Ansprüche nach dem Montrealer Übereinkommen
AG Hamburg: Ansprüche nach dem Montrealer Übereinkommen
Ein Fluggast nimmt eine Fluggesellschaft auf Zahlung einer Reisepreisminderung und Verlust des Gepäcks auf Schadensersatz in Anspruch. Nach einem Flug mit der Beklagten, meldete der Kläger sich umgehend bei dem Reiseveranstalter und erstatte dort eine Verlustanzeige. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch nicht geklärt ob das Gepäck verloren oder später nachgereicht werden kann. Erst 3 Wochen später stellte er erneut eine Anzeige. Seine Forderung stürzt der Kläger dabei auf das Montrealer Abkommen.
Das Gericht entschied die Klage abzuweisen. die Frist von 3 Wochen ist zu dem Zeitpunkt der 2. Anzeige überschritten. Die erste Anzeige ist zu früh abgeben wurden, ohne dass der Kläger weiß, ob sein Gepäck nachgereicht werden kann.
AG Hamburg | 20A C 359/10 (Aktenzeichen) |
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AG Hamburg: | AG Hamburg, Urt. vom 01.06.2011 |
Rechtsweg: | AG Hamburg, Urt. v. 01.06.2011, Az: 20A C 359/10 |
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Leitsatz:
2. Eine Verlustanzeige für ein verloren gegangenes Gepäck muss innerhalb einer Frist angezeigt werden. Wird es aber am selben Tag gemeldet wie auch die Anreise war, ist noch nicht geklärt ob es verloren gegangen ist oder ob eine verzögerte Ankunft des Gepäcks vorliegt.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger für sich und seine Frau eine Kreuzfahrt beginnend in Hongkong, bei einem Reisebüro. Der Hinflug sollte von H nach Hongkong über Helsinki erfolgen. Am 03.01. erfolgte der Start der Kreuzfahrt, allerdings ohne das Gepäck des Klägers. Diese war auf dem Hinflug verloren gegangen. Der Kläger zeigte diesen Umstand auch sofort an und kleidete sich neu ein. Am 10.01. konnten die inzwischen wieder aufgetauchten Gepäckstücke nachgereicht werden. Am 18.01. nach Beendigung der Kreuzfahrt meldete sich der Kläger in Hongkong im Büro der Beklagten.
Dort erststatte er schriftlich eine Anzeige wegen der Beschädigung seines aufgefundenen Koffers. Der Kläger begehrt nun von der Beklagten Schadensersatz wegen dem Verlust des Gepäcks, Zahlung einer Reisepreisminderung für entgangene Urlaubsfreuden. Des Weiteren ist der Kläger der Meinung, das hier das Montrealer Abkommen greifen würde.
Das Gericht entschied, dass die Klage abgewiesen wird. Der Kläger hat eine Verlustanzeige bezüglich seines Gepäcks bei der Beklagten bereits am Anreisetag aufgegeben. Zu diesem Zeitpunkt stand aber noch nicht fest, ob sein Gepäck endgültig verloren ist oder um eine verzögerte Ankunft handelt. Erst drei Wochen später zeigte er den Verlust bei der Beklagten erneut an, da war allerdings die Frist, welche es maximal dauern darf, überschritten.
Des Weiteren kann hier nicht im Falle des Montrealer Abkommens entschieden werden, da es dabei um materielles geht und nicht wie von den Klägern angeführt entgangene Ulaubsfreuden.
Tenor:
5. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
7. Die Kläger begehren Schadensersatz wegen verloren gegangener bzw. beschädigter Gepäckstücke auf einem Flug mit einer Maschine der Beklagten.
8. Die Kläger buchten über ein Reisebüro zwei Flugscheine von H. nach Hongkong über Helsinki als Anreise zu einer Kreuzfahrt vom 03.01.2010 bis 17.01.2010. Nach dem Flug von H. nach Helsinki am 03.01.2010 war das Gepäck der Kläger nicht auffindbar.
9. Am 05.01.2010 kauften die Kläger Ersatzkleidung in Manila und gaben hierfür umgerechnet € 200,– aus, die sie mit der Klage unter anderem erstattet verlangen.
10. Am 10.01.2010 wurden die verlorenen und inzwischen wieder angefundenen Gepäckstücke in Singapur an Bord des Schiffes gebracht, auf dem die Kläger sich aufhielten.
11. Am 18.01.2010 meldeten die Kläger in Hongkong im Büro der Beklagten den Schaden. Sie zeigten auch an, dass ein Koffer bei dem Transport irreparabel beschädigt worden sei.
