Biene im Pitot-Rohr nicht immer ein außergewöhnlicher Umstand

AG Düsseldorf: Biene im Pitot-Rohr nicht immer ein außergewöhnlicher Umstand

Ein Kläger wird erst mit erheblicher Verspätung in einem Ersatzflieger befördert, weil der geplante Flug wegen einer Biene in einem technischen Messgerät ausgefallen war. Er verlangt eine Ausgleichszahlung, während die Airline diese wegen des Vorliegens eines außergewöhnlichen Umstands ablehnt.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat dem Kläger Recht zugesprochen. Grundsätzlich sei in dem Vorfall ein außergewöhnlicher Umstand zu sehen. Weil die Airline es aber versäumt hat, Bemühungen nachzuweisen, die sie angestellt haben um das Problem zu beheben, wurde dem Kläger der Anspruch zugesprochen.

AG Düsseldorf 36 C 6837/13 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 27.09.2013
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 27.09.2013, Az: 36 C 6837/13
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 27. September 2013

Aktenzeichen: 36 C 6837/13

Leitsätze:

2. Eine Biene im Pitot-Rohr begründet grundsätzlich einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der EG-Verordnung Nr. 261/2004.

Eine Ausnahme davon besteht jedoch in den Fällen, wenn das Luftfahrtunternehmen nicht darlegen kann, was es für ernsthafte Bemühungen getan hat um diesen Defekt zu beheben.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte einen Flug von Antalya nach Düsseldorf. Der Flug hatte eine immense Verspätung und wurde durch eine Ersatzmaschine durchgeführt. Als Grund für diese Verspätung und Änderung gab die Beklagte, ein Luftfahrtunternehmen, an, dass eine Biene sich im Pitot-Rohr verfangen hätte. Ein Pitot-Rohr ist ein Geschwindigkeitsmessinstrument an der Außenseite eines Flugzeuges.

Der Kläger begehrt eine Ausgleichszahlung gemäß der EG-Verordnung Nr. 261/2004, die Beklagte erwidert jedoch, dass den Fluggästen keine Ausgleichszahlung zustehe, da es sich hierbei um einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der EG-Verordnung Nr. 261/2004 handele, welcher das Luftfahrtunternehmen von der Haftung befreie.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands in solchen Fällen grundsätzlich bejaht, jedoch liege im konkreten Fall kein außergewöhnlicher Umstand vor, da die Beklagte keine Angaben über Bemühungen bezüglich der Fehlerbehebung gemacht habe, welche für die Haftungsbefreiung eines außergewöhnlichen Umstands erforderlich seien.

Die Biene habe zudem bereits den Vorflug verhindert. Um diesen Zwischenfall auf etwaige Folgeflüge auszudehnen, müsse die Airline nachweisen, dass sie alles in ihrer Macht stehende getan habe, um einen Ausfall zu verhindern.
Da dies vorliegend nicht der Fall war, steht dem Kläger ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zu.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) und zu 2) je einen Betrag in Höhe von 400 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

5. Die Kläger machen Ansprüche aus der EG-Verordnung Nr. 261/2004 gegen die Beklagte geltend.

6. Sie buchten bei der Klägerin einen Flug von Antalya nach Düsseldorf. Der Flug sollte am 08.04.2012 um 19:50 Uhr in Antalya starten. Ankunftszeit war der 08.03.2013 um 22:45.

7. Die Kläger begaben sich rechtzeitig zu der von der Beklagten angegebenen Zeit zum Check In Schalter. Das Flugzeug der Beklagten startete jedoch erst am 09.04.2012 um 03:05 Uhr in Antalya und landete um 06:00 Uhr am gleichen Tag in Düsseldorf.

8. Die Kläger beantragen die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils 400 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

9. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

10. Sie trägt im wesentlichen vor: Die Verspätung sei auf einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zurückzuführen gewesen. Bei einem Vorflug des für den streitgegenständlichen Flug eingeplanten Fluggerätes sei eine Biene in das sog. Pitotrohr geflogen, weswegen eine Fehlermeldung des sog. Elevator Feel Mechanismus aufgetreten sei. Aus diesem Grund hätte das Flugzeug für den streitgegenständlichen Flug nicht eingesetzt werden können. Deshalb habe man auf ein anderes Fluggerät umdisponiert, welches jedoch nicht früher hätte starten können.

11. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

12. Die zulässige Klage ist begründet.

13. Das Original der Prozessvollmacht haben die Kläger der Klageschrift beigefügt.

14. Die Kläger haben den mit der Klage geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte. Der Anspruch folgt aus Art. 7 Abs. 1 b, Art. 5 Abs. 1 c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Dabei wird zugrunde gelegt, dass eine Verspätung, für die der Fluggast einen Zeitverlust von drei Stunden und mehr erleidet, einer Annullierung i. S. d. Art. 5 der EU-VO gleichsteht (EUGH, EUZW 2009, 890). Eine Verspätung von mehr als drei Stunden war bei dem Rückflug, der am 08.04.2012 stattfinden sollte, gegeben. Der Flug, für den eine planmäßige Abflugzeit um 19:50 Uhr vorgesehen war, flog erst am folgenden Tag um 03:05 Uhr von dem Flughafen in Antalya ab. Die Kläger erlitten durch diese Verspätung einen Zeitverlust von erheblich mehr als drei Stunden.

