Verspätete Rückgabe eines Wohnmobils

LG Aachen: Verspätete Rückgabe eines Wohnmobils

Ein niederländischer Urlauber mietete bei einem deutschen Unternehmen ein Wohnmobil an. Weil er dieses verspätet wieder abgegeben hatte, verlangt das Unternehmen nun eine Schadensersatzzahlung. Weil der Vertrag online abgeschlossen wurde, ist streitig welches Gericht hierfür zuständig ist.

Das Landgericht Aachen hat die Zuständigkeit einem deutschem Gericht zugesprochen. Da die wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen in Deutschland getroffen wurden, sei ein deutsches Gericht zuständig.

LG Aachen 10 O 597/08(Aktenzeichen)
LG Aachen: LG Aachen, Urt. vom 18.08.2009
Rechtsweg: LG Aachen, Urt. v. 18.08.2009, Az: 10 O 597/08
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Landgericht Aachen

1. Urteil vom 18. August 2009

Aktenzeichen: 10 O 597/08

Leitsatz:

2. Für Streitigkeiten über die Rückgabe eines Wohnmobils an einen deutsche Vermieter, durch einen niederländischen Mieter, ist das deutsche Gericht zuständig.

Zusammenfassung:

3. Ein niederländischer Urlauber mietete bei einem deutschen Unternehmen ein Wohnmobil. Hierzu nahm der Urlauber über die Website Kontakt mit dem Vermieter auf und stellte eine Verfügbarkeitsanfrage. Der Vermieter verwies ihn auf ein anderes, gleichwertiges Wohnmobil in seinem Besitz. Bei Abholung des Fahrzeugs unterzeichnete der Urlauber die notwendigen Papiere.

Wegen eines Defekts am Fahrzeug konnte dieses vom Kläger nicht wie geplant genutzt werden. Aus diesem Grund lies er es über ein drittes Unternehmen zum Vertragspartner zurückschicken. Da die Ablieferung mit mehrwöchiger Verspätung vollzogen wurde, verklagt der Vermieter den Urlauber vor einem deutschen Gericht auf Schadensersatz. Der Beklagte hat indes Zweifel an der Zuständigkeit des Gerichts.

In einem Zwischenverfahren hat das Landgericht Aachen die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts bestätigt. Nach Art. 5 I EuGVVO kann ein Vertragspartner in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn in diesem die vertraglich geschuldete Leistungspflicht erfüllt worden ist. Anders als vom Beklagten dargstellt, sei der Mietvertrag nicht über das Onlineportal geschlossen worden, sondern durch die Unterzeichnung am Hauptsitz der Klägerin.

Tenor:

4. Das angerufene Landgericht Aachen ist international zuständig.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um Schadenersatz wegen der verspäteten Rückgabe eines für den Urlaub gemieteten Wohnmobils.

6. Die Klägerin hat ihren Sitz in Heinsberg, Deutschland. Sie ist als Vertragshändlerin der Firma … tätig und vermietet auch Wohnmobile. In diesem Zusammenhang unterhält sie unter der Domain … eine Homepage. Auf dieser Homepage in der Fassung vom Januar 2008 fanden sich neben Angaben zu den Konditionen der Vermietung, zum Fahrzeugprogramm, zu Ausstellungs- und Gebrauchtfahrzeugen auch der mit einer niederländischen Flagge versehene Hinweis „Wij spreken Nederlands!“ sowie eine Anfahrtsskizze mit Angaben zur Anfahrt von den Niederlanden aus. Allerdings konnte ein Mietvertrag über die Homepage nicht durch bloßes Anklicken zustande gebracht werden. Die Angaben der Klägerin auf der Homepage zur Kontaktaufnahme ermöglichten potentiellen Kunden lediglich die Absendung von Anfragen an die Klägerin etwa im Wege einer E-Mail. Insofern handelte es sich um eine passive Homepage. Hinsichtlich der Einzelheiten der Homepage wird Bezug genommen auf die der Klageerwiderung beigefügten Ausdrucke der Homepage.

