Verspätung wegen höherer Gewalt
LG Düsseldorf: Verspätung wegen höherer Gewalt
Ein Fluggast nimmt eine Fluggesellschaft auf Zahlung eines Ausgleiches für eine Verspätung in Anspruch. Er buchte bei besagter Gesellschaft einen Zubringerflug nach Frankfurt. Von Frankfurt wollte er im Anschluss nach Äthiopien weiterreisen. Der Zubringerflug konnte aber nur mit einer 9 stündigen Verspätung starten, da zur eigentlichen Abflugzeit starke Schneefälle herrschten. Der Kläger hat von der Fluggesellschaft eine erwartet, dass diese im eine Alternative aufzeigt (Bahn) um seinen Flug in Frankfurt zu erreichen.
Das Gericht entschied, dass die Verspätung durch eine Höhere Gewalt, hier starker Schneefall verursacht wurde. Die Fluggesellschaft ist dafür nicht haftbar zu machen. Bezweifelbar ist, ob der Flug in Frankfurt mit einer alternativen Transportmöglichkeit pünktlich erreicht worden wäre. Die Klage wurde somit abgewiesen.
LG Düsseldorf | 22 S 190/07 (Aktenzeichen) |
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LG Düsseldorf: | LG Düsseldorf, Urt. vom 23.10.2007 |
Rechtsweg: | LG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2007, Az: 22 S 190/07 |
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Leitsatz:
2. Ein durch Schneefall bedingte Flugverspätung ist eine höhere Gewalt wenn dieser nicht vorhersehbar war.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall, buchte ein Fluggast eine Reise nach Äthiopien. Der Flug dorthin sollte zunächst von Düsseldorf-Frankfurt gehen und anschließend von dort nach Addis-Abeba. Durch starken Schneefall konnte die Maschine nicht starten und der Weiterflug wurde dadurch verpasst. Weiterhin fühlte sich der Kläger schlecht informiert und es wurden ihm auch keine Alternativmöglichkeiten aufgezeigt um den Flug in Frankfurt rechtzeitig zu erreichen.
Der Kläger möchte nun von der Beklagten eine Entschädigung für eine Flugannullierung. Die Beklagte ist der Meinung dass durch die starken Schneefälle höhere Gewalt vorliegt.
Das Gericht entschied die Klage abzuweisen. Es ist richtig, dass die Fluggesellschaft ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen ist. Fraglich allerdings bleibt, ob der Kläger seinen Flug von Frankfurt nach Addis-Abeba mit einem alternativen Beförderungsmittel erreicht hätte. Die in Düsseldorf vorherrschende Wetterlage lag nicht im Einflussbereich der Fluggesellschaft und somit ist die Flugverspätung als höhere Gewalt anzusehen.
Tenor:
4. Die Berufung des Klägers gegen das am 30. April 2007 verkündete Urteil des AGs Düsseldorf – 232 C 6288/06 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand:
5. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Entscheidungserhebliche Ergänzungen sind in der Berufungsinstanz nicht erfolgt.
Entscheidungsgründe:
6.Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter.
8. Der Kläger macht geltend, der zwischen den Parteien zustande gekommene Flugbeförderungsvertrag sei Fixgeschäft im Sinne von § 323 Abs. 2 BGB. Deshalb sei durch die Verspätung der geplanten Ankunftszeit Unmöglichkeit eingetreten. Somit stehe ihm ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 323 Abs. 2, 325, 280, 311 a Abs. 2 BGB zu.
9. Daneben bestehe ein Schadensersatzanspruch nach Artikel 19 Satz 1 des Montrealer Übereinkommens. Entgegen der Ansicht des AGs habe die Beklagte nicht alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen. Schlechte Wetterbedingungen würden nur dann als außergewöhnliche Umstände angesehen, wenn diese nicht vorhersehbar gewesen seien. Dazu macht der Kläger weitere Ausführungen. Auch hätte ihn die Beklagte auf die alternative Anreise per Bahn hinweisen müssen.
10. Schließlich habe er einen Anspruch auf Ersatz der Betreuungsleistungen nach Artikel 6 Abs. 1 c, 9 Abs. 1 und 2 der EG-Verordnung 261/04.
