Mängel Kreuzfahrt Nordwest-Passage Anchorage
LG Hamburg: Mängel Kreuzfahrt Nordwest-Passage Anchorage
Ein Reisegast nimmt einen Reiseveranstalter auf Entschädigung wegen einer Reisepreisminderung in Anspruch. Die gebuchte Reise wich wegen witterungsbedingten Änderungen erheblichen von der geplanten Route ab. Einige Etappenziele wurden aus Zeitgründen komplett ausgelassen. Der Reiseveranstalter bot zwar dem Reisegast eine kostenfreie Wiederholung dieser Reise an, aber der Kläger musste dies aus Zeitmangel ablehnen.
Das Gericht entschied, dem Kläger eine Entschädigung wegen eines Reisemangels zuzusprechen. Die Reise entsprach nicht der gebuchten Katalogreise.
LG Hamburg | 310 O 26/07 (Aktenzeichen) |
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LG Hamburg: | LG Hamburg, Urt. vom 31.07.2007 |
Rechtsweg: | LG Hamburg, Urt. v. 31.07.2007, Az: 310 O 26/07 |
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Leitsatz:
2. Weicht eine Reiseroute erheblich von der gebuchten Reiseplanung ab, so hat der Reisende ein Anspruch auf eine Reisepreisminderung.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger für sich und seine Frau eine 20- tägige Schiffsreise. Die Reise beinhaltete die Durchquerung der Nordwest – Passage, mit welcher auch geworben wurde. Die Leistungen für diese Reise beinhaltete nach der Ankunft in Anchorage einen Weiterflug und Hubschraubertransfer auf den russischen Eisbrecher „K K“ und die Durchquerung der Nordwest-Passage mit Stops auf der Ittygran-Insel, Herschel Island, Holman, Cambridge Bay und Beechey Island. Es wird in der detailierten Reisebeschreibung auch darauf hingewiesen, dass sich Änderungen bzgl. Routenverlauf witterungsbedingt ändern können, da dies nicht beeinflussbar sei. Des Weiteren heißt es, dass die Grundeigenschaften der Reise aber unverändert bleiben.
Der Reisveranstalter muss den Kunden über solche Änderungen unverzüglich in Kenntnis setzen. Bereits kurz nach Start dieser Kreuzfahrt kam es durch das Packeis zu einer Verzögerung von 7 Tagen. Zum Ende der Reise konnten nur noch Victoria Island und damit Cambridge Bay erreicht werden. Von dort wurden die Teilnehmer der Reise ausgeflogen. Die geplanten und beworbenen anderen Etappenziele konnten dadurch aus Zeitmangel, nicht wahrgenommen werden. Der Reiseveranstalter bot den Passagieren daher an, diese Reise kostenlos noch einmal zu wiederholen. Der Kläger lehnte dieses Angebot aber ab. Er erhebt Anspruch gegen die Beklagte, den Reiseveranstalter auf Reisepreisminderung, Verspätung des Hinfluges nach Anchorage, das umsonst gebuchte Hotelzimmer und die entgangene Urlaubsfreude, durch das festsitzen des Schiffes im Packeis.
Das Gericht entschied. die Klage zuzulassen und sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 6.018,00 € zu. Die Reise wies erheblich Mängel auf, sie war trotz eingeschränkter Witterungsbedingungen nicht wie im Reisekatalog beschrieben.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 6.018,00 (Euro: sechstausendachtzehn 00/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03. Januar 2007 zu zahlen sowie weitere EUR 305,95 (Euro: dreihundertundfünf 95/100). Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 30% und die Beklagte zu 70%.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
7. Der Kläger verlangt von der Beklagten Reisepreisminderung.“
8. Der Kläger buchte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten für sich und seine Frau eine 20-tägige Schiffsreise mit dem Titel „Die legendäre Nordwest-Passage […]“, die vom 17. Juli 2006 bis 05. August 2006 stattfand. Der Reisepreis betrug insgesamt EUR 27.580,00.
9. Vorgesehen war nach der Anreise nach Anchorage ein Weiterflug und Hubschraubertransfer auf den russischen Eisbrecher „K K“ und die Durchquerung der Nordwest-Passage mit Stops auf der Ittygran-Insel, Herschel Island, Holman, Cambridge Bay und Beechey Island. Wegen der Einzelheiten wird auf die Reiseausschreibung aus dem Katalog der Rechtsvorgängerin der Beklagten verwiesen (Anl. K 3).
10. In der Beschreibung wird darauf hingewiesen, dass Änderungen des Reiseverlaufs und Programms aufgrund der extremen Wetter- und Eisverhältnisse sowie behörderlicher Genehmigungen ausdrücklich vorbehalten bleiben.
