Reiserücktrittsversicherung und psychische Störungen

Reiserücktrittsversicherung und psychische Störungen

Eine Familie wollte gemeinsam eine Urlaubsreise machen, die Eltern schlossen sicherheitshalber eine Reiserücktrittsversicherung ab. Am Tag vor der Abreise musste eine der Töchter wegen akuter psychischer Probleme in ein Krankenhaus eingeliefert werden und die Mutter stornierte die Reise.

Da in der Reiserücktrittsversicherung eine Klausel die Zahlungspflicht im Fall „psychischer Erkrankung“ ausschloss, klagte die Mutter gegen den Versicherer. Das Gericht gab ihr jedoch nicht recht, sondern verwies darauf, dass die Klausel gültig sei und die Zahlungspflicht tatsächlich wegfalle.

OLG Düsseldorf I-4 U 90/16 (Aktenzeichen)
OLG Düsseldorf: OLG Düsseldorf, Urt. vom 22.09.2017
Rechtsweg: OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.09.2017, Az: I-4 U 90/16
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Oberlandesgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 22.09.2017

Aktenzeichen I-4 U 90/16

Leitsatz:

2. Eine AGB-Klausel, mit der in einer Reiserücktrittsversicherung eine Zahlung im Fall von „psychischer Erkrankung“ ausgeschlossen werde, ist wirksam.

Zusammenfassung:

3. Eine Familie buchte eine Urlaubsreise und schloss im Zuge dessen eine Reiserücktrittsversicherung ab. Einen Tag vor dem Abreisetermin wurde eine der Töchter der Familie wegen akuter Störung des Sozialverhaltens in Form einer psychischen Dekompensation ins Krankenhaus eingeliefert, woraufhin die Mutter die Reise stornierte und sich mit dem Versicherer in Verbindung setzte. Der Versicherer verweigerte die Zahlung, da in den AGB der Reiserücktrittsversicherung eine Erstattung von Stornokosten aufgrund „psychischer Erkrankungen“ ausgeschlossen wurde.

Die Mutter klagte gegen den Versicherer, da die Klausel unwirksam sei. Sie verstoße gegen das Tranzparenzgebot, sei überraschend und stelle eine unrechtmäßige Benachteiligung dar. Das Gericht wies die Klage jedoch mit dem Hinweis ab, die Klausel sei wirksam und keine Benachteiligung. Es spreche nichts dagegen, dass Versicherer ihre Leistungen auf derartige Weise abgrenzten und die Formulierung sei auch nicht intransparent oder benachteiligend.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 07.04.2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

5. Die Klägerin macht Ansprüche gegen die Beklagte aus einer Reiserücktrittsversicherung geltend. Wegen der Einzelheiten der Versicherung wird auf den Versicherungsschein vom 11.05.2013 (Bl. 8 ff. GA) sowie die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen für Reiseversicherungen der Europäische Reiseversicherung AG (VB-ERV 2012) (Bl. 11 ff. GA) verwiesen. Gemäß Teil A § 8 lit. b) VB-ERV 2012 besteht kein Versicherungsschutz

„bei psychischen Erkrankungen sowie bei Suchterkrankungen“.

6. Die Klägerin buchte am 10.07.2014 eine Pauschalreise für sich, ihren Ehemann sowie ihre beiden Töchter C. und V. im Alter von 14 und 15 Jahren bei der T. GmbH zum Gesamtreisepreis in Höhe von 3552 Euro (Bl. 31 GA). Geplanter Reisebeginn war der 22.07.2014.

