Voraussetzungen des Mitverschuldens beim Schaden

BGH: Voraussetzungen des Mitverschuldens beim Schaden

Der Kläger klagt gegen einen im Telekommunikationsbereich Tätigen auf Ersatz für einen in seiner Aalaufzuchtanlage eingetretenen Schaden. Deshalb verlangt der Kläger Schadensersatz für die Schlechterfüllung der Leistung.

Das Landgericht Oldenburg verurteilte die Beklagte daraufhin zu 124.977,29 Euro nebst Zinsen.
Dagegen legte die Beklagte erfolgreich Berufung beim Oberlandesgericht Oldenburg ein. Dieses verurteilte die Beklagte zu 52.840,74 Euro.
Daraufhin ging der Kläger in Revision beim BGH.

Der BGH entschied, dass das Urteil des Landgerichts wieder herzustellen sei. Ein 50%iges Mitverschulden des Klägers sei nicht gegeben.

BGH X ZR 46/04 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 14.03.2006
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 14.03.2006, Az: X ZR 46/04
OLG Oldenburg, Urt. v. 01.03.2004, Az: 11 U 78/03
LG Oldenburg, Urt. v. 04.08.2003, Az: 4 O 3317/99
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Bundesgerichtshof

1. Urteil vom 14.03.2006
Aktenzeichen X ZR 46/04

Leitsatz:

2. Die Voraussetzungen eines Mitverschuldens des Klägers bei der Schadensentstehung.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger klagt gegen einen im Telekommunikationsbereich Tätigen auf Ersatz für einen in seiner Aalaufzuchtanlage eingetretenen Schaden, der entstand, weil das vom Beklagten hergestellte und reparierte Telefon einen Alarm nicht auslösen konnte.
Deshalb verlangt der Kläger Schadensersatz für die Schlechterfüllung der Leistung.

Das Landgericht Oldenburg verurteilte die Beklagte daraufhin zu 124.977,29 Euro nebst Zinsen.
Dagegen legte die Beklagte erfolgreich Berufung beim Oberlandesgericht Oldenburg ein. Dieses verurteilte die Beklagte zu 52.840,74 Euro. Es begründet seine Entscheidung mit einem 50%igen Mitverschulden des Klägers.
Daraufhin ging der Kläger in Revision beim BGH.

Der BGH entschied, dass das Urteil des Landgerichts wieder herzustellen sei. Ein 50%iges Mitverschulden des Klägers sei nicht gegeben. Als Begründung führte der BGH an, dass das Berufungsgericht die in ständiger Rechtsprechung vom BGH anerkannte Lehre von der Haftungsbeschränkung durch den Zurechnungszusammenhang und hier insbesondere durch den Schutzzweck der Norm nicht beachtet hat. Diese Lehre besagt, dass die adäquate Zurechnung eines Schadens unter dem Vorbehalt eines haftungserweiternden oder -begrenzenden besonderen Zwecks der Haftungsnorm oder des der Haftung zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses steht

Tenor:

4. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 1. März 2004 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 4. August 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 105.681,48 Euro nebst 6,65 % Zinsen aus 104.292,16 Euro seit dem 06.12.1999 und aus weiteren 1.389,32 Euro seit dem 31.05.2001 verurteilt worden ist. Hinsichtlich der Mehrforderung wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Anschlussrevision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen der Kläger 31 % und die Beklagte 69 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die bis zum 13. März 2006 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Kläger zu 15 % und der Beklagten zu 85 % auferlegt. Die danach entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand

5. Der Kläger verlangt von der im Telekommunikationsbereich tätigen Beklagten Ersatz für einen in seiner Aalaufzuchtanlage eingetretenen Schaden, der darauf zurückzuführen ist, dass das von der Beklagten hergestellte und reparierte Telefonwahlgerät einen ausgelösten Alarm nicht über das Telefonnetz absetzen konnte.