11. In Ziffer 4 der Allgemeinen Reisebedingungen wurde vereinbart:
„ Änderungen oder Abweichungen einzelner Reiseleistungen von dem vereinbarten Inhalt des Reisevertrags, z.B. die Änderung von Routen wegen unvorhersehbarer Witterungshindernisse, die nach Vertragsschluss notwendig werden und die vom Reiseveranstalter nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wurden, sind nur gestattet, soweit die Änderungen oder Abweichungen nicht erheblich sind und den gesamten Zuschnitt der gebuchten Reise nicht beeinträchtigen. Eventuelle Gewährleistungsansprüche bleiben unberührt, soweit die geänderten Leistungen mit Mängeln behaftet sind.
12. Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, den Kunden über Leistungsänderungen oder Abweichungen unverzüglich in Kenntnis zu setzen […].“
13. Das Schiff fuhr sich am 23. Juli 2006 im Packeis fest. Bis zum 29. Juli 2006 konnten nur wenige Meilen zurückgelegt werden. Erst dann gelang es, das Packeis zu verlassen und wieder Fahrt aufzunehmen. Herschel Island, das programmgemäß am 24. Juli 2006 erreicht werden sollte, wurde tatsächlich erst am 31. Juli 2006 erreicht. Zum Ende der Reise konnten nur noch Victoria Island und damit Cambridge Bay erreicht werden. Von dort wurden die Teilnehmer der Reise ausgeflogen.
14. Den Teilnehmern der Reise wurde eine Zodiacanlandung auf Herschel Island ermöglicht sowie ein Hubschrauberflug nach Victoria Island zum Besuch von Moschusochsen. Alle anderen vorgesehenen Ziele/Anlandungen mit Zodiac/Hubschrauberflüge, die sich aus der Reiseausschreibung (Anl. K3) oder wie sie sich aus der Reisebeschreibung von Q E ergeben (Anl. K5), konnten aus Zeitmangel auf der Fahrt von Herschel Island nach Cambridge Bay nicht durchgeführt werden. Die Passagiere haben am 26. und 28. Juli und am 02. August Schreiben von Seiten der Veranstalter erhalten, in denen die eisbedingten Probleme erklärt werden und der weitere Verlauf der Reise dargelegt wurde (Anl. B2).
15. Der Leistungserbringer Q E, hat den Teilnehmern angeboten, auf dem Schiff zu verbleiben und die nächste Reise kostenfrei mitzumachen, wovon 41 Teilnehmer Gebrauch machten. Der Kläger hat dieses Angebot nicht angenommen.
16. Weiter rügt die Klägerseite, dass der Flug von Denver nach Anchorage 3,5 Stunden, der von Cambridge Bay nach Ottawa ca. 7 Stunden und der von Montreal nach Frankfurt ca. 4 Stunden Verspätung hatte. Die Ankunft im Hotel in Ottawa erfolgte am 04. August 2006 um ca. 08:15 Uhr, so dass die gebuchte Übernachtung nicht in Anspruch genommen werden konnte, sondern lediglich noch für 3 Stunden in einem Tagesraum des Hotels eine Ruhepause eingelegt werden konnte.
17. Die Beklagte hat an den Kläger ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einen Betrag in Höhe von EUR 2.256,00 zurückgezahlt.
18. Der Kläger ist der Ansicht, dass mindestens 7 Tage der Reise, nämlich die im Packeis verbrachten Tage zwischen dem 23. und 29. Juli 2006, insgesamt völlig wertlos waren.
19. Hinzu käme die Entwertung der Reise insgesamt in ihrem Gesamtzuschnitt und Gesamtcharakter.
20. Der Kläger ist daher der Ansicht, dass mindestens eine Reisepreisminderung in Höhe von 7/18 vorzunehmen sei. Unter Abrechnung der erfolgten Teilzahlung in Höhe von EUR 2.256,00 müsse die Beklagte noch EUR 8.469,56 zahlen.
22. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 8.469,56 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. Januar 2007 sowie weitere EUR 333,85 zu zahlen.
25. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Zeit, die das Schiff im Packeis eingeschlossen war, nicht als „völlig wertlos“ angesehen werden könne, da der Kläger neben der Inanspruchnahme von Unterkunft, Verpflegung und Serviceangeboten an Bord der „K K“ auch an einem Hubschrauberausflug mit Landungen auf einer Eisscholle teilgenommen hat.
26. Weiter ist die Beklagte der Ansicht, dass eventuelle Einflüsse des schlechten Wetters nicht in die Veranstalterhaftung fallen, sondern zum hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden gehören.
Entscheidungsgründe:
27. Die Klage ist zulässig und auch überwiegend begründet. Der Kläger ist berechtigt, den für die Reise geschuldeten Reisepreis um 30% zu mindern (§651 d BGB).
28. Zwischen den Parteien ist ein Reisevertrag zustande gekommen. Die von der Beklagten geschuldete Leistung ergibt sich aus diesem Reisevertrag in Verbindung mit den Angaben in der Reisebeschreibung gemäß Anlage K3. Insofern wird das Leistungsspektrum nicht dadurch eingeschränkt, dass in der Reisebeschreibung von Q E, dem Leistungsträger der Beklagten, durch die Verwendung des Konjunktivs Programmpunkte als unverbindlich signalisiert werden (Anl. K5).
