Vergewaltigung durch Hotelmitarbeiter

AG Neuss: Vergewaltigung durch Hotelmitarbeiter

Eine Frau hat bei der Beklagten einen Hotelaufenthalt gebucht. In der Nacht vor der Abreise wurde sie durch einen Mitarbeiter des Hotels vergewaltigt. Ihre Ansprüche hieraus hat sie an den Kläger abgetreten. Dieser verlangt Erstattung des Reisepreises und Ersatz für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit.

Das Gericht gab der Klage statt. Durch die Vergewaltigung sei die Reise mit einem Mangel behaftet gewesen, der eine Minderung um 100 % angemessen mache. Auch sei durch die Vergewaltigung jeglicher Erholungswert verloren gegangen. Ein Anspruch von insgesamt 1.699,00 DM wurde festgestellt.

AG Neuss 42 C 6702/99 (Aktenzeichen)
AG Neuss: AG Neuss, Urt. vom 02.08.2000
Rechtsweg: AG Neuss, Urt. v. 02.08.2000, Az: 42 C 6702/99
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Amtsgericht Neuss

1. Urteil vom 02. August 2000

Aktenzeichen 42 C 6702/99

Leitsätze:

2. Ein Reiseveranstalter schuldet eine Unterbringung, in der gewaltsame Übergriffe durch die Mitarbeiter der Unterkunft unterbleiben.

Der Erholungswert einer Reise kann durch eine Vergewaltigung am letzten Tage gänzlich ausgelöscht werden.

Zusammenfassung:

3. Eine Frau hat bei der Beklagten einen Hotelaufenthalt in der Türkei gebucht. In der Nacht vor der Abreise wurde sie durch einen Mitarbeiter des Hotels mehrfach vergewaltigt. Ihre Ansprüche hieraus hat sie an den Kläger abgetreten. Dieser verlangt Erstattung des Reisepreises und Ersatz für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit.

Das Gericht gab der Klage statt. Durch die Vergewaltigung sei die Reise mit einem Mangel behaftet gewesen, der eine Minderung um 100 % angemessen mache. Der Reiseveranstalter schulde eine Unterbringung, in der gewaltsame Übergriffe durch die Mitarbeiter der Unterkunft unterbleiben. Er habe ein Hotel auszuwählen, das Personal einstellt, das nicht nachts die Gäste vergewaltigt. Auch sei durch die Vergewaltigung jeglicher Erholungswert verloren gegangen. Dass vorher eine solche Erholung erfolgt sein könnte, sei unbeachtlich. Die Vergewaltigung in der letzten Nacht habe diesen Erholungswert nachträglich ausgelöscht. Daher wurde ein Anspruch von insgesamt 1.699,00 DM festgestellt.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.699,00 DM nebst 10% Zinsen seit dem 14.07.1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch die Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen großen Bank oder Sparkasse erbracht werden

Tatbestand:

5. Der Kläger macht Ansprüche aus einem Reisevertrag zwischen Frau … und der Beklagten geltend. Erstere trat ihre diesbezüglichen Ansprüche unter dem 25.09.1999 an den Kläger ab.

6. Am 19.05.1999 buchte Frau … bei der Beklagten eine Reise in das Hotel … in der Türkei. Diese Reise dauerte vom 31.05. bis zum 07.06.1999.

7. Am Morgen des Abreisetags zeigte Frau … an, dass sie in der Nacht vergewaltigt worden sei. Im Zuge der Ermittlungen wurde letztlich ein Bettlaken mit Spermaspuren im Badezimmer ihres Hotelzimmers gefunden. Noch am Abreisetag wurde ihr ein Gärtner der Hotelanlage, Herr … vorgeführt, welchen sie als Täter identifizierte.

8. Mit Schreiben vom 01.07.1999 zeigte Frau … diese Vergewaltigung gegenüber der Beklagten an und verlangte Rückerstattung des Reisepreises sowie Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit. Mit Schreiben vom 13.07.1999 lehnte die Beklagte solche Zahlung ab.

9. Frau … nimmt Bankkredit zumindest in Höhe der Klageforderung in Anspruch und zahlt hierauf mindestens 10% Zinsen.

10. Der Kläger behauptet, dass Frau … in der Nacht vom 06.06. auf den 07.06.1999 von Herrn … in ihrem Hotelzimmer vergewaltigt worden sei.

11. Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.699,00 DM nebst 10% Zinsen seit dem 13.07.1999 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

13. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

14. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … (Blatt 59 ff Gerichtsakte).