6. Der Kläger betreibt die Aufzucht von Speiseaalen und von Aalsetzlingen für Naturgewässer. Um sicherzustellen, dass bei Störungen der computergestützten Steuerung der Wasserbelüftung und -reinigung in den verschiedenen Becken außerhalb der Arbeitszeit automatisch eine telefonische Meldung an den zuständigen Mitarbeiter erfolgen würde, erwarb er 1997 bei einem Fachhändler das von der Beklagten hergestellte Fernwirkmodem FWM 1 (im Folgenden: FWM). Am 31. Mai 1999 leuchtete an dem FWM die als „CPU-Fehler“ bezeichnete Warnlampe auf, zu der es in der Bedienungsanleitung heißt: „Durch ein Aufleuchten dieser LED wird ein Hardwarefehler an dem Gerät angezeigt.“ Der zuständige Mitarbeiter des Klägers fragte daraufhin beim Geschäftsführer der Beklagten an, ob ein Blitzschlag bei einem vorangegangenen Gewitter eine Hardwarestörung verursacht haben könne. Der Geschäftsführer der Beklagten antwortete, grundsätzlich könne ein Blitzschlag ein Aufleuchten der Warnlampe verursachen; er müsse sich das Gerät aber ansehen. Der Kläger ließ das Gerät daraufhin bei der Beklagten reparieren. Bei dieser Reparatur baute die Beklagte ein Blitzschutzmodul ein, ohne dies dem Kläger mitzuteilen. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts, die das Berufungsgericht übernommen hat, erfüllt dieses Blitzschutzmodul seine Aufgabe, indem es im Falle einer Überspannung zerstört wird. Dadurch wird das FWM vor einer Beschädigung geschützt; seine CPU-Leuchte zeigt in diesem Zusammenhang keinen Hardwarefehler an. Da die Beklagte das Blitzschutzmodul in die vom FWM ausgehende Telefonleitung eingebaut hatte, wurde im Falle seiner Zerstörung auch die Telefonverbindung unterbrochen, so dass eine Alarmmeldung nicht telefonisch weitergegeben werden konnte. Für diesen Umstand war keine Anzeige vorgesehen.

7. Nach den Feststellungen von Landgericht und Berufungsgericht kam es in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 1999 zu einem erneuten Vorfall, bei dem das Blitzschutzmodul infolge eines Blitzschlags zerstört und dadurch die Telefonverbindung des FWM unterbrochen wurde. Kurz danach, in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 1999, ereignete sich in der Aalfarm ein Störfall. Infolge der Unterbrechung der Leitung gab das FWM den von der Computerüberwachungsanlage ausgelösten Alarm nicht über das Telefonnetz an den zuständigen Mitarbeiter des Klägers weiter. Die Störung wurde daher erst bei Betriebsbeginn am darauf folgenden Morgen entdeckt, als der mit der Klage geltend gemachte Schaden schon entstanden war.

8. Das Landgericht hat der Klage wegen Schlechterfüllung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Werkvertrags über die Reparatur im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 124.977,29 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Beklagte habe es versäumt, den Kläger auf den Einbau des Blitzschutzmoduls und die Gefahr hinzuweisen, dass dieses durch eine Überspannung zerstört und dadurch die Telefonverbindung unterbrochen werden könne. Diese Pflichtverletzung sei für den Schaden des Klägers kausal gewesen. Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat dem Kläger nur 52.840,74 Euro zugesprochen. Es hat den Schaden niedriger angesetzt als das Landgericht und außerdem, anders als dieses, ein 50 %iges Mitverschulden des Klägers angenommen. Gegen letzteren Punkt richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers; seine weitergehende Revision hat der Kläger vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Die Beklagte hat Anschlussrevision eingelegt und beantragt, die Klage ganz abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9. Die Revision hat Erfolg. Die Anschlussrevision ist hingegen unbegründet.

10. A. Die Revision, mit der der Kläger den vom Berufungsgericht wegen Mitverschuldens abgewiesenen Teil seines Schadensersatzanspruchs weiterverfolgt, ist begründet und führt insoweit zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Dem Kläger kann kein Mitverschulden angelastet werden.

