Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch Reiseveranstalter

LG Frankfurt: Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch Reiseveranstalter

Reisende buchten bei einem Reiseveranstalter eine Reise nach Zypern. Die Unterbringung erfolgte in einem 5-Sterne Hotel.

Die Liegewiese des Hotels ist erhöht und befindet sich auf einer Art Terrasse und am Rande dieser befindet sich eine Hecke die auf gleicher Höhe mit der Terrasse geschnitten ist. Eine der Liegen stand zu nahe an der Hecke, sodass eine der Reisenden sich verletzte.

Die Reisende verklagte deshalb den Reiseveranstalter auf Schmerzensgeld und ersetzen der entstandenen und zukünftig aus der Verletzung entstehenden Kosten. Das Landgericht (kurz: LG) Frankfurt wies die Klage ab.

LG Frankfurt 2-19 O 167/04 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 16.09.2005
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 16.09.2005, Az: 2-19 O 167/04
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 16. September 2005

Aktenzeichen 2-19 O 167/04

Leitsätze:

2. Sind Orte oder Mittel einer Reiseleistung mit Gefahren behaftet die für den durchschnittlichen Reisenden nicht zu erkennen sind, so liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor.

Es muss nicht jede mögliche Gefährdung ausgeschlossen werden, sofern diese von vornherein für Reisende erkennbar sind.

Im vorliegenden Fall ist eine Absturzsicherung nicht notwendig und ein Sturz ist als bedauerlicher Unfall zu sehen, da die Hecke klar erkennbar war.

Zusammenfassung:

3. Ein Bekannter der Klägerin buchte für sich und die Klägerin bei der Beklagten eine Reise in das 5-Sterne Hotel A auf Zypern. Die Reise sollte im Zeitraum vom 07.11.2003 bis zum 20.11.2003 stattfinden.

Das Hotel verfügt über eine terrassenförmig angelegte Liegewiese. Am Rand der Liegewiese befindet sich eine Hecke die auf Höhe der Liegewiese geschnitten ist, aber durch Struktur und Farbe klar von dieser zu unterscheiden ist.

Die Klägerin nutzte am 18.11.2003 eine der Liegen die dort von der Hotelleitung aufgestellt wurden. Die von der Klägerin benutzte Liege befand sich nach ihrer Aussage direkt parallel zur Hecke. Als die Klägerin die Einstellung des Kopfteils ändern wurde, stieg sie von der falschen Seite der Liege und fiel 1,20 Meter tief durch die Hecke. Dabei erlitt sie einen Bänderriss am rechten Fuß, eine Verschiebung des Sprunggelenks aus der Wanne sowie einen Außenknöchelverrenkungsbruch. Nach der Erstbehandlung auf Zypern flog die Klägerin am 20.11.2003 zurück nach Zypern.

Die Klägerin schrieb die Beklagte am 17.12.2003 an und machte ihr gegenüber Ansprüche geltend, die von der Beklagten am 12.01.2004 abgestritten wurden.

Die Klägerin verklagte deswegen die Beklagte vor dem LG Frankfurt und forderte die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 8000,00 € und dem Ersatz von materiellen Schaden in Höhe von 1122,72 €. Außerdem fordert sie, dass die Beklagte verurteilt wird ihr alle aus der Verletzung noch zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen.

Das Landgericht wies die Klage vollständig ab, die Hecke sei eindeutig von der Liegewiese zu unterscheiden und es liegt keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in diesem Fall vor. Die Klägerin befand sich bereits einige Tage im Hotel von daher musste die Hecke ihr auch bereits bekannt gewesen sein, zumal sie die Liegewiese direkt nach Mäharbeiten und dem Stutzen der Hecke, welches sie zur Kenntnis nahm, betrat. Es handelte sich hierbei also lediglich um einen bedauerlichen Unfall.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

Tatbestand

5. Ein Bekannter der Klägerin, der Zeuge …, buchte bei der Beklagten für sich und die Klägerin eine Reise in das Hotel A auf Zypern für die Zeit vom 07.11.2003 bis zum 20.11.2003 zu einem Reisepreis von Euro 5.954,00. Auf die Reisebestätigung (Bl. 21 d. A.) wird Bezug genommen.

6. In dem Hotel gibt es eine terrassenförmig angelegte Liegewiese, auf der die Hotelleitung Liegen für die Gäste aufstellte. Bei der Wiese befindet sich eine Hecke, die auf gleicher Höhe mit dem Rasen der Terrasse geschnitten war. Die Klägerin benutzte eine dieser Liegen, stellte fest, dass das Kopfteil zu hoch für sie eingestellt war, und trat auf den Bereich rechts von der Liege, um das Kopfteil abzuflachen.

