Verjährung der Schmerzensgeldansprüche

AG Düsseldorf: Verjährung der Schmerzensgeldansprüche

Eine Reiseveranstalterin wurde auf Schadensersatz verklagt, weil beim Ankommen am Reiseziel nicht die zuvor versprochene Hotelausstattung vorhanden war. Dadurch, dass sich das Flugzeug verspätet hatte erlitt die Klägerin darüber hinaus beim Rückflug in die Heimat ein Trauma, weil das Flugzeug durch zu hohe Geschwindigkeit bei der Landung extrem stark abbremsen musste.

Das Amtsgericht Düsseldorf ließ die Klage fallen.

AG Düsseldorf 50 C 2614/06 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 29. März 2007
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 29.03.2007, Az: 50 C 2614/06
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 29. März 2007

Aktenzeichen 50 C 2614/06

Leitsatz:

2. Verspätet sich der Abflug, so kommt das Luftfahrtunternehmen als Schuldner der Leistung in Verzug. Entstehen dem Fluggast Mehrkosten aufgrund der Abflugverspätung, so ist das Luftfahrtunternehmen dem Fluggast zum Ersatz dieser verpflichtet.

Zusammenfassung:

3. In diesem Fall buchte die Klägerin bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen einen Flug. Aufgrund der Schließung des Flughafens, der zwingenden Ruhezeiten der Besatzung und der schlechten Wetterbedingungen konnte der Flug nicht früher stattfinden. Somit verspätete sich der Flug. Der Kläger begehrt von dem beklagten Luftfahrtunternehmen einen Schadensersatz wegen der Verspätung von mehr als drei Stunden.

Als Rechtsgrundlage werden die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch genommen. Das Amtsgericht in Düsseldorf hat dem Kläger den Mehrkostenersatz zugesprochen.

Bei einem Flug handelt es sich um ein Fixgeschäft. Der Flug muss dann erfolgen, wie zuvor bei der Buchung vereinbart wurde. Verspätet sich der Abflug, so kommt das Luftfahrtunternehmen in Verzug und macht sich dem Fluggast gegenüber schadensersatzpflichtig.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin buchte über die Firma X bei der Beklagten für die Zeit vom 28. Juli bis zum 4. August 2004 für sich, ihre beiden Töchter X und X sowie für ihre Mutter, Frau X, eine Reise in die X nach X in das mit 4 Sternen bezeichnete Hotel X. Buchungsgrundlage waren die Allgemeinen Reise- und Geschäftsbedingungen der Beklagten (Blatt 39 GA). Gebucht waren zwei Doppelzimmer.

6. Als die Reisenden in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 2004 im Hotel X ankamen, wurde ihnen lediglich ein 4-Bett-Zimmer zur Verfügung gestellt. Am folgenden Morgen erfolgte dann die Unterbringung in dem gegenüberliegenden Hotel Y. Dieses Hotel sagte den Reisenden nicht zu, woraufhin sie in ein anderes mit den gebuchten Leistungen ausgestattetes adäquates Hotel umzogen. Die Kosten hierfür betrugen insgesamt 1.257,03 €.

7. Am 4. August 2004 kam es im Rahmen des Rückfluges zu einem Zwischenfall. Bei der Landung auf dem Flugplatz X wurde das Flugzeug stark abgebremst.

8. Die Klägerin machte mit Schreiben vom 9. August 2004 (Blatt 25 GA), das an die Firma X gerichtet war und an die Beklagte weitergeleitet wurde, reiserechtliche Gewährleistungsansprüche für die unzureichende Hotelunterbringung geltend sowie Schmerzensgeldansprüche wegen der Geschehnisse bei der Rückfluglandung auf dem Flugplatz X. Die Beklagte zahlte an die Klägerin nach Maßgabe eines Schreibens vom 26. November 2006 (Blatt 71 GA) einen Kulanzbetrag von 250,00 €. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 (Blatt 7 GA) lehnte die Berufshaftpflichtversicherung der Beklagten weitergehende Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche ab.

9. Nachdem die Klägerin zunächst mit der Klage vom 11. Februar 2006 Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 € und die Erstattung von Attestkosten in Höhe von 40,00 € verlangt hat, hat sie mit Schriftsatz vom 4. November 2006 die Klage erweitert und die Zahlung der für den Hotelwechsel entstandenen Kosten von 1.257,03 € verlangt.

