitsakt – verliert und keine tatsächlichen oder rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf das Frachtgut mehr hat (zum Ganzen BGH , Urteil vom 21.09.2000 – I ZR 135/98, veröffentlicht z. B. in BGHZ 145, 170 (183) = NJW-RR 2001, 396 = NZV 2001, 256; OLG Köln , Urteil vom 02.12.2003 – 24 U 52/03, veröffentlicht z. B. in NJOZ 2005, 4288). Da eine körperliche Inbesitznahme der Sachen durch den Luftfrachtführer nicht erforderlich ist soll auch eine Willenseinigung genügen ( BGH , Urteil vom 27.10.1978 – I ZR 114/76, veröffentlicht z. B. in VersR 1979, 83; Reuschle , a.a.O., Art. 17 Rn. 42).
Maßgebliche Kriterien sind also der Wille des Luftfrachtführers, Obhut auszuüben, und seine tatsächliche und rechtliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache in seiner Obhut. Daran fehlt es vorliegend auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin.
30. Der Fluggast … übergab die zwei Schlagstöcke Mitarbeitern des Betreibers des Frankfurter Flughafens, der Streitverkündeten, gegen Quittung, nachdem diese ihn bei der Sicherheitskontrolle auf die Unzulässigkeit der Mitnahme im Handgepäck aufmerksam gemacht hatten. Hieb- und Stoßwaffen, die zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken verwendet werden können, dürfen in Luftfahrzeugen weder im Handgepäck noch am Reisenden mitgeführt werden (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 Luftsicherheitsgesetz – LuftSiG).
31. Unklar aber ist der weitere Verbleib der Schlagstöcke. Die Klägerin behauptet auf der Grundlage von Informationen wohl von der Streitverkündeten, die Stöcke seien einem Mitarbeiter namens „I“ der Beklagten übergeben worden. Diese dagegen behauptet, niemanden mit diesem Namen zu beschäftigen. Sie hat im Gegenteil vage angedeutet, vielleicht wollte die Klägerin behaupten, besagter Herr „…“ sei bei der Lufthansa AG beschäftigt.
32. Bei dieser Sachlage kann die Kammer allein aus der Quittung und der Unterschrift des Herrn „…“ nicht darauf schließen, dass die Schlagstöcke mit dem Willen der Beklagten in deren Obhut gelangt sind.
33. Die Entgegennahme der Schlagstöcke durch die Mitarbeiter der Streitverkündeten ist hierfür grundsätzlich nicht ausreichend, weil es sich bei ihnen nicht um die Luftverkehrsgesellschaft handelt.
34. Die Mitarbeiter des Frankfurter Flughafens sind der Beklagten nicht nach Art. 17 Abs. 2 S. 1 MÜ als „Leute“ des Luftfrachtführers zuzurechnen. Lediglich die Verschuldenshaftung des Art. 17 Abs. 2 S. 3 MÜ sieht ein Einstehenmüssen des Luftfrachtführers für seine Leute hinsichtlich nicht aufgegebenem Reisegepäck vor. Die hier in Frage stehende Gewährhaftung des Art. 17 Abs. 2 S. 1 MÜ für aufgegebenes Reisegepäck kennt hingegen keine Zurechnung für eigene Leute. Diese bestimmt sich vielmehr nach dem Obhutsbegriff.
35. Hiernach käme eine Haftung der Beklagten nur in Betracht, wenn die Obhut ausnahmsweise bereits infolge der Entgegennahme der Schlagstöcke durch die Mitarbeiter der Streitverkündeten begonnen hätte. Das aber ist nicht der Fall, denn diese sind nicht als „Leute“ der Beklagten zu qualifizieren.
36. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 21.09.2000 – I ZR 135/98, veröffentlicht z. B. in BGHZ 145, 170 = NJW-RR 2001, 396, 398 = NZV 2001, 255 f.) sind unter „Leuten“ alle Personen zu verstehen, deren sich der Luftfrachtführer zur Ausführung der ihm aufgetragenen Luftbeförderung arbeitsteilig bedient. Hierbei ist im Sinne einer vertragsautonomen Auslegung der internationalen Tendenz Rechnung zu tragen, den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift großzügig zu umschreiben (MünchKommHGB/ Kronke , WA Art. 20 Rdn. 33). In der Sache entspricht der „Leute“-Begriff weitgehend der dem deutschen Rechtskreis geläufigen Rechtsstellung des Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB. Auch dort beruht der eigentliche Grund für die Zurechnung der fremden Handlung darauf, dass der Erfüllungsgehilfe objektiv auf Veranlassung des Schuldners eine Aufgabe übernimmt, deren Erfüllung im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt. Deshalb wird die Eigenschaft, als Erfüllungsgehilfe tätig zu werden, auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Erfüllungsgehilfe keinen Weisungen des Schuldners unterliegt. Unerheblich ist auch, dass der mit Willen des Schuldners in dessen Geschäftskreis eintretende Erfüllungsgehilfe hinsichtlich der von ihm erbrachten Leistung eine Monopolstellung innehat. Auch auf eine intensive Weisungsbefugnis kommt es nicht an. Andernfalls würde die Entlastungsmöglichkeit zu Gunsten des Luftfrachtführers in einem grundsätzlich noch der Luftbeförderung zuzurechnenden Bereich zum Nachteil des Geschädigten, der insoweit keinen Einblick und auch keine Einflussmöglichkeiten hat, in einer Weise eingeengt, die mit dem Zweck der strengen Obhutshaftung nicht mehr vereinbar wäre. Die Erweiterung des Obhutszeitraums ist dadurch gerechtfertigt, dass es der Luftfrachtführer in aller Regel in der Hand hat, das Frachtgut auch in diesem Zeitraum durch geeignete Maßnahmen vor Verlust und Beschädigung zu schützen. Demgegenüber ist der Absender mit den Verhältnissen auf den Flughäfen regelmäßig nicht vertraut und kann auf Entladung, Verwahrung und Weiterleitung an den Empfänger keinen Einfluss nehmen. Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass auch die Einwirkungsmöglichkeiten der Luftfrachtführer auf die Bodenverkehrsdienste der einzelnen Flughäfen unterschiedlich sein können und bei Monopolunternehmen wesentlich erschwert sind. Entscheidend muss indessen sein, ob der Dritte dem Luftfrachtführer gegenüber zum Schutze des Gutes und zur Herausgabe verpflichtet ist.
37. Die für diese Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien werden vorliegend nach dem Vortrag der Klägerin nicht erfüllt. Die Zurechnung des Verhaltens Dritter beruht darauf, dass der Luftfrachtführer diese willentlich eingeschaltet hat, um das zu tun, was seine Aufgabe ist, und dass der Geschädigte selbst keinen Einblick in diese Sphäre hat.
38. Dass die Beklagte die Mitarbeiter der Sicherheitskontrolle in den Diensten der Streitverkündeten willentlich, zur Annahme von – als unzulässig entdecktem – Reisegepäck einschaltet, kann dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden. Außerdem weiß der Reisende, bei dem an der Sicherheitskontrolle Gepäckstücke gefunden wurden, deren Mitnahme nicht zulässig ist, dass er diese nicht seiner Luftverkehrsgesellschaft übergibt. Insoweit hat er einen Wissensvorsprung vor dieser, die davon ja gerade keine Kenntnis hat.
39. „Leute“ der Luftverkehrsgesellschaft können zwar auch Personen sein, die nicht in einem Dienstverhältnis zum Luftfrachtführer stehen, so selbstständige Unternehmer, denen der Luftfrachtführer eine Funktion bei der Ausführung des Beförderungsvertrags überträgt, jedoch nicht das hoheitlich handelnde Personal des Flugsicherungsdienstes ( Geigel/Mühlbauer , Der Haftpflichtprozeß, 24. Auflage, 29. Kapitel: Haftung aus dem Luftverkehr, Rdnr. 65; Ebenroth/Boujong/Joost/Gass , HGB, WA 1955 Art. 20. Rdnr. 13; Giemulla, Schmid , Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr – Aufgaben und Haftung der am Luftverkehr Beteiligten, NZV 1989, 416).
40. Die Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen in Flughäfen, zu denen die Durchsuchungen von Fluggästen zählt, obliegt der Luftsicherheitsbehörde als hoheitliche Aufgabe, die diese dazu geeigneten Personen als Beliehenen übertragen kann (§ 5 Abs. 5 LuftSiG). Sie gehört damit nicht in den Aufgabenbereich der Luftverkehrsgesellschaft.
41. Auf die von der Klägerin zur Begründung der Klage herangezogenen Grundsätze der sekundären Darlegungslast kommt es deshalb nicht an, denn diese setzen voraus, dass der Obhutszeitraum begonnen hat. Das aber ist vorliegend gerade nicht der Fall.
42. Da die Streitverkündete ausdrücklich den Beitritt abgelehnt hat, wurde der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf sie fortgesetzt (§ 74 Abs. 2 ZPO). Für die Kammer bestand deshalb schon nicht die Möglichkeit, auf den Kostenantrag der Streitverkündeten einzugehen, und zwar auch nicht unter dem Aspekt der unzulässigen Streitverkündung. Wenn der Streitverkündete nicht beitritt, prüft das Gericht die prozessualen Voraussetzungen einer Streitverkündung erst im Prozess zwischen dem Verkünder und dem Verkündungsgegner Zöller/Vollkommer , ZPO, 26. Aufl., § 73 Rdnr. 1; Baumbach/Lauterbach/Hartmann , ZPO, 65. Aufl., § 72 Rdnr. 8, jeweils mwN).
43. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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