Unzulässige Option bei Onlinebuchung
LG Erfurt: Unzulässige Option bei Onlinebuchung
Die Klägerin fordert die Unterlassung einer Opt-Out Funktion während einer Online Buchung. Diese Buchung einer Reise bzw. Fluges beinhaltet eine bereits vorformulierte und erst durch Wegklicken zu entfernenden Option.
Das Landgericht Erfurt sah die Klage als begründet an und verurteilte die Beklagte auf Unterlassung dieser Option, da eine Transparenz für den Verbraucher nicht gegeben sei.
LG Erfurt | 3 O 208/10 (Aktenzeichen) |
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LG Erfurt: | LG Erfurt, Urt. vom 13.08.2010 |
Rechtsweg: | LG Erfurt, Urt. v. 13.08.2010, Az: 3 O 208/10 |
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Leitsatz:
2. Ein automatisches Hinzufügen einer Opt-Out Funktion ist nicht rechtens., da eine Transparenz für den Reisenden nicht gegeben ist.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall fordert die Klägerin von der Beklagten eine Unterlassung einer Opt-Out Funktion bei einer Online Buchung. Diese Funktion ist automatisch bei jeder Buchung aktiviert ohne das der Reisende diese Versicherung ausgewählt hat. Nur durch gezieltes Anklicken kann man diese Option entfernen.
Das Gericht sah die Klage begründet da für den Reisenden, der eine Online Buchung vornehmen will, fakultative Zusatzkosten auf klare, transparente und eindeutige Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt werden müssen. Es verurteilte die Beklagte auf Zahlung einer Strafe, sollte sie diese Opt-Out Funktion nicht entfernen.
Tenor
4. 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse … nach Auswahl einer gewünschten Flugverbindung eine zusätzliche Versicherungsleistung (hier: …) in den virtuellen „Warenkorb“ einzustellen, ohne das der Verbraucher zuvor eine Erklärung über die Auswahl solch einer Versicherungsleistung und dem Verbraucher lediglich die Möglichkeit zu eröffnen, die voreingestellte Auswahl einer Versicherungsleistung zu ändern, wie geschehen in dem Buchungssystem, von dem Ausdruck einer Bildschirmkopie als Anlage Antrag beigefügt ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 23.02.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 EUR.
Tatbestand
5. Der Kläger nimmt als Verbraucherverband die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
6. Die Beklagte betreibt unter der Internet-Adresse … ein Internetportal, über das sie Pauschalreisen, einzelne Reiseleistungen, wie auch Flugleistungen von verschiedenen Fluggesellschaften anbietet und vermittelt.
7. Bei der Suche eines Fluges wird der Verbraucher über die Internetseite der Beklagten in eine Suchroutine geführt, bei der er die Möglichkeit hat, verschiedene Flugverbindungen nach bestimmten Auswahlkriterien zu buchen. Entscheidet sich der Verbraucher für einen der dargestellten Flüge, besteht die Möglichkeit, ein gesondertes Textfeld mit der Bezeichnung „Auswählen“ zu betätigen. Nach einem weiteren Klick besteht die Möglichkeit zur zusätzlichen Auswahl von Hotels. Der Preis für den ausgewählten Flug wird wiederholend dargestellt in einem Textfeld mit der Bezeichnung „Warenkorb“. Der Nutzer hat sodann die Möglichkeit, ohne Hotelbuchung die Flugbuchung selbst fortzuführen, indem er ein Textfeld „Ohne Hotel weiter“ betätigt. Geschieht dies, wird der Verbraucher auf eine weitere Unterseite geführt, in der wiederum das Textfeld mit der Bezeichnung „Warenkorb“ präsentiert wird. Der Betrag der Leistung, die sich nunmehr im Warenkorb befindet, ist höher als der im Buchungsschritt zuvor ausgewählte Preis für die Flugverbindung. Hinzu kommt nunmehr ein zusätzlicher Betrag für Versicherung. In der von der Klägerin durchgeführten Probebuchung belief sich der Betrag auf 16,00 EUR. Das Hinzukommen der Versicherung erfolgt, ohne dass der Verbraucher irgendwelche Erklärungen zu Versicherungen zuvor abgegeben hat. Auf der Unterseite des Buchungsformulars folgen weitere Darstellungen unter jeweiligen Überschriften. Eine dieser Überschriften lautet:
9. Unter dieser Überschrift wird ein gesondert unterlegtes Textfeld abgebildet, in dem wiederum drei Ankreuzmöglichkeiten vorbehalten sind. Unter anderem ist ein „Anklick-Feld“ mit der Textbezeichnung „… (für alle Reisenden im Preis inbegriffen)“ vorgesehen. Dort ist bereits durch das System eine Markierung gesetzt. Der Verbraucher hat die Möglichkeit, die so voreingestellte Auswahl zu ändern, indem er ein alternatives Ankreuzfeld mit Text „Ich verzichte auf weiteren Versicherungsschutz“ auswählt.
