Anforderungen an eine ordentliche Nachricht über Flugannullierung

AG Frankfurt: Anforderungen an eine ordentliche Nachricht über Flugannullierung

Der Kläger verklagt die Beklagte auf Erstattung der entstandenen Mehrkosten durch eine Flugannullierung.  Dem Kläger wurde die Annullierung nur durch eine Sprachnachricht auf dem Handy übermittelt, welche den Kläger aber nicht erreichte.

Das Amtsgericht Frankfurt gab der Klage statt und die Beklagte musste für die Mehrkosten aufkommen.

AG Frankfurt 32 C 1788/06 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 09.10.2006
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 09.10.2006, Az: 32 C 1788/06
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 09.10.2006

Aktenzeichen: 32 C 1788/06

Leitsatz:

2. Eine ordentliche Nachricht über eine Fluganullierung kann nur persönlich oder schriftlich erfolgen.

Zusammenfassung:

3. m vorliegenden Fall buchte der Kläger eine Reise in die USA für 3 Personen bei der Beklagten.  Die Beklagte meldete sich telefonisch mehr als 14 Tage vor dem Abflug bei der Lebensgefährtin des Klägers. Da der Beklagte die Lebensgefährtin nicht persönlich erreichen konnte, hinterließ er auf der Voice Box eine Nachricht.

Diese Nachricht erreichte den Kläger aber nicht und er stand pünktlich für den Rückflug am Flughafen bereit, als ihm am Schalter mitgeteilt wurde dass dieser Flug annulliert wurde. Der Kläger verklagt den Beklagten auf Erstattung der dadurch resultierenden Mehrkosten die eine weitere Übernachtung und Verpflegung mit sich bringt.

Das Gericht sah die Klage begründet an, da eine ordentliche Nachricht vom Beklagten an den Kläger über die Annullierung nicht erfolgte. Eine Sprachmitteilung über die Voice Box reicht hierfür nicht aus.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.825,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.12.2005 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe 120,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 120,33 Euro seit dem 23.6.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte am 19.7.2005 bei der Beklagten für sich, seine Lebensgefährtin und ihren gemeinsamen Sohn eine Flugreise von Hamburg über Paris nach Miami und zurück. Der Hinflug sollte am 20.10.2005 und der Rückflug am 4.11.2005 erfolgen. Im August 2005 wurde der auf den 4.11.2005 gebuchte Rückflug annulliert. Der Kläger und seine Familie wurden auf den Folgetag, den 5.11.2005 umgebucht. Über die bei der Buchung angegebene Mobiltelefonnummer der Lebensgefährtin des Klägers haben Mitarbeiter der Beklagten versucht, die entsprechende Information über die Streichung des gebuchten Fluges weiterzugeben und zu diesem Zwecke auf der ihnen bekannten Mobiltelefonnummer angerufen. Der Ausdruck der Beklagten „Hystory der Flüge vom 23.6.2006“ enthält unter Zeile 19 den Hinweis:

„… VOICE MAIL 23 AUG …“. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Hystory der Flüge vom 23.6.2006 (Bl. 48 bis 50 d. A.) verwiesen. Die Formulierung „VOICE MAIL“ bedeutet eine mündliche Nachricht. Der Kläger und seine Lebensgefährtin hatten keine Kenntnis von der Flugannullierung, so dass sie am 4.11.2005 pünktlich zum Check In für den Rückflug auf dem Flughafen in Miami erschienen. Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass der Flug annulliert worden ist. Der Kläger und seine Familie wurden für eine Nacht im Hotel untergebracht. Sie bekamen einen Bon für das Abendessen in Höhe von 20,– US-Dollar und für das Frühstück in Höhe von 16,– US-Dollar. Wegen des späten Eincheckens im Hotel gab es dort nur noch den Zimmerservice, für den der Kläger 25,– Euro geltend macht. Wegen der Flugverlegung um einen Tag konnte sich der Kläger nicht wie ursprünglich geplant von einem Kollegen vom Flughafen in H abholen lassen, sondern wendete Taxikosten in Höhe von 25,– Euro auf.

6. Die Lebensgefährtin und der minderjährige Sohn des Klägers haben ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten. Mit Schreiben vom 14.11.2005 forderte der Kläger die Beklagte ergebnislos zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.800,00 Euro sowie eines Schadensersatzes in Höhe von 17 US-Dollar sowie 25,00 Euro Taxigeld auf. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 14.11.2005 (Bl. 8 bis 10 d. A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 3.12.2005 mahnte der Kläger die Zahlung und Fristsetzung zum 9.12.2005 ergebnislos an. Mit Schreiben vom 18.1.2005 wies die Beklagte die Ansprüche zurück und wies darauf hin, dass dem Kläger am 23.8.2005 um 19.41 Uhr eine Nachricht über die Umbuchung auf der Mailbox hinterlassen worden sei. Die von den Mitarbeitern der Beklagten angewählte Handynummer der Lebensgefährtin der Klägerin hat keine Mailbox geschaltet.