11. Das sind die Rügen von Rechtsverletzungen durch das AG im Sinne von § 546 ZPO, die – träfen sie zu – entscheidungserheblich wären, so dass eine formell ordnungsgemäße Begründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO gegeben ist.
12. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
13. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
14. Entgegen der von ihm vertretenen Ansicht kommt ein Anspruch nach §§ 323 Abs. 2, 325, 280, 311 a Abs. 2 BGB schon deshalb nicht in Betracht, da ein solcher durch Artikel 19 des Montrealer Übereinkommens ausgeschlossen ist. Das Montrealer Übereinkommen verdrängt als Spezialgesetz nationales Recht, wenn es um Ersatzansprüche für solche Schäden geht, die ihre Ursache in einem der in Artikel 17 bis 19 genannten Ereignisse haben (vgl. Giemulla/Schmidt, Montrealer Übereinkommen, Einleitung Rdnr. 39). Artikel 19 des Montrealer Übereinkommens regelt die Ansprüche bei Verspätung einer internationalen Beförderung im Sinne von Artikel 1 des Montrealer Übereinkommens. Eine solche internationale Beförderung war im vorliegenden Fall gegeben. Zwar betraf die Verspätung ausschließlich den Flug Düsseldorf-Frankfurt. Aber auch bei einem Zubringerflug innerhalb eines Staatsgebietes zu einem internationalen Weiterflug handelt es sich um eine internationale Beförderung im Sinne von Artikel 1 des Montrealer Übereinkommens, wenn nach den Gesamtumständen die Reise ins Ausland praktisch schon mit dem Zubringerflug begonnen hat. Dies ist der Fall, wenn die unmittelbare Fortsetzung des Fluges der vertraglichen Vereinbarung entspricht (vgl. Giemulla/Schmidt, a.a.O., Artikel 1, Rdnr. 10). So lag der Fall hier. Gebucht hatte der Kläger bei der Beklagten den Flug Düsseldorf-Frankfurt, Abflug 8.00 Uhr, Ankunft 8.55 Uhr, sowie den Flug Frankfurt-Addis-Abeba, Abflug 11.40 Uhr, Ankunft 21.15 Uhr. Einziger Zweck des Fluges Düsseldorf-Frankfurt war danach der unmittelbare Weiterflug nach Addis-Abeba. Dies war auch dadurch dokumentiert, dass der Kläger bereits beim Einchecken in Düsseldorf die Bordkarten für den Weiterflug nach Addis-Abeba erhalten hatte. Äthiopien hat wie Deutschland das Montrealer Übereinkommen ratifiziert, so dass auch die weiteren Voraussetzungen des Artikel 1 des Montrealer Übereinkommens gegeben sind. Da Artikel 19 des Montrealer Übereinkommens die Folge einer Verspätung abschließend regelt, kommt daneben ein Anspruch wegen Nichterfüllung eines Fluges als Fixgeschäft nach deutschem Recht nicht in Betracht. Das nationale Recht würde ansonsten dem Fluggast mehr Rechte einräumen, als Artikel 10 des Montrealer Übereinkommens vorsieht. Dies ist aber gerade nicht gewollt.
15. Ein Anspruch nach Artikel 19 des Montrealer Übereinkommens ist nicht gegeben. Zwar lag eine Verspätung im Sinne dieser Vorschrift vor. Der Abflug von Düsseldorf hatte sich um 2 ½ Stunden verzögert. Eine Verspätung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn 50 % der im Flugplan vorgesehenen Zeit überschritten worden ist (vgl. hierzu Giemulla/Schmidt, a.a.O., Art. 19, Rdnr. 11).