Entscheidungsgründe:

15. Die Klage ist bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung begründet.

16. Der Kläger kann gem. §§ 398, 651 d Abs. 1, 472 BGB Rückerstattung des von Frau … an die Beklagte gezahlten Reisepreises in Höhe von 999,00 DM verlangen. Die von der Beklagten erbrachte Reiseleistung war derart mangelhaft, dass der Reisepreis um 100% zu mindern ist. Frau …. ist in der Nacht vom 06.06. auf den 07.06.1999 in ihrem Hotelzimmer von einem Mitarbeiter der Hotelanlage vergewaltigt worden. Dies stellt einen Reisemangel dar. Zwar kann von einem Reiseveranstalter nicht erwartet werden, den Reisenden vor sämtlichen Gefahren im Zusammenhang mit der Reise zu schützen. Jedoch hat er eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen, in der gewaltsame Übergriffe seitens der Mitarbeiter dieser Unterkunft unterbleiben. Insbesondere kann eine Reisende erwarten, dass der Reiseveranstalter ihr ein Hotel anbietet, welches Personal auswählt, dass nicht nachts in die Zimmer der Reisenden eindringt und sie vergewaltigt.

17. Dass Frau … von Herrn … vergewaltigt worden ist, steht nach Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Die entsprechenden Schilderungen der Zeugin waren in sich schlüssig. Insbesondere war die Zeugin glaubwürdig. Sie erweckte auf das Gericht nicht den Eindruck einer Person, die am Reiseort eine Vergewaltigung anzeigt, einen unschuldigen Gärtner beschuldigt und ein spermabeflecktes Bettlaken in ihr Badezimmer verbringt, nur um von der Beklagten den Reisepreis zurückerstattet zu erhalten. Vielmehr fiel es ihr bei der Vernehmung erkennbar schwer, die Fassung zu bewahren, was nicht gespielt wirkte.

18. Auch dass es sich bei dem Täter um Herrn …, einen Angestellten der Anlage handelte, ist bewiesen. Angesichts der Tatsache, dass sich die Tat über mehrere Stunden erstreckte, in denen die Zeugin mehrfach vergewaltigt wurde und jeweils von dem Täter anschließend in das Badezimmer geführt wurde, gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass die Zeugin am nächsten Tag in der Lage war, den Täter zu identifizieren. Soweit die Beklagte vorträgt, dass ein Herr … ausgesagt habe, dass er bis etwa 3.30 Uhr oder 4.00 Uhr mit Herrn … zusammen gewesen sei, so ist dies durchaus mit der Schilderung der Zeugin im Einklang zu bringen. Sie sagt aus, dass sie gegen 3.30 Uhr durch einen fremden Mann geweckt wurde. Selbst wenn man den in der Klageschrift genannten Zeitpunkt von 3.20 Uhr, den die Zeugin offensichtlich dem Kläger-Vertreter mitgeteilt hatte, zugrunde legt, ergibt sich kein Widerspruch. Da weder Frau … noch Herr … die Zeit exakt gemessen haben dürften, sondern beide wohl nur ungefähre Angaben machen konnten, kann durchaus Herr … Herrn … gegen 3.30 Uhr verlassen haben und weiterhin gegen 3.30 Uhr in das Zimmer von Frau … eingedrungen sein.

19. Die Minderung um 100% ist gerechtfertigt, auch wenn sich die Vergewaltigung erst in der letzten Nacht ereignete und bis dahin die Leistungen von der Beklagten ordnungsgemäß erbracht worden sind. Das Ziel, dass ein Reisender mit einer Pauschalreise ans Mittelmeer verfolgt, nämlich sich zu erholen und erholt und mit angenehmen Erinnerungen nach Hause zurückzukehren, ist vorliegend vollkommen verfehlt worden. Selbst wenn sich zwischenzeitlich ein Zustand der Erholung eingestellt haben dürfte, wurde dieser durch die Ereignisse der letzten Nacht vollständig ausgelöscht. Dieses ergibt sich ebenfalls aus der Aussage der Zeugin … und versteht sich im Übrigen von selbst.

20. Ferner kann der Kläger aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Ersatz nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 700,00 DM gemäß § 651 f Abs. 2 BGB geltend machen. Wie bereits ausgeführt, war die Reise für die Zedentin aufgrund des Mangels völlig wertlos. Insofern steht ihr für die sieben aufgewendeten Urlaubstage eine angemessene Entschädigung zu. Nach Ansicht des Gerichts erscheint es angemessen, wie auch vom Kläger gefordert, von einem Pauschalbetrag von 100,00 DM pro Urlaubstag auszugehen. Denkbare Kriterien zur Berechnung einer angemessenen Entschädigung im Einzelfall, etwa der Reisepreis oder das Einkommen des Reisenden, sind nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, den Wert des Urlaubs für die jeweilige Person zu bestimmen. Im Übrigen dürften diese Kriterien im vorliegenden Fall auch nicht zu einem geringeren Betrag als dem beantragten führen.

21. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Angesichts der endgültigen Leistungsverweigerung seitens der Beklagten vom 13.07.1999 bedurfte es keiner weiteren Mahnung mehr. Beginn der Zinslaufzeit ist allerdings entgegen dem Klageantrag analog § 187 Abs. 1 BGB der Tag nach dem verzugsbegründenden Ereignis. Im Hinblick auf den Zweck der Abtretung, nämlich Geltendmachung der Ansprüche in einem gerichtlichen Prozess, ist davon auszugehen, dass die Zinsansprüche mitzediert worden sind.

22. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

23. Streitwert: 1.699,00 DM

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