Gestohlene Fotoausrüstung

LG Bremen: Gestohlene Fotoausrüstung

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Reiseveranstalter eine Reisepreisminderung und Schadensersatz, weil ihre wertvolle Fotokamera während der Reise gestohlen wurde.

Das LG Bremen hat der Klägerin die Zahlung nicht zugesprochen und entschieden, dass ein Diebstahl während der Reise keinen Reisemangel begründet.

LG Bremen 4 S 432/01 (Aktenzeichen)
LG Bremen: LG Bremen, Urt. vom 27.02.2002
Rechtsweg: LG Bremen, Urt. v. 27.02.2002, Az: 4 S 432/01
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Landgericht Bremen

1. Urteil vom 27.02.2002

Aktenzeichen: 4 S 432/01


Leitsatz:

2. Diebstahl von Fotoausrüstung während eines Landgangs bei einer Kreuzfahrt begründet keinen Reisemangel.


Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte bei dem beklagten Reiseveranstalter eine Kreuzfahrt. Während der Reise hat der Reiseveranstalter Änderungen im Ablauf der Reise vorgenommen und einen Landgang hinzugefügt. Während dieses Landgangs wurde der Klägerin eine wertvolle Kamera geraubt, dabei fiel sie zu Boden und wurde einige Meter mitgeschleift, weil sie den Gurt der Kamera festhielt. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Vorfall einen Reisemangel darstellt und verlangt eine Reisepreisminderung und Schadensersatz für die gestohlene Kamera.

Das Landgericht Bremen hat im Sinne des Beklagten entschieden und der Klägerin die Zahlungen nicht zugesprochen.  Ein Raubüberfall während des Urlaubs stellt keinen Reisemangel dar. Zwar trägt die Klägerin zutreffend vor, dass es ohne der planwidriger Änderung des Reiseablaufs zu dem Vorfall nicht gekommen wäre, jedoch handelt es sich bei dem Vorfall um die Verwirklichung des allgemeinen Gebrauchs- und Lebensrisikos. Es besteht immer und in jeder Stadt ein Risiko, dass man beraubt oder bestohlen wird.


Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 11.10.2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Gründe:

5. Das angefochtene Urteil ist jedenfalls im Ergebnis richtig.

6. Es mag zwar sein, daß es zum „Nutzen“ (§ 651 c Abs. 1 BGB) gehört, daß der Reisende seine „Freizeit“ im Hotel, auf dem Schiff und beim Landgang selbst gestalten kann, und daß der Verlust der dazu mitgeführten Ausrüstung — Lektüre, Sportgeräte, Fotoausrüstung — zu einem Reisemangel führen kann. Das setzt jedoch voraus, daß sich mit dem Verlust der Ausrüstung mehr als nur das Gebrauchsrisiko verwirklicht. So liegt ein Reisemangel nicht vor, wenn dem Reisenden aus Unachtsamkeit, oder weil ihn im Gedränge einer fremden Stadt ein Passant versehentlich anstößt, die Kamera aus der Hand fällt und Schaden nimmt. Das Gleiche gilt für Verletzungen, die sich ein Reisender zuzieht, weil sich ein Teil des allgemeinen Lebensrisikos verwirklicht. Wer sich auf einer mangelfreien Hoteltreppe den Fuß vertritt, kann dafür nicht den Reiseveranstalter verantwortlich machen mit der Begründung, ohne die Reise hätte er das Hotel gar nicht betreten.

7. Diesem Gebrauchs- und allgemeinen Lebensrisiko ist zuzuordnen, was der Klägerin und ihrer Schwester widerfahren ist. Es kommt auch in Deutschland gelegentlich vor, daß Fotoapparate, mit oder ohne Tasche, und Handtaschen auf offener Straße geraubt werden und daß das Opfer dabei auch körperlichen Schaden erleidet, wenn es versucht, seine Habe festzuhalten. Von diesem Muster wich der Vorfall, so wie ihn die Schwester der Klägerin bei der Polizei in F de F geschildert hat, nicht ab. Danach hat ein Unbekannter der Schwester von hinten die Videokamera entrissen.