11. I. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Ansicht wie folgt begründet: Der Kläger habe nicht die ihm zur Schadensvermeidung obliegende Sorgfalt beachtet. Seine Mitarbeiter hätten lediglich morgens und abends geprüft, ob die CPU-Anzeige leuchte. Er hätte aber zum einen wegen der extremen Störungsempfindlichkeit seiner Anlage und zum anderen wegen der Funktionsweise des FWM weitere Funktionskontrollen vornehmen müssen. Die CPU-Fehler-Leuchte zeige nur einen Hardwarefehler an. Für jeden Nutzer sei jedoch erkennbar, dass das Gerät außer Hardwaredefekten auch andere Defekte haben könne. Der sich aufdrängende Fall sei ein Defekt der Leuchtdiode in der CPU-Leuchte. Außerdem könnten Störungen im Leitungs- und Verteilernetz der Deutschen Telekom AG nicht außer Betracht gelassen werden, da solche Störungen nicht, wie vom Kläger behauptet, völlig unwahrscheinlich seien. Zum anderen dränge sich das Erfordernis laufender Tests auch deshalb auf, weil das Gerät gerade zu diesem Zweck einen Testschalter besitze, mit dem ein Selbsttest des FWM ausgelöst werden könne. Deshalb hätten die Mitarbeiter zu jedem Feierabend einen Testalarm auslösen müssen.

12. II. Die Ansicht des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die in ständiger Rechtsprechung vom BGH anerkannte Lehre von der Haftungsbeschränkung durch den Zurechnungszusammenhang und hier insbesondere durch den Schutzzweck der Norm nicht beachtet hat.

13. 1. Diese Lehre besagt, dass die adäquate Zurechnung eines Schadens unter dem Vorbehalt eines haftungserweiternden oder -begrenzenden besonderen Zwecks der Haftungsnorm oder des der Haftung zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses steht (Staudinger/Schiemann, BGB (2005), § 249 Rdn. 27). Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn der geltend gemachte Schaden aus dem Bereich der Gefahren stammt, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (BGHZ 27, 137, 140 f.; 59, 175, 176; 85, 110, 113 ff.; 96, 98, 101; 107, 359, 364; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., vor § 249 Rdn. 62). Die Schadensersatzpflicht hängt zum einen davon ab, ob das übertretene Gesetz überhaupt den Schutz Einzelner bezweckt und der Verletzte gegebenenfalls zu dem geschützten Personenkreis gehört. Zum anderen muss geprüft werden, ob die Verbotsnorm das verletzte Rechtsgut schützen soll. Schließlich muß die Verbotsnorm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; der geltend gemachte Schaden muss also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen (MünchKomm./Oetker, BGB, 4. Aufl., § 249 Rdn. 117; Palandt/Heinrichs, aaO). Diese Grundsätze zum Schutzzweck der Norm sind auch bei der Prüfung eines Mitverschuldens nach § 254 BGB zu beachten (BGH, Urt. v. 21.05.1987 – III ZR 25/86, NJW 1988, 129; Beschl. v. 07.11.1989 – VI ZR 22/89, VersR 1990, 99; Urt. v. 15.11.2001 – I ZR 158/99, BGHZ 149, 337, 353.). Sie gelten daher auch bei Verletzung einer bloßen Obliegenheit.

14. 2. Im vorliegenden Fall zielt die vom Berufungsgericht angenommene Sorgfaltsanforderung, allabendlich einen Testalarm vorzunehmen, nur insoweit darauf ab, einen Schaden wie den eingetretenen zu verhindern, als es um die Art des verletzten Rechtsguts geht, nicht dagegen auch hinsichtlich der Art und Weise der Schadensentstehung. Ginge es nur um das verletzte Rechtsgut bzw. um den Schadenserfolg, so wäre ein Mitverschulden zu bejahen, da die vom Berufungsgericht postulierte Obliegenheit, gerade einen solchen Schadenserfolg – Tod bzw. Gewichtsverlust der Aale – verhindern sollte, wie er im vorliegenden Fall eingetreten ist. Dieser Schaden fällt aber deshalb nicht unter den Schutzzweck der Obliegenheit des Klägers zum Testalarm, weil die Art und Weise der Schadensentstehung eine andere war als bei denjenigen Schadensabläufen, denen der geforderte Testalarm vorbeugen sollte.

