Stornierung durch den Reiseveranstalter auf Grund der Nichteröffnung der Jagdsaison

LG Mönchen­gladbach: Stornierung durch den Reiseveranstalter auf Grund der Nichteröffnung der Jagdsaison

Die Veranstalterin von Jagdreisen stornierte die Buchung von zwei Reisenden wegen der unerwarteten Nichteröffnung der Jagdsaison in der Russischen Republik und behielt einen Teil des im Voraus gezahlten Reisepreises für bereits erbrachte Reiseleistungen ein.

Die Kunden klagten erfolglos auf die Nachzahlung dieses Betrags. Das Gericht sah in der verzögerten Saisoneröffnung jedoch höhere Gewalt.

LG Mönchengladbach 4 S 64/06 (Aktenzeichen)
LG Mönchengladbach: LG Mönchengladbach, Urt. vom 21.02.2007
Rechtsweg: LG Mönchengladbach, Urt. v. 21.02.2007, Az: 4 S 64/06
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Landgericht Mönchengladbach

1. Urteil vom 21. Februar 2007

Aktenzeichen 4 S 64/06

Leitsätze:

2. Die unerwartete Nichteröffnung einer Jagdsaison durch ausländische Behörden stellt höhere Gewalt dar, weil sie unvorsehbar und auch durch vernünftige Maßnahmen nicht abzuwenden ist.

Wird ein Reisevertrag wegen höherer Gewalt gekündigt, hat der Veranstalter Anspruch auf Entschädigung für bereits erbrachte Reiseleistungen.

Zusätzliche Leistungen, die nicht auf dem Reisevertrag beruhen, so etwa die Buchung von Flugtickets, werden in ihren Kosten auf beide Vertragsparteien aufgeteilt, wenn das Vertragsverhältnis aufgrund höherer Gewalt gekündigt wurde.

Zusammenfassung:

3. Ein Ehepaar buchte bei der Beklagten eine Jagdreise in die russische Republik und zahlten den Reisepreis vorab. Zwei Wochen vor Reisebeginn stornierte die Beklagte die Reise jedoch, weil die russischen Behörden erstmals seit 15 Jahren die Jagdsaison nicht eröffnet hatten. Sie zahlte die Vorauszahlung größtenteils zurück, behielt jedoch die Summe der bereits erbrachten Leistungen wie Gebühren für Visa, Ausfuhrgenehmigungen, Spesen und Flugtickets ein.

Das Paar klagte zunächst erfolglos auf die Nachzahlung auch des übrigen Betrages und ging in Berufung. Vor dem Landgericht Mönchengladbach berief es sich auf die vertragliche Abschussgarantie, die durch Nichtantritt der Reise greife. Das Gericht teilte diese Auffassung nicht, da sich die Abschussgarantie sprachlich eindeutig auf tatsächliche Jagdsituationen bezog. In der Nichteröffnung der Saison sah es höhere Gewalt, da sie bei Vertragsschluss nicht absehbar war.

Daraus ergibt sich der Anspruch der Beklagten, für bereits geleistete Dienste entschädigt zu werden. Lediglich bezüglich der Flugtickets wurde der Berufungsklage stattgegeben, da diese nicht zum Umfang des Reisevertrages gehörten und somit von jeder Partei zur Häfte getragen werden müssen.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Kläger wird das am 09.02.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 73,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.07.2005 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 1) und 2) jeweils 45 % und die Beklagte 10 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

I.

5. Die Kläger buchten am 09.02.2004 bei der Beklagten eine Jagdreise für den Zeitraum 07. bis 16.05.2005 auf den Frühjahresbären in das in Sibirien gelegene Voraltai (Russische Republik). Gegenstand des Vertrags war u.a. eine seitens der Beklagten übernommene sogenannte „Abschussgarantie“, nach der die Kläger 3.000,00 Euro des Reisepreises zurückerhalten sollten, wenn sie „wider Erwarten und bei waidmännischer Entfernung von 200 m, keine Möglichkeit haben, auf einen Braunbär zum Schuss zu kommen.“

6. Die Kläger bezahlten den Reisepreis von je 5.218,00 Euro komplett im Voraus an die Beklagte. Kurz vor geplantem Reisebeginn stornierte die Beklagte – einer schriftlichen Ankündigung vom 28.04.2005 entsprechend – mündlich die Reise gegenüber den Klägern, weil die Jagdsaison in Russland erstmals seit dem Jahre 1989 zu diesem Zeitpunkt ohne sachlichen Grund noch nicht eröffnet worden war.

