Schadensersatzzahlung wegen zu klein errichteter Eigentumswohnung

BGH: Schadensersatzzahlung wegen zu klein errichteter Eigentumswohnung

Ein Ehepaar erwirbt eine noch zu errichtende Eigentumswohnung von der Beklagten. Obwohl sich die Parteien auf eine Wohnungsgröße von 65 qm einigten, verfügte die fertiggestellte Wohnung über eine Fläche von nur 53 qm. Die Kläger verlangen nun Schadensersatz wegen eines Sachmangels.
Der Bundesgerichtshof stimmt dem Klägerbegehren zu. Eine Wohnfläche, die geringer sei als vereinbart, stelle einen schadensersatzbegründenden Sachmangel dar.

BGH VII ZR 398/97 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 21.01.1999
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 21.01.1999, Az: VII ZR 398/97
OLG Koblenz, Urt. v. 17.10.1997, Az: 10 U 1365/96
LG Mainz, Urt. v. 09.08.1996, Az: 7 O 391/95
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Bundesgerichtshof

1. Urteil vom 21.01.1999

Aktenzeichen: VII ZR 398/97

Leitsatz:

2. Ein Abweichen von der vereinbarten Wohnfläche bei einer Eigentumswohnung, stellt einen Sachmangel dar.

Zusammenfassung:

3. Ein Ehepaar schloss mit einem Bauunternehmer einen Werkvertrag über die Errichtung einer Eigentumswohnung. Es wurde vereinbart, dass die neu errichtete Eigentumswohnung eine Fläche von 65 qm haben soll. Nach der Fertigstellung stellte sich heraus, dass die Eigentumswohnung nur über eine Fläche von 53 qm verfügte. Aus diesem Grund verlangten die Kläger von dem Beklagten eine Schadensersatzzahlung.
Der Bundesgerichtshof hat dem Kläger die Schadensersatzzahlung zugesprochen. Bei der deutlich zu geringen Wohnfläche handele es sich um einen Sachmangel im Sinne von § 633 Abs. 1 BGB. Die Fläche sei ein derart wichtiger Bestandteil des zu errichtenen Werkes, dass eine Abweichung von der Vertragsvereinbarung für den Besteller nicht tragbar sei. Aus diesem Grund sei die Beklagte zur Zahlung des ursprünglichen Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Erteilung der Löschungsbewilligung für die Vormerkung zu verurteilen.


Tenor:

4. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 17. Oktober 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen


Tatbestand:

5. Die Klägerin erwarb gemeinsam mit ihrem zwischenzeitlich geschiedenen Ehemann von der Beklagten eine noch zu errichtende Eigentumswohnung. Sie verlangt aus eigenem und übergegangenem Recht Schadensersatz, weil u.a. die nach ihrer Ansicht vereinbarte Wohnfläche von 65 qm nicht eingehalten worden war. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 288.700,50 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Erteilung der Löschungsbewilligung für eine Vormerkung verurteilt und festgestellt, daß die Beklagte zum Ersatz des weiteren Schadens verpflichtet ist. Die weitergehende Klage und die auf Zahlung des Restkaufpreises von 7.483 DM nebst Zinsen gegen die Klägerin und deren früheren Ehemann gerichtete Widerklage hat es abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Auf die Anschlußberufung ist der Anspruch auf Zahlung von Zinsen zugunsten der Klägerin korrigiert worden. Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihre Anträge auf Abweisung der Klage und Verurteilung auf die Widerklage weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

6. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7. Das Berufungsgericht hält die Beklagte gemäß § 635 BGB für zum Schadensersatz verpflichtet. Die Parteien hätten eine Wohnfläche von 65 qm vereinbart. Diese sei mit lediglich 52,639 qm unstreitig nicht eingehalten. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten die in der Bauzeichnung enthaltenen Angaben zur so bezeichneten „Wohnfläche“ dahin verstehen müssen, daß eine nach der II. Berechnungsverordnung (BVO) zu berechnende Wohnfläche von 65 qm vereinbart werde. Der kleiner geschriebene Zusatz „Bodenfläche zzgl. Terrasse/Balkon“ könne nur als klarstellender Hinweis verstanden werden, daß die nach der II. BVO maßgebliche Grundfläche unter Einschluß der Terrassen- bzw. Balkonflächen gemeint sei.

