Reisevermittler oder Reiseveranstalter

OLG Düsseldorf: Reisevermittler oder Reiseveranstalter

Ein Reisender verklagt ein Reisebüro auf Preisminderung, weil das ihm zur Verfügung gestellte Wohnmobil mangelhaft war. Das Büro streitet eine Anwendbarkeit von Reiserecht aufgrund des Fehlens einer Gesamtheit von Leistungen ab.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat der Klage zugestimmt. Eine unmittelbare Anwendung der reiserechtlichen Bestimmungen sei zwar abzulehnen, wegen der veranstalterähnlichen Leistung des Büros fänden diese jedoch analoge Anwendung.

OLG Düsseldorf 18 U 135/96 (Aktenzeichen)
OLG Düsseldorf: OLG Düsseldorf, Urt. vom 24.04.1997
Rechtsweg: OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.04.1997, Az: 18 U 135/96
LG Düsseldorf, Urt. v. 13.09.1996, Az: 15 O 177/95
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Oberlandesgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 24. April 1997

Aktenzeichen: 18 U 135/96

Leitsätze:

2. Das Reisebüro ist nur dann nicht bloß Vermittler der Reise, sondern Reiseveranstalter, wenn es für eine bestimmte, von ihm zusammengestellte Reise wirbt, sie als Gesamtleistung anbietet und so selbst als Reiseveranstalter auftritt.

Auf einen Vertrag, der die Bereitstellung eines Mobilheimes durch einen Reiseveranstalter vorsieht, ist Reisevertragsrecht entsprechend anzuwenden.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender mietete über ein Reisebüro ein Wohnmobil für einen Amerikaaufenthalt. Im Urlaubsland angekommen musste er jedoch feststellen, dass das Fahrzeug nicht die vereinbarte Beschaffenheit hatte. Weil es sich zur geplanten Nutzung nur bedingt eignete, verlangt der Kläger von dem beklagten Reisebüro nun eine Preisminderung im Sinne von §651 f BGB.

Das Reisebüro bestreitet eine Anwendbarkeit des Reiserechts. Anders als vom Kläger behauptet sei das Reisebüro lediglich Vermittler von Reisen, nicht deren Veranstalter.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf  hat der Klage größtenteils stattgegeben. Entgegen der Ausführungen der Klägerseite sei Reiserecht vorliegend jedoch nicht direkt anwendbar. Der reiserechtliche Anwendungsbereich erfordere eine Gesamtheit von Reiseleistungen. Die bloße Vermietung eines Wohnmobils reiche hierzu grundsätzlich nicht aus.

Wird die gebuchte Reiseleistung jedoch veranstaltermäßig erbracht – sprich ist die Einzelleistung in einem engen Zusammenhang mit dem Urlaub als Ganzem zu sehen, so finden die reisevertraglichen Regelungen analoge Anwendung. Da die Buchung des Wohnmobils, aufgrund seiner Eigenart als mobile Behausung im Urlaubsland, eine veranstaltermäßige Leistung darstellt, bestehe daher ein Anspruch auf Minderung des Preises nach §651f BGB analog.

Gründe:

4. Zwischen den Parteien bestehen vertragliche Beziehungen, auf die §§ 651 a ff BGB analog anwendbar sind.

5. Zu Unrecht bestreitet die Beklagte ihre Passivlegitimation für vertragliche Ansprüche des Klägers. Zwischen ihr und dem Kläger wären nur dann keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zustande gekommen, wenn das Reisebüro, über welches der Kläger die hier betroffene Reiseleistung der Beklagten gebucht hat, nicht seinerseits als bloßer Vermittler zwischen Kläger und Beklagter, sondern selbst als Reiseveranstalter anzusehen wäre, weil es etwa diverse Einzelleistungen, u.a. seitens der Beklagten, dem Kläger gegenüber als eigene Gesamtleistung wie ein Reiseveranstalter angeboten hätte. Davon kann allein aufgrund der Reisebestätigung/Rechnung durch das Reisebüro nicht ausgegangen werden, wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Maßgebend ist, ob das Reisebüro aus Sicht des Kunden selbst als Veranstalter auftritt (vgl. Führich, Reiserecht, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 88).

6. Davon kann keine Rede sein, wenn ein Reisebüro aus einem oder mehreren Veranstalterkatalogen und möglicherweise zusätzlichen Einzelleistungen bestimmter Leistungsträger (Fluggesellschaft/Hotel) für einen Kunden nach dessen Wünschen eine Anzahl von Reiseleistungen zusammenstellt, die in ihrer Gesamtheit ganz oder teilweise die für die geplante Urlaubsreise des Kunden gewünschten Leistungen enthält. Das Reisebüro bleibt auch in diesem Fall bloßer Vermittler. Anders ist es nur, wenn es für eine bestimmte, von ihm zusammengestellte Reise wirbt, sie als Gesamtleistung anbietet und so selbst als Reiseveranstalter auftritt. Dafür fehlt vorliegend jeder Anhalt.

7. Auf die danach bestehenden unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zwischen Kläger und Beklagter findet das Reisevertragsrecht entsprechende Anwendung.