7. Die geleistete Vorauszahlung zahlte die Beklagte an die Kläger zum überwiegenden Teil zurück, behielt jedoch je Kläger 850,33 Euro für bereits erbrachte Reiseleistungen ein. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Visumgebühren in Höhe von 60,33 Euro, Bearbeitungsspesen in Höhe von 200,00 Euro, Gebühren für eine Stornokostenzusage in Höhe von 153,00 Euro, für eine Waffeneinfuhrgenehmigung in Höhe von 90,00 Euro, für die Erlaubnis zur Ausfuhr von Jagdtrophäen in Höhe von 200,00 Euro sowie den Kosten für die Stornierung zweier Flüge in Höhe von 95,00 Euro bzw. 52,00 Euro. Die Auszahlung dieser seitens der Beklagten einbehaltenen Beträge verfolgen die Kläger mit der vorliegenden Klage.

8. Die Kläger haben geltend gemacht,

die Kündigung der Beklagten lasse sich nicht auf höhere Gewalt stützen, da die Beklagte mit der Abschussgarantie auch die Garantie für die Durchführung der Jagd übernommen habe. Es sei angesichts der Verhältnisse innerhalb der Russischen Republik, die von Korruption geprägt seien, auch vorhersehbar gewesen, dass bei nicht geleisteten Schmiergeldzahlungen die Jagdsaison möglicherweise nicht eröffnet werden würde.

9. Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an

1.

den Kläger zu 1) 850,33 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 26. Juli 2005 zu zahlen;

2.

den Kläger zu 2) 850,33 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 26. Juli 2005 zu zahlen.

10. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

11. Die Beklagte hat geltend gemacht,

sie sei zur Kündigung des Vertrags wegen der nicht vorhersehbaren verspäteten Jagdsaison berechtigt gewesen und habe daher einen Anspruch auf Vergütung der bis zu diesem Zeitpunkt bereits erbrachten Reiseleistungen.

12. Das Amtsgericht hat die Klage mit am 09.02.2006 verkündetem Urteil insgesamt abgewiesen, weil die Kündigung der Beklagten auf höhere Gewalt gestützt werden könne und es sich bei den von der Beklagten einbehaltenen Beträgen um Kosten für bereits erbrachte Reiseleistungen handle, zu deren Erstattung die Kläger der Beklagten gem. §§ 651j Abs. 2, 651e Abs. 3 S. 1 und 2 BGB verpflichtet seien.

13. Mit der vorliegenden Berufung verfolgen die Kläger den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch weiter. In Ergänzung zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen machen sie ferner geltend, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung der gesamten Vorauszahlung sich bereits aus Art. 4 Abs. 6 Buchstabe b) der Europäischen Richtlinie für Pauschalreisen (EG-​Pauschalreiserichtlinie) ergebe. Eine hiervon abweichende Auslegung des § 651j BGB dahingehend, dass der Reiseveranstalter Einbehalte wegen bereits erbrachter Reiseleistungen vornehmen dürfe, sei generell unzulässig.

14. Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen

1.

an den Kläger zu 1) 850,33 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 26. Juli 2005,

2.

an den Kläger zu 2) 850,33 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 26. Juli 2005

zu zahlen.

15. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

16. Die zulässige Berufung ist lediglich in Höhe eines Betrags von 73,50 Euro je Kläger begründet, die weitergehende Berufung ist demgegenüber unbegründet.

17. Der Rückerstattungsanspruch des Reisenden, der im Falle einer auf § 651j BGB gestützten Kündigung des Reisevertrags mehr bezahlt hat, als der Veranstalter gem. § 651e Abs. 3 S. 1, 2 BGB beanspruchen kann, ergibt sich unmittelbar aus § 651j BGB (Palandt/Sprau, § 651j, Rn. 8 m.w.N.), sofern der Reiseveranstalter berechtigterweise wegen höherer Gewalt kündigt.