7. Dem Kläger sind schließlich vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten entstanden, wobei er mit der Klage nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,33 Euro geltend macht. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Kostenrechnung vom 11.5.2006 (Bl. 17 d. A.) verwiesen.

8. Der Kläger behauptet, eine Rückrufnummer habe seine Lebensgefährtin auf ihrem Handy per SMS nie erhalten. Er ist der Ansicht, im stehe ein Anspruch aus der EG-Verordnung Nummer 261/2004 in Höhe von 600,00 Euro pro Person zu.

9. Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.850,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.12.2005 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Kosten in Höhe von 120,33 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10. Die Beklagte beantragt,

11. die Klage abzuweisen.

12. Sie behauptet, ein Mitarbeiter ihres Reservierungszentrums habe am 23.8.2006 über die bekannte Mobiltelefonnummer mitgeteilt, dass der Flug gestrichen worden sei. Sollte der Kläger oder seine Lebensgefährtin den Anruf nicht persönlich entgegengenommen haben, wäre er ihnen per SMS übermittel worden. Sie hätten auch die Nachricht hinterlassen, dass ein Rückruf erfolgen solle.

13. Die Klageschrift wurde der Beklagten am 23.6.2006 zugestellt.

Entscheidungsgründe:

14. Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

15. Der Kläger hat zunächst einen Ausgleichsanspruch für drei Personen in Höhe von insgesamt 1.800,00 Euro gemäß Art. 5 Abs. 1 c i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c der EG-Verordnung Nummer 261/2004. Unstreitig wurde der gebuchte Rückflug annulliert. Dass die Beklagte den Kläger über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet hätte, so dass der Ausgleichsanspruch ausgeschlossen wäre (Art. 5 Abs. 1 i der EG-Verordnung), vermochte die Beklagte nicht substantiiert darzulegen. Unstreitig ist insoweit lediglich, dass ihre Mitarbeiter am 23.8.2005 die Mobiltelefonnummer der Lebensgefährtin des Klägers anriefen. Es hätte der Beklagten oblegen darzulegen, dass eine Mitteilung über die Annullierung des Fluges so in den Bereich des Klägers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Dies ist nicht erfolgt. Die Beklagte trägt nicht substantiiert vor, ob und gegebenenfalls auf welche Weise und mit welchem Inhalt eine Nachricht auf dem Mobiltelefon hinterlassen worden sein soll. In ihrem vorgerichtlichem Schreiben vom 18.1.2005 teilte sie zunächst mit, dass eine Nachricht über die Umbuchung auf der Mailbox hinterlassen worden sei. Nunmehr lässt sie unbestritten, dass eine Mailbox nicht geschaltet ist und trägt vor, wenn der Kläger oder seine Lebensgefährtin den Anruf nicht entgegengenommen haben sollten, wäre ihnen der Anruf per SMS übermittelt worden, wobei sie darauf hinweist, dass „VOICE MAIL“ eine mündliche Nachricht bedeutet. Die Versendung einer schriftlichen SMS wird von der Beklagten also nicht behauptet. Auf welche Weise sie also die Nachricht über die Annullierung dem Kläger über das Mobiltelefon seiner Lebensgefährtin hat zukommen lassen, bleibt nach dem Beklagtenvortrag unklar. Sofern auf dem Mobiltelefon lediglich die Mitteilung eines nicht entgegengenommenen Anrufes erkennbar gewesen sein sollte, auf den der Kläger dann im Falle der Angabe der Telefonnummer des Anrufers hätte zurückrufen können, würde dies nicht ausreichen, um den Kläger über die Flugannullierung zu unterrichten.

16. Neben dem Ausgleichsanspruch steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen der Nichtbeförderung in Höhe der aufgewendeten 25,00 Euro Taxikosten zu. Soweit er weitere 25,00 Euro Schadensersatz geltend macht, fehlt es hierzu an einem substantiierten Vortrag. In der Klageschrift gibt er zum einen Zusatzkosten für den Zimmerservice in Höhe von 25 US-Dollar an, zum anderen spricht von er Verpflegungskosten in Höhe von 5 US-Dollar pro Person sowie 3,5 US-Dollar Zimmerservicegebühr, so dass die Angaben hierzu unklar sind.

17. Als Schadensersatz kann der Kläger zudem nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,33 Euro ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 1.825,00 Euro geltend machen (0,65 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale sowie Mehrwertsteuer).

18. Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug (§§ 286, 288 BGB).

19. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

20. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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