29. Die Reise ist auch im Sinne des §651c Abs. 1 BGB mangelhaft.
30. Die Tatsache der Durchfahrt der legendären Nordwest-Passage wird im Prospekt als herausragendes Merkmal der Reise deutlich herausgestellt. Dass dieses Programm eisbedingt nicht durchgeführt worden ist, beeinträchtigt den Wert der Reise erheblich und kann nicht als hinzunehmende Unannehmlichkeit gewürdigt werden.
31. Die Beklagte kann sich nicht auf Ziffer 4 der Allgemeinen Reisebedingungen berufen, da die vorgenommene Änderung den gesamten Zuschnitt der gebuchten Reise beeinträchtigt (vgl. LG Frankfurt, NJW-RR 1995, S. 882).
32. §651c BGB begründet eine umfassende verschuldensunabhängige Einstandspflicht des Reiseveranstalters für den Erfolg der Reise. Der Reiseveranstalter trägt grundsätzlich die Gefahr des Misslingens der Reise. Damit haftet der Reiseveranstalter nicht nur für Reisemängel, die auf einem Fehlverhalten seiner Angestellten und der Leistungsträger beruhen, sondern auch für situationsbedingte Beeinträchtigungen, die auf höhere Gewalt zurückgehen (Münchner Kommentar zum BGB, § 651 c, Rn. 3; Palandt-Sprau, § 651 c, Rn. 2).
33. Dies ergibt sich bereits dadurch, dass der Gesetzgeber in §651j BGB ausdrückliche Regelungen für den Fall von Mängeln aufgrund höherer Gewalt getroffen hat.
34. Kündigt danach keiner der Vertragsparteien, haftet der Reiseveranstalter auch für die durch höhere Gewalt verursachten Mängel, beispielsweise für ausgefallene Landausflüge oder Nichtanlaufens eines Hafens wegen schlechten Wetters (BGH NJW 1980, S. 2189, LG Hamburg, NJW-RR 1998, S. 708). Es ist daher unerheblich, ob die Eisverhältnisse für die Beklagte vorhersehbar waren oder nicht.
35. Der Kläger hat seine Ansprüche innerhalb eines Monats bei der Beklagten geltend gemacht (§651g Abs. 1 S. 1BGB).
36. Wegen des festgestellten Mangels ist der Reisepreis gemäß §§ 651 d, 441 Abs. 3 BGB im Verhältnis des Wertes der geschuldeten mangelfreien Reise zu der durchgeführten mangelhaften Reise herabzusetzen.
37. Die „Frankfurter Tabelle“ mit ihrem allgemeinen Bemessungsmaßstab und ihrem pauschalierten Richtzahlensystem ist auf die vorliegende Reise nicht anwendbar, da sie dem Einzelfall und der vorliegenden besonderen Natur der Reise nicht hinreichend Rechnung trägt.
38. Die Durchfahrt der Nordwest-Passage als legendärer, lange gesuchter Seeroute um Nordamerika herum, deren Entdeckung viele Versuche tragischen Scheiterns vorausgingen, ist von herausgehobener Bedeutung für einen Erfolg der Reise.
39. Im Hinblick auf das Fehlen der als herausragendes Merkmal angepriesenen Durchfahrt sowie auf die sonstigen unbestrittenen Umstände des Einschlusses des Schiffes im Eis und deren Folgen erachtet die Kammer im Wege der Schätzung nach §§441 Abs. 3 S. 2 BGB, 287 Abs. 2 ZPO eine Minderung in Höhe von 30% des Reisepreises für angemessen (vgl. auch LG Frankfurt, NJW-RR 1995, S. 882 für eine ähnliche Konstellation).
40. Von der so errechneten Minderung von EUR 8.274,00 ist die bereits geleistete Zahlung in Höhe von EUR 2.256,00 in Abzug zu bringen, so dass die Beklagte noch zur Rückzahlung des Reisepreises in der ausgeurteilten Höhe verpflichtet blieb.
41. Eine weitere Minderung wegen der Flugverspätungen schied aus. Die Verspätung von 3,5 Stunden auf einem Interkontinentalflug berechtigt nicht zu einer Minderung des Reisepreises (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, S. 1330). Die Verspätung auf dem Rückflug rührt aus dem Umstand her, dass die „K K“ im Eis stecken geblieben ist und ist von der oben dargelegten Minderung umfasst.
42. Die Beklagte ist weiter verpflichtet, die vorprozessualen, nicht anrechenbaren Anwaltskosten des Klägers nach einem Streitwert von EUR 6.018,00 zu zahlen (§§280, 286 BGB).
43. Die Kostenentscheidung folgt aus §92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §709 ZPO bzw. §§708 Nr. 11, 711 ZPO.
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