12. Die Kläger behaupten unmittelbar nach ihrer Ankunft in Hongkong am 03.01.2010 bei dem Schalter der Beklagten eine schriftliche Anzeige über die fehlenden Gepäckstücke abgegeben zu haben. Auch die Reederei habe im Namen der Kläger am 03.01.2010 gegenüber der Beklagten eine schriftliche Verlustmeldung abgegeben. Der Wert des beschädigten Koffers habe € 99,– betragen. In Folge des Verlustes hätten sie desweiteren Telefonkosten in Höhe von € 42,– aufwenden müssen.
13. Sie behaupten ferner, ihr Reisebüro – über das sie die Reise gebucht hatten – habe die Beklagte am 01.02.2010 mit dem in Abschrift als Anlage K1 zur Akte gereichte Schreiben (Bl. 5 d.A.) über sämtliche behaupteten Schäden informiert.
14. Die Kläger meinen, durch das fehlende Gepäck sei die Reise für sie insgesamt wertlos gewesen und habe nicht den gewünschten Erholungs- und Freudeeffekt gehabt. Die Beklagte sei ihr daher auch zur Erstattung des Flugpreises von umgerechnet € 1.023,22 verpflichtet.
16. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger € 1.364,22 zzgl. Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2010 zu zahlen.
19. Sie meint, für die begehrte Rückzahlung des Flugpreises fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. Etwaige Schadensersatzansprüche nach dem Montrealer Übereinkommen 1999 scheiterten schon daran, dass die Kläger die erforderlichen Anzeigefristen nicht beachtet hätten.
20. Das Gericht hat in dem Rechtstreit mündlich verhandelt. Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 06.04.2011 (Bl. 30 – 32 d.A.).
Entscheidungsgründe:
21. Die zulässige Klage hat in der Sache insgesamt keinen Erfolg.
22. Die Kläger haben keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Erstattung des Flugpreises von H. nach Helsinki aufgrund unstreitigen Verlustes ihres Gepäcks auf dieser Teilstrecke. Denn es fehlt an einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage.
23. Das Montrealer Übereinkommen von 1999 sieht zwar einen Schadensersatzanspruch bei Verlust bzw. verspäteter Ankunft von Gepäck bei Luftbeförderung nach Art. 17 vor. Doch ist dieser Anspruch auf Kompensation des materielle Schadens gerichtet. Einen Anspruchsgrund für Kompensation immaterieller Schäden, wie Einbußen von Urlaubsfreuden sind, bietet er nicht. Dass die Kläger über die behaupteten Telefonkosten und Ersatzbeschaffung von Kleidung hinaus weitere materielle Schäden durch das verspätet beförderte Fluggepäck erlitten haben, haben sie nicht dargelegt.
24. Die Kläger haben mangels Anspruchsgrunds auch keinen Anspruch auf Minderung des Flugpreises. Zwar wäre denkbar, die fehlerhafte Beförderung des Gepäcks als Mangel der geschuldeten Leistung der Beklagten anzusehen, da der Gepäcktransport mit von den vertraglichen Verpflichtungen der transportierenden Fluggesellschaft umfasst ist. Doch sieht das Montrealer Übereinkommen Minderungsansprüche explizit nicht vor. Hierbei handelt es sich auch um keine versehentliche gesetzliche Regelungslücke, so dass eine analoge Herbeiführung der Rechtsfolge der Minderung des Flugpreises wegen Verletzung einer flugvertraglichen Nebenpflicht aufgrund der klaren Schadensersatzregelung des Montrealer Übereinkommen ausscheidet.
25. Auch ein Anspruch aus § 651f Abs. 2 BGB wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit kommt gegenüber der Beklagten nicht in Betracht. Das schon deswegen, weil die Parteien nicht durch Reise-, sondern lediglich durch Flugvertrag miteinander verbunden gewesen sind. Im übrigen wäre ein über die Vorschriften des Montrealer Übereinkommens hinausgehender Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit dem vorübergehenden Verlust des Gepäcks aber auch durch Art. 29 S. 1 des Übereinkommens ausgeschlossen.
26. Ein Anspruch der Kläger auf Schadensersatz für aufgewandte Telefonkosten und angeschaffte Ersatzkleidung besteht ebenfalls nicht. Die Kläger nämlich haben den Schaden nicht fristgerecht nach Art. 31 Abs. 2 S. 2 des Montrealer Übereinkommens angezeigt.