15. Eine Entlastung nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 gelingt der Beklagten nicht.

16. Zwar dürfte die Ansicht der Beklagten zutreffen, wonach von einem außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung auszugehen ist, weil eine Biene in das sog. Pitotrohr geflogen ist und deshalb eine Fehlermeldung auftrat, die eine Weiternutzung des Fluggerätes unmöglich machte.

17. Entgegen der Einschätzung der Beklagten genügt dies jedoch noch nicht zur Entlastung im Sinne des Gesetzes, weil die Biene im Pitotrohr zunächst lediglich einen Vorflug betraf. In einem solchen Fall reicht es nämlich nicht aus,  dass das Luftfahrunternehmen nur darlegt und ggf. beweist, dass es alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den außergewöhnlichen Umstand zu vermeiden (so AG Rüsselsheim, aaO). Unabhängig davon, dass die Beklagte nicht vorgetragen, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, um das Eindringen der Biene in das Pitotrohr zu vermeiden oder weswegen ihr das Ergreifen etwaiger Maßnahmen unmöglich war, hätte sie jedenfalls im Hinblick auf die Tatsache, dass die Biene zunächst lediglich den Vorflug betraf, konkret dazu vortragen müssen, welche Maßnahme sie ergriffen hat, um die Verspätungen der nachfolgenden Flüge zu vermeiden bzw. weswegen ihr derartige Maßnahmen nicht zumutbar waren. Denn der EuGH hat klargestellt, dass das Risiko von Störungen im vorangegangenen Flugbetrieb grundsätzlich den Luftfahrtunternehmen zuzurechnen ist und diese mit der mit dem Eintritt etwaiger außergewöhnlicher Umstände verbundenen Möglichkeit von Verspätungen bei der Flugplanung rechnen und diese angemessen berücksichtigen müssen (EuGH, Urteil vom 12.05.2011, Az. C-294/10, zit. nach Juris). Zwar seien sie nicht verpflichtet, allgemein und undifferenziert Mindestreserven einzuplanen, die für die sämtlichen Luftfahrtunternehmen unterschiedslos in allen Situationen des Eintritts außergewöhnlicher Umstände gelte, wobei auch der Umfang der geforderten Zeitreserve nicht zu Opfern veranlassen dürfe, die angesichts der Kapazitäten zum jeweiligen Zeitpunkt nicht tragbar seien (EuGH, aaO.). Hierzu hat die insoweit darlegungsbelastete Beklagte jedoch nichts vorgetragen. Insbesondere geht aus ihrem Vortrag nicht hervor, welche Zeitreserve zwischen dem Vorflug bzw. den Vorflügen und dem streitgegenständlichen Flug bestand und inwieweit sie Verspätungen aufgrund derartiger außergewöhnlicher Umstände in ihren Flugumlauf eingeplant und berücksichtigt hat. Aus ihrem Vortrag geht noch nicht einmal eindeutig hervor, ob die Biene den unmittelbaren Vorflug betraf oder ob das Fluggerät zwischen dem unmittelbar betroffenen Flug und dem streitgegenständlichen Flug noch weitere Flüge hätte durchführen müssen. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht dargetan, dass es ihr unter Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, die Verspätung der nachfolgenden Flüge zu vermeiden, ohne angesichts ihrer Kapazitäten zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer zu erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2010, Az. Xa ZR 15/10, zit. nach Juris). Zwar führt die Beklagte aus, sie habe den streitgegenständlichen Flugumlauf, für den die wegen der Biene im Pitotrohr nicht einsatzfähige Maschine vorgesehen war, auf ein anderes Fluggerät umdisponiert. Dass etwaige weitere Umdisponierungen von weiteren Fluggeräten oder anderweitige mit zumutbaren Opfern verbundene Maßnahmen zur Verhinderung der Verspätung des bzw. der Folgeflüge nicht möglich waren, wird von der Beklagten jedoch nicht behauptet.

18. Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB.

19. Soweit die Beklagte mit Schreiben vom 17.09.2013 die Übersendung des Schriftsatzes der Kläger vom 20.08.2013 sowie die Gewährung einer Schriftsatzfrist beantragt hat, war diesem Antrag nicht nachzukommen. Der entsprechende Schriftsatz wurde dem Unterbevollmächtigten der Bevollmächtigten der Beklagten ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 03.09.2013 (versehentlich datiert auf den 27.09.2013) ausgehändigt. Insoweit wurde eine Schriftsatzfrist bis zum 17.09.2013 erteilt. Weswegen der Schriftsatz vom Unterbevollmächtigten nicht zur Hauptbevollmächtigten gelangt ist, kann von hier nicht nachvollzogen und auch nicht nachgeprüft werden, rechtfertigt aber jedenfalls keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder Verlängerung der Schriftsatzfrist, zumal sich das Gericht bei seiner Entscheidung nicht auf Tatsachenvortrag aus dem Schriftsatz der Kläger vom 20.08.2013 stützt.

20. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

21. Streitwert: 800 Euro.

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