18. Die verzögerte Eröffnung der Jagdsaison in der Russischen Republik stellte höhere Gewalt i.S.d. § 651j BGB dar. Höhere Gewalt liegt vor bei einem von außen kommenden, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisenden, auch durch die äußerste vernünftige Sorgfalt nicht abwendbaren Ereignis (Palandt/Sprau, § 651j, Rn. 3 m.w.N.). Die Eröffnung oder Nichteröffnung der Jagdsaison ist zunächst weder dem betrieblichen Bereich der Beklagten noch der Sphäre der Kläger zugewiesen. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht aus der von der Beklagten übernommenen Abschussgarantie. Denn diese Garantie setzte die Eröffnung der Jagdsaison voraus. Sie sollte ersichtlich allein in dem Falle greifen, dass die Reise zwar angetreten worden ist, aber kein Bär in einer zum Abschuss tauglichen Entfernung gesichtet würde. Die Abschussgarantie bezieht sich somit auf die Häufigkeit des Wilds im Jagdgebiet, nicht hingegen auf den rechtlichen Rahmen, unter dem die Jagd stattfinden konnte. Die Entscheidung über die Eröffnung der Saison durch die russischen Behörden ist der Einflussnahme der Parteien entzogen und von der Beklagten auch nicht durch vorbeugende Maßnahmen beeinflussbar. Zu Recht hat daher das Amtsgericht eine Vergleichbarkeit des vorliegenden Falls mit den Fällen, in denen aufgrund behördlicher Entscheidung Einreise- oder Gesundheitsbestimmungen geändert worden waren (vgl. OLG Frankfurt NJW-​RR 2005, 282), bejaht.

19. Die höhere Gewalt führte zu einer erheblichen Erschwerung, Gefährdung oder Beeinträchtigung der Reise. Eine solche liegt vor, wenn der vertraglich vorgesehene Nutzen der Reise als ganzes bei objektiver Betrachtung im Zeitpunkt der Kündigung in Frage gestellt ist. Dies kann insbesondere auch dann der Fall sein, wenn wesentliche Teile der Reise nicht durchführbar sind (Palandt/Sprau, § 651j, Rn. 2 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, weil bei einer ausdrücklich als „Jagdreise“ angebotenen Reise die Jagdsaison nicht rechtzeitig eröffnet wurde, so dass keine Jagd stattfinden konnte.

20. Die verzögerte Eröffnung der Jagdsaison war bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie selbst von der verspäteten Eröffnung der Jagdsaison erst unmittelbar, bevor sie die Kläger am 28.04.2005 über eine mögliche Stornierung der Reise informierte, erfahren habe. Die Kläger wiederum tragen nicht vor, dass die konkreten Schwierigkeiten im Frühjahr 2005 bei Vertragsabschluss für die Beklagte vorhersehbar gewesen seien, sondern lediglich, dass diese aufgrund allgemeiner Erfahrungen mit dem Reiseland Russland jederzeit damit habe rechnen müssen, dass bürokratische Versäumnisse die Reise gefährden würden. Diese Behauptung ist jedoch zu pauschal, sofern sie sich nicht auf konkrete Vorkommnisse in der Vergangenheit stützen kann. Aus dem Umstand, dass im Jahre 1989 unter einem anderen Regime die Jagdsaison nicht eröffnet worden ist, lässt sich eine Vorhersehbarkeit für das Jahr 2005 ebenfalls nicht herleiten. Hier lagen grundsätzlich andere Voraussetzungen vor. Auch die von den Klägern angeführte Überlegung, dass in Russland bekanntermaßen Korruption in erheblichem Umfang bis in die Behörden vorkommt, ändert diese Beurteilung grundsätzlich nicht. Denn die bloß abstrakte Möglichkeit, dass die Eröffnung der Saison aufgrund Korruption unterbleibt, genügt nicht, die Vorhersehbarkeit zu bejahen. Dies um so mehr, als die Saison unstreitig 15 Jahre lang problemlos eröffnet worden ist.

21. Im Übrigen ist auch zu beachten, dass dann, wenn das zur Kündigung der Reise führende Ereignis sowohl für den Veranstalter wie für den Reisenden vorhersehbar war, der Veranstalter ausnahmsweise seinen Erstattungsanspruch nicht verliert (vgl. Tempel, NJW 1997, 621, 623). Es wäre nicht angemessen, in einem solchen Falle das Risiko einseitig auf den Veranstalter zu verlagern. Solange die Kläger, wie hier, die Vorhersehbarkeit für die Beklagte mit dem Hinweis auf allgemein zugängliche Quellen hinsichtlich der politischen Lage in Russland stützen, müssen sie sich entgegenhalten lassen, dass sie dann bei der Planung ihrer exotischen Reise mit Abenteuercharakter das Risiko einer Nichtdurchführbarkeit der Reise genauso in Kauf genommen haben wie die Beklagte.