27. Dabei kann dahin stehen, ob der Verlust des Gepäcks am 03.01.2010 sowohl von den Klägern an dem Schalter der Beklagten in Hongkong als auch von der Reederei im Namen der Kläger gegenüber der Beklagten erfolgt ist. Denn zu diesem Zeitpunkt ist der zum Erhalt der Ansprüche anzeigeverpflichtende Sachverhalt noch gar nicht abschließend bekannt gewesen.
28. Nach Art. 31 Abs. 2 S. 2 muss die Anzeige im Falle einer Verspätung des Gepäcks binnen einundzwanzig Tagen, nachdem das Reisegepäck oder die Güter dem Empfänger wieder zur Verfügung gestellt worden sind, erfolgen.
29. Zweck der Anzeigepflicht ist es, der Fluggesellschaft innerhalb angemessener Zeit Klarheit darüber zu verschaffen, ob gegen sie Ansprüche erhoben werden, damit sie rechtzeitig Beweise sichern und sich auf etwaige Schadensersatzansprüche einstellen kann. Diese Prüfung aber vermag sie erst anzustellen, wenn der Sachverhalt, aus dem sich ein etwaiger Ersatzanspruch des Passagiers begründet, auch abgeschlossen ist.
30. Dieses ist vorliegend bei Verlustanzeige am 03.01.2010 noch nicht der Fall gewesen. Es ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar gewesen, ob das Gepäck der Kläger dauerhaft verloren gegangen war oder es (wie es in der Regel der Fall sein wird) lediglich um eine verspätete Beförderung gehandelt hat.
31. Entsprechend verlangt Art. 29 Abs. 2 S. 2 eine Anzeige der Verspätung binnen 21 Tagen ab Zurverfügungstellung des Gepäckstücks an den Empfänger. Eine bereits zuvor ausgebrachte Mitteilung ist nicht geeignet, der Fluggesellschaft Klarheit über auf sie zukommende Ersatzansprüche zu verschaffen.
32. Die zeitliche Anknüpfung an die (Wieder-)zurverfügungstellung des Gepäcks bindet den Passagier auch nicht auf unbestimmte Zeit. Denn nach Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens ist der Luftfrachtführer nach Ablauf von 21 Tagen seitdem Tag, an dem das Gepäck hätte eintreffen sollen, dem Reisenden ohne Anzeigepflicht zum Schadensersatz wegen Verlust der Gepäckstücke verpflichtet.
33. Eine formgerechte Anzeige der Verspätung ist auch nicht dadurch erfolgt, dass die Kläger behaupten, die Beklagte am 18.01.2010 in deren Büro in Hongkong über die Verspätung des Gepäcks unterrichtet zu haben. Denn die Kläger haben nicht dargelegt oder unter Beweis gestellt, dass diese Schadensanzeige in Schriftform erfolgt ist. Das aber setzt Art. 31 Abs. 3 des Übereinkommens für eine wirksame Schadensanzeige notwendig voraus.
34. Die Kläger haben eine formgerechte Anzeige des Verspätungsschadens auch nicht dadurch bewirkt, dass deren Reisebüro mit einem am 01.02.2010 datierten Schreiben sich an die Beklagte gewandt haben soll. Denn die Kläger haben nicht dargelegt, wann dieses Schreiben auf welchem Weg an die Beklagte abgesandt worden ist. Dass es am 01.02.2010 verfasst worden ist, genügt nicht, um die vorliegend eben am 01.02.2010 ablaufende 21-Tagesfrist einzuhalten.
35. Schließlich haben die Kläger keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Schadensersatz für einen beschädigten Koffer aus Art. 17 des Übereinkommens oder aus einem anderen Rechtsgrund. Denn auch hier fehlt es jedenfalls an einer rechtzeitigen Anzeige des behaupteten Schadens. Nach eigenem Vortrag haben die Kläger den beschädigten Koffer am 10.01.2010 zurückerhalten, die Beschädigung jedoch erstmals am 18.01.2010 gegenüber der Beklagten erwähnt, und zwar mündlich. Eine erste schriftliche Beschädigungsanzeige ist dann in dem mit „01.02.2010“ datierten Schreiben des Reisebüros der Kläger zu sehen. Die Anzeigefrist bei Beschädigungen während Flugbeförderung beträgt jedoch nur sieben Tage, Art. 31 Abs. 2 S. 1.
36. Bereits die formunwirksam nur mündlich erhobene Schadensanzeige (Art. 31 Abs. 3) vom 18.01.2010 als erst recht auch das Schreiben vom 01.02.2010 sind damit nach Ablauf der Anzeigefrist abgegeben worden.
37. Mangels Hauptanspruchs haben die Kläger auch keinen Anspruch auf Nebenforderungen. Der Kostenausspruch folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit begründet sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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