7. Der Beklagte hat seinen Wohnsitz in Echt-Susteren, Niederlande. Anfang 2008 suchte er eine Gelegenheit zur Anmietung eines für eine Urlaubsreise nach Italien erforderlichen Wohnmobils. Am 29. Januar 2008 fragte er deshalb via E-Mail bei der Klägerin an, ob sie für die Zeit vom 4. bis zum 18. Juli 2008 ein für ihn und seine Familie geeignetes Fahrzeug bereitstellen könne. Mit einer Mail vom selben Tag teilte die Klägerin mit, dass zwar für diese Zeit kein für sechs Personen taugliches Fahrzeug mehr vorhanden sei, aber drei jeweils für vier Personen geeignete Fahrzeuge angemietet werden könnten. Auf eine weitere Mail des Beklagten vom 30. Januar 2008 hin bot die Klägerin dem Beklagten mit einer Mail an, das gewünschte Fahrzeug zu reservieren. Noch am 30. Januar 2008 sandte der Beklagte ein Fax an die Klägerin über die Reservierung des Wohnmobils. Unter Benutzung einer EC-Karte zahlte der Beklagte schließlich ebenfalls am 30. Januar 2008 auf die vereinbarte Vergütung von 1.850,- EUR 400,- EUR an. Auf das der Klage anliegende entsprechende Formular nebst rückseitigen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen.

8. Am 3. Juli 2008 holte der Beklagte das Mietfahrzeug am Sitz der Klägerin ab und füllte bei dieser Gelegenheit das Formular über den Mietvertrag aus. Dieses Formular enthält bereits auf der Vorderseite eine Bestimmung über die Vereinbarung eines Gerichtsstandes am Sitz der Klägerin. Ferner enthält es einen erneuten Hinweis auf die vorder- und rückseitig abgedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. Schließlich ist das Formular von beiden Seiten unterzeichnet worden. Zu den Details wird auf die entsprechende Anlage der Klageschrift verwiesen.

9. Bereits währen der Fahrt des Beklagten und seiner Familie mit dem Mietfahrzeug zu dem in Italien liegenden Urlaubsort kam es zu einem Defekt. Daraufhin wurde das Fahrzeug zu einer in Italien belegenen Vertragswerkstatt des Herstellers Fiat verbracht und dort repariert. Anschließend wurde das Fahrzeug wieder dem Beklagten ausgehändigt. Das weitere Geschehen hinsichtlich des Wohnmobils während des Urlaubs des Beklagten und seiner Familie in Italien – Defekte des Fahrzeugs, Reparaturversuche – ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls wurde das Mietfahrzeug in Italien vom Beklagten dem … – einer dem deutschen ADAC entsprechenden niederländischen Organisation – übergeben, der den Rücktransport des Fahrzeugs an den Sitz der Klägerin übernahm. Dort traf das Mietfahrzeug indessen nicht rechtzeitig zu dem für den 18. Juli 2008 vereinbarten Ende der Mietzeit ein, sondern erst am 4. August 2008.

10. Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug sei nach der Reparatur wieder fahrbereit gewesen und der Beklagte habe ohne Grund die Weiternutzung des Wohnmobils abgelehnt. Zwar sei die Klägerin mit dem Rücktransport durch den … einverstanden gewesen. Sie habe aber selbstverständlich darauf vertraut, dass dies rechtzeitig zu dem vereinbarten Ende der Mietzeit geschehen werde.

11. Die Klägerin macht hinsichtlich des Mietfahrzeugs selbst entgangenen Mietzins in Höhe von 1.965,71 EUR, Tankmehrkosten in Höhe von 400,- EUR sowie 119,- EUR für die Wertminderung eines als Ersatz herangezogenen Neufahrzeugs geltend.

12. Sie beantragt den Beklagten zu verurteilen, an sie 15.256,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. September 2008 zu zahlen und die Klägerin von den durch die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten entstandenen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 755,80 EUR freizustellen.

13. Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

14. Er rügt unter Bezugnahme auf Artikel 15 Absatz 1 lit. c EuGVVO die Unzuständigkeit des Gerichts.

15. Ferner behauptet er, das Fahrzeug habe nach der ersten Reparatur noch weitere Defekte erlitten und habe mehrfach fahrtüchtig gemacht werden müssen. Deshalb sei die Weiterbenutzung des Fahrzeugs insbes. mit Rücksicht auf die noch anstehende weite Fahrstrecke nicht mehr zumutbar gewesen, zumal der Beklagte während des Urlaubs dauernd mit Besuchen bei Werkstätten beschäftigt gewesen sei.

16. Nach der ausführlichen Erörterung des Sach- und Streitstandes einschließlich der Frage der internationalen Zuständigkeit im Hinblick auf Artikel 15 Absatz 1 lit. c EuGVVO anlässlich der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2009 hat das Gericht eine abgesonderte Verhandlung über die Frage der Zulässigkeit der Klage angeordnet. Insofern wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 28. Juli 2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

17. Die Voraussetzungen für ein Zwischenurteil nach § 280 Absatz 2 ZPO liegen vor.

18. Dabei kann offen bleiben, ob eine entsprechende Vereinbarung bereits anlässlich der Reservierung des Mietfahrzeugs über die Bestimmung Nr. 19 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zustande gekommen ist.

