Reisemängel bei einer Billigreise

AG Nürnberg: Reisemängel bei einer Billigreise

Ein Reisender buchte bei einem privaten Veranstalter einen Pauschalurlaub. Weil während des Urlaubs die Toilettenspülung im Hotelzimmer ausgefallen war und die Kläger während des 10-stündigen Hinflugs keine Beinfreiheit im Flugzeug hatten, fordern sie nun eine Reisepreisminderung.

Das Amtsgericht Nürnberg hat dem Klägerbegehren entsprochen. Sowohl in der ausgefallenen Toilettenspülung, als auch in der unbequemen Sitzposition seien Unannehmlichkeiten zu sehen, die es im Nachhinein auszugleichen gelte.

AG Nürnberg 20 C 4724/98 (Aktenzeichen)
AG Nürnberg: AG Nürnberg, Urt. vom 24.08.1998
Rechtsweg: AG Nürnberg, Urt. v. 24.08.1998, Az: 20 C 4724/9
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Amtsgericht Nürnberg

1. Urteil vom 24. August 1998

Aktenzeichen: 20 C 4724/9

Leitsatz:

2. Der Ausfall der Toilettenspülung stellt einen Reisemangel im Sinne von §651c BGB dar.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender buchte bei einem privaten Reiseveranstalter einen Pauschalurlaub. Weil die Kläger auf dem 10-stündigen Hinflug dazu gezwungen waren in unbequemer Position ohne Beinfreiheit zu sitzen und die Toilettenspülung im Hotel für 5 Tage ausgefallen war, verlangen sie eine nachträgliche Reisepreisminderung.

Der Veranstalter hält die Unannehmlichkeiten für unbedeutend und weigert sich der Zahlung.

Das Amtsgericht Nürnberg hat dem Klägerbegehren entsprochen. Ein Reisemangel sei grundsätzlich immer dann anzunehmen, wenn die nach dem Vertrag geschuldete Leistung nicht oder nicht in der gebotenen Art und Weise erbracht wird und die Beeinträchtigung aus dem Verantwortungsbereich des Veranstalters stammt.

Es ist im Einzelfall nach Art und Zweck der Reise auf Grund des Vertrags festzustellen, ob die Störung bei einer einzelnen Reiseleistung bereits die Reise als solche als in ihrem Nutzen beeinträchtigt erscheinen lässt oder ob es sich lediglich um eine Unannehmlichkeit handelt, welche im Zeitalter des modernen Massentourismus hinzunehmen ist.

Eine nicht funktionierende Toilettenspülung beeinträchtige die Kläger in einer solchen Weise. Auch die unangenehme Sitzposition entspreche nicht dem üblichen reisevertraglichen Komfort.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) DM 75,25 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 22.01.1998 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) DM 75,25 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 22.01.1998 zu zahlen.

Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) haben die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluß

Der Streitwert wird auf DM 1.736,00 festgesetzt, wovon DM 868,00 auf die Klage des Klägers zu 1) und DM 868,00 auf die Klage der Klägerin zu 2) entfallen.

Tatbestand:

5. (unterbleibt gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Entscheidungsgründe:

6. Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.

7. Die Streitgenossenschaft auf Klägerseite war zulässig, da den beiden Klagen ein weitgehend einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde lag.

8. Jede der beiden Klageparteien hat gegen die Beklagte jeweils einen Anspruch auf Reisepreisrückzahlung wegen Minderung gemäß § 651c Abs. 1 BGB in Höhe von DM 75,25.

9. Ein Reisemangel liegt dann vor, wenn die nach dem Vertrag geschuldete Leistung nicht oder nicht in der gebotenen Art und Weise erbracht wird und die Beeinträchtigung aus dem Verantwortungsbereich des Veranstalters stammt. Es ist im Einzelfall nach Art und Zweck der Reise auf Grund des Vertrags festzustellen, ob die Störung bei einer einzelnen Reiseleistung bereits die Reise als solche als in ihrem Nutzen beeinträchtigt erscheinen läßt oder ob es sich lediglich um eine Unannehmlichkeit handelt, welche im Zeitalter des modernen Massentourismus hinzunehmen ist (Palandt-Sprau, 57. Auflage, Rn. 2 zu § 651c BGB).