8. Dabei fiel die Schwester zu Boden und wurde einige Meter mitgeschleift, weil sie den Gurt der Kamera festhielt. Da außerdem ein Fotoapparat, Geld und Papiere entwendet wurden, muß sich alles in der zwar nicht in der Anzeige, wohl aber in der Klage erwähnten Tasche befunden haben. Die Klägerin versuchte, ihrer Schwester beizustehen und verstauchte sich dabei das rechte Fußgelenk.

9. Zu dem Vorfall wäre es zwar nicht gekommen, ohne die planwidrige Änderung des Ablaufs der Reise, in der das Amtsgericht wegen vertaner Urlaubszeit einen Mangel gesehen hat. Daß die Klägerin und ihre Schwester ohne die Änderung des Reiseplanes gar nicht nach Martinique gekommen wären, reicht jedoch nicht aus, um auch ihre Beraubung als Reisemangel anzusehen. Die Klägerin trägt selbst vor, daß das Risiko, als Tourist Opfer eines Überfalls zu werden, auf Martinique allgemein nicht größer sei als beispielsweise in Frankreich. Der planwidrige Aufenthalt in F de F auf Martinique war sicher auch nicht allgemein gefährlicher als es der planmäßige in P auf St. Martin gewesen wäre.

10. Besondere Umstände, die das Beraubungsrisiko gerade im Hafen von F de F am Tattage erheblich erhöht hätten, hat die Klägerin nicht dargetan. Es mag sein, daß zwei Tage vorher ein Mitglied der Schiffsbesatzung überfallen worden war. Ein einmaliger Vorfall, der sich in gleicher Weise zu jeder Zeit und an jedem Ort zutragen kann, begründet jedoch keine besondere Wiederholungsgefahr gerade für den Ort, an dem er sich zugetragen hat. Es kann auch unterstellt werden, daß der örtliche Agent der Beklagten vor Überfällen gewarnt hat. Konkrete Umstände, die dazu führen könnten, diese Warnung als berechtigt und ihre Weitergabe an die Passagiere als geboten anzusehen, trägt die Klägerin jedoch nicht vor. Zwar benennt die Klägerin den örtlichen Agenten der Beklagten und den Polizeibeamten, der die Anzeige aufgenommen hat, als Zeugen dafür, daß es in der Umgebung des Hafens mehrmals in der Woche zu Diebstählen und Raubüberfällen komme. Dabei handelt es sich jedoch um einen reinen Ausforschungsbeweis. Wirkliche Kenntnis darüber, und sei es auch nur aufgrund von Auskünften des Polizeibeamten, hat die Klägerin offenbar nicht. Zu der Behauptung, während der Liegezeit des Schiffes seien schon andere Passagiere Opfer von Überfällen geworden, was auch der Schiffbesatzung bekannt gewesen sei, benennt die Klägerin nur ihre Schwester als Zeugin. Die Kammer unterstellt, daß namentlich nicht bekannte Mitglieder der Schiffsbesatzung der Klägerin und ihrer Schwester von solchen Überfällen berichtet haben. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Vorfälle auch der Bordreiseleitung der Beklagten bekannt gewesen sein müssen. Nicht alles, was irgendein Mitglied der Schiffsbesatzung gehört hat, ist der Beklagten zuzurechnen. Außerdem ist jeder Reisende in der Lage und gefordert, selbst eine allgemeine Risikoeinschätzung vorzunehmen. Jeder weiß oder kann sich selbst sagen, daß das Risiko von Diebstählen und Überfällen an manchen Plätzen, z. B. in einer abgelegenen Hafengegend, größer sein kann als an anderen. Dazu braucht er keinen besonderen Hinweis.

11. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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