Schwere unerwartete Erkrankung als Versicherungsfall
LG München: Schwere unerwartete Erkrankung als Versicherungsfall
Die Klägerin buchte eine Trekking- und Bergsteigertour nach Nepal mit dem Ziel der Besteigung des Dromogipfels. Zudem schloss er eine Reiserücktrittskostenversicherung ab. Drei Wochen vor dem geplanten Reisetermin wurde bei ihr eine Achillodynie links diagnostiziert. Die Klägerin stornierte allerdings erst zwei Wochen nach der Diagnose die Reise. Die Versicherung verweigerte ihr daraufhin den Ersatz der Stornokosten.
In erster Instanz hatte die Klägerin vor dem AG München Erfolg. Die Beklagte ging in Berufung und das erstinstanzliche Urteil wurde daraufhin aufgehoben und verworfen.
LG München | 15 S 4319/02 (Aktenzeichen) |
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LG München: | LG München, Urt. vom 05.02.2003 |
Rechtsweg: | LG München, Urt. v. 05.02.2003, Az: 15 S 4319/02 |
AG München, Urt. v. 24.01.2002, Az: Aktenzeichen | |
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Leitsatz:
2. Ob eine schwere unerwartete Erkrankung vorliegt, richtet sich danach, ob aus objektiver Sicht die Reise nicht mehr zumutbar wäre.
Für eine Entlastung muss der Versicherer nur eine objektive Verletzung der Obliegenheit, der Versicherungsnehmer einen geringeren Schuldgrad als Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachweisen.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin buchte eine Trekking- und Bergsteigertour nach Nepal mit dem Ziel der Besteigung des Dromogipfels. Zudem schloss er bei der Beklagten eine Reiserücktrittskostenversicherung ab. Drei Wochen vor dem geplanten Reisetermin wurde bei ihr eine Achillodynie links diagnostiziert. Die Klägerin stornierte allerdings erst zwei Wochen nach der Diagnose die Reise. Die Versicherung verweigerte ihr daraufhin den Ersatz der Stornokosten, da zwar eine unerwartete schwere Erkrankung i.S.d. Versicherungsbedingungen vorlag, aber die Klägerin schuldhaft nicht unverzüglich storniert hätte.
In erster Instanz hatte die Klägerin vor dem AG München Erfolg. Die Beklagte ging in Berufung und das erstinstanzliche Urteil wurde daraufhin aufgehoben und verworfen. Das Gericht folgte der Ansicht der Versicherung.
Tenor:
4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts München vom 24.01.2002 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die 2. Instanz beträgt 1.024,32 EUR.
Tatbestand:
5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 ZPO i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
I.
6. Die Berufung ist zulässig und begründet.
7. Die Berufung ist begründet, weil die Klägerin nicht unverzüglich die Reise storniert hat. Unverzüglich heißt in Übereinstimmung mit § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“. Diese Obliegenheit der unverzüglichen Stornierung ist die Klägerin im vorliegenden Fall nicht nachgekommen.
8. Bei der Klägerin wurde am 14.09.2000, drei Wochen vor dem geplanten Reisetermin eine Achillodynie links, d.h. Schmerzzustände im Bereich der Achillessehne diagnostiziert.
9. In Anbetracht der Erkrankung und der Art der gebuchten Reise einer Trecking-/Bergsteigerreise in Nepal mit Gipfelbesteigung lag eine schwere unerwartete Erkrankung vor. Diese liegt im Sinne der Versicherungsbedingungen vor, wenn die Erkrankung dergestalt ist, dass der Reiseantritt aus objektiver Sicht, d.h. aus Sicht eines verständigen Dritten nicht mehr zumutbar wäre, wobei die Zumutbarkeit allein unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes und der Krankheitssymptome sowie der Art der gebuchten Reise zu beurteilen ist (vgl. statt vieler, OLG München VersR 87, 1032). Die Klägerin stornierte die Reise erst am 02.10.2000 telefonisch.