7. Am 21.07.2014 musste die 15-jährige Tochter V. stationär im S.-Klinikum in R. wegen einer erstmals aufgetretenen Störung des Sozialverhaltens in Form einer psychischen Dekompensation aufgenommen werden. Sie schrie zu Hause, warf Gegenstände durch die Gegend und bedrohte die Klägerin mit Mord; anschließend lief sie in die Küche, um sich mit einem Messer selbst zu verletzen. Der Ehemann der Klägerin rief daraufhin die Polizei; drei Polizisten legten der Tochter der Klägerin Handschellen an, aus denen sie sich allerdings löste und in der Folge mit dem Kopf gegen die Wand schlug. Ein herbeigerufener Notarzt verabreichte V. 10 mg Dormicum sowie 25 mg Atosil, um sie transportfähig zu machen. Auch im S.-Klinikum zeigte V. eine akute Eigen- und Fremdgefährdung, so dass ihr eine 7-Punkt-Fixierung angelegt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arztbericht vom 22.07.2014 (Bl. 24 f. GA) verwiesen.

8. Die Klägerin stornierte daraufhin die bei der T. GmbH gebuchte Reise, wobei ihr gemäß der Stornierungsbestätigung vom 22.07.2014 Stornierungsgebühren in Höhe von insgesamt 3376 Euro – also 176 Euro weniger als der Reisepreis – in Rechnung gestellt wurden (Bl. 26 GA).

9. Die Klägerin flog mit ihrer Familie einige Tage später – am 26.07.2014 – mit der Fluglinie A. B. in dasselbe Hotel, das sie zuvor über die T. GmbH gebucht hatte. Für diesen Flug, das Hotel und den Transfer vom Flughafen zum Hotel und wieder zurück bezahlte die Klägerin 5334,52 Euro.

10. Die Beklagte lehnte Leistungen an die Klägerin unter Hinweis auf den Ausschluss psychischer Erkrankungen ab.

11. Die Klägerin hat in Abrede gestellt, dass eine psychische Erkrankung im Sinne der Ausschlussklausel vorgelegen habe. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Klausel unwirksam sei, da sie überraschend sei, gegen das Transparenzgebot verstoße und eine unangemessene Benachteiligung darstelle.

12. Die Beklagte hat sich weiter auf Teil A § 8 lit. b) VB-ERV 2012 berufen und darauf verwiesen, dass höchstens die Stornokosten in Höhe von 3376 Euro zu erstatten seien.

13. Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Vortrags und der von den Parteien vor dem Landgericht gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts vom 07.04.2016 und die in den Entscheidungsgründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

14. Das Landgericht hat die Klage nach Hinweisen in der Sitzung vom 28.01.2016 (Bl. 59 ff. GA) mit Urteil vom 07.04.2016 vollumfänglich abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin bestehe ohnehin höchstens in Höhe der Stornokosten. Da aber eine psychische Erkrankung im Sinne der Ausschlussklausel vorliege, habe die Klägerin keinerlei Anspruch, da die Klausel weder überraschend noch mehrdeutig sei und auch keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin darstelle, da sie insbesondere auch nicht den Versicherungsschutz aushöhle.

15. Mit ihrer gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten form- und fristgerechten Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin erstinstanzliches Vorbringen.

16. Die Klägerin beantragt unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 07.04.2016, die Beklagte zu verurteilen,

an sie 5158,52 Euro nebst Zinsen hieraus seit dem 16.09.2014 zu zahlen;

an die H.-C.-Rechtschutzversicherung AG, …, C., vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 421,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2015 und an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 150 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2015 zu zahlen;

hilfsweise

das Urteil des Landgerichts Wuppertal, verkündet am 07.04.2016 und zugestellt am 10.05.2016, Aktenzeichen 7 O 317/15, aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Wuppertal zurückzuverweisen.

17. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18. Auch die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

19. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

20. Der Klageantrag zu 1) ist hinsichtlich der Zinsen zu unbestimmt und insoweit unzulässig. Eines entsprechenden Hinweises bedurfte es nicht, da die Klage ohnehin keinen Erfolg hat.