10. Wesentlicher Maßstab für die Beurteilung, ob ein Reisemangel vorliegt, ist also die Frage, welche Reiseart und -qualität geschuldet wird. Da bei einer Reise, welche aus einer Vielzahl von Einzelleistungen besteht, naturgemäß nicht jedes Detail vertraglich oder auch nur im Prospekt ausdrücklich festgelegt sein kann, ist der vereinbarte Reisepreis ein wesentliches Kriterium dafür, welcher Standard zu erwarten ist. Vorliegend war der Reisepreis derartig niedrig, dass man sich fragen muss, wie es überhaupt möglich ist, die Reise zu einem solchen Preis anzubieten. Die Kläger buchten eine 17-tägige Fernreise nach Sri Lanka mit 14 Tagen Hotelaufenthalt zu einem Preis von DM 1.599,00 je Person. In diesem Preis waren nicht nur Flug und Übernachtung, sondern auch noch sämtliche Mahlzeiten einschließlich von Zwischenmahlzeiten und Getränke eingeschlossen (sog. All-Inclusive-Reise). Berücksichtigt man weiter, dass selbst bei einem Billigangebot allein für einen Flug nach Sri Lanka mindestens etwa DM 1.000,– anzusetzen sind, so verbleiben für 14 Hotelübernachtungen einschließlich Vollverpflegung (mit Speisen und Getränken) lediglich DM 42,79 pro Tag. Bei einem derartigen Preis können als vertraglich geschuldete Leistungen nur solche der allereinfachsten Kategorie erwartet werden, soweit im Reisevertrag nicht konkrete Mehrleistungen zugesichert sind. Der Umstand, dass der Reisende gelegentlich das Glück haben mag, auch zu einem äußerst niedrigen Reisepreis ohne ausdrückliche Zusicherungen bessere Reiseleistungen zu erhalten, führt nicht dazu, dass ein solcher gehobener Standard geschuldeter Vertragsinhalt ist.

11. Etwas anderes kann gerade bei einer derartigen Billigreise also nur gelten, soweit der Veranstalter konkrete Versprechungen gemacht hat, welche über den Einfachst-Standard hinausgehen. Dies war vorliegend aber nicht der Fall.

12. Die Beklagte hatte das Hotel … im Prospekt lediglich als 2 1/2 – Sterne – Hotel angeboten und zur Lage des Hotels ausgeführt: „Idyllisch inmitten tropischer Landschaft, direkt am langen feinsandigen Strand von … gelegen. Zum Ortszentrum ca. 4 km.“ Es wurde also insbesondere lediglich eine „idyllische“, nicht aber eine ruhige Lage beschrieben. Dass von „idyllisch“ nicht ohne weiteres auf eine ruhige Lage geschlossen werden kann, wird für den aufmerksamen Reisekunden schon dadurch deutlich, dass auf der selben Seite des Prospekts das Hotel … angeboten wurde, ausdrücklich „für anspruchsvolle Gäste“, welches mit 4 1/2 Sternen versehen war und bei welchem – anders als beim Hotel … – ausdrücklich von einer Lage „in ruhiger Umgebung“ die Rede war.

13. Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zum Inhalt der vertraglich geschuldeten Leistungen ist im einzelnen folgendes auszuführen:

14. Der Verlauf einer Bahnlinie in unmittelbarer Nähe zum Hotel ist nicht vertragswidrig. Unstreitig herrschte Zugverkehr erst ab 6.30 Uhr, so dass die Nachtruhe im wesentlichen gewahrt blieb. Eine ausgesprochen ruhige Lage war nicht versprochen worden (vgl. oben 1 b), insbesondere ist durch eine eingleisige Bahnlinie direkt hinter dem Hotel noch nicht ausgeschlossen, die Lage des Hotels als „idyllisch“ zu bezeichnen, nachdem im übrigen die Bahnlinie und das Hotel von einem Palmenwald umgeben war. Wenn die Kläger gerade auf Ruhe besonderen Wert gelegt hätten, hätten sie sich dies – zumindest angesichts des extrem niedrigen Reisepreises – ausdrücklich zusichern lassen müssen.

15. Gleiches gilt auch für das anliegende Dorf. Wird ein Hotel nicht ausdrücklich als ruhig gebucht, so stellen die von einem anliegenden Dorf ausgehenden üblichen Lebensäußerungen der Bewohner keinen Mangel dar.

16. Der Hotelstrand selbst war unstreitig jeden Morgen gereinigt worden. Die Verunreinigungen am Strand außerhalb des Hotelbereichs stellen keinen Mangel dar. Soweit es – wie von den Klägern vorgetragen wird – bei der einheimischen Bevölkerung üblich sein sollte, nicht nur ihre Hunde – wie leider auch in Deutschland trotz entsprechender Verbote weit verbreitet – ihre „Geschäfte“ im Freien zu verrichten zu lassen, sondern dies auch selbst zu tun, so handelt es sich um ortsübliche Gepflogenheiten außerhalb der Hotelanlage, welche dem Veranstalter nicht zuzurechnen sind. Wer ein fremdes Land bereist, muss sich – auch als Pauschalreisender – damit abfinden, dass er dort andere Sitten vorfindet. Dies gilt insbesondere für Reisen in Länder der Dritten Welt.