15. Das Berufungsgericht hat die Notwendigkeit eines allabendlichen Testalarms mit der Feststellung begründet, dass das FWM aus zwei Gründen die Weitergabe eines nächtlichen Störungsalarms ersichtlich nicht ausreichend sichergestellt habe. Zum einen sei nicht gewährleistet gewesen, dass eine Beschädigung des FWM durch die Warnlampe angezeigt wurde, weil die Leuchtdiode der Warnlampe defekt werden könne, und zum anderen zeige die Warnlampe keine Störungen im Leitungsnetz der Deutschen Telekom AG an. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht die nötige Sachkunde für die Feststellung besaß, dass ein Defekt der Leuchtdiode möglich und vorhersehbar sei, und auch, ob es mit seiner Forderung, dass der Kläger allein wegen der Gefahr einer defekten Leuchtdiode oder eines Verbindungsausfalls bei der Deutschen Telekom AG – der schon bei Feierabend hätte eingetreten sein und der bis zum hypothetischen späteren Störungsalarm im Betrieb des Klägers hätte fortdauern müssen – die Sorgfaltsobliegenheit des Klägers nicht überspannt hat. Denn selbst wenn man den Feststellungen des Berufungsgerichts folgt, beschränkte sich der Schutzzweck der dem Kläger auferlegten Obliegenheit auf die Abwendung von Schäden, die auf die vom Berufungsgericht befürchtete Weise hervorgerufen wurden. Bei dem vorliegenden Schadensfall spielten aber weder Schäden an der Hardware des FWM noch Störungen bei der Deutschen Telekom AG mit. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden stammt somit nicht aus dem Bereich derjenigen Gefahren, die der allabendliche Testalarm nach Ansicht des Berufungsgerichts abwenden sollte.

16. 3. Den Kläger traf auch keine Obliegenheit, den tatsächlich eingetretenen Fall, dass das Blitzschutzmodul durch einen Blitzschlag zerstört und dadurch die Verbindung zwischen dem FWM und der Telefonleitung unterbrochen werden würde, durch die Anordnung eines abendlichen Testalarms zu verhindern. Denn diesen Geschehensablauf konnte er nicht vorhersehen. Zweck eines Testalarms konnte nur sein, solchen Gefahren vorzubeugen, die vorhersehbar waren. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Charakter der Obliegenheit als eines Gebotes der eigenen Interessenwahrnehmung, die es erfordert, diejenige Sorgfalt zu beachten, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (BGHZ 135, 235, 240). Es geht also um ein „Verschulden gegen sich selbst“. Im vorliegenden Fall kommt nur Fahrlässigkeit in Betracht (§ 276 Abs. 2 BGB). Fahrlässigkeit setzt indessen Vorhersehbarkeit der Gefahr voraus, gegen die der Geschädigte Vorkehrungen treffen sollte (MünchKomm./Grundmann, § 278 Rdn. 68; Palandt/Heinrichs, § 276 Rdn. 20). Dies hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt, das auf die Erkennbarkeit der Gefahr für den Kläger und darauf, dass diese Gefahr sich ihm hätte aufdrängen müssen, abgestellt hat. Von dem Vorhandensein des Blitzschutzmoduls, über dessen Einbau die Beklagte ihn nicht aufgeklärt hatte, wusste der Kläger indessen ohne sein Verschulden nichts. Deshalb traf ihn auch keine Sorgfaltsobliegenheit zur Vermeidung eines durch die Zerstörung des Blitzschutzmoduls hervorgerufenen Schadens.