21. Im Übrigen ist die Klage nicht begründet.

22. Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Klage jedenfalls hinsichtlich des über 3376 Euro hinausgehenden Betrages unschlüssig ist. Selbst wenn die Klägerin einen Anspruch gemäß Teil A § 4 VB-ERV 2012 gegen die Beklagte wegen eines verspäteten Reiseantritts hätte – was bereits deshalb zweifelhaft ist, weil es sich nicht mehr um die zunächst gebuchte und stornierte Reise gehandelt hat, deren erste Leistung verspätet in Anspruch genommen wurde, sondern um eine vollständig neue Reise nach der durchgeführten Komplettstornierung – wäre die Erstattung gemäß Teil A § 4 Nr. 3 VB-ERV 2012 auf die Höhe der Stornokosten beschränkt, die unstreitig 3376 Euro betrugen.

23. Ein Anspruch gegen die Beklagte ist indes in voller Höhe aufgrund des Risikoausschlusses in Teil A § 8 lit. b) VB-ERV 2012 ausgeschlossen. Dies gilt angesichts des Wortlauts des generell formulierten Leistungsausschlusses auch dann, wenn lediglich ein verspäteter Reiseantritt vorläge; eines ausdrücklichen Bezugs in § 4 VB-ERV 2012 auf § 8 VB-ERV 2012 bedarf es dafür nicht.

24. Die psychische Dekompensation, die die Tochter der Klägerin am 21.07.2014 erlitten hat, ist unstreitig eine unerwartete schwere Erkrankung im Sinne von Teil A § 2 Nr. 2 VB-ERV 2012; hätte das Verhalten der Tochter der Klägerin keinen schweren Krankheitswert gehabt, käme eine Leistungspflicht der Beklagten von vorneherein nicht in Betracht. Zugleich ist sie eine psychische Erkrankung im Sinne von Teil A § 8 lit. b) VB-ERV 2012. Unzweifelhaft handelte es sich bei Störung des Sozialverhaltens in Form einer psychischen Dekompensation der Tochter der Klägerin um eine psychische Krankheit; dies wird von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. Soweit sie bestreitet, dass eine psychische Erkrankung im Sinne der Ausschlussklausel vorgelegen habe, geht ihr Einwand im Ergebnis ins Leere.

25. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92 –, BGHZ 123, 83-92, Rn. 14 m.w.N.). Ferner berücksichtigt der Senat, dass Risikoausschlussklauseln eng auszulegen sind, da ihr Anwendungsbereich nicht weiter ausgedehnt werden darf, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden.

26. Der Wortlaut der Klausel bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass lediglich bestimmte psychische Krankheiten von der Ausschlussklausel erfasst sein sollen, da psychische Erkrankungen ohne jedwede Einschränkung genannt sind.

Ein Rückschluss von den in demselben Buchstaben aufgeführten Suchterkrankungen auf das Wesen der erfassten psychischen Erkrankungen ist nicht möglich, da durch die Verwendung der Konjunktion „sowie“ ohne weitere gegenseitige Bezugnahmen der beiden Krankheiten aufeinander deutlich ist, dass die beiden Ausschlusstatbestände unabhängig voneinander sind und keinen inhaltlichen Zusammenhang haben. Insbesondere ist der Regelung nicht durch Auslegung zu entnehmen, dass lediglich länger dauernde psychische Erkrankungen aus dem Risikobereich ausgeschlossen werden sollen.

Vielmehr liegt bei gemeinsamer Betrachtung mit den Voraussetzungen des Versicherungsfalles, dass eine unerwartete schwere Erkrankung vorliegen muss, nahe, dass gerade kurzfristige psychische Erkrankungen durch Teil A § 8 lit. b) VB-ERV 2012 ausgeschlossen werden sollen, da langfristige Erkrankungen ohnehin weitgehend von vorneherein vom Versicherungsschutz ausgenommen sein dürften.

27. Die Klausel ist auch nicht unwirksam (so auch LG München I, Urteil vom 08. Januar 2015 – 6 S 15424/13 –, juris).

28. Der Risikoausschluss für psychische Erkrankungen ist nicht überraschend und daher nicht gemäß § 305c Abs. 1 BGB unwirksam.