17. Auch hinsichtlich der Liegewiese besteht kein Minderungsanspruch:

18. In einem tropischen Land kann zumindest im Außenbereich einer Hotelanlage nicht zuverlässig ausgeschlossen werden, dass eine Schlange dorthin gelangt. Eine einzelne Schlange unter einem Liegestuhl stellt daher keinen Mangel dar. Der Umstand, dass ein schlangenkundiger Sicherheitsdienst nicht sofort zur Stelle war, rechtfertigt keine Reisepreisminderung.

19. Auch die Tatsache, dass morsche Äste nicht sofort, sondern erst nach vier Tagen von den Bäumen entfernt wurden, stellt keinen Reisemangel dar.

20. Auch ein einzelnes Stück Draht in der Liegewiese stellt keinen Reisemangel dar. Zwar kann auch bei einer Billigreise erwartet werden, dass eine zum Hotel gehörende Liegewiese in regelmäßigen Abständen daraufhin überprüft wird, ob sich dort Abfälle oder dergleichen befinden. Es kann aber auch bei Erfüllung dieser Verpflichtung nicht völlig ausgeschlossen werden, dass ein einzelnes Drahtstück selbst bei einigermaßen gewissenhafter Inspektion der Liegewiese übersehen wird ebenso wie beispielsweise einzelne Glassplitter. Ein Reisender muss sich darauf einstellen, dass dieses Risiko nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Wer barfuß durch eine Wiese läuft, verwirklicht daher vorwiegend eigenes Lebensrisiko, wenn er in ein einzelnes Drahtstück tritt.

21. Eine einzige Ratte im Hotel des Treppenhauses und eine weitere in der Außenanlage stellen jedenfalls in einem tropischen Billig-Hotel noch keinen Reisemangel dar. Gleiches gilt für Kakerlaken, die sich lediglich in einer von der Klägern ohnehin kaum benutzten Toilette im Erdgeschoss des Hotels befinden, welche darüberhinaus auch nur früh morgens zu entdecken waren.

22. Der Umstand, dass die Kläger sich einmal auf einen Umzug innerhalb des Hotels eingestellt haben, welcher kurzfristig wieder abgesagt wurde, gehört zu den entschädigungslos hinzunehmenden Unannehmlichkeiten des Massentourismus und stellt noch keinen Reisemangel, der eine Minderung rechtfertigt, dar.

23. Als Mangel ist allerdings der zeitweise Ausfall der Toilettenspülung anzusehen. Das Gericht hält eine Minderung von 10 % für die fünf Tage bis zur Reparatur für angemessen, wobei für die anteilige Minderung jedoch nach allgemeiner Auffassung die gesamte Reisedauer, also 17 Tage zugrunde zu legen sind.

24. Auch an den Komfort im Flugzeug sind bei einer Billigreise grundsätzlich keine besonderen Anforderungen zu stellen, soweit es an ausdrücklichen Zusicherungen fehlt. Um wegen des hier im Raum stehenden geringfügigen Betrags bei im übrigen bestehender Entscheidungsreife eine Beweisaufnahme zu ersparen, hat die Beklagtenvertreterin allerdings die Zusicherung von guter Beinfreiheit unstreitig gestellt.

25. An dieser Beinfreiheit fehlte es auf dem Hinflug auf der Teilstrecke …, was eine Aufenthaltszeit im Flugzeug von 10 Stunden betraf.

26. Die fehlende Beinfreiheit rechtfertigt eine Minderung von 30 % für einen Tag.

27. Dagegen stellt die Rauchbelästigung durch die Stewardessen keinen Mangel dar. Es ist allgemein bekannt, dass Raucher- und Nichtraucherbereiche in Flugzeugen regelmäßig nur unzureichend getrennt sind. Deshalb werben auch einzelne Fluglinien gezielt damit, dass bei ihnen zumindest auf bestimmten Strecken ein generelles Rauchverbot im Flugzeug herrscht. Angesichts des extrem niedrigen Reisepreises gehört es nicht zum geschuldeten Vertragsinhalt, dass der Reisende an einer Position untergebracht wird, welche frei von Rauchschwaden ist, die aus einem Raucher- in einen Nichtraucherbereich hinüberziehen. Legt er hierauf besonderen Wert, so muss er gezielt eine entsprechende, typischerweise erheblich teurere Linie buchen oder sich zumindest eine entsprechende Zusicherung geben lassen.

28. Damit errechnen sich die Ansprüche jeder Klagepartei folgendermaßen:

Teilausfall der Toilettenspülung 1.599,00 DM : 17 Tage x 10 % x 5 Tage 47,03 DM

Fehlende Beinfreiheit … 1.599,00 DM : 17 Tage x 30 % x 1 Tag 28,22 DM

Summe 75,25 DM

29. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung, weil der Klageerfolg gegenüber dem Klagebegehren verhältnismäßig geringfügig war und zu keinem Gebührensprung führte.

30. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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