7. Die Klägerin erlitt – aus streitiger Ursache – am rechten Fuß einen Bänderabriss, eine Verschiebung des Sprunggelenks aus der Wanne sowie einen Außenknöchelverrenkungsbruch. Nach einer Erstbehandlung vor Ort flog die Klägerin am 20.11.2003 zurück nach München.

8. Mit Schreiben vom 17.12.2003 machte die Klägerin Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend, die diese mit Schreiben vom 12.01.2004 abstritt. Auf die gesamte Korrespondenz der Parteien wird Bezug genommen.

9. Die Klägerin behauptet, am 18.11.2003 sei die von ihr benutzte Liege direkt parallel zu der vom Rasen sich nicht abhebenden Hecke vom Hotelpersonal aufgestellt worden. Beim Absteigen von der Liege sei sie durch diese Hecke 1,20 Meter tief gefallen, wobei sie mit dem rechten Fuß auf den Boden aufgekommen sei. Wegen der hierbei erlittenen Verletzungen sei sie vom 20.11. bis 12.12.2003 stationär behandelt worden. Am 07.01.2004 sei eine am 21.11.2003 angebrachte Schraube im Sprunggelenk operativ entfernt worden.

10. Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von Euro 8.000,00 und den Ersatz von materiellem Schaden in Höhe von Euro 1.122,72.

11. Sie beantragt,

12. die Beklagte zu verurteilen, an sie Euro 1.122,72 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 850,56 seit dem 17.01.2004 sowie aus weiteren Euro 262,16 seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

13. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch Euro 8.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus Euro 2.500,00 seit dem 17.01.2004 sowie aus weiteren Euro 5.500,00 seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

14. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfallereignis vom 18.11.2003 im Hotel A auf Zypern resultieren, soweit sie nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

15. Eine weitergehende Klage auf Zahlung von Euro 1.391,71 bezüglich materiellen Schadensersatzes hat die Klägerin im Termin zurückgenommen, nachdem für entsprechende Behandlungskosten ihre Privatversicherung eingetreten war.

16. Die Beklagte beantragt,

17. die Klage abzuweisen.

18. Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin und von ihr dargestellten Vorfall. Hecke und Rasen seien deutlich unterscheidbar. Es bestehe keinerlei Gefahrenpotential durch eine Verwechslung zwischen dem Rasenstück und den Hecken.

19. Die Klägerin habe den Sachverhalt gegenüber dem Hotelpersonal auch anders dargestellt, nach Ermittlungen der Beklagten sei die Klägerin mutwillig über die Hecke gesprungen.

20. Zur Ergänzung des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21. Die Klage ist unbegründet.

22. Der Klägerin stehen keine eigenen Ansprüche gemäß § 651 f BGB oder § 823 BGB gegenüber der Beklagten zu.

23. Zwar ist die Klägerin durch die Buchung durch ihren Lebensgefährten unmittelbar in den Reisevertrag und die sich daraus ergebenden Schutzpflichten von Seiten der Beklagten einbezogen worden. Denn die Anmeldung durch den Lebensgefährten unter Nennung ihres Namens kann im Zweifel dahingehend verstanden werden, dass hierdurch zugleich ein Vertrag in Vollmacht mit Wirkung für und gegen die Klägerin geschlossen wurde (vgl. Führich, Reiserecht, 3. Aufl., Rn. 95). Eigene vertragliche Ansprüche ergeben sich daneben auch daraus, dass der zwischen dem Lebensgefährten der Klägerin und der Beklagten geschlossene Vertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB angesehen werden kann.

24. Eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder vertraglichen Schutzpflichten, die die sichere Ausgestaltung des Ferienortes betreffen, ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

25. Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich der Anforderungen an deliktische Sorgfaltspflichten ausgeführt, dass der Reiseveranstalter aufgrund seiner eigenen gewerblichen Verkehrssicherungspflicht gehalten ist, die von ihm durch Leistungsträger verschafften Unterkünfte auch ohne besonderen Anlass den Umständen entsprechend regelmäßig sorgfältig auf ihre Gebrauchssicherheit zu überprüfen und dabei entdeckte Mängel umgehend abstellen zu lassen (BGH NJW 1988, 1380). Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder auch einer vertraglichen Schutzpflicht kann demnach angenommen werden, wenn die Orte oder Mittel der Reiseleistung mit solchen Gefahren behaftet sind, die ein durchschnittlicher Reisender nicht erkennen kann und die für ihn ein besonderes Gefahrenpotential bergen. Je größer die Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung des Reisenden ist, desto höher sind dabei regelmäßig die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten und die Schutzpflichten zu stellen.

26. Das Maß der Sorgfalts- und Schutzpflichten bestimmt sich danach im wesentlichen nach einer möglichen Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit der Reisenden, aber auch nach regionalen und örtlichen Gegebenheiten.

27. Nach diesem Maßstab sind Verletzungen von Schutzpflichten bzw. Verkehrssicherungspflichten vorliegend nicht gegeben.

28. Auch wenn der – bestrittene – Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt wird, dass die Liegen durch die Gärtner unmittelbar an den Rand der Liegewiese neben die geschnittene Hecke aufgestellt wurden und dass die Hecke auf einer Höhe mit der Liegewiese geschnitten war, insbesondere also nicht sichtbar darüber in die Höhe ragte, stellt dies noch keine Pflichtverletzung dar.

29. Nach den vorgelegten Lichtbildern und der Prospektseite, die unstreitig den Zustand der Anlage darstellen, ist wegen der unterschiedlichen Strukturierung und Färbung der Hecke diese von der Liegewiese unterscheidbar. Die Anlage, die am Hang gelegen ist und zum Meer hin abfällt, ist durch die terrassenförmige Anlage auch der Liegewiesen gestalterisch geprägt. Einem Reisenden, der sich mehrere Tage lang in der Anlage aufgehalten hat, ist daher die terrassenförmige Anlage bekannt oder doch zumindest erkennbar. In diesem Bereich, der nicht dem Durchgang und dem sicheren Verkehr von Reisenden von und zum Hotel dient, sondern lediglich eine Ruhemöglichkeit eröffnet, sind die Anforderungen an eine Gestaltung der Anlage nicht gleich hoch. Es muss nicht jegliche möglichen Gefährdung ausgeschlossen werden können. Eine besondere Absturzsicherung kann vor diesem Hintergrund nicht erwartet werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich um eine ausländische Ferienanlage handelt, die im Mittelmeerraum nicht in jeder Hinsicht etwaigen deutschen Anforderungen hinsichtlich der räumlichen und baulichen Gestaltung zu genügen hat. Dies gilt auch im Hinblick auf den Umstand, dass es sich bei der fraglichen Anlage um ein 5-​Sterne-​Hotel nach der Kategorie vor Ort gehandelt hat.

30. Auch der Umstand, dass die Hecke auf gleicher Höhe wie der Rasen geschnitten worden ist, eröffnet angesichts der Erkennbarkeit der unterschiedlichen Struktur und Farbe der Hecke keine besondere Gefährdung.

31. Gleiches gilt, soweit nach dem Vorbringen der Klägerin, die dort tätigen Gärtner die Liegen unmittelbar an den Rand der Hecke gestellt haben. Denn der Zugang zu der Liege kann von der Wiese aus erfolgen, ohne dass in irgendeiner Weise die Hecke zu betreten oder zu berühren wäre.

32. Unabhängig davon käme vorliegend auch ein erhebliches Mitverschulden gemäß § 254 BGB, der auch im Rahmen von vertraglichen Pflichten Anwendung findet, in Betracht.

33. Das Gericht schließt jegliche willentliche Schädigung der Klägerin selbst aus und erachtet auch die durch sie vorgelegte Sachverhaltsschilderung für plausibel. Es handelt sich danach aber um ein bedauerliches Versehen, ein Unglück mit für die Klägerin unangenehmen Folgen. Gleichwohl konnte die Klägerin schon beim Annähern an die Liege erkennen, dass diese sich am Rande des sich absenkenden Terrains befindet. Dies ist auch deutlich erkennbar auf den durch die Klägerin selbst vorgelegten Lichtbildern. Gleichfalls konnte die Klägerin beim Betreten der Liegefläche und beim Benutzen der Liege erkennen, dass diese sich unmittelbar neben der Hecke bzw. dem Geländeversatz befindet. Vor diesem Hindergrund ist es als der Klägerin zuzurechnendes Mitverschulden anzusehen, wenn sie – wohl versehentlich – die Liege nicht zur Wiesenseite hin, sondern zu der Seite zur Hecke hin betritt. Gestützt werden diese Erwägungen auch dadurch, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag wahrgenommen hat, dass die Gärtner dort nicht nur Mäharbeiten am Rasen, sondern auch an der Hecke vorgenommen hatten und dass sie unmittelbar danach die Liegewiese betreten hat. Vor diesem Hintergrund ist der durch die Klägerin dargelegte Tritt in die Hecke ihr in keiner Weise vorwerfbar, wohl aber zurechenbar.

34. Eine Haftung der Beklagten ist nach alledem nicht gegeben.

35. Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.

36. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

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