22. Eine Kündigung seitens der Beklagten ist mündlich unmittelbar vor Antritt der Reise unstreitig erfolgt.

23. Die Rechtsfolgen der Kündigung wegen höherer Gewalt richten sich nach den §§ 651j Abs. 2, 651e Abs. 3 S. 1 und 2 BGB. Entgegen der Ansicht der Kläger ist eine an Art. 4 Abs. 6 Buchst. b) der EG-​Pauschalreiserichtlinie ausgerichtete einschränkende Auslegung der §§ 651j Abs. 2; 651e Abs. 3 S. 1 BGB dahingehend, dass ein Erstattungsanspruch des Reiseveranstalters wegen bereits erbrachter Reiseleistungen bei Kündigung vor Reiseantritt entfällt, nicht vorzunehmen. Die Kläger berufen sich im Ergebnis erfolglos darauf, dass Art. 4 Abs. 6 Buchst. b EG-​Pauschalreiserichtlinie dem Reisenden die Möglichkeit eröffnet, bei Stornierung des Reisevertrags vor Reiseantritt die „schnellstmögliche Erstattung aller von ihm aufgrund des Vertrags gezahlten Beträge“ zu verlangen. Denn diese Bestimmung regelt lediglich, dass dem Reisenden bei Reisestornierung die auf den Reisepreis bereits geleistete Zahlung zurückzuerstatten ist. Sie regelt aber nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen der Reiseveranstalter einen Ausgleichsanspruch wegen von ihm bereits erbrachter Reiseleistungen hat. Also ist zwar in der Richtlinie die Rückzahlbarkeit der auf den Vergütungsanspruch seitens des Reisenden bereits erbrachter Leistungen geregelt, der Entschädigungsanspruch des Veranstalters, der infolge der Kündigung entsteht (vgl. Palandt/Sprau, § 651j, Rn. 5) wird durch die Richtlinie aber nicht eingeschränkt. Dieser Entschädigungsanspruch kann gegenüber dem Rückzahlungsanspruch zur Aufrechnung gestellt werden. Selbst wenn man durch in der Richtlinie ein Aufrechnungsverbot begründet sehen wollte, stünde dem Rückzahlungsanspruch des Reisenden zumindest die aus § 242 BGB resultierende „dolo-​agit-​Einrede“ entgegen, die verbietet, eine Leistung zu verlangen, die sofort wieder herauszugeben man verpflichtet ist.

24. Dass dieses Verständnis zutreffend ist, ergibt sich zum einen daraus, dass in der Literatur, wenngleich ohne Begründung, geäußert wird, § 651j BGB sei von der Richtlinie überhaupt nicht erfasst (MünchKomm/Tonner, Vor § 651a, Rn. 27a a.E.). Zum anderen ließe sich ein nach – unterstellt – vollständiger Rückzahlung des Reisepreises geltend gemachter Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters mit einer Berufung auf die Richtlinie nicht begründen, weil ersichtlich deren Regelungsbereich nicht tangiert ist.

25. Der Umfang des Rückzahlungsanspruchs bemisst sich nach § 651e Abs. 3 S. 1, 2 BGB. Zu ersetzen sind die bereits erbrachten Reiseleistungen, soweit sie auf dem Vertrag zwischen Reisenden und Reiseveranstalter beruhen. Nicht hinreichend sind solche Leistungen, die im Verhältnis zwischen Reiseveranstalter und seinen Leistungsträgern ihren Grund haben (BGH NJW 1990, 572). Insoweit ist wie folgt zu differenzieren:

26. Als bereits erbrachte Reiseleistungen sind anzusehen die Ausstellung der Visa (jeweils 60,33 €), der Waffeneinfuhrgenehmigungen (je 90,00 €), der sogenannten CITES, der Genehmigungen für die Ausfuhr von Trophäen (je 200,00 €), die sämtlich bereits ausgestellt waren. Die Beklagte hat Anspruch auf den Anteil der insoweit vereinbarten Vergütung, der demjenigen der erbrachten an den vorhergesehenen Leistungen entspricht (vgl. Palandt/Sprau, § 651e, Rn. 5). Da die genannten Leistungen bereits vollständig erbracht wurden, geht der Anspruch auf die volle vereinbarte Vergütung. Insbesondere der Anspruch auf Erstattung der Kosten der sogenannten CITES besteht unabhängig davon, ob die Beantragung der Ausfuhrgenehmigung zum damaligen Zeitpunkt bereits erforderlich war, jedenfalls handelt es sich um eine seitens der Beklagten bereits erbrachte Reiseleistung. Da § 651j Abs. 2 S. 1 BGB nicht auf § 651e Abs. 3 S. 3 BGB verweist, kommt es auf einen Interessenwegfall bei den Klägern nicht an. Ein Gegenanspruch aus § 280 BGB aufgrund der Überlegung, dass die Kläger die CITES zu früh gebucht haben, würde Verschulden voraussetzen. Mangels Vorhersehbarkeit der Nichteröffnung der Jagdsaison ist Verschulden aber nicht gegeben.

27. Auch die Bearbeitungsspesen sind zu erstatten, da Spesen in die Berechnung der vereinbarten Vergütung für die gesamte Reise eingehen. In diesem Falle sind sie in voller Höhe von jeweils 200,00 € erstattungsfähig, da die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass sie bereits alle, nicht nur die oben aufgeführten Leistungen vollständig erbracht hatte.

28. Die Beklagte hat darüber hinaus auch Anspruch auf die Kosten für die Stornokostenzusage in Höhe von jeweils 153,00 €. Denn die Beklagte hat ihre Leistung dadurch erbracht, dass die Kläger in der Zeit zwischen Abschluss der Reiserücktrittsversicherung am 12.02.2004 und der Absage durch die Beklagte Anfang Mai 2005 gegen das Risiko versichert waren, dass sie ihrerseits die Reise aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht angetreten hätten. Soweit die Kläger nunmehr in der Berufungsinstanz einwenden, die Beklagte als xxxxxxx habe Versicherungsleistungen nicht anbieten dürfen, ist dies unbeachtlich. Denn der Sache nach beinhaltete die Stornokostenzusage lediglich die Verlagerung des Risikos einer seitens der Kläger unverschuldeten Absage der Reise von den Klägern auf die Beklagte, also keine „Reiserücktrittskostenversicherung“ im engeren Sinne.

29. Die der Beklagten entstandenen Stornokosten für die Absage der Flüge in Höhe von jeweils 95,00 € und 52,00 € stellen hingegen keine Reiseleistungen im Sinne von § 651e Abs. 3 Satz 2 BGB dar, da sie nicht auf dem Reisevertrag beruhen, sondern alleine in dem Verhältnis der Beklagten zu ihren Leistungsträgern begründet sind (vgl. dazu BGH NJW 1990, 572, 573). Allerdings führt der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung aus, dass es in Anlehnung an die der Regelung des § 651j II 2 BGB über den Ausgleich der Mehrkosten für die Rückbeförderung zugrunde liegende Risikoverteilung angemessen sei, etwaige aufgrund einer Kündigung wegen höherer Gewalt entstandene Stornokosten beiden Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen, da Reisender wie Reiseveranstalter dem Risiko einer wegen höherer Gewalt gescheiterten Reise gleichermaßen fernstünden. Die Kammer folgt dieser Auffassung, weil nur so eine gerechte Risikoverteilung hinsichtlich der Stornokosten in den Fällen der Kündigung aufgrund höherer Gewalt zu gewährleisten ist.

30. Der nicht nachgelassene und nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz der Kläger vom 15.02.2007 gab zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

31. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

32. Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch gebietet die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Zulassung der Revision. Insbesondere angesichts des Umstands, dass die Bestimmung des § 651j Abs. 2 BGB vom Regelungsbereich der EG-​Pauschalreiserichtlinie gar nicht betroffen ist, besteht ein Anlass zur Zulassung der Revision nicht.

33. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.700,66 € festgesetzt (850,33 Euro je Kläger, § 39 Abs. 1 GKG).

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: Stornierung durch den Reiseveranstalter auf Grund der Nichteröffnung der Jagdsaison

Verwandte Entscheidungen

OLG Köln, Urt. v. 30.06.2008, Az: 16 U 3/08
LG Berlin, Urt. v. 30.07.2010, Az: 15 S 33/09

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Einbehaltung bereits erbrachter Leistungen
Passagierrechte.org: Höhere Gewalt

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte