Schadensersatz bei Flugzeugabsturz

OLG Hamm: Schadensersatz bei Flugzeugabsturz

Vorliegend flog der Kläger, als Pilot mit einem Ultraleichtflugzeug. Begleitet wurde er von einem anderen Piloten, dem Beklagten, welcher jedoch bei diesem Flug bloß Fluggast war. Es kam zu einem Flugzeugabsturz und der Beklagte bekam einen Krampf im Bein, sodass er sein Bein ausstreckte und dabei die Pedale und das Seitenruder betätigt. Der Kläger verlangt nun Schadensersatz von ihm, da das Flugzeug erheblich beschädigt wurde.

Das OLG Hamm sprach ihm einen solchen Anspruch auf Schadensersatz nicht zu, da das Ausstrecken des Beines bei einem Krampf gemäß §228 BGB gerechtfertigt ist.

OLG Hamm 9 U 20/00 (Aktenzeichen)
OLG Hamm: OLG Hamm, Urt. vom 29.08.2000
Rechtsweg: OLG Hamm, Urt. v. 29.08.2000, Az: 9 U 20/00
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OLG Hamm

1. Urteil vom 29. August 2000

Aktenzeichen 9 U 20/00

Leitsatz:

2. Nach § 228 Abs. 1 BGB handelt nicht widerrechtlich, wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwehren, wenn die Beschädigung oder Zerstörung der Sache zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall flog der Kläger mit dem Beklagten (Fluggast) in einem Ultraleichtflugzeug. Es kam zum Absturz der Maschine. Der Beklagte, welcher ebenfals Pilot war, bekam währenddessen einen Krampf im Bein und streckte dieses deswegen aus. Dabei betätigte er das Pedal und das Seitenruder der Maschine. Das Flugzeug wurde bei der Notlandung auf einem Feld erheblich beschädigt. Der Kläger verlangt nun Schadensersatz von dem Beklagten.

Das OLG Hamm entschied, dass ihm ein solcher Anspruch auf Schadensersatz nicht zusteht, da das Ausstrecken des Beines gerechtfertigt war, §228 BGB. Durch des Motorausfall und den daraus resultierenden Sturzflug war es wahrscheinlich, dass es nach dem Aufsetzen der Maschine nötig ist, dieses fluchtartig zu verlassen. Damit war es notwendig, dass sich der Krampf im Bein löst, sodass der Beklagte sich aus der bald eintretenden Notsituation auch befreien kann.

Es war also eine erforderliche Maßnahme. Der eingetretene Schaden am Flugzeug steht nicht außer Verhältnis zu der Gefahr die es abzuwenden galt. Dies folgt daraus, dass Leben und Gesundheit höherwertiger sind, als Sachgüter. Die Klage ist folglich unbegründet.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das am 25.11.1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LGs Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert den Kläger in Höhe von DM 59.990,00.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten über Schadensersatz wegen eines Flugzeugunfalls.

6. Der Kläger ist Eigentümer des Ultraleichtflugzeuges … in Sporbradauslegung mit der Kennung … und der … Serien-Nr. …. Der Beklagte ist selbst Pilot und war am Unfalltag — dem 12.05.1998 — Fluggast in dem Flugzeug des Klägers.

7. Der Kläger war als Pilot mit dem Flugzeug zunächst von … nach … geflogen und dort gelandet. Neben ihm saß der Beklagte. Die Pedalen für die Steuerung des Flugzeuges sind auf beiden Seiten angebracht und sowohl für den Piloten als auch für den weiteren Insassen erreichbar. Nach dem Start von … kam es auf dem Rückflug in etwa 100 m Höhe zu einem plötzlichen Stillstand des Motors. Daraufhin entschloß sich der Kläger zu einer Notlandung außerhalb des Flugplatzgeländes. Nach einem Steilflug steuerte auf ein Getreidefeld zu. Bei der anschließenden Landung wurde das Flugzeug erheblich beschädigt.

8. Am 13.05.1998 meldete der Beklagte den Unfall seiner Haftpflichtversicherung, der …. Die Versicherung beauftragte die Rechtsanwälte Dr. … pp. in … gemäß § 5 Nr. 7 AHB mit der Prozeßvertretung für den Beklagten.

9. Mit seiner Klagte hat der Kläger Schadensersatz in Höhe von insgesamt DM 59.990,00 begehrt (Bausatz DM 69.150,00 abzüglich Restwert DM 10.000,00 zuzüglich Bergungskosten DM 800,00 zuzüglich Kostenpauschale DM 40,00).

10. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe den Unfall und die Beschädigungen an dem Flugzeug verursacht. Während der Notlandung habe der Beklagte einen Beinkrampf erlitten. Um eine Entkrampfung und Schmerzlinderung zu erreichen, habe er das Bein ausgestreckt. Dabei habe er in einer Höhe des Flugzeuges von 10 bis 20 m die Pedale und das Seitenruder betätigt. Deshalb sei es zu einer Rechtsdrehung gekommen, in deren Folge der rechte Flügel den Boden berührt habe. Dadurch habe sich das gesamte Flugzeug gedreht und sei in den Boden eingetaucht. Ohne die Einwirkung des Beklagten auf das Seitenruder wäre das Flugzeug schadlos gelandet.

11. Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn DM 59.990,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 27.07.1998 zu zahlen.

12. Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

13. Die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten haben den behaupteten Schadenshergang bestritten. Es habe keine Verkrampfung beim Beklagten vorgelegen und er habe auch keinen Kontakt zur Steuerung für das Seitenruder gehabt. Zum Bruch des rechten Fahrwerkbeines sei es bereits wegen der Unebenheiten und des Bewuchses des Notlandesplatzes gekommen. Die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten haben die Ansicht vertreten, sofern ein Krampf vorgelegen habe, handele es sich nicht um eine willensgesteuerte Handlung. Außerdem treffe den Beklagten kein Verschulden. Es sei wegen der Notsituation nicht vorhersehbar gewesen, daß keine andere Möglichkeit für die Bewegung des Beines bestanden habe.

14. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG Dortmund am 19.11.1998 hat der Beklagte im Rahmen der Anhörung nach § 141 ZPO erklärt, er habe im rechten Bein in der Wade und im Oberschenkel einen Krampf bekommen. Dann habe er das Bein gestreckt. Dabei habe keine andere Möglichkeit bestanden, den Fuß an anderer Stelle als auch auf dem Pedal aufzusetzen.

15. Das LG Dortmund hat der Klage durch Teilurteil teilweise stattgegeben. Gegen das Urteil haben die Rechtsanwälte Dr. … pp. namens des Beklagten Berufung eingelegt. Der Senat hat durch Urteil vom 28.05.1999 das Urteil des LGs aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das LG zurückverwiesen.

16. Das LG hat den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.1999 erneut als Partei zum Hergang des Absturzes vernommen. Der Beklagte hat ausgesagt, er habe nach dem Ausfall des Motors beim Abwärtsflug einen Krampf in der Wade bekommen. Da er Angst gehabt habe, daß bei der Landung Feuer ausbreche und er wegen des Krampfes nicht schnell genug aus dem Flugzeug herauskomme, habe er den Krampf so schnell wie möglich lösen wollen. Dabei habe er gegen das Pedal des Seitenruders getreten. Eine andere Möglichkeit habe es für ihn nicht gegeben.

17. Das LG hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

18. Er behauptet weiterhin, daß das Verhalten des Beklagten zu dem Schaden geführt habe. Er ist der Ansicht, bei der Entscheidung müsse von den Angaben des Beklagten ausgegangen werden, da sich der Hergang des Unfallereignisses nunmehr als unstreitig darstelle und die Verursachung durch den Beklagten zugestanden sei.

19. Der Kläger beantragt,

abändernd den Beklagten zu verurteilen, an ihn 59.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.06.1998 zu zahlen.

20. Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

21. Die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten bestreiten, daß der Flugzeugunfall auf einer Einwirkung des Beklagten auf die Steuerungsmechanik während der Landephase beruhe. Sie behaupten, allein ursächlich sei der plötzliche Motorausfall, u.U. auch eine fliegerische Fehlleistung des Klägers. Sie sind der Ansicht, die persönlichen Äußerungen des Beklagten bei der Parteianhörung bzw. Parteivernehmung seien nicht als prozessuales Geständnis zu werten. Ihnen komme auch kein Vorrang zu dem dazu im Widerspruch stehenden anwaltlichen Vortrag zu.

22. Der Senat hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen … und …. Er hat ferner die Parteien persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf den Berichterstattervermerk vom 27.06.2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

23. Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen des Flugzeugunfalls vom 12.05.1998 in ….

24. Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich nicht aus einer unerlaubten Handlung des Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage liegen nach dem Vorbringen aller Prozeßbeteiligten nicht vor. Insbesondere bedarf es nach dem Ergebnis der neuerlichen Anhörung des Klägers und des Beklagten keiner weiteren Beweisaufnahme, weil auch danach Schadensersatzansprüche des Klägers ausgeschlossen sind.

25. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten zutrifft, wonach der Beklagte keinen Kontakt zu dem Pedal der Steuerung des Seitenruders des Flugzeuges gehabt habe und der Schaden schon deshalb nicht von dem Beklagten verursacht wurde.

26. Denn ein Anspruch ist auch dann nicht gegeben, wenn, wie vom Kläger behauptet, der Beklagte einen Beinkrampf erlitten hatte und zur Entkrampfung gegen das Pedal für das Seitenruder getreten hätte. Eine derartige Handlung des Beklagten wäre nämlich gemäß § 228 S. 1 BGB gerechtfertigt gewesen, jedenfalls aber zu entschuldigen.

27. Geht man von den Behauptungen des Klägers aus, die der Beklagte bei seiner Anhörung bestätigt hat, hätte der Beklagte auf die gefahrbegründende Sache — das Flugzeug — eingewirkt, um zu versuchen, den Folgen des zu erwartenden Absturzes, insbesondere den aus einem zu befürchtenden Brand nach dem Aufschlagen der Maschine zu entgehen. Einschlägig für die Beurteilung des Verhaltens des Beklagten ist daher § 228 S. 1 BGB. Ein Notstand, bei dem die Gefahr von einer anderen Sache als der, auf die eingewirkt wird, ausgeht (§ 904 S. 1 BGB), liegt nicht vor.

28. Nach § 228 Abs. 1 BGB handelt nicht widerrechtlich, wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwehren, wenn die Beschädigung oder Zerstörung der Sache zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht.

29. Im Streitfall bestand aus Sicht des Beklagten, aber auch nach allen objektiven Umständen, die begründete Gefahr eines alsbaldigen Flugzeugabsturzes mit nicht absehbaren Schäden. Der Motor der Maschine war ausgefallen und der Kläger hatte eine Notlandung eingeleitet, wonach er ein bewachsenes Feld ansteuerte. Deshalb war wegen des nicht befestigten Untergrundes und des Bewuchses eine abrupte Bremsung und ein Umstürzen des ultraleichten Flugzeuges zu erwarten. Daß der Kläger meinte, die Notlandung an dieser Stelle gefahrlos durchführen können, wenn nicht auf das Steuerruder eingewirkt worden wäre, mag zutreffen; mehr als eine Hoffnung war dies gegenüber einem Verlauf, bei dem die Maschine umstürzen und Schaden nehmen würde, nach den konkreten Umständen jedoch nicht, und zwar schon deshalb nicht, weil er überhaupt nicht einschätzen konnte, ob unter dem auf dem Feld stehenden Bewuchs Furchen und sonstige Unebenheiten versteckt lagen, die selbst dann noch zur Beschädigung der Maschine hätten führen können, wenn ihm ein sanftes Aufsetzen gelungen wäre.

30. Diese Gefahr beinhaltete auch, daß das Flugzeug hätte Feuer fangen können. Sowohl der Kläger als auch der Beklagte haben bei ihrer Anhörung angegeben, ihnen sei schon im Sturzflug aufgefallen, daß es nach Benzin gerochen habe. War dies der Fall — wovon der Senat nach den Angaben der Parteien ausgehen muß, lag sogar die Vermutung nahe, daß schon irgendwo Treibstoff ausgetreten war, der bekanntlich besonders leicht entzündlich ist und gerade bei Abstürzen nicht nur infolge nicht ausschließbarer sondern sogar wahrscheinlichen Funkenschlages sofort zu einem Brand führt. Die von dem Flugzeug des Klägers durch den Motorausfall und den Sturzflug ausgehende Gefahr war danach durchgreifend erhöht und es war sogar mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß es nach dem Aufsetzen zur Lebensrettung einer sofortigen Flucht bedurfte, um diesen besonderen Gefahren der eingetretenen Notsituation zu entgehen.

31. In dieser vom Beklagten mit Recht hoch dramatisch geschilderten Situation durfte er sich auf die bevorstehende Notwendigkeit einer Flucht vor der Gefahr vorbereiten und nach den Umständen alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um sich selbst zu mobilisieren. Wenn er — vom Kläger unbestritten — einen durch die enge Sitzhaltung oder durch die Anspannung des eingeleiteten Sturzfluges verursachten Beinkrampf durch Streckung des Beines löste, war dies nach den dargelegten gefahrdrohenden Umständen erforderlich. Eine andere Möglichkeit, den Krampf möglichst schnell zu lösen, bestand nicht. Der Beklagte mußte den Krampf schnell lösen, weil er anderenfalls wegen der dadurch verursachten schmerzhaften Behinderungen nicht mit der gebotenen raschen Flucht nach dem Aufschlagen der Maschine hätte reagieren können. Schon geringe Zeitverzögerungen können im Falle des Entzündens von Flugbenzin zu schwerwiegenden Folgen für Leib und Leben eines Insassen führen, der nicht rechtzeitig in ausreichende Reichweite zu der Unglücksmaschine gelangt.

32. Der durch diese Handlung (möglicherweise) angerichtete Schaden stand nicht außer Verhältnis zu der Gefahr, die es abzuwenden galt. Grundlage der Abwägung für das Tatbestandsmerkmal der Verhältnismäßigkeit bilden die in der Rechtsgemeinschaft herrschenden Anschauungen, zu denen es gehört, daß Leben und Gesundheit höherwertig sind als Sachgüter (vgl. Palandt-Heinrichs, 59. Aufl., § 229 BGB, Rn. 8). Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Beklagte objektiv einen Eingriff in das Steuerruder vornehmen durfte, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Flucht vor der zu erwartenden Brandgefahr zu erhöhen, und zwar selbst um den Preis, daß infolgedessen die Gefahr eines unkontrollierten Aufschlagens des Flugzeuges durch eine Kippbewegung der Tragflächen erhöht wurde. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Notstandshandlung des Beklagten habe die Gefahr einer Crash-Landung erst begründet oder erhöht. Diese akute Gefahr lag schon durch den Motordefekt und die bevorstehende Notlandung auf dem Acker vor. Spezifisch neue Risiken wurden durch die Streckung des Beines und die Berührung des Steuerungsmechanismus nicht begründet. Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn der Beklagte schon bei Einleitung der Notlandung und der Kurve, die der Kläger im Gleitflug fliegen mußte, um das Feld als Landefläche anzusteuern, die Pedale berührt hätte, da sich die Maschine zu dieser Zeit noch in wesentlich größerer Höhe befand. Hier bestand jedoch nur noch ein Abstand von ca. 10 bis 20 Metern, das Aufsetzen des Flugzeuges stand unmittelbar bevor und durchgreifende Störungen der Notlandung waren nicht mehr zu erwarten. Zu diesem Zeitpunkt durfte der Beklagte objektiv an das unmittelbar bevorstehende Aufsetzen und allein die — nicht zuletzt durch den Treibstoffgeruch — zu befürchtende Gefahr und seine persönliche Sicherung denken.

33. Daß der Beklagte die Gefahren, die mit der bevorstehenden Landung verbunden waren, nicht selbst verursacht hatte, § 228 S. 2 BGB, ist offenkundig. Er war nur Fluggast des Klägers und hatte nichts dazu beigetragen, daß der Motor ausfiel und die Notlandung auf dem Acker eingeleitet werden mußte.

34.Ein Anspruch wäre ferner auch dann nicht gegeben, wenn man der Auffassung des Klägers folgen würde, daß keine dramatische, eine wesentliche Gefahr begründende Lage bestanden hätte und nach den Umständen mit einer glatten Landung zu rechnen gewesen wäre. Er will damit begründen, daß der Beklagte — objektiv — mit der bewußten Streckung des Beines und dem damit verbundenen mechanischen Eingriff in die letzte Phase der Landung hätte warten können.

35. Aus den bereits dargelegten Gründen war eine solche sorglose Annahme objektiv nicht gerechtfertigt. Dies gilt selbst dann, wenn die Erklärungen des Klägers zutreffen, daß er schon Erfahrungen mit solchen Notlandungen ultraleichter Fahrzeuge hatte. Beim Ausfall des Motors handelt es sich immer um einen außerordentlichen Vorgang, der die genannten Gefahren hervorruft, auch hier hervorgerufen hat und die zu Recht vom Beklagten nach seinen Erklärungen gefürchtet wurden.

36. Aus Sicht des Beklagten lägen dann jedenfalls die Voraussetzungen eines schuldausschließenden Putativnotstandes vor, bei dem ebenfalls keine Schadensersatzpflicht eintritt. Hätte der Beklagte bei der Abwägung seines Verhaltens in der letzten Phase der Notlandung nämlich — nach hypothetischer Annahme zu Unrecht — dem eigenen Interesse an der Herstellung der Mobilisierung für den Zeitpunkt unmittelbar nach dem Aufsetzen des Flugzeuges den Vorzug gegeben, wäre ein dahingehender, nach Auffassung des Klägers vorliegender Irrtum entschuldigt. Für das, was der Beklagte bei seiner Abwägung zugrunde legen durfte, gilt der allgemeine objektive Fahrlässigkeitsmaßstab des § 276 BGB (vgl. Palandt-Heinrichs a.a.O. m.w.N.). Die rein subjektiven Erfahrungen des Klägers müssen also außer Betracht bleiben. Unstreitig hatte der Beklagte mit diesem Fluggerät keine Erfahrungen und mußte sie auch nicht haben. Dies war gerade der Anlaß, warum sich der flugbegeisterte Beklagte auf Einladung des Klägers entschloß, einmal mit ihm mitzufliegen. Nach allgemeinem Erfahrungswissen durfte der Beklagte jedoch einen offensichtlich sehr steilen und deshalb als dramatisch empfundenen Sink- und Gleitflug in der Schlußphase vor allem an die Eigensicherung denken und mußte nicht mehr technische Besonderheiten (Steuerungspedale an Nebensitz) in die Abwägung einbeziehen, zumal deren Wirkungsweise dem Beklagten auch — als mit dieser Maschine nicht vertrautem Flieger, nicht ohne weiteres bekannt sein konnten. Jedenfalls die berechtigte Annahme einer konkreten Brandgefahr wegen des vorhandenen Treibstoffgeruchs durften ihn dazu führen, nach den Umständen sei es notwendig, trotz der zwangsläufigen Berührung der mechanischen Pedale sein Bein zum Zwecke der Wiedererlangung unbehinderter Beweglichkeit zu strecken.

37. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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