8. Unmittelbar findet Reisevertragsrecht entgegen der Auffassung des Klägers keine Anwendung. Wie die Beklagte zu Recht hervorhebt, fehlt es an der Verpflichtung zur Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen, § 651 a Abs. 1 BGB, d.h. wenigstens zwei Reiseleistungen, deren eine nicht völlig untergeordneter Natur ist. Die Beklagte hatte dem Kläger lediglich das bei ihr gebuchte Mobilheim zur Verfügung zu stellen. Daß auch die übrigen Leistungen, d.h. Flug Düsseldorf – San Francisco und zurück sowie zwei Hotelübernachtungen in San Francisco bei ihr gebucht worden wären, trägt der Kläger trotz Bestreitens der Beklagten nicht hinreichend vor. Aus der  Reisebestätigung/Rechnung des Reisebüros vom 14.2.1993 geht dies nicht hervor. Daß die Beklagte auch Flüge und Hotels oder Pauschalarrangements einschließlich Transferleistungen anbietet, spricht nicht dafür, daß sie auch die anderen Reiseleistungen schuldete. Die vom Kläger gebuchte Reise mit ihren drei Bestandteilen bietet die Beklagte jedenfalls als Pauschalreise nach ihrem Katalog 1993 nicht an; nicht einmal das gebuchte Hotel in San Francisco wird von ihr als Hotelleistung laut Katalog angeboten.

9. Das Reisevertragsrecht ist dann entsprechend anwendbar, wenn eine einzelne Reiseleistung von einem Reiseveranstalter veranstaltermäßig erbracht wird. Dies entspricht herrschender Meinung beim sogenannten Ferienhaus-​Vertrag. Aber auch bei sonstigen Einzelbuchungen über einen Reiseveranstalter aus einem Veranstalterkatalog kommt eine analoge Anwendung in Betracht, sofern der Urlaubszweck als Vertragsbestandteil anzusehen ist (vgl. Führich, a.a.O., § 7 Rdnr. 89 und 91), was bei einem Nur-​Flug oder einem Nur-​Mietwagen aus einem Veranstalterprogramm zweifelhaft erscheinen mag. Vorliegend wurde indes nicht einfach ein Mietwagen für eine bestimmte Zeit gebucht, sondern ein Mobilheim, bei welchem der Urlaubszweck durch die Kombination von Unterkunft und Mobilität in Verbindung mit dem Umstand der Gestellung am Ausgangspunkt der Mobilheimreise ersichtlich im Vordergrund steht.

10. Dementsprechend hat der Senat auf einen Vertrag, der die Bereitstellung eines Mobilheims durch einen Reiseveranstalter vorsieht, ebenso wie andere Gerichte Reisevertragsrecht entsprechend angewendet. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH zur Bootscharter, die durchaus auf Kritik gestoßen ist, gibt dem Senat keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung bezüglich der Bereitstellung eines Mobilheims durch einen Reiseveranstalter abzuweichen. Anders als eventuell bei einer Bootscharter steht jedenfalls beim Mobilheim wie ausgeführt ersichtlich der Urlaubszweck im Vordergrund. Die ebenfalls von der Beklagten angeführte Entscheidung des Amtsgerichts München steht der Rechtsprechung des Senats schon deswegen nicht entgegen, weil aus ihr nicht hervorgeht, ob das Wohnmobil von einem Reiseveranstalter veranstaltermäßig angeboten worden war oder nicht.

11. Daß die Beklagte grundsätzlich Reiseveranstalterin ist, kann angesichts ihres Reisekataloges ebensowenig zweifelhaft sein wie die Tatsache, daß sie die darin beschriebenen Wohnmobile veranstaltermäßig anbietet. Sie geriert sich selbst nicht ausdrücklich als bloße Vermittlerin; sie bietet die Mobilheime – wie im übrigen auch die sonstigen darin als Einzelleistungen aufgeführten Mietwagen/Flüge/Hotels – als ihre Leistung zu ihren Preisen und ihren Konditionen mit ihren Zusatzpaketen/-​vergünstigungen an.

12. Dafür, daß die Beklagte sich – ungeachtet der Art der in ihrem Katalog angebotenen Einzel- oder Gesamtleistungen – selbst als dem Reisevertragsrecht unterworfenen Reiseveranstalter sieht, sprechen schließlich auch ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Bl. 258 ihres Kataloges), die sie selbst „in Ergänzung der allgemeinen Bestimmungen des Reisevertragsgesetzes” als vereinbart sieht für den mit ihrem Gast geschlossenen, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen mehrfach erwähnten „Reisevertrag”, und zwar ohne Differenzierung hinsichtlich der angebotenen und/oder gebuchten Leistungen; entsprechend bezeichnet sie sich selbst abschließend auch ausdrücklich als „Reiseveranstalter”.

13. Abschließend weist der Senat darauf hin, daß die Beklagte angesichts ihrer eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Angebots auch einzelner Reiseleistungen als ihre Leistungen jedenfalls nicht lediglich als Vermittlerin angesehen werden könnte; sie selbst müßte als Vermieterin oder Werkunternehmerin angesehen werden mit der Folge, daß sich jedenfalls hinsichtlich etwaiger Minderungsrechte des Reisegastes keine wesentlichen Unterschiede ergäben.

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