10. Eine vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten durch den Kläger blieb erfolglos.
11. Der Kläger ist der Auffassung, die Gestaltung des Internet-Auftritts der Beklagten verstoße gegen Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.09.2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (nachfolgend: Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 genannt). Diese Vorschrift richte sich auch an das Unternehmen der Beklagten als Reisevermittlerin. Die Gestaltung der Buchungsmaske widerspreche dem Gebot des Artikel 23 Abs. 1 Satz 4. Die zusätzliche Leistung einer Reiseversicherung werde im sogenannten „Opt-Out“-Verfahren präsentiert, was der ausdrücklichen Anordnung des Verordnungsgebers widerspreche. Die Annahme von fakultativen Zusatzkosten dürfe nur auf „Opt-In“-Basis erfolgen.
13. 1.die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
14. gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse … nach Auswahl einer gewünschten Flugverbindung eine zusätzliche Versicherungsleistung (hier: …) in den virtuellen „Warenkorb“ einzustellen, ohne dass der Verbraucher zuvor eine Erklärung über die Auswahl solch einer Versicherungsleistung abgegeben hat und dem Verbraucher lediglich die Möglichkeit zu eröffnen, die voreingestellte Auswahl einer Versicherungsleistung zu ändern,
15. wie geschehen in dem Buchungssystem, von dem Ausdruck einer Bildschirmkopie als Anlage Antrag beigefügt ist;
16. 2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
19. Sie meint, die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 richte sich ausschließlich an Fluggesellschaften, nicht jedoch an Vermittler von Flugleistungen. Zudem handele es sich nicht um fakultative Zusatzkosten im Sinne der gesetzlichen Regelung. Bei den Kosten für eine Versicherung handele es sich um Kosten für eine artfremde Leistung eines Dritten, die mit den Flugdiensten und sonstigen mit der Flugleistung im Zusammenhang stehenden Serviceleistungen, die Gegenstand der Verordnung sind, in keinem Zusammenhang stünden. Durch die „Opt-Out“-Regelung sei im Übrigen gesichert, dass der Kunde in eindeutiger Form über den Abschluss der Reiserücktrittkosten-Versicherung informiert werde und er durch eine aktive Handlung auf diesen Versicherungsschutz, der eines besonderen Hinweises bedarf, ausdrücklich verzichten muss. Diese Informationspflicht sei im § 6 Abs. 2 Nr. 9 in der BGB-Info V normiert. Eine Regelung, die für den Reiseveranstalter oder für den Reisevermittler im Falle von Pauschalreisen nach der BGB-Info V verpflichtend sei, könne für den Reisevermittler bei einer Flugleistung nicht nach der EU-Verordnung unzulässig sein.
Entscheidungsgründe
20. Die Klage ist zulässig und begründet.
21. Das Landgericht Erfurt ist gem. §§ 13, 14 UWG in Verbindung mit §§ 21 ZPO, 5 ThürZustVO sachlich und örtlich zuständig.
22. Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich §§ 1, 2 UKlaG in Verbindung mit § 3 UKlaG sowie § 8 Abs. 3 Nr: 3 UWG in Verbindung mit § 4 UKlaG.
23. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 4 2. Hs. Verordnung (EU) 1008/2008 zu. Die Beklagte verstößt gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 4 2 Hs. Verordnung (EU) 1008/2008, indem sie unaufgefordert einen Reiseversicherungsschutz in das Buchungsformular aufnimmt. Nach der genannten Vorschrift müssen fakultative Zusatzkosten auf klare, transparente und eindeutige Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt werden. Die Annahme der fakultativen Zusatzkosten durch den Kunden hat auf „Opt-In“-Basis zu erfolgen. Vorformulierte und erst durch Wegklicken zu entfernende Optionen sind dagegen unzulässig. So liegt es im vorliegenden Fall, indem der Reiseversicherungsschutz automatisch zusammen mit der Flugreise gebucht wird, sofern der Verbraucher diese Zusatzleistung nicht entfernt.
24. Bei den Kosten für eine Reiseversicherung, die aus Anlass einer gebuchten Flugreise anfallen, handelt es sich um fakultative Zusatzkosten. Dies sind solche Kosten, die nicht zu den für die Inanspruchnahme des Flugdienstes unvermeidbaren Kosten gehören. Insbesondere der Abschluss einer Reiseversicherung gehört zu diesen Kosten, da der Flug auch ohne den Versicherungsschutz gebucht werden kann (Ernst, GPR 2009, 18; LG Leipzig, Urteil vom 19.3.2010, Az.: 02 HK O 1900/09).
25. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist Art. 23 Abs. 1 Satz 4 2. Hs. Verordnung (EU) 1008/2008 auf den Reisevermittler anwendbar und nicht nur auf Fluggesellschaften. Die Verordnung regelt gem. Art. 1 auch die Preisfestsetzung für innergemeinschaftliche Flugdienste der Mitgliedsstaaten. Unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe des Verordnungsgebers gem. Nr. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 ist ein effektiver Vergleich der Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen nur möglich, wenn die betreffenden Regelungen auch auf Vermittler von Flügen Anwendung finden (LG Düsseldorf, Urteil vom 3.2.2010, Az.: 12 O 173/09). Darüber erschließt sich aus § 108 Abs. 5 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 auf den Reisevermittler. Nach der genannten Vorschrift kann Täter einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Nummer 13 des Luftverkehrsgesetzes sein, wer als Luftfahrtunternehmer, Reiseveranstalter oder Reisevermittler vorsätzlich oder fahrlässig entgegen Artikel 23 Abs. 1 Satz 2 oder Satz der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 den zu zahlenden Endpreis, den Flugpreis, die Luftfrachtrate, eine Steuer, eine Gebühr, einen Zuschlag oder ein Entgelt nicht oder nicht richtig ausweist. Auch der Deutsche Gesetzgeber setzt daher die Anwendbarkeit der Verordnung (EU) 1008/2008 auf den Reisevermittler voraus.
26. Aus der Beachtung der Verordnung (EU) 1008/2008 entsteht kein unüberwindbarer Widerspruch zur Informationsverpflichtung der Beklagten als Reisevermittlerin aus § 6 Abs. 2 Nr. 9 der BGB-Info V. Ihrer Informationsverpflichtung kann die Beklagte auch innerhalb einer im „Opt-In“-Verfahren angebotenen Versicherungsleistung nachkommen.
27. Die Payback-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.7.2008 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 348/06 betrifft einen anderen Sachverhalt, der u. a. am BDSG zu messen war. Eine „Opt-out“-Regelung ist nach dem BDSG bei einer Einwilligungserklärung zur Speicherung der persönlichen Daten zulässig. Vorliegend geht es aber nicht um die Nutzung persönlicher Daten, sondern um die Art und Weise der Annahme eines Versicherungsvertrages. Zudem besteht, anders als im BDSG geregelt, in der Verordnung (EU) 1008/2008 das ausdrückliche Gebot, Zusatzleistung im „Opt-in“-Verfahren anzubieten. Dieses Gebot ergäbe keinen Sinn und würde unterlaufen, wenn daneben bestimmte weitere kostenpflichtige Leistungen im „Opt-out“-Verfahren vermittelt werden könnten.
28. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Abmahnkosten folgt aus § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Abmahnung war aus den vorgenannten Gründen berechtigt. Die Höhe des Ersatzanspruches ist unstreitig.
29. Der Anspruch zur Verzinsung ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
30. Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.
31. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 709 Satz 1 ZPO.
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