29. Überraschend ist eine Klausel grundsätzlich, wenn sie objektiv ungewöhnlich und im Rahmen der Erkenntnismöglichkeiten des durchschnittlichen Kunden nicht zu erwarten ist (Palandt/Grüneberg, 76. Auflage 2017, § 305c, Rn. 3, 4 m.w.N.). Die Klausel dürfte schon deshalb nicht objektiv ungewöhnlich sein, da sie in anderen Versicherungszweigen seit geraumer Zeit Anwendung findet und für die Unfallversicherung höchstrichterlich (BGH NJW 2004, 2589) und für die Arbeitsunfähigkeitsversicherung obergerichtlich (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. November 2007 – 19 U 57/07 –, Rn. 2 ff., juris; OLG Köln, Urteil vom 13. August 2010 – 20 U 43/10, I-20 U 43/10 –, Rn. 5 f., juris; OLG Hamm, Beschluss vom 05. Juli 2013 – I-20 U 79/13, 20 U 79/13 –, Rn. 4 ff., juris) für wirksam erachtet worden ist, so dass sie für einem durchschnittlichen Kunden jedenfalls nicht völlig ungewöhnlich ist. Dass ein Versicherer – je nach Tarifkalkulation – nicht für sämtliche Erkrankungen als Stornierungsgrund haften möchte, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwarten: So liegt ein Risikoausschluss für Suchterkrankungen, chronische Erkrankungen und selbstverschuldete Krankheiten zumindest nicht fern. Ebenso drängt es sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auf, dass nur Krankheiten mit einem gewissen Schweregrad – der bei psychischen Krankheiten nur schwer abzugrenzen ist – den Versicherungsfall auslösen. Kann ein Versicherungsnehmer daher durchaus damit rechnen, dass nicht sämtliche Erkrankungen abgedeckt sind, ist es auch nicht völlig außerhalb des Erwartungshorizontes des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, dass der Bereich der möglicherweise schwer nachweisbaren psychischen Erkrankungen ausgenommen ist.

30. Der Senat verkennt nicht, dass ein entsprechender Ausschluss in den Bedingungswerken anderer Reiserücktrittsversicherungen nicht enthalten und daher jedenfalls nicht allgemein üblich ist. Dies führt allerdings nicht per se zu einer überraschenden Klausel, da es Versicherern möglich sein muss, Klausel- und Bedingungswerke fortzuentwickeln. Die Erwartungen des Vertragspartners werden von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt; hierzu zählen neben dem Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung auch Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages (BGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – XI ZR 417/11 –, Rn. 23, juris m.w.N. ). So kann auch eine deutliche, nicht an versteckter Stelle in die Vertragsbedingungen aufgenommene Bestimmung den Vorwurf der „Überraschung“ ausräumen (BGH, Urteil vom 24. September 1980 – VIII ZR 273/79 –, Rn. 20, juris m.w.N.).

31. Aufgrund des Erscheinungsbildes des Vertrages und der Tatsache, dass der streitgegenständliche Ausschluss ausdrücklich unter den Punkt „§ 8 Ausschlüsse“ eingereiht ist, ist angesichts der unmissverständlichen Formulierung ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt in jeder Hinsicht zu verneinen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der die VB-ERV 2012 aufmerksam durchliest, wird anhand der fett gedruckten Überschrift „Ausschlüsse“ in hinreichender Weise auf die Risikoausschlüsse gelenkt, zumal er, mangels konkreter Angaben im Versicherungsschein, ohnehin in die VB-ERV 2012 zu schauen hat, um den Leistungsumfang der Versicherung zu erkennen. Es ist dem Versicherungsnehmer auch grundsätzlich zuzumuten, die allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn eine aufmerksame Durchsicht – auf die nach ständiger Rechtsprechung des BGH abzustellen ist (so nur zuletzt BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 – IV ZR 245/15 –, Rn. 22, juris) – in der Alltagspraxis nicht der Regelfall sein mag. Dass der Klägerin abweichend von der Klausel vor oder bei Vertragsschluss suggeriert worden wäre, umfassend für sämtliche Krankheiten abgesichert zu sein, ist nicht ersichtlich und von ihr auch nicht vorgetragen worden.