10. Dies war zu spät, da die Erkrankung bereits am 14.09.2000 eingetreten war.
11. Die Beklagte als Versicherer muss nur die objektive Verletzung, die Klägerin jedoch einen geringeren Schuldgrad als grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachweisen. Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen.
12. Ein geringeres Verschulden wird angenommen, wenn ärztlicherseits ausdrücklich die Auskunft erteilt worden ist, dass einerseits bei komplikationsfreiem Heilverlauf mit einer Wiederherstellung bis zum geplanten Reiseantritt gerechnet werden kann und andererseits bestätigt wird, dass mit komplikationsfreiem Heilverlauf sicher gerechnet werden kann. Dies heißt: Der behandelnde Arzt muss mit Sicherheit eine völlige Wiedergenesung bis zum Reiseantritt prognostiziert haben; denn nach herrschender Rechtsprechung ist die Hoffnung auf rechtzeitige Wiedergenesung im Rahmen der Reiserücktrittskostenversicherung nicht versichert.
13. Die definitive Zusage des behandelnden Arztes die Reise auf alle Fälle antreten zu können, hat die Klägerin jedoch nicht nachgewiesen.
14. Der behandelnde Arzt Dr. … hat in seinem Attest vom 26.10.2000 (Bl. 20 d.A.) ausgeführt, dass durch Therapie versucht worden sei, die Reisefähigkeit zu ermöglichen (14.09.2000). Zu diesem Zeitpunkt habe eine uneingeschränkte Reisefähigkeit nicht vorgelegen. Er ergänzt bzw. konkretisiert dies durch seine Stellungnahme vom 23.11.2000 (Bl. 22 d.A.) wonach am 14.09.2000 noch nicht absehbar war, dass diese Reise nicht angetreten werden könne.
15. Darauf kommt es jedoch auch nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob am 14.09.2000 mit Sicherheit gesagt werden konnte, dass die Reise angetreten werden konnte. Dies ergibt sich aus den Stellungnahmen nicht, ihnen ist vielmehr die Hoffnung auf eine rechtzeitige Wiedergenesung zu entnehmen.
16. Bei seiner Einvernahme vor dem Amtsgericht … am 26.11.2001 bekundete der Zeuge der Klägerin am 14.09.2000 ausdrücklich erklärt zu haben, sie könne die gebuchte Reise trotz der vorhandenen Beschwerden antreten, weil er gute Heilungschancen gesehen habe. Erst am 29.09.2000 habe er festgestellt, dass die Reisefähigkeit nicht bestehe, da sich die ursprüngliche Erwartung der Heilung nicht eingestellt habe.
17. Bei seiner schriftlichen Aussage vom 16.12.2002 (Bl. 90 – 92 d.A.) führt der Zeuge jedoch aus, dass der Aussagebefund am 14.09.2000 erhoffen ließ, dass eine Reise nach Nepal angetreten werden könne. Da es jedoch zwischenzeitlich zu einer Verschlechterung gekommen sei habe er am 29.09.2000 festgestellt, dass die Reise nicht angetreten werden könne.
18. Dies bedeutet jedoch allenfalls eine Hoffnung auf rechtzeitige Wiedergenesung. Er gab zudem weiter an, dass er sich an die Äußerung der Klägerin bezüglich des konkreten Reiseziels nicht erinnern könne. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge nicht definitiv am 14.09.2000 in Kenntnis des Reiseziels der Klägerin, dieser erklärt hat, sie könne mit Sicherheit diese Reise antreten.
19. Nach alledem ist die Berufung begründet mit der Folge, dass die Klage abzuweisen war.
II.
20. Der Ausspruch über die Kosten folgt aus § 91 ZPO; der über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO analog.
III.
21. Die Revision war nicht zuzulassen, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und nicht zur Rechtsfortbildung dient.
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