19. Jedenfalls haben die Parteien nämlich anlässlich der Abholung des Mietfahrzeugs und bei der Unterzeichnung des Mietvertragsformulars seitens des Beklagten am 3. Juli 2008 eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Auf der Vorderseite des auch von der Klägerin unterzeichneten Vertragsformulars befindet sich nämlich eine ausdrückliche Bestimmung über den Gerichtsstand am Sitz der Klägerin in Heinsberg/Deutschland.

20. Offen bleiben kann danach ebenfalls, ob hier außerdem Art. 5 Ziff. 1 lit. a EuGVVO im Hinblick auf einen eventuell bestehenden gemeinsamen Erfüllungsort aller Primär- und Sekundärpflichten aus dem Mietvertrag einen Gerichtsstand am Sitz der Klägerin zu begründen vermag.

21. Mag auch in der Unterhaltung einer aktiven Website, die einen unmittelbaren Vertragsschluss vom Wohnsitz des Verbrauchers aus gestattet, eine Ausrichtung im Sinne des Artikel 15 Absatz 1 lit. c EuGVVO zu sehen sein, kann das Betreiben einer bloß passiven Website dem doch nicht ohne weiteres gleichgestellt werden. Vielmehr kommt es unter Berücksichtigung der ratio des Artikel 15 Absatz 1 lit. c EuGVVO, wie sie sich aus einer diesbezüglichen gemeinsamen Erklärung von Rat und Kommission ergibt, darauf an, dass über die betreffende Website der Vertragsschluss im Fernabsatz angeboten und der Vertrag auch im Fernabsatz abgeschlossen wird (vgl. Wiedergabe der gemeinsamen Erklärung in BGH, NJW 2009, S. NJW Jahr 2009 Seite 298 f. und in OLG Karlsruhe, NJW 2008, S. NJW Jahr 2008 Seite 85 f.).

22. Davon kann hier zum einen insofern keine Rede sein, als die von der Klägerin unterhaltene passive Website hinsichtlich der in den Niederlanden ansässigen Kunden lediglich einen Hinweis auf Kenntnisse der niederländischen Sprache und eine interaktive Anfahrtsskizze enthielt. Der Website ließen sich zwar darüber hinaus Angaben zur Anschrift der Klägerin und zu ihrer E-Mail-Adresse entnehmen. Auf die Möglichkeit einer Vertragsschlusses im Fernabsatz wurde dabei aber weder hingewiesen, noch auf andere Art und Weise hingewirkt. Die Angaben auf der Website der Klägerin waren vielmehr so zu verstehen, dass auch niederländischen Kunden die Anfahrt zum Sitz der Klägerin erleichtert werden sollte und ihnen eine Beratung auch in niederländischer Sprache angeboten werden sollten. Ein Vertragsschluss im Fernabsatz wurde ihnen hingegen nicht in Aussicht gestellt. Zum anderen haben tatsächlich lediglich die Verhandlungen vor der für die verbindliche Reservierung notwendigen Anzahlung im Wege des Fernabsatzes, nämlich per E-Mail, stattgefunden.

23. Die Anzahlung ist nach dem von der Klägerin vorgelegten, vom Beklagten unterzeichneten Formular hingegen per ec-Karte am Sitz der Klägerin erfolgt, und der Mietvertrag ist nach dem weiteren von der Klägerin vorgelegten, beiderseits unterzeichneten Formular erst anlässlich der Abholung des Fahrzeugs am Sitz der Klägerin geschlossen worden. Dementsprechend ist bereits zweifelhaft, ob der Beklagte durch die Angaben auf der Website der Klägerin und die E-Mails noch an seinem Wohnsitz in den Niederlanden zum Abschluss des Mietvertrages motiviert worden ist (vgl. zu dieser Mindestanforderung BGH, NJW 2009, S. NJW Jahr 2009 Seite 298 f.). Denn hier hatte der Beklagte das Mietfahrzeug noch nicht besichtigen können; das konnte vielmehr erst am Sitz der Klägerin geschehen. Jedenfalls aber kam der Mietvertrag nicht im Wege des Fernabsatzes zustande, sondern am Sitz der Klägerin.

24. Die Voraussetzungen der zunächst erwogenen Aussetzung nach § 148 ZPO und der Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 Abs. 1 lit. b EGV bereits durch das Landgericht liegen hier nicht vor, obgleich die Auslegung des Artikel 15 Absatz 1 lit. c EuGVVO hinsichtlich passiver Websites ungeklärt ist .

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