8. Das Berufungsgericht meint, die Behauptung der Beklagten, die Erwerber seien bereits vor Abschluß des Vertrages darauf hingewiesen worden, daß es sich bei der angegebenen Fläche um die Bodenfläche handele und daß die Wohnfläche nur ca. 53 qm betrage, sei unsubstantiiert. Deshalb müsse der dazu benannte Zeuge nicht gehört werden.

9. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die tatsächliche Wohnfläche von 52,639 qm ein Fehler im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB ist, wenn die Parteien eine Wohnfläche von 65 qm vereinbart haben (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1998 – III ZR 229/97 = NJW-​RR 1998, 1169). Ohne Rechtsfehler bejaht es auch die Voraussetzungen der §§ 634, 635 BGB. Ebensowenig ist zu beanstanden, daß das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen von grober Fahrlässigkeit ausgeht, so daß es auf die Haftungsbeschränkung im Vertrag nicht ankommt.

10. Das Berufungsgericht legt die Vertragsunterlagen dahin aus, es sei eine Wohnfläche von 65 qm vereinbart. Selbst wenn diese Auslegung zutreffen sollte, hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, die Anforderungen an die Substantiierung des Verteidigungsvorbringens überspannt und das Gebot verletzt, alle erheblichen Beweismittel zu erschöpfen (§ 286 ZPO).

11. Ein Sachvortrag ist erheblich, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 12. Juli 1984 – VII ZR 123/83 = NJW 1984, 2888, 2889 = BauR 1984, 667 = ZfBR 1984, 289; Urteil vom 23. April 1991 – X ZR 77/89 = NJW 1991, 2707, 2709).

12. Ausreichend war danach die Behauptung, die Klägerin und ihr Ehemann seien vor Vertragsschluß darüber aufgeklärt worden, daß die Wohnfläche 53 qm und die Bodenfläche 65 qm betrage. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte darüber hinaus die Personen der Aufgeklärten und mit den Architekten auch die Personen der Aufklärenden benannt. Auf die besonderen Umstände dieser Aufklärung kommt es nicht an.

13. Zu einer näheren Darlegung kann eine Partei gezwungen sein, wenn die Gegenpartei ihre Darstellung substantiiert angreift. Denn der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung des Sachvortrages bestimmt sich aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrages bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1991 – VII ZR 81/90 = BauR 1992, 265, 266 = ZfBR 1992, 66). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Klägerin hat die Behauptung der Beklagten ohne nähere Sachangaben bestritten. Der Umstand, daß die Gegenpartei mangels genauer Zeit- und Ortsangaben noch nicht zu einer detaillierten Erwiderung in der Lage ist, ist kein Grund, den Vortrag als unsubstantiiert zurückzuweisen. Dem Tatrichter bleibt es unbenommen, bei der Beweisaufnahme die Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach allen Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundung erforderlich erscheinen, insbesondere auch nach Ort, Zeit und Umständen der behaupteten Abreden. Er kann aber diese Einzelheiten nicht schon von der beweispflichtigen Partei verlangen und darf die Beweiserhebung hiervon nicht abhängig machen (BGH, Urteil vom 12. Juli 1984 – VII ZR 123/83 aaO).

14. Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, vor einer Beweisaufnahme den Vertrag erneut auszulegen. Dabei wird es die von der Revision als übergangen gerügten Umstände mit zu berücksichtigen haben. Es wird in seine Überlegungen auch einbeziehen müssen, daß die Begriffe Wohnfläche und Bodenfläche auf der Bauzeichnung nicht von dieser losgelöst ausgelegt werden können. Sofern sich aus der Bauzeichnung selbst Anhaltspunkte für das eine oder andere Verständnis der Begriffe ergeben, sind diese ebenfalls zu berücksichtigen. Auch wird das Berufungsgericht der Frage nachgehen müssen, wie die Abkürzungen „WF“ und „BF“ von den Erwerbern nach objektivem Verständnis unterschieden werden, wobei zu berücksichtigen ist, daß jedenfalls aus der Preisliste, Stand Juni 1992, die Verwendung der Abkürzung „BF“ ausschließlich für Dachgeschoßwohnungen deutlich wird. Die Klägerin hat zugestanden, diese Preisliste erhalten zu haben (GA 36).

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