17. Ein Mitverschulden der Kläger ist daher zu verneinen.

18. I. Die Beklagte meint, der Einbau des Blitzschutzmoduls sei nicht kausal für den Schaden des Klägers. Nach ihrer Behauptung wäre es zu dem Schaden auch dann gekommen, wenn der Kläger dem Einbau des Blitzschutzmoduls widersprochen bzw. dieses wieder hätte entfernen lassen. Denn dann hätte die durch den Blitz erzeugte Überspannung das FWM ungeschützt getroffen und es beschädigt. Dieser Schaden wäre wahrscheinlich nicht durch ein Aufleuchten der CPU-Fehler-Diode angezeigt worden, da die zentrale Steuerungseinheit (CPU) lediglich ein Bauteil des Geräts sei und daher über 80 % der möglichen Schäden nicht über die CPU-Warnlampe angezeigt würden.

19. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um neuen Tatsachenvortrag handelt, der im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann (§ 559 Abs. 1 ZPO). Denn der Kausalitätsbeurteilung der Beklagten kann aus Gründen der Beweislast nicht gefolgt werden. Mit ihrer Behauptung, dass der Schaden auch dann entstanden wäre, wenn sie den Kläger ordnungsgemäß über den von ihr vorgenommenen Einbau des Blitzschutzmoduls informiert hätte, macht die Beklagte einen hypothetischen Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens geltend. Ein solcher Einwand ist grundsätzlich beachtlich. Der Schädiger trägt jedoch die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre.

20. Die Beklagte hat aber nicht einmal Beweis angetreten, und zwar weder dafür, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung seitens der Beklagten auf das Blitzschutzmodul verzichtet hätte, ohne anderweitige Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, noch dafür, dass der Blitzschlag in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 1999, wenn kein Blitzschutzmodul vorhanden gewesen wäre, das FWM beschädigt hätte, noch dafür, dass eine Beschädigung des FWM nicht von der CPU-Fehler-Diode angezeigt worden wäre. Hierfür spricht auch kein Beweis des ersten Anscheins.

21. Darüber hinaus darf dem Kläger auch nicht unterstellt werden, dass er bei Kenntnis von dem eingebauten Blitzschutzmodul und seiner Funktionsweise gleichwohl auf den allabendlichen Testalarm verzichtet und damit eine auf Vermeidung der tatsächlich eingetretenen Schadensentstehung abzielende Obliegenheit verletzt hätte. Unterstellt man mit dem Berufungsgericht, dass der Kläger Schäden, die durch einen nicht angezeigten Hardwarefehler oder durch Störungen bei der Deutschen Telekom AG entstehen, vorhersehen konnte, hätte er zwar solche Schäden wegen Nichterfüllung seiner Obliegenheit zum Testalarm zumindest teilweise selbst tragen müssen. Selbst wenn man annimmt, dass er zur Übernahme eines derartigen Risikos bereit war, rechtfertigt dies jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass er auch Schäden in Kauf genommen hätte, deren Entstehungsweise er nicht vorhersehen konnte, wie insbesondere die durch Zerstörung des Blitzschutzmoduls hervorgerufene Unterbrechung der Telefonverbindung. Denn insoweit hat er die ihm als Geschäftsherrn zustehende wirtschaftliche Risikoentscheidung gerade nicht getroffen. Ohne konkrete Anhaltspunkte – die nicht vorhanden sind – darf ihm nicht unterstellt werden, dass er diese Entscheidung, wäre er vor die Wahl gestellt worden, im Sinne einer Risikoübernahme getroffen hätte. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob der Kläger mit Hilfe der Vermutung, dass ein durch die Verletzung einer Aufklärungspflicht Betroffener sich „aufklärungsrichtig“ verhalten hätte (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urt. v. 16.11.1993 – XI ZR 214/92, BGHZ 124, 152, 159), sogar den Gegenbeweis erbracht hat. Hätte die Beklagte ihn pflichtgemäß auf das Risiko hingewiesen, dass das eingebaute Blitzschutzmodul bei Überspannung zerstört und die dadurch hervorgerufene Unterbrechung der Telefonverbindung nicht angezeigt werde, so hätte der Kläger bei aufklärungsrichtigem Verhalten zunächst gefragt, ob ein Blitzschutzmodul überhaupt nötig sei. Daraufhin hätte die Beklagte ihn darüber aufklären müssen, dass ohne Blitzschutzmodul nicht nur die Gefahr einer Beschädigung des FWM, sondern – folgt man den Feststellungen des Berufungsgerichts – auch die weitere Gefahr bestehe, dass diese Beschädigung nicht durch die Warnleuchte angezeigt werde. Für diesen Fall aber kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger, gleichgültig, ob er das Blitzschutzmodul behalten hätte oder es hätte wieder ausbauen lassen, bei aufklärungsrichtigem Verhalten den allabendlichen Testalarm eingeführt hätte.