10. Die Klägerin macht geltend, im Rahmen der Landung auf dem Flughafen X am 4. August 2004 sei es zu einem schweren Flugunfall gekommen. Der Anflug sei offensichtlich zu spät eingeleitet worden, weshalb die Landung in einem Sturzflug erfolgt sei. Um nicht über die Landebahn hinaus zu geraten, seien die Piloten gezwungen gewesen, das Flugzeug extrem stark abzubremsen. Durch das extreme Vibrieren und Schütteln des Flugzeuges habe sie – die Klägerin – eine HWS-Distorsion mit erheblicher schmerzhafter Bewegungseinschränkung erlitten. Zudem seien Angstzustände gefolgt, die bis heute andauern würden. Es sei dafür ein Schmerzensgeld von 2.500,00 € angemessen. Darüber hinaus habe die Beklagte neben den ihr – der Klägerin – entstandenen Attestkosten von 40,00 € den für den Hotelwechsel entstandenen Betrag von 1.257,03 € zu erstatten. Die Unterbringung im gebuchten Objekt sei mängelbehaftet gewesen und bei dem Hotel Y habe es sich nicht um ein adäquates, der Buchung entsprechendes Ersatzobjekt gehandelt.

11. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.797,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 26. September 2005 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13. Sie erhebt gegenüber den mit der Klageerweiterung vom 4. November 2006 geltend gemachten reiserechtlichen Gewährleistungsansprüchen unter Berufung auf die unter Ziffer 9.3. ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten einjährigen Verjährungsfrist die Einrede der Verjährung und macht im Übrigen geltend, Schmerzensgeldansprüche der Klägerin bestünden nicht. Die wegen starker Winde schwierige Landung in X habe sich noch innerhalb des Toleranzbereiches bewegt. Ein Pilotenfehler habe nicht vorgelegen. Der von der Klägerin geschilderte Geschehensablauf könne nicht zu einem HWS-Schleudertrauma geführt haben. Soweit sich die Klägerin auf Angstzustände berufe, habe der Landeablauf keinen verständlichen Anlass für entsprechende psychische Reaktionen geboten.

14. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Parteien in deren wechselseitigen Schriftsätzen nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

15. Die Klage ist unbegründet.

16. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 3.797,03 € steht der Klägerin nicht zu. Etwaige Schmerzensgeldansprüche sind durch die außergerichtlich vorgenommene Kulanzzahlung abgegolten. Ansprüche auf die Erstattung der im Zusammenhang mit dem Hotelwechsel entstandenen Kosten sind indes verjährt.

17. Die Klägerin kann von der Beklagten für etwaige Unzulänglichkeiten der Rückfluglandung am 4. August 2004 auf dem Flugplatz X kein Schmerzensgeld (mehr) verlangen, unabhängig davon, ob solche Ansprüche überhaupt von vornherein in Betracht kommen können, etwa nach den Regelungen des Montrealer Übereinkommens, den Vorschriften des Warschauer Abkommens, den Regelungen des Luftverkehrsgesetzes oder nach §§ 253 Abs. 2, 651 f. BGB. Denn die Klägerin hat Verletzungsfolgen, die Schmerzensgeldleistungen rechtfertigen, die über den bereits außergerichtlich gezahlten Kulanzbetrag hinausgehen, nicht hinreichend dargetan.

18. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, als Folge der Unzulänglichkeiten der Rückfluglandung vom 4. August 2004 entsprechend dem Attest des Dr. med. X vom 6. Dezember 2004 (Blatt 3 GA) eine HWS-Distorsion erlitten zu haben, fehlt es an jedweden näheren Angaben dazu, welche konkreten Beeinträchtigungen die Klägerin erlitten haben will. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wie häufig Arztbesuche erforderlich gewesen sein sollen und ob und inwieweit die Klägerin etwa arbeitsunfähig krank gewesen ist. Substantiierte Angaben dazu wären insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die Klägerin selbst sich in ihrem außergerichtlichen Schreiben vom 9. August 2004 nicht etwa darauf berufen hat, durch die Umstände der Landung am 4. August 2004 verletzt worden zu sein. Sie trägt dort lediglich vor, dass ihre Mutter und ihre Tochter X Verletzungen erlitten haben sollen, sie selber jedoch – ebenso wie ihre Tochter X – lediglich am Abend Schmerzen verspürt habe. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt das pauschale Vorbringen der Klägerin keinen Schmerzensgeldbetrag, der über die kulanterweise gezahlte Summe von 250,00 € hinausgeht. Dabei ist die erfolgte Zahlung nach Einschätzung des Gerichts auch angemessen und ausreichend, wenn die der Klägerin entstandenen Attestkosten von 40,00 € mit einbezogen werden.