16. Allerdings hat sich die Beklagte entlasten können. Unstreitig hatte es an dem fraglichen Tag extreme Schneefälle in Frankfurt gegeben, der den dortigen Flugverkehr beeinträchtigt hatte. Das AG hat sich insoweit auf den Tagesbericht der Verkehrszentrale Anlage B 1 bezogen. Dies wird von dem Kläger mit der Berufung nicht angegriffen. Danach wurden bereits am 7.00 Uhr Flüge der Beklagten, die in Frankfurt hätten landen sollen, auf andere Flughäfen umgeleitet. Ab 8.40 Uhr wurden die Anflugraten angehoben. Ab 9.00 Uhr kam es bei Flügen nach Frankfurt durch die Slots zu verspäteten Abflügen bis zu 2 ½ Stunden. Führen solch schlechte Wetterbedingungen allein wegen der aus Sicherheitsgründen notwendigen Staffelung der Abstände der Anflüge und der dadurch bedingten längeren Aufenthalte in der Warteschleife zu erheblichen Verzögerungen, so liegt höhere Gewalt vor (vgl. hierzu Giemulla/Schmidt, a.a.O., Art. 19, Rdnr. 45). Die hieraus resultierenden Verspätungen können dann dem Luftfrachtführer nicht angelastet werden. Deshalb ist die Beklagte für den verspäteten Abflug des Fluges von Düsseldorf nach Fankfurt grundsätzlich exculpiert.
17. Problematisch könnte im vorliegenden Fall lediglich sein, dass die durch den Schneefall bedingten Probleme des Anfluges auf den Frankfurter Flughafen spätestens ab 7.00 Uhr sich realisiert hatten und deshalb für die Beklagte in Düsseldorf möglicherweise vorhersehbar war, dass der für 8.00 Uhr vorgesehene Flug nach Fankfurt dort nicht so pünktlich sein würde, dass der Anschlussflug um 11.40 Uhr noch erreicht werden konnte. Da sie selbst aber wegen der Wetterbedingungen in Frankfurt nicht dort hinfliegen konnte und auch mangels Vortrags des Klägers nicht ersichtlich ist, dass er bei einer Umbuchung auf eine andere Airline mit dieser früher von Düsseldorf nach Frankfurt hätte gelangen können, könnte der Beklagten allenfalls vorgeworfen werden, einen Hinweis auf eine alternative Anreise nach Frankfurt per Bahn oder Pkw unterlassen zu haben. Aber selbst wenn man eine solche Verpflichtung einmal annähme, führte dies nicht zum Erfolg der Klage.
18. Ein Ersatzanspruch wäre nur gegeben, wenn festgestellt werden könnte, dass der Kläger bei einem solchen Hinweis rechtzeitig in Frankfurt zum Weiterflug angekommen wäre. Eine solche Feststellung ist jedoch nicht möglich. Das AG hat zu Recht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass ausweislich der vorgelegten Presseberichte es wegen des Schneefalles Verspätungen im Bahnfernverkehr gegeben hatte. Diese Feststellung ist von dem Kläger mit der Berufung nicht angegriffen worden. Deshalb hätte er darlegen und notfalls beweisen müssen, dass und wann er in Frankfurt mit der Bahn angekommen wäre, hätte er diese auf den Hinweis der Beklagten benutzt. Daran fehlt es jedoch. Es reicht nicht, auf Fahrpläne Bezug zu nehmen, die nur die planmäßigen Ankunftszeiten ausweisen. Diese berücksichtigen gerade nicht die tatsächlich eingetretenen Verspätungen wegen des Schneefalles. Dass auch der Verkehr auf den Straßen und Autobahnen stark betroffen war, ist den von dem AG in Bezug genommenen Presseberichten ebenfalls zu entnehmen.
19. Schließlich scheiden auch die auf die EU-Verordnung 261/04 gestützten Ansprüche aus. Vorliegend greift der Erwägungsgrund Nr. 14 dieser Verordnung ein, wonach eine Verpflichtung des Luftfrachtführers ausgeschlossen ist in den Fällen, in denen ein Vorkommen auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht. Wie die Bezugnahme in Nr. 14 auf das Montrealer Übereinkommen zeigt, greifen hier dieselben Grundsätzen ein wie bei dem Montrealer Übereinkommen. Deshalb gilt das oben zu dem Montrealer Übereinkommen Ausgeführte hier entsprechend.
20. Damit sind sämtliche geltend gemachten Ansprüche bereits dem Grunde nach nicht gegeben.
21.Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
22. Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.450,75 Euro.
23. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
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