22. Auch für die weiteren Behauptungen der Beklagten, ohne das Blitzschutzmodul wäre das FWM durch Blitzschlag beschädigt und wäre der Schaden nicht angezeigt worden, spricht kein Anscheinsbeweis. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass das ungeschützte FWM in der Zeit von 1997 bis zum 30. Mai 1999 alle Gewitter unbeschadet überstanden hatte und dass nach seiner Beschädigung durch Blitzschlag am 31. Mai 1999 die Warnleuchte aufgeleuchtet hatte.

23. II. Die Beklagte meint weiter, der Kläger habe einen Schaden durch Gewichtszunahmeausfall bei den überlebenden Aalen nicht schlüssig dargelegt, weil er nicht behauptet habe, dass er die Aale aufgrund der „Fresspause“ zu einem geringeren Preis habe veräußern können. Es sei davon auszugehen, dass die Aale drei Wochen später ihr geplantes Verkaufsgewicht erreicht hätten. Einen Verzögerungsschaden habe der Kläger aber nicht geltend gemacht.

24. 1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Anschlussrevision der Beklagten auch hinsichtlich dieser zweiten Rüge zulässig. Sie bezieht sich zwar, da sie eine Herabsetzung der vom Berufungsgericht festgestellten Schadenshöhe anstrebt, auf den Teil des Streitstoffs, für den die Revision nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussrevision bedarf aber keiner Zulassung. Dies ergibt sich daraus, dass der Revisionsbeklagte selbst dann, wenn seine selbständige Revision nicht zugelassen worden ist, noch Anschlussrevision einlegen kann (§ 554 Abs. 2 ZPO; BRDrs. 536/00 S. 273 f.; BGH, Beschl. v. 23.02.2005 – II ZR 147/03, NJW-RR 2005, 651). Die Anschlussrevision ist daher auch dann zulässig, wenn die Zulassung der Revision auf Teile des Streitstoffs beschränkt worden ist (Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl. § 554 Rdn. 3a). Auch die vom Kläger aufgeworfene weitere Frage, ob eine Anschlussrevision unzulässig ist, die einen anderen Lebenssachverhalt betrifft als denjenigen der Revision und die mit dem von dieser erfassten Streitgegenstand auch nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht.

25. 2. Die Rüge ist indessen nicht begründet. Aale werden nach Gewicht veräußert. Wann auch immer der Kläger die überlebenden Aale verkauft hat, war der erzielte Verkaufspreis geringer als ohne das Schadensereignis, weil die Aale weniger wogen. Dass die Aale bei drei Wochen späterem Verkauf denselben Preis erzielten, den sie ohne das Schadensereignis drei Wochen früher erbracht hätten, gleicht den Schaden des Klägers nicht aus, weil er in diesen drei Wochen neue Setzlinge hätte mästen können, die ein zusätzliches Aalgewicht erbracht hätten.

26. C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

 

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