Rechtskräftiger Vertragsschluss
AG Andernach: Rechtskräftiger Vertragsschluss
Der Kläger, ein Reiseveranstalter, verlangt von einem Verbraucher eine Stornierungspauschale, weil dieser eine zuvor gebuchte Reise kündigte. Der beklagte Verbraucher weigert sich der Zahlung, weil der Vertragsabschluss in einer für ihn ungünstigen Situation, während einer Sportveranstaltung, zustande gekommen war.
Das Amtsgericht Andernach hat dem Kläger Recht zugesprochen. Die Sportveranstaltung habe die freie Willensentschließung des Beklagten nicht wesentlich beeinträchtigt. Der Vertrag sei folglich wirksam geschlossen worden.
AG Andernach | 6 C 332/04 (Aktenzeichen) |
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AG Andernach: | AG Andernach, Urt. vom 17.09.2004 |
Rechtsweg: | AG Andernach, Urt. v. 17.09.2004, Az: 6 C 332/04 |
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Leitsatz:
2. Während einer Sportveranstaltung abgeschlossene Verträge sind rechtskräftig.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger, ein Reiseveranstalter, verlangt vom Beklagten die Zahlung einer Stornierungspauschale. Der beklagte Urlauber hatte beim Kläger eine mehrwöchige Urlaubsreise gebucht und war anschließend vom Vertrag zurückgetreten. Weil er den Reisevertrag am Rande einer Sportveranstaltung unterschrieben hatte, ist der Verbraucher der Meinung, der Vertrag sei nicht rechtskräftig zustande gekommen. Er verweigert die Zahlung der Stornogebühr.
Der Kläger besteht auf die Gültigkeit des Vertrags.Er belegt seine Forderung mit einem durch die Beklagte ausgefüllten Dokument mit der Überschrift „Reiseanmeldung“.
Das Amtsgericht Andernach hat der Klage stattgegeben. Ein vom Beklagten umschriebener Umstand, der ihn daran gehindert habe einen eigenständigen Willensentschluss zu fassen, sei vorliegend nicht gegeben.
§312 BGB regele die Zulässigkeit von Verbraucherverträgen, die im Rahmen von unternehmerisch organisierten Freizeitveranstaltungen geschlossen werden.
Hiernach sei ein solcher Vertrag nur dann ungültig, wenn der Verbraucher durch die vom Unternehmer organisierten Aktivitäten bewusst in eine bestimmte Stimmung versetzt werden soll und die Organisation der Veranstaltung ihn in eine Drucksituation versetzt, in der er keine klare Entscheidung treffen kann.
Vorliegend wurde dem Beklagten ein Reiseangebot an einem einzelnen Stand abseits des Hauptgeschehens unterbreitet. Der Unternehmer wirkte in keinster Weise manipulativ auf ihn ein.
Der Vertrag sei somit wirksam zustandegekommen, was die Zahlungsaufforderung des Klägers begründe.
Tenor:
4. werden die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt.
Gründe:
5. Die Klägerin hat zunächst Ansprüche aus § 651 i BGB geltend gemacht.
6. Sie ist der Ansicht, dass der Beklagte am 07.07.2002 anlässlich des Besuchs der Deutschen Leichtathletik Meisterschaften verbindlich eine Reise gebucht habe. Wegen der Buchung wird auf die Kopie des mit den Worten „Reiseanmeldung“ überschriebenen Formulars (Bl. 8 d.A.) verwiesen.
7. Danach hätte der Beklagte für eine Reise vom 12.08. bis 30.08.2004 einen Reisepreis von 3.830,00 Euro zahlen müssen. Hinzu wäre noch der Abschluss eines Versicherungspakets für 29,00 Euro gekommen.
8. Ferner habe der Beklagte eine Reiserücktrittskostenversicherung abgeschlossen gegen eine Prämie von 114,00 Euro.
9. Der Beklagte stornierte die Reise spätestens im Oktober 2003. Der genaue Zeitpunkt ist streitig.
10. Die Klägerin begehrt nun 20 % des Reisepreises als Stornoentschädigung entsprechend der vereinbarten AGB (vgl. zu diesen Bl. 9 d.A.), zzgl. des Entgelts für die Versicherungen.
11. Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben und die Klage durch die Klägerin wegen der vorgerichtliche Kosten von 6,38 Euro sowie der Verzugszinsen seit 20.11.2003 zurückgenommen wurde, war nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
12. 0Die Kostenentscheidung ist, soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, gemäß § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sachund Streitstandes zu treffen.
13. Dies führt dazu, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da er bei Fortführung des Prozesses unterlegen wäre.
14. Der Klägerin stand ein Anspruch aus § 651 i BGB i.V.m. Ziff. 5 der AGB ein Anspruch auf 20 % des Reisepreises zu.
15. Der Beklagte hat verbindlich eine Reise nebst Versicherung gebucht.
16. Soweit er zunächst darauf verwiesen hat, er habe keine verbindliche Buchung vorgenommen, so überzeugt dies nicht. Er hat ein Formular unterschrieben, welches klar und deutlich mit „Reiseanmeldung“ überschrieben war. Hierin lag eindeutig eine verbindliche Buchung.
17. Soweit der Beklagte pauschal behauptet, er habe keinen Geschäftswillen gehabt, ist dieser Vortrag angesichts der Gesamtumstände, substanzlos und damit unbeachtlich.
18. Der Vertrag unterliegt auch nicht § 312 BGB, so dass auch kein Widerrufsrecht bestand.
19. Ein Vertrag unterliegt § 312 Abs. 1 Ziff. 2 BGB dann, wenn bei einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat, der Verbraucher zu dessen Abschluss anlässlich einer vom Unternehmer oder einem Dritten zumindest auch im Interesse des Unternehmers durchgeführten Freizeitveranstaltung bestimmt worden ist.
20. Freizeitveranstaltungen sind solche Veranstaltungen, bei denen der Verkehr nach dem von der Ankündigung und Durchführung geprägten Gesamtbild von einem Freizeiterlebnis ausgeht, angesichts dessen für die Teilnehmer weniger die eigentliche gewerbliche Zielsetzung des Veranstalters im Vordergrund steht und deshalb die Gefahr gegeben ist, dass der Kunde durch das Freizeitangebot vom eigentlichen Zweck der Veranstaltung abgelenkt und unter Beeinträchtigung seine rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit für die Verkaufsabsichten des Veranstalters gewogen gemacht wird (BGH NJW-RR 1991, 1524, BGH NJW 2002, 3100, BGH NJW 2004, 362).
21. Voraussetzung hierfür ist, dass das Freizeitangebot und die Verkaufsveranstaltung derart organisatorisch miteinander verwoben sind, dass der Kunde mit Blick auf Ankündigung und Durchführung der Veranstaltung in eine freizeitlich unbeschwerte Stimmung versetzt wird und sich dem auf einen Geschäftsabschluss gerichteten Angebot nur schwer entziehen kann, sei es, dass die örtlichen Gegebenheiten und der zeitliche Ablauf der Veranstaltung es dem Verbraucher nicht ohne weiteres ermöglichen, sich ungehindert zu entfernen, sei es, dass Gruppenzwang oder Dankbarkeit für das Unterhaltungsangebot bei ihm das Gefühl wecken, dem Verkaufsunternehmen verpflichtet zu sein (BGH NJW 2002, 3100).
22. Der Begriff der Freizeitveranstaltung ist also von zwei zusammenwirkenden, in einer Wechselwirkung zueinander stehenden Faktoren bestimmt. Dies ist zum einen der Freizeitcharakter der Veranstaltung, die den Verbraucher in eine bestimmte Stimmungslage versetzen soll und zum anderen die Organisationsform der Veranstaltung, der sich der Kunde nur schwer entziehen kann (BGH NJW 2002, 3100).
23. Zumindest die letzte genannte Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
24. Es ist nicht ersichtlich, dass die Interessenten, die sich anlässlich des Besuchs der Deutschen Leichtathletik Meisterschaften am Informationsstand der Klägerin nach Sportreisen erkundigt haben, diesem Angebot gar nicht haben entziehen können, so dass die vom Gesetz vorausgesetzte besondere „Drucksituation“ gar nicht vorhanden war. Jedenfalls ist hierfür nichts vorgetragen worden. Allein ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang des gewerblichen Angebots mit dem freizeitlich geprägten Rahmen ist nicht ausreichend.
25. Nach alledem unterfiel der Vertragsschluss nicht dem § 312 BGB.
26. Mithin ist die Klägerin berechtigt gewesen, angesichts der Stornierung der Reise den Stornobetrag entsprechend ihrer AGB zu fordern. Es kann hier dahinstehen, ob der Beklagte schon im Oktober 2002 die Stornierung erklärt hat, weil die Stornogebühr identisch gewesen wäre.
27. Soweit die Klägerin die Versicherungsprämie für die Reiserücktrittskostenversicherung verlangt hat, stand ihr diese auch in voller Höhe zu. Die Versicherung war ja gerade für den Stornofall geschlossen worden.
28. Sofern die Klägerin auch die übrigen Versicherungsprämien verlangt hat, kann dahinstehen, ob sie insoweit einen Anspruch gehabt hätte. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, dann hätte die daraus resultierende Zuvielforderung von 29,00 Euro dazu geführt, der Klägerin Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da die Zuvielforderung nur sehr gering gewesen wäre.
29. Soweit die Klägerin die Klage wegen der vorgerichtlichen Kosten und der Verzugszinsen zurückgenommen hat, war ihr gemäß §§ 269, 92 ZPO keine Quote aufzuerlegen, da keine Mehrkosten entstanden sind.
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