19. Dass die Klägerin als – weitere – Folge der Art und Weise der Rückfluglandung vom 4. August 2004 psychische bzw. psychologische Beeinträchtigungen erfahren hat, hat sie ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Sie beruft sich lediglich pauschal auf andauernde Angstzustände, ohne diese im Näheren zu konkretisieren. Es fehlt an jedweden substantiierten Angaben dazu, wann, wo und in welcher Form welche Angstzustände als Folge des Vorfalls vom 4. August 2004 aufgetreten sein sollen. Konkrete Angaben dazu wären insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die Klägerin in ihrem außergerichtlichen Anspruchsschreiben vom 9. August 2004 noch avisiert hat, eine bereits für Oktober 2004 gebuchte weitere Flugreise aus psychischen bzw. psychologischen Gründen abzusagen, was aber offenbar nicht geschehen ist. Im Hinblick auf den unzureichenden Vortrag der Klägerin ist ihrem Beweisantritt der Zeugenvernehmung oder der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzukommen. Die Beweisantritte stellen sich als unzulässige Ausforschungsbeweise dar, da durch sie erst die Tatsachen zutage gefördert würden, die die Klägerin vorzutragen gehabt hätte.

20. Im Hinblick auf den unzureichenden Sachvortrag zu Verletzungsfolgen und vermeintlich schmerzensgeldrelevanten Beeinträchtigungen eines Vorfalles vom 4. August 2004 kann dahinstehen, ob und inwieweit überhaupt ein haftungsrelevantes Pilotenverhalten, das die Beklagte sich zuzurechnen hätte, vorgelegen hat. Ebenfalls offen bleiben kann die Frage, ob die von der Klägerin geschilderten psychischen Beeinträchtigungen überhaupt noch adäquate und haftungsrelevante Folge des geschilderten Vorfalls vom 4. August 2004 sein können, oder ob nicht eine nicht mehr ursächliche Überreaktion vorliegt. Insoweit weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass Ansprüche ausgeschlossen sein können, wenn ein Unfall selbst als Bagatelle einzustufen ist und nach seinem Ablauf und seinen Auswirkungen objektiv keinen verständlichen Anlass für psychische Reaktionen bietet, die über das Maß hinausgehen, was im Alltagsleben als typisch hinzunehmen ist.

21. Der von der Klägerin mit der Klageerweiterung vom 4. November 2006 geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der im Zusammenhang mit dem Hotelwechsel entstandenen Kosten von 1.257,03 €, der sich als Aufwendungsersatzanspruch nach § 651 c Abs. 3 BGB richtet, ist indes verjährt. Maßgeblich ist die unter Ziffer 9.3 der Allgemeinen Reise- und Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam vereinbarte einjährige Verjährungsfrist. Diese war bei Einreichung der Klageerweiterung vom 4. November 2006 bereits verstrichen. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten hat bereits mit Schreiben vom 28. Oktober 2005, das bei ordnungsgemäßem Postgang spätestens am 31. Oktober 2005 der Klägerin zugegangen ist, (weitergehende) Ansprüche der Klägerin zurückgewiesen. Die Klageerweiterung vom 4. November 2006 erfolgte aber mehr als ein Jahr nach diesem Schreiben und konnte nicht mehr zu einer Verjährungshemmung gemäß § 204 Abs. 1 Ziffer 1 BGB führen.

22. Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der im Vergleich zu § 651 g Abs. 2 BGB vorgenommenen Abänderung (Verkürzung) der Verjährungsfrist bestehen nicht. Nach § 651 m Satz 2 BGB kann die Verjährung nach § 651 g Abs. 2 BGB erleichtert werden. Dies ist vorliegend in zulässigem Rahmen geschehen, da die Verjährungserleichterung insbesondere auch durch allgemeine Geschäftsbedingungen erfolgen kann (vgl. Palandt-Sprau, § 651 m Rn. 2).

23. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

24. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 20.03.2007 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und wurde nicht berücksichtigt.

25. Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

– bis zum 12. November 2006: 2.540,00 €

– seit dem 13. November 2006: 3.797,03 €.

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