32. Der Risikoausschluss ist ferner nicht wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

33. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 12. März 2014 – IV ZR 295/13 –, BGHZ 200, 293-310, Rn. 23 m.w.N.).

34. Diesen Anforderungen genügt die Klausel. Der Begriff der psychischen Erkrankung ist für sich genommen aus dem Alltagssprachgebrauch des durchschnittlichen Versicherungsnehmers hinreichend klar und verständlich. Die Nachteile sind für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich zu erkennen, der sich ohne weiteres vorstellen kann, wie weit der Risikoausschluss geht und welche Folgen dies für ihn hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus diesem Fall. Allein der Umstand, dass die Klägerin meint, die Erkrankung ihrer Tochter sei keine psychische Erkrankung im Sinne der Ausschlussklausel, führt noch nicht dazu, dass der Begriff objektiv und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer unklar oder mehrdeutig ist. Vielmehr ist gerade auch im Fall der Tochter der Klägerin deutlich, dass eine psychische Erkrankung vorlag.

35. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass zugleich Suchterkrankungen aus dem Risikobereich ausgeschlossen werden. Wie bereits ausgeführt, besteht nach den Versicherungsbedingungen zwischen den beiden Erkrankungen kein Zusammenhang.

36. Die Klausel ist schließlich auch nicht wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 BGB unwirksam.

37. Eine Abweichung von einem gesetzlichen Leitbild liegt mangels eines entsprechenden Leitbilds nicht vor.

38. Die Rechte des Versicherungsnehmers sind durch den Risikoausschluss auch nicht derart eingeschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet wird. Vielmehr sichert die Reiserücktrittsversicherung gegen eine Vielzahl von möglichen Rücktrittsgründen ab, von denen die Erkrankung lediglich einer unter mehreren ist. Die übrigen Rücktrittsgründe bleiben von dem Risikoausschluss unberührt. Auch wenn die unerwartete schwere Erkrankung der Hauptanwendungsfall der Reiserücktrittsversicherung sein mag, ist auch dieser Fall nicht ausgehöhlt, da sämtliche körperlichen Beschwerden noch abgesichert sind. Die Versicherung hat daher auch weiterhin trotz des Risikoausschlusses einen praktischen Anwendungsbereich mit nicht unerheblicher Reichweite. Dass psychische Erkrankungen einen weit überwiegenden Anteil an den ansonsten die Leistungspflicht des Versicherers auslösenden unerwarteten schweren Erkrankungen haben und damit den versprochenen Versicherungsschutz aushöhlen würden, ist von der Klägerin nicht dargetan worden und angesichts der Erfahrung des seit vielen Jahren speziell mit Versicherungssachen befassten Senates auch sonst nicht ersichtlich.

39. Im Übrigen besteht auch durchaus ein berechtigtes Interesse des Versicherers, psychische Erkrankungen vom Risikoschutz auszunehmen, um sich von vorneherein im alltäglichen Massengeschäft nicht mit – im Vergleich zu rein körperlichen Erkrankungen – sowohl hinsichtlich des Vorliegens, als auch hinsichtlich der Schwere und der zeitlichen Dimension deutlich schwerer nachzuweisenden Erkrankungen befassen zu müssen.

40. Der Umstand, dass die Klausel in späteren allgemeinen Versicherungsbedingungen gestrichen wurde, ist für die rechtliche Bewertung ihrer Zulässigkeit unerheblich. Die Gründe hierfür können vielfältiger Natur sein, insbesondere mag die Beklagte Wettbewerbsnachteile befürchtet haben, wenn sie als einer der wenigen Versicherern solche Erkrankungen vom Versicherungsschutz ausschließt.

41. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

42. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

43. Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

44. Der Streitwert wird auf 5158